11

Das Mädchen stand vor der dicken Holztür in der dunklen Straße und klopfte energisch viermal, gefolgt von einer Pause, ehe sie noch zweimal anschlug. Neben der Tür brannte eine winzige Tharlarionöllampe. Ich vermochte ihr dunkles Haar und die hohen Wangenknochen auszumachen. Das flackernde gelbe Licht spiegelte sich auf dem Stahlkragen unter ihrem Haar. Sie trug eine ärmellose braune Sklaventunika, die für ein Tavernenmädchen ziemlich zurückhaltend war.

Sie wiederholte das Klopfen im gleichen Rhythmus.

Sie ging barfuß. In der Hand hatte sie ein kleines Stück gelbe Seide zusammengeknüllt – die Uniform, die sie in Pembes Taverne angehabt hatte.

Sie sah nicht übel aus. Ihr dunkelbraunes Haar fiel schulterlang herab.

Schon gestern abend im Goldenen Kailiauk hatte ich festgestellt, daß sie mit einem barbarischen Akzent sprach. Irgendein Unterton hatte mich zu der Auffassung gebracht, daß sie die englische Sprache beherrschen mochte.

Ich bezweifelte nicht, daß sie mit dem Mann zusammenarbeitete, der sich Kungumi nannte. Sie hatte die Haltung des blonden Mädchens unter der Aba genau nachgeahmt. Sie hatte sich zwar als unschuldig ausgegeben, doch hatten Gesicht und Körper sie Lügen gestraft. Kipofu hatte mir offenbart, daß sie nicht Pembe gehörte, dem Besitzer des Goldenen Kailiauk. Zweifellos hatte sie gegen eine Gebühr in seinem Lokal bedienen dürfen – wenn sie Sklavin war, mochte dieser Betrag von ihrem Herrn aufgebracht worden sein. Manchmal treffen Herren solche Dispositionen für ihre Mädchen. Es ist billiger, als für sie Unterkunft in irgendeinem öffentlichen Gehege zu mieten. Pembe würde an solchem Vorgehen nichts Ungewöhnliches finden.

Ich hielt mich im Schatten. In der Tür öffnete sich ein kleines Fenster und wurde wieder geschlossen. Gleich darauf ging die Tür auf.

Im Licht machte ich kurz das vernarbte Gesicht und den krummen Rücken aus – es war der Mann, der sich Kungumi nannte. Er blickte links und rechts, sah mich aber nicht, da ich in der Deckung der Schatten verharrte. Das Mädchen schob sich an ihm vorbei, und er schloß die Tür wieder.

Ich blickte mich um und überquerte sodann die schmale Straße. Die verschlossenen Fenster unterzog ich einer genauen Prüfung. Zwischen den Brettern schimmerten Lichtstreifen.

Drinnen, unweit der Tür, standen das Mädchen und der Mann. Der Vorraum war schlecht beleuchtet.

»Ist er schon da?« fragte das Mädchen.

»Ja«, antwortete der Mann, »er wartet drinnen.«

»Gut«, sagte sie.

»Wir wollen nur hoffen«, fuhr der Mann fort, »daß du heute abend erfolgreicher bist als gestern.«

»Wenn sie nichts weiß, kann ich aus ihr auch nichts herausholen«, fauchte das Mädchen.

»Das stimmt.«

Das Mädchen strich die Vergnügungsseide glatt, die sie in der Hand hielt, und hängte sie in einem offenen Schrank an einen Haken. »Ein widerliches Gewand«, sagte sie. »Da kann man ja genausogut nackt herumlaufen.«

»Ein hübsches Kleidungsstück«, widersprach der Mann, »mit dem übrigen aber bin ich deiner Meinung.«

Sie blickte ihn zornig an.

»Haben heute viele nach dir gefragt?« wollte er wissen.

»Niemand«, sagte sie aufgebracht.

»Das ist interessant.«

»Warum findest du das interessant?« fragte sie mürrisch.

»Ich weiß nicht«, sagte er. »Es will mir nur scheinen, daß sich die Männer für dein Gesicht und deinen Körper interessieren sollten, es aber irgendwie nicht tun.«

»Ich kann sehr anziehend sein, wenn ich will«, sagte sie.

»Das bezweifle ich! Frauen wie du haben doch keine Ahnung, was den Mann wirklich anzieht. Für dich ist das doch nur Schauspielerei, etwas Äußerliches. So etwas durchschaut ein richtiger Mann sofort. Du verwechselst Vorspiegelung mit der Wahrheit, das Künstliche und Nachgeahmte mit der Realität. Du meinst, du könntest reizvoll sein, entscheidest dich aber, es nicht zu sein. So wie du die Dinge siehst, liegt darin ein Wahn. Du tröstest dich mit Lügen und bist somit in der Lage, die wirklich reizvollen Frauen zu verachten und kleinzumachen, aus der Annahme heraus, daß sie nur schauspielern, so wie du es tun würdest. Der Quell der Reize einer Frau liegen in ihr selbst. Sie sind etwas Innerliches. Es kommt aus dem tiefsten Ich. Sie kann nicht anders.«

»Wie die Sleen da im anderen Zimmer?« fragte die Frau.

»Sie hat die Peitsche gespürt und weiß, was männliche Vorherrschaft bedeutet«, sagte er. »Kannst du das von dir auch behaupten?«

»Nein«, sagte sie.

»Ich habe mir die Freiheit genommen, unsere hübsche Gefangene vor deinem Eintreffen ein wenig zu streicheln«, sagte er. »Sie ist recht gefügig.«

»Ich hasse diese Sorte von Frauen«, sagte das Mädchen. »Sie ist schwach, sie ist eine Sklavin, was ich nicht bin.«

Ich sah den Mann lächeln.

»Wenn sie überhaupt etwas weiß«, sagte das Mädchen, »bekomme ich es heute abend aus ihr heraus.«

»Zweifellos«, sagte er.

Zu meiner Überraschung zog das Mädchen daraufhin einen kleinen Schlüssel aus ihrer Tunika.

»Kann ich dir helfen?« fragte er.

»Nein, danke«, sagte sie boshaft. Dann hob sie die Arme, steckte den Schlüssel hinten am Nacken in ihren Sklavenkragen. Durch die Bewegung wurden die Rundungen ihrer lieblichen Brüste angehoben, wie auch der untere Saum ihrer Tunika. Wie ich schon bemerkt hatte, waren ihre Beine hübsch anzuschauen. »Du brauchst mich dabei nicht anzustarren«, sagte sie.

»Verzeih mir!« sagte der Mann und wandte sich ab. Dabei lächelte er. Er begann unter seiner Tunika Schnallen zu öffnen.

Sie nahm den Kragen ab und stellte ihn auf einem Brett im Wandschrank ab. »Ein Kragen!« sagte sie dabei. »Wie barbarisch ist es doch, Frauen in Metallkragen zu stecken!« Sie erschauderte.

Zu meiner Überraschung sah ich, wie der Mann, der Kungumi genannt wurde, unter seiner Tunika einen zusammengeballten Stoffballen hervorholte, an dem einige Schnüre baumelten. Er war nicht groß, doch stand er jetzt schlank und aufrecht da. Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand schälte er sich einen gezackten braunen Streifen Paste von der linken Wange und entfernte damit, was ich für seine Narbe gehalten hatte. Ich mußte an Kipofus Worte denken: ›Er ist bucklig und auch wieder nicht. Sein Gesicht ist vernarbt und dann auch wieder nicht. Sein Bein ist verkrüppelt und dann auch wieder nicht.‹ Trotzdem wußte ich nicht, wer dieser Mann sein mochte. ›Gib die Suche nach ihm auf!‹ hatte Kipofu mich gewarnt. ›Vergiß ihn! Flieh!‹

»Wie lange soll die Farce meines vorgetäuschten Dienstes im Goldenen Kailiauk noch weitergehen?« fragte das Mädchen.

»Heute abend hast du zum letzten Mal den Dienst dort vorgetäuscht«, antwortete der Mann.

»Ausgezeichnet!« meinte sie.

Er lächelte nur.

»Wenn du mich jetzt entschuldigst«, sagte sie abweisend, »möchte ich mir etwas anziehen, das sich für eine Frau besser eignet als diese Tunika.«

»Sind auf deiner früheren Welt alle Frauen so wie du?« fragte der Mann.

»Nicht genug.«

»Wie ich die Männer einer solchen Welt bemitleide!«

»Was meinst du damit – ›meine frühere Welt‹?« wollte sie wissen. »Es ist noch immer meine Welt.«

Der Hauch eines Lächelns spielte um die Mundwinkel des Mannes, der Kungumi genannt worden war. Gleich darauf verließ er den Vorraum, dessen Tür er hinter sich verschloß, und die Frau griff in den Schrank, in dem diverse Kleidungsstücke hingen.

Von meiner Position aus vermochte ich nicht in den anderen Raum zu schauen, der auf den ersten Blick auch keine Fenster hatte. Ich trat auf die dunkle Straße hinaus und erblickte aus einigen Fuß Entfernung ein niedriges, schräges Dach. Die meisten Gebäude in Schendi besitzen auf den Dächern hölzerne Entlüftungsschächte, die sich öffnen und schließen lassen. Oft stehen die Schächte offen, damit die heiße Luft aus den Räumen aufsteigen und entweichen kann. Zu schließen sind sie vom Boden aus durch eine Stange, falls es regnet oder die Insekten zu schwärmen beginnen.

Innerhalb von Sekunden schwang ich mich auf das Dach des Hauses, in dem die Frau und der Mann sich unterhalten hatten. Wie erwartet befand sich über dem Hauptraum ein Entlüftungsgrill. Ich vermochte etwa fünfzehn Fuß tief in das Zimmer hinabzuschauen. Leider war nicht das ganze Zimmer zu übersehen, so konnte ich vor allem die Gestalt nicht erkennen, die ich nach den Worten und Blicken des Mannes und der Frau am Ende des Raums hinter einem kleinen Tisch sitzend vermuten mußte. Von Zeit zu Zeit bekam ich die Bewegung seiner Hände mit, die lang und dunkelhäutig waren und zierliche Finger besaßen.

Sehen konnte ich jedoch den Mann, der sich Kungumi nannte, und die Frau, die die braune Sklaventunika getragen hatte. Außerdem hatte ich freien Ausblick auf die blonde Barbarin, die nackt und gefesselt auf einer dunklen Decke kniete. Noch immer waren ihr die Augen verbunden.

»Tut mir leid, daß ich zu spät komme!« sagte das Mädchen, das sich umgezogen hatte. »Pembe hat mich länger dortbehalten, als mir recht war. Ich mußte zuerst noch einen betrunkenen Ruderer zu Ende bedienen.«

»Welche Opfer wir doch bringen müssen, um unsere heilige Mission zu erfüllen!« sagte der Mann, der Kungumi genannt wurde.

Aufgebracht blickte das Mädchen ihn an. Interessanterweise trug sie jetzt enge schwarze Hosen und ein zugeknüpftes schwarzes Oberteil. Es war zu erkennen, daß ihre Unterkleidung von der Erde stammte. Diese Aufmachung, ergänzt durch Holzschuhe, paßte recht wenig zu der Umgebung.

Es hielten sich noch zwei weitere Männer im Zimmer auf, und ich betrachtete sie mit Erstaunen. Es waren großgewachsene Burschen, kräftig und hager, gehüllt in Felle, geschmückt mit goldenen Armreifen und langen Federn. Bewaffnet waren sie mit hohen ovalen Schilden und langen Stoßspeeren mit kurzen Klingen. Ich war davon überzeugt, daß diese Männer nicht aus Schendi stammten. Sie kamen bestimmt aus dem Landesinneren.

»Fangt an!« verlangte der unsichtbare Mann auf Goreanisch.

Das Mädchen in der Erdenkleidung wandte sich zu der gefesselten Sklavin um. Mit einer Sklavenpeitsche berührte sie die Gefangene am Arm.

»Weißt du, was das ist?« fragte sie auf Englisch.

»Eine Sklavenpeitsche, Herrin«, antwortete das Mädchen in derselben Sprache. Soweit ich mitbekam, waren die beiden die einzigen im Raum, die Englisch verstanden. Das Mädchen in der engen Hose übersetzte allerdings hier und dort einen Satz von dem, was die Blonde sagte.

»Sprich!« forderte das Mädchen in der schwarzen Hose.

»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, sagte die blonde Barbarin weinend. »Bitte schlagen Sie mich nicht mehr!«

»Sprich!« forderte das andere Mädchen.

»Ich heiße Janice Prentiss«, sagte die Sklavin.

»Das war einmal dein Name!« berichtigte sie das Mädchen mit der Peitsche. »Aber sprich mir von wichtigeren Dingen, vom Ring und von den Papieren!«

»Ja, Herrin!« weinte das Mädchen.

»Den Ring und die Papiere, irgendwelche Dokumente«, sagte die Gefangene, »erhielt ich in Cos von einem Mann, der Belisarius heißt. Ich buchte meine Fahrt an Bord der Telnus-Blüte, eines Schiffes aus Cos. Auf hoher See gerieten wir an Piraten, die vermutlich aus Port Kar kamen. Man enterte uns. Es kam zu einem kurzen, aber heftigen Kampf. Unser Schiff wurde erobert. Ich wurde zusammen mit anderen Frauen in ein Netz gesteckt und an Bord eines Piratenschiffes gebracht. Dort wurden wir entkleidet und in Ketten gelegt. Anschließend brachte man uns nach unten und machte uns an Ringen fest. Später wurde ich in Port Kar verkauft, und zwar an den Kaufmann Ulafi aus Schendi. Er brachte mich als Sklavin in diesen Hafen.«

Das Mädchen in der schwarzen Hose schlug zweimal mit der Peitsche zu.

»Der Ring! Die Papiere!« fauchte sie die Schluchzende an.

»Ich wurde gefangen«, ächzte das Mädchen, »ich wurde auf ein anderes Schiff gebracht und in einen dunklen Laderaum gesteckt. Ich weiß nichts!«

»Wie hieß das Schiff, das die Telnus-Blüte überfiel?« fragte das Mädchen in Schwarz. »Wie hieß der Kapitän?«

»Das weiß ich nicht!« klagte die Blonde. »Ich weiß nicht einmal, in welchem Markt ich verkauft wurde.«

»Es war die Sleen von Port Kar«, sagte Kungumi, »unter dem Kommando des Schurken Bejar aus demselben Hafen.«

Ich mußte lächeln. Meiner Ansicht nach war Bejar einer der anständigsten und verantwortungsvollsten Kapitäne von Port Kar.

»Wir wissen das von Uchafu, dem Sklavenhändler, der zuvor mit Ulafi gesprochen hatte«, fuhr der Mann fort.

»Ulafi hätten wir anwerben sollen«, sagte das dunkelhaarige Mädchen. »Für Gold tut der alles.«

»Außer gegen seine Ehrvorstellungen als Kaufmann anzugehen«, sagte Kungumi.

Das zu hören, freute mich, denn ich mochte Ulafi sehr gern. Anscheinend hielt man ihn nicht für einen geeigneten Kandidaten, gestohlene Kreditbriefe auf Verdacht zu erwerben, um sie dann später an den rechtmäßigen Eigentümer weiterzuverkaufen. Sicher gab es viele Kaufleute, die nicht so kleinlich gewesen wären. Solche Umtriebe förderten natürlich das Interesse von Dieben, Kreditbriefe und andere Wertanweisungen zu stehlen. Aus diesem Grund stand der Ehrenkodex der Kaufleute dagegen. Es galt die Vorschrift, solche Dokumente bei Verlust für ungültig zu erklären und neu auszustellen.

»Schicken wir doch ein Schiff nach Port Kar!« sagte das dunkelhaarige Mädchen. »Es soll Bejar den Ring und die Papiere abkaufen.«

»Sei keine Närrin!« antwortete der Mann, der Kungumi genannt wurde. »Bejar hat sich des Rings bestimmt längst entledigt, der keine Bedeutung für ihn haben dürfte, und die Papiere sofort verkauft.«

»Vielleicht würde er alles einem Agenten übergeben, der nach Schendi kommen und die Werte an Shaba verkaufen soll«, äußerte das Mädchen.

»Er würde alles verkaufen«, sagte der Mann. »Bestimmt wäre er auf sicheren Gewinn aus. Ein Agent könnte ihn verraten. Außerdem könnte ein solcher Abgesandter in Schendi nicht mit Gold, sondern mit Stahl abgefunden werden.«

»Dann sind wir verloren«, sagte das Mädchen.

»Den echten Ring aber haben wir noch immer«, sagte der Mann. »Belisarius aus Cos wird, wenn er von dem Geschick der Telnus-Blüte erfährt, zweifellos seine Vorgesetzten verständigen, die dann etwas unternehmen werden. Vielleicht wird ein neuer falscher Ring hergestellt, vielleicht werden neue Dokumente ausgestellt.«

»Wenn er davon erfährt«, sagte das Mädchen.

»Das könnte Monate dauern«, räumte der Mann ein. Dann wandte er sich zu der Gestalt hinter dem niedrigen Tisch um, die ich nicht zu erkennen vermochte. »Du könntest den Ring zu Belisarius nach Cos bringen«, fuhr er fort.

»Ich bin doch kein Dummkopf!« sagte dieser. »Zuerst müssen die Kreditbriefe und Unterlagen nach Schendi kommen.«

»Wie du meinst«, sagte der Mann, der Kungumi genannt wurde, und fuhr erschaudernd fort: »Aber vielleicht kommen sie den Ring holen.«

»Sie?« fragte der Mann hinter dem Tisch.

»Ich habe sagen hören, daß sie den Menschen nicht gleichen«, meinte Kungumi.

»Ich habe keine Angst vor ihnen«, sagte der Mann hinter dem Tisch.

»Gib mir den Ring!« forderte der Mann, der Kungumi genannt wurde. »Ich bewahre ihn sicher auf.«

»Ich bin kein Dummkopf«, wiederholte der andere. »Bring mir die Dokumente!«

»Was ist mit ihr?« fragte das schwarzgekleidete Mädchen und deutete mit der Peitsche auf die blonde Sklavin.

»Ich glaube, sie hat uns alles gesagt, was sie weiß«, meinte Kungumi.

»Was fangen wir nun mit ihr an?« fragte das Mädchen mit der Peitsche.

Kungumi blickte auf die bedrückt dasitzende Sklavin nieder. »Sie ist hübsch«, sagte er nachdenklich. »Lassen wir sie am Leben!«

Er gab den beiden Männern aus dem Binnenland ein Zeichen und sagte etwas zu ihnen. Die Sprache, die er verwendete, konnte ich nicht verstehen. Die beiden ergriffen die Blonde und fesselten sie für den Transport.

Ich hatte genug gesehen. Vorsichtig entfernte ich mich von dem Gitter, glitt über das Dach und ließ mich auf ein niedrigeres Dach hinab und von dort auf die Straße.

Ich fuhr herum.

Die beiden scharfen Speere der schwarzhäutigen Männer waren auf mein Gesicht gerichtet. Sie waren durch die Vordertür ins Freie geeilt, um mich in Empfang zu nehmen.

Wieder ging die Tür auf, und im Licht erblickte ich das Gesicht des Mannes, den man Kungumi nannte. »Tritt ein!« sagte er. »Wir haben dich erwartet.«

Ich richtete mich auf. »In meiner Tunika«, sagte ich, »trage ich zwei Briefe bei mir, die mein Anliegen klarstellen müßten.«

»Beweg dich behutsam!« sagte Kungumi daraufhin.

Langsam und ohne die beiden Speerspitzen aus den Augen zu lassen, zog ich die beiden Briefe heraus. Natürlich hatte ich weder den Ring noch die Kreditbriefe bei mir.

Ich reichte dem Mann an der Tür die beiden Briefe. Er warf einen Blick darauf.

»Der eine«, sagte ich, »ist für einen Mann namens Msaliti.«

»Ich bin Msaliti«, sagte der Mann, den man Kungumi genannt hatte. »Tritt ein!« fuhr er fort.

Ich folgte ihm in das Gebäude, durch den kleinen Vorraum in das größere Zimmer, in das ich durch den Deckengrill geschaut hatte. Die beiden fellgekleideten Riesen traten hinter mir ein.

Drinnen bemerkte ich in einer Ecke die blonde Sklavin. Rückhaltlos hatte sie offenbart, was sie wußte. Das andere Mädchen, die dunkelhaarige Schönheit mit der Peitsche, zeigte sich von meinem Eintreten überrascht. Sie hatte nicht mit mir gerechnet. Anscheinend hatten die Männer sie nicht ins Vertrauen gezogen. Ich begrüßte sie nicht.

Mein Blick richtete sich auf den Mann, der mit untergeschlagenen Beinen hinter dem Tisch saß. Er war ein großer, hagerer Mann. Er hatte lange, dünne Hände mit schmalen Fingern. Sein Gesicht wirkte vornehm, sein Blick aber war hart und stechend. Ich nahm nicht an, daß er der Kriegerkaste angehörte, zweifelte aber nicht daran, daß er mit Stahl umgehen konnte. Selten hatte ich ein Gesicht gesehen, das solche Sensibilität, doch zugleich soviel Intelligenz und unbeugsame Willenskraft widerspiegelte. Der Linie der Wangenknochen folgte eine punktierte Stammestätowierung. Er trug eine grünbraune Robe, in die schwarze Flecke eingearbeitet worden waren – ein Muster, das im Dschungel nur schwer auszumachen gewesen wäre. Er trug eine runde flache Mütze aus ähnlichem Material. Am Zeigefinger der linken Hand funkelte ein Ring, der sicher ein Gift enthielt, wahrscheinlich das der tödlichen Kandapflanze.

Der zweite Brief, den ich Msaliti ausgehändigt hatte, lag jetzt vor dem Mann auf dem Tisch.

»Dieser Brief«, sagte ich, »ist für Shaba, den Geographen aus Anango.«

»Ich bin Shaba«, sagte er und griff nach dem Brief, »der Geograph aus Anango.«

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