Die blonde Barbarin tauchte das Ruder ins Wasser und zog es durch.
»Ist der See endlos?« fragte sie.
»Nein«, antwortete ich.
Wir befanden uns nun schon zwanzig Tage auf dem See und ernährten uns wie zuvor vom Fischen.
Ich entdeckte bräunliche Verfärbungen im Wasser und roch Blumen. Irgendwo vor uns mußte die Mündung des Ua liegen.
»Bringst du deine Sklavinnen in Gefahr?« fragte die blonde Barbarin.
»Ja«, erwiderte ich.
Sie zitterte, kam aber nicht aus dem Paddelrhythmus. In den letzten Tagen hatte sie öfter mit mir zu sprechen versucht, doch ich hatte nicht sehr aufgeschlossen reagiert und ihr gewöhnlich nur mit kurzen Worten geantwortet.
Betrübt paddelte sie weiter; sie wußte, daß sie bei ihrem Herrn in Ungnade stand.
»Wir müßten längst in der Nähe des Ua sein«, sagte Ayari vom Bug des Kanus.
»Schau dir das Wasser an«, sagte Kisu. »Riechst du die Blumen und den Wald? Ich glaube, wir befinden uns bereits in der Mündung.«
Ich war verblüfft. Konnte die Mündung so breit sein?
Kisu deutete zum Himmel. »Schaut euch den Mindar an!«
Wir hoben die Köpfe und erblickten einen Vogel mit bunten Federn, kurzen Flügeln und einem spitzen Schnabel. Das Gefieder war vorherrschend gelb und rot gefärbt.
»Das ist ein Waldvogel«, stellte Kisu fest.
Der Mindar ist für kurze, schnelle Flüge – beinahe Spurts – gebaut; die kurzen Flügel flirren und tragen das Tier von Ast zu Ast, damit es sich dort verbergen oder in der Runde nach Larven und Würmern graben kann.
»Seht!« rief Kisu.
Wir entdeckten einen Tharlarion, der sich auf einer Sandbank sonnte. Als wir näherkamen, glitt er ins Wasser und schwamm fort.
»Wir sind bereits im Fluß«, sagte Kisu. »Ich bin mir dessen sicher.«
»Der See teilt sich«, sagte Ayari.
»O nein«, erwiderte Kisu erfreut, »das ist eine Insel im Fluß. Es gibt bestimmt viele davon.«
»Wie fahren wir?« fragte ich.
»Nach rechts«, sagte Kisu.
»Warum?« wollte ich wissen. Ich bin Engländer von Geburt. Es wollte mir natürlich erscheinen, auf der linken Seite an der Insel vorbeizufahren. Auf diese Weise ist der eigene Schwertarm dem Entgegenkommenden zugewendet.
»Wenn man an der Ngao-Küste ein Dorf betritt, tut man das stets von rechts.«
»Warum das?«
»Weil man auf diese Weise seine Flanke der Klinge des anderen darbietet.«
»Ist das denn klug gehandelt?«
»Wie kann man besser beweisen, daß man in friedlicher Absicht kommt?«
»Interessant«, stellte ich fest. Doch ich hätte mich wohler gefühlt, wären wir links geblieben. Was war, wenn der andere Bursche nicht friedlich war? Als Krieger kannte ich den Wert einer Achtel-Ahn, die durch eine richtige Körperstellung gespart werden konnte.
»Wenn es also Menschen in dieser Gegend gibt«, fuhr Kisu fort, »und wenn ihre Gewohnheiten denen der Ngao- und Ukungu-Bewohner ähneln, dann machen wir ihnen damit klar, daß wir in friedlicher Absicht kommen. Damit sparen wir uns vielleicht viel Ärger.«
»Das hört sich klug an«, bemerkte ich. »Wenn es hier Menschen gibt, kann man sie auf diese Weise vielleicht dazu bringen, uns in Ruhe zu lassen.«
»Genau«, sagte Kisu.
Daraufhin steuerten wir das Kanu nach rechts. Eine halbe Ahn später erstreckte sich die Insel links von uns. Sie war viele Pasang lang.
»Ich glaube gar nicht, daß es hier Menschen gibt«, sagte Ayari. »Dazu sind wir viel zu weit im Osten.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, meinte Kisu.
Im nächsten Augenblick hörten wir die Trommeln.
»Verstehst du die Botschaft?« fragte ich.
»Nein«, antwortete Ayari.
»Kisu?«
»Nein«, erwiderte er, »aber zweifellos verkünden sie unsere Ankunft.«