Die Reise nach Schendi das tief im Süden liegt, dauert mehrere Tage, auch wenn die Winde günstig sind, wie es jetzt der Fall war.
»Meinst du, sie wird eine gute Sklavin abgeben?« fragte Sasi die neben mir stand und eine Larma aß. Wir beobachteten, wie der Zweite Offizier der blonden Sklavin Unterricht in den Positionen einer Vergnügungssklavin gab.
»Mit der Zeit kann etwas aus ihr werden«, erwiderte ich. »Wie kommt ihr im Goreanisch-Unterricht voran?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich unterrichte sie, so gut ich kann«, entgegnete sie. »Barbarinnen sind ja so dumm!«
Auf Einladung Ulafis hatte ich Sasi angewiesen, dem blonden Mädchen mehrere Stunden täglich Unterricht in der goreanischen Sprache zu geben. Sasi hatte großen Spaß daran und ahndete jeden Fehler recht handgreiflich. Sasi war das Erste Mädchen und genoß diese Position.
Ich schaute auf das blonde Mädchen, das in der angeordneten Position auf dem Deck kniete. Der Zweite Offizier war fortgegangen. Sie regte keinen Muskel. Sie wurde vorzüglich ausgebildet.
»Ich hasse sie!« sagte Sasi.
»Warum?« wollte ich wissen.
»Sie ist dumm!«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Vergiß nicht, daß sie eine schwere Zeit durchmacht. Außerdem ist sie nur eine Barbarin.«
Ich hatte wirklich nicht den Eindruck, daß sie sich ungeschickt anstellte; sie schien ziemlich schnell zu lernen. Ich hatte das Gefühl, daß sie sich hervorragend machen würde.
»Wirst du mich heute nacht wieder ein bißchen unterrichten, Herr?« fragte Sasi.
»Vielleicht.«
Ich hatte sie bereits über jene Grenzen hinausgeführt, die eine freie Frau kennt. Gelegentlich holte ich sie nachts aus dem Käfig, dessen Schlüssel ich besaß. Nach den ersten drei oder vier Tagen hatte sich ihre Einstellung zum Sklavenkragen bereits erheblich geändert. Ein interessanter Wandel, den jede freie Frau durchmacht.
Sasi biß in ihre Larmafrucht.
In den ersten beiden Tagen hatte das blonde Mädchen keinen Bissen herunterbekommen. Sie hatte die Breiund Fischspeisen, die ihr vorgesetzt wurden, mit Abscheu betrachtet. Doch schon am dritten Tag hatte sie den Napf leergeleckt, der ihr durch das Gitter zugeschoben wurde.
»Findest du sie hübsch, Herr?« fragte Sasi.
»Ja«, antwortete ich. Und das stimmte. Sie schien an Attraktivität zugenommen zu haben. Vermutlich lag es an der Bewegung und an der frischen Luft. Und natürlich an den neuen Erkenntnissen, die sie gewann.
»Ist sie hübscher als ich?« Sasi ließ nicht locker.
»Ihr seid auf unterschiedliche Weise hübsch«, antwortete ich. »Ihr werdet beide hervorragende kleine Sklavinnen abgeben.«
»Oh«, sagte Sasi. »Gefalle ich dir, Herr?« erkundigte sie sich.
»Ja«, erwiderte ich. »Besonders, seit du gebadet hast.«
»O Herr!« rief sie.
Gleich am ersten Tag unserer Reise hatte ich sie von Kopf bis Fuß mit Seewasser abgeschrubbt.
»Wann hattest du dich das letzte Mal gewaschen?« fragte ich weiter.
»Ich glaube, vor etwa einem Jahr warf mich mal ein Mädchen in den Süd-Kanal«, antwortete sie.
»Aha.«
»Nimmt es der Herr denn so genau?« fragte sie.
»Im allgemeinen nicht – aber was die persönliche Sauberkeit angeht, da erwarte ich künftig von dir eine gewisse Gründlichkeit. Du bist keine freie Frau mehr.«
»Nein, Herr.«
»Du machst dich gut in einem Kragen«, fuhr ich fort. »Du hättest als Sklavin geboren sein können.«
»Auf eine gewisse Weise war ich das auch«, gab Sasi zurück.
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich bin eine Frau«, sagte sie und steckte den letzten Bissen der Larma in den Mund.
Weiße Wolken standen am stahlblauen Himmel. Wenn die Winde nicht nachließen, würden wir Schendi in vier Tagen erreichen. »Warum willst du nach Schendi reisen?« fragte mich Ulafi. Es war später Abend. Wieder stand ich an der Reling.
»Ich bin nie dort gewesen«, antwortete ich.
»Du bist kein Metallarbeiter«, sagte er.
»Ach?« fragte ich.
»Vielleicht kennst du Chungu«, sagte er.
»Du meinst den Wachhabenden«, sagte ich.
»Richtig.«
»Vom Sehen«, antwortete ich. Ich erinnerte mich ziemlich gut an ihn. Er war an mir vorbeigegangen, als ich auf dem Weg zur Pier der Roten Urt gewesen war. Später war er mir außerdem in der Nähe des Pier-Praetors aufgefallen.
»Bevor wir wegen der geflohenen Sklavin Generalalarm gaben«, erklärte mir Ulafi, »versuchten wir sie natürlich selbst wiederzufinden. Weißt du, wir dachten wirklich, wir könnten sie innerhalb weniger Minuten aufgreifen.«
»Natürlich«, bemerkte ich.
»Sie war nackt, eine Barbarin. Wohin hätte sie gehen sollen? Was konnte sie schon unternehmen? Aber sie war schlau. Sie versteckte sich bei den Urt-Mädchen.«
»Es wäre für einen Kapitän aus Schendi sicher auch ein bißchen peinlich gewesen«, sagte ich, »den Verlust eines Mädchens öffentlich eingestehen zu müssen.«
»Möchtest du über Bord geworfen werden?« erkundigte sich Ulafi.
»Nein, bestimmt nicht.«
»Wäre ein solches Eingeständnis nicht für jeden unangenehm gewesen?« fragte Ulafi nachdrücklich.
»Natürlich«, entgegnete ich. »Verzeih mir, Kapitän!«
»Als wir uns dann doch entschlossen, die Hilfe der Wächter in Anspruch zu nehmen«, fuhr Ulafi fort, »ließen wir den Alarm auf das Mädchen ausrufen. Chungu, einer meiner Leute, versuchte die Sklavin in der Nähe des Rand-Kanals aufzuspüren. In jenem Gebiet wurde er Zeuge, wie zwei Räuber, ein Mann und seine Komplizin, von einem Mann besiegt wurden, der wie ein Metallarbeiter gekleidet war. Der Fremde erledigte die beiden mit einer Geschicklichkeit, wie sie von einem Angehörigen der Kaste der Metallarbeiter kaum erwartet werden kann. Und er nahm sich noch die Zeit, das Mädchen zu vergewaltigen, ehe er weiterwanderte.«
»Oh«, sagte ich.
»Du warst der Bursche im Gewand der Metallarbeiter«, fuhr Ulafi fort.
»Ja«, gestand ich.
»Als die Räuber vor den Tisch des Praetors geführt wurden, fiel auf, daß sie mit Knoten gefesselt worden waren, wie sie ein Krieger kennt«, sagte Ulafi.
»Mag sein«, erwiderte ich.
»Warum reist du nach Schendi?« fragte Ulafi.
»Wenn du wußtest, daß ich nicht der Kaste der Metallarbeiter angehöre«, fragte ich, »warum hast du mich dann das blonde Mädchen brandmarken lassen?«
»Ich wollte sehen, was du tust«, erwiderte er.
»Das barg die Gefahr, daß ich dir den Schenkel des Mädchens verdorben hätte.«
»Das Zeichen ist perfekt herausgekommen«, sagte Ulafi.
»Was dir doch beweisen müßte, daß ich wirklich Metallarbeiter bin.«
»Nein«, gab er zurück, »daß du Krieger bist. Dafür spricht auch die Art und Weise, wie du dich bewegst, wie du um dich blickst, wie du dich setzt.«
Ich schaute auf das Meer hinaus. Die drei Monde standen hoch am Himmel. Das Thassa funkelte.
»War es für dich wichtig, Port Kar genau in diesem Augenblick zu verlassen?«
»Ich glaube schon«, antwortete ich.
»Warum hast du dir gerade Schendi ausgesucht?« fragte er weiter.
»Kann man in Schendi denn nicht ein Vermögen verdienen?«
»Man kann in Schendi wohl ein Vermögen verdienen«, sagte er, »es gibt dort aber auch Gefahren.«
»Gefahren?«
»Ja«, antwortete Ulafi, »sogar aus dem Landesinneren, wo sich das Ubarat Bila Hurumas erstreckt.«
»Schendi ist ein Freihafen, der unter der Verwaltung von Kaufleuten steht«, sagte ich.
»Wir hoffen, daß es auch künftig so bleibt«, sagte er.
»Dein Verdacht war richtig«, sagte ich. »Ich gehöre der Kriegerkaste an.«
Ulafi lächelte.
»Vielleicht gibt es in Schendi Leute, bei denen ich in Dienst treten könnte.«
»Der Stahl hat stets seinen Preis«, bemerkte Ulafi und schien sich abwenden zu wollen.
»Kapitän!« sagte ich.
»Ja?«
Ich deutete auf das blonde Mädchen im Käfig. »Die Sklavin dort interessiert mich«, sagte ich und blickte Ulafi an. »Auf der Pier sagte Vart etwas davon, er habe einen Silber-Tarsk für sie erhalten. Mir will scheinen, daß ein solches Mädchen, nur durchschnittlich schön, ungeschickt und unausgebildet, des Goreanischen kaum mächtig, bestenfalls zwei oder drei Kupfer-Tarsk wert ist.«
»Ich kann zwei Silber-Tarsk für sie bekommen«, sagte Ulafi.
»Ist denn ihre Haar- oder Hautfarbe in Schendi so selten?« fragte ich.
»Solche Mädchen, auch viel bessere, sind in Schendi billig zu haben«, sagte er. »Du darfst nicht vergessen, daß Schendi der Heimathafen der Schwarzen Sklavenhändler ist.«
»Warum bekommst du dann zwei Silber-Tarsk für sie?«
»Sie steht auf meiner bedingten Suchliste«, entgegnete Ulafi.
»Ich verstehe«, gab ich zurück. Das hatten sich die Kur-Agenten gut ausgedacht. Sie wußten, daß das Mädchen von Cos nach Schendi unterwegs war, auf einer Reise, die gefährlich ist, insbesondere wegen der Piratenattacken von Schiffen aus Port Kar. Es war also vernünftig, Vorsorge zu treffen, sie wegzukaufen, sollte sie versklavt werden und in Port Kar zum Verkauf kommen. Zweifellos waren mit Schendi-Agenten in Tyros und wohl auch Lydius oder Scagnar ähnliche vorsorgliche Vereinbarungen getroffen worden.
»Warum läßt du sie als Sklavin ausbilden?« fragte ich.
»Sie ist nun mal Sklavin«, erwiderte der andere. »Warum also nicht?«
»Stimmt«, sagte ich lächelnd. »Wer ist dein Kunde?«
»Ist dir die Auskunft einen Kupfer-Tarsk wert?« fragte Ulafi.
»Ja«, erwiderte ich.
»Ein Sklavenhändler in Schendi namens Uchafu«, sagte er.
Ich reichte ihm einen Kupfer-Tarsk.
»Ist Uchafu ein wichtiger Sklavenhändler?« fragte ich.
»Nein. Normalerweise hat er im offenen Verkauf niemals mehr als zwei- oder dreihundert Sklaven am Lager.«
»Kommt es dir nicht seltsam vor, daß Uchafu für ein solches Mädchen zwei Tarsk bietet?« fragte ich.
»Ja«, antwortete er. »Offensichtlich führt er dieses Geschäft im Auftrag eines Dritten durch.«
»Und wer wäre das?«
»Das weiß ich nicht.«
»Für die Information würde ich einen Silber-Tarsk bezahlen.«
»Ah«, sagte Ulafi, »wie ich sehe, hast du in Schendi ein Anliegen, das du mir bisher verschwiegen hast.«
»Ein Silber-Tarsk ist geboten.«
»Es bekümmert mich zutiefst«, sagte Ulafi, »aber ich muß gestehen, daß ich es nicht weiß. Es tut mir leid.«
Ich schaute das Mädchen an. Ruhig lag sie im Käfig.
»Ist dir nicht auch aufgefallen, daß sie sich seit Beginn der Reise an ihr Dasein als Sklavin angepaßt hat?« fragte Ulafi.
»O ja«, erwiderte ich. »Sie bewegt sich viel freier. Sie ist nicht mehr so verkrampft und ungeschickt wie am Anfang. Ihre Schönheit steigert sich.«
»Ich frage mich, wer den Auftrag auf sie herausgegeben hat«, sagte er nachdenklich.
»Das wüßte ich auch gern«, sagte ich.
Ulafi wandte sich ab und ging in Richtung Heck davon.
Ich blickte über das Meer. Dann spürte ich die Nähe meiner Sklavin Sasi die neben mir niederkniete.
»Darf ich sprechen?« fragte sie.
»Ja.«
Sie blickte zu mir empor. »Ich erbitte deinen Unterricht, Herr«, sagte sie.
»Leg dich auf meine Felle neben dem Seesack«, antwortete ich. »Ich komme gleich.«
Sie war eine vorzügliche kleine Sklavin, der ich die Wonne ihres Lebens beibringen würde. Ich war froh, daß ich sie gekauft hatte.
Mein Blick blieb am Käfig der blonden Sklavin hängen. Sie, das ahnte ich, war der Schlüssel zu dem Geheimnis; über sie würde ich Shaba und den vierten Ring finden, einen der beiden noch existierenden Ringe, mit dem sich das Licht ablenken ließ. Das Geheimnis dieser Ringe war offenbar mit dem Kur-Erfinder von der Kharrash-Klippe untergegangen. Nach Samos’ Angaben befand sich der fünfte Ring noch irgendwo auf einer der Stahlwelten und würde vermutlich nicht auf Gor oder auf die Erde gebracht werden, um dort in Gefahr zu geraten. Vielleicht wurde mit seiner Hilfe auf der Stahlwelt die Ordnung aufrechterhalten. Geschützt von seiner Unsichtbarkeit, konnte ein Henker nach Belieben kommen und gehen. Wenn es uns gelangt den Tahiri-Ring zurückzuerlangen, den vierten Ring, konnten wir ihn vermutlich im Sardargebirge nachbauen; dieser Ring war von einer Kur-Untergruppe, die den Planeten vor der Vernichtung bewahren wollte, nach Gor gebracht worden. Solche Ringe mochten – sofern die Priesterkönige ihren Einsatz erlaubten – den Kurii das Leben auf Gor erschweren oder unmöglich machen. Mit ihrer Hilfe ließen sich ihre Festungen unterwandern. Sie mochten dazu führen, daß ein einziger Mann eine ganze Armee vernichten konnte. Es freute mich, daß der Ring nach Gor gebracht und mir von einem sterbenden Kur-Krieger in der Tahari übergeben worden war. Ohne ihn hätte ich wohl vor einigen Jahren nicht die Explosion der Sprengstoffe im Stahlturm der Tahari verhindern können, eine Detonation, die Gor und die Priesterkönige vernichten sollte, damit der Weg der Eroberer zur Erde frei wäre. Wir nahmen allerdings an, daß die Kur-Gruppe, die eine Welt opfern wollte, um eine andere zu erringen, auf den Stahlwelten im Augenblick nicht mehr die Oberhand hatte. Halb-Ohr, ein Kriegsgeneral der Kurii, dem ich im hohen Norden begegnet war, hatte dieser Gruppe nicht angehört. Es lag einigermaßen auf der Hand, daß die Kurii wieder einmal mit der Möglichkeit einer Invasion liebäugelten. Sie spürten die Schwäche der Priesterkönige. Warum sollten sie also die Vernichtung einer Welt betreiben, die ihnen wie eine reife Frucht in den Schoß zu fallen schien?
Ich wandte mich ab und ging zu Sasi.