»Schaut!« sagte Ayari im Bug des langen Kanus und deutete nach vorn.
»Endlich!« sagte Kisu im Heck und senkte das Paddel.
Die beiden weißen Sklavinnen, die vor mir knieten, nahmen die Paddel aus dem Wasser und legten sie quer über die Bordwände.
Hinter mir, zwischen mir und Kisu sitzend, hörte auch Tende zu paddeln auf. Kisu behielt sie stets in Reichweite. So wußte sie sich seinen Blicken stets ausgesetzt. So mußte sie arbeiten wie die anderen Sklavinnen, schwer arbeiten. Mehr als einmal hatte Kisu ihr mit seinem breiten, hübsch verzierten Paddel auf die Schultern geschlagen, wenn sie mit schmerzenden Armen erschöpft aus dem Rhythmus gekommen war.
Wir hatten die ›Schwelle‹ erreicht, jene Zone des Übergangs zwischen den Sumpf und dem Ngao-See.
Kisu und ich ließen uns ins Wasser gleiten und drückten watend, im Schlamm ausrutschend, das Boot weiter.
Im nächsten Augenblick teilte sich das Schilf, und vor uns erstreckte sich das Wasser des Ngao-Sees – eine endlos scheinende Fläche, die in der Sonne funkelte.
»Wie schön das ist!« hauchte die blonde Barbarin auf Englisch.
Wir hatten fünfzehn Tage gebraucht, bis wir die Schwelle erreichten. Dabei hatten wir uns von Fischen ernährt, die wir mit dem Speer jagten, und von Wasser, das wir aus dem Sumpf schöpften.
Die Sonne leuchtete über der ruhigen Wasserfläche.
Shaba, daran mußte ich jetzt denken, war der erste Angehörige der Zivilisation, der erste Ausländer gewesen, der dieses Panorama zu sehen bekam.
»Wunderschön!« sagte ich mir. Leider war eben der erste, der diesen Anblick genießen durfte, der verräterische Shaba.
»Ukungu«, sagte Kisu, »liegt im Nordosten, am Ufer.« Ukungu war ein Land aus Uferdörfern, das jetzt als Teil des immer größer werdenden Reiches von Bila Huruma gesehen wurde.
»Du bist dort nicht mehr willkommen«, sagte ich zu Kisu.
»Da hast du recht«, sagte er.
»Hast du die Absicht, dorthin zurückzukehren, um einen Aufstand anzuzetteln?« erkundigte ich mich.
»Das gehört nicht zu meinem aktuellen Plan«, sagte er.
»Wie sieht dieser Plan denn aus?« fragte ich.
»Davon erzähle ich dir später.«
»Ich suche einen Mann, der Shaba heißt«, sagte ich. »Einen Mann, mit dem ich etwas Wichtiges zu regeln habe. Diese Aufgabe führt mich auf den Ua-Fluß.«
»Auch ich bin auf dem Weg zum Ua-Fluß«, sagte Kisu lächelnd.
»Ach, das gehört zu deinem Plan?« fragte ich.
»Ja, das gehört zu meinem Plan.«
»Vielleicht halte ich es für erforderlich, den Ua sogar zu befahren.«
»Auch ich könnte das unerläßlich finden«, meinte er.
»Ich vermute, das Gebiet rings um den Ua ist sehr gefährlich«, sagte ich.
»Das ist mir bekannt«, sagte Kisu.
»Und das paßt ebenfalls zu dem Plan, den du so heimlichtuerisch verfolgst?«
»Allerdings«, sagte Kisu grinsend.
»Kennst du den Ua?« wollte ich wissen.
»Nein«, erwiderte Kisu. »Ich habe den Fluß bisher noch nicht zu sehen bekommen.«
Ich hielt das Kanu im Gleichgewicht. Es bewegte sich frei im Uferbereich des Ngao-Sees.
»Dann wollen wir losfahren«, sagte ich.
Kisu, dem das Wasser bis an die Oberschenkel ging, langte in das Kanu. Er nahm einen schmalen Lederstreifen heraus und fesselte Tende damit die Hand- und Fußgelenke.
»Warum bindet mich mein Herr fest?« fragte sie.
»Ich rechne nicht mit Kanus aus Ukungu«, erwiderte Kisu, »aber sollten wir doch welche sehen, kommst du gefesselt vielleicht nicht in Versuchung, ins Wasser zu springen und fortzuschwimmen.«
»Ja, Herr«, sagte sie und senkte den Kopf.
»Die anderen Sklavinnen sollten wir ebenfalls nicht in Versuchung führen«, empfahl Kisu. »Du da«, sagte ich, »komm zu mir!«
Ich lag auf dem Ellbogen im Kanu. Über mir leuchteten die Monde Gors. Das Kanu glich einem winzigen Holzstück in der Weite des schimmernden Sees.
»Ja, Herr«, antwortete sie.
Die blonde Barbarin, deren Körper im Mondlicht bleich schimmerte, kroch vorsichtig auf mich zu. Ich hörte die Muscheln ihrer Halskette leise klicken.
Wir hatten die Mädchen nur die beiden ersten Tage auf dem See gefesselt. Dann waren wir zu weit vom Ufer entfernt, als daß wir noch mit Kanus rechnen mußten.
»Küß mich!« forderte ich.
Sie gehorchte, dann lag sie still, den Kopf auf meine linke Schulter gelegt.
»Du hast Angst«, sagte ich.
»Ich lebe im Widerstreit mit mir selbst«, antwortete sie.
»Diesen Konflikt mußt du lösen«, sagte ich. »Du mußt die Sklavin in dir befreien, dein wahres Ich, das im Grunde nur unterdrückt wird.«
»Nein, nein!« sagte sie. »Ich bin keine Goreanerin.«
»Die Frauen der Erde, an den Kragen und die Macht ihres Herrn gewöhnt, sind hervorragende Sklavinnen.«
»Oh!« sagte sie, als ich sie leicht berührte. »Verzeih mir, Herr!«
»Du bist nicht auf der Erde«, sagte ich. »Niemand wird dich hier verachten, wenn du deinen Sinnen freien Lauf läßt. Hier brauchst du dich nicht schuldig fühlen, wenn du begehrenswert und weiblich bist.«
»Ich bin keine goreanische Hure.«
»Hältst du mich für geduldig?« fragte ich.
»Wenn der Herr mich nehmen will, so soll er es tun«, sagte sie, »dann kann ich wieder zurückkriechen.«
Ich nahm ihren Kopf zwischen die Hände. »Hältst du mich für geduldig?« wiederholte ich drängend.
»Ich weiß es nicht, Herr«, flüsterte sie.
»Es gibt eine Zeit, geduldig zu sein, und eine Zeit, sich ungeduldig zu gebärden«, sagte ich.
»Ja, Herr.«
»Hüte dich vor dem Augenblick, da es mit meiner Geduld vorbei ist.«