»Das ist hübsch«, sagte der Askari.
»Ja«, erwiderte ich.
Er griff danach, und ich stieß seine Hände zurück.
»Ich will’s haben«, sagte er.
»Es ist ein Geschenk Bila Hurumas«, sagte ich.
Er wich vor mir zurück. Ich nahm nicht an, daß er mich weiter belästigen würde.
»Hübsch!« stellte Ayari fest.
»Wenigstens wird es im Regen nicht rosten«, sagte ich lächelnd. Ich betrachtete die dicken goldenen Glieder der Kette, die ich über dem Halsband der Arbeitsfessel trug.
»Das ist ja nun wirklich hübsch«, wiederholte Ayari.
Wir standen dicht neben dem Schlammfloß, auf dem wir die Schaufelladungen des Aushubs verstauten. An dieser Stelle des großen Sumpfgebiets reichte uns das Wasser nur bis an die Knie. Stellenweise ragten relativ trockene Erhebungen aus den feuchten Zonen. An anderen Orten reichte uns das Wasser bis an die Brust.
Ich schaute in die Richtung, in die Ayari mit einer Kopfbewegung gedeutet hatte.
Verblüfft umklammerte ich meine Schaufel.
»Ich habe gestern von einem Askari erfahren«, erklärte er, »daß sie heute hier vorbeikommen würden. Es handelt sich um Geschenke Bila Hurumas an Tende, die Tochter des hohen Häuptlings Aibu, Führer der Ukungu-Dörfer, zwei persönliche Sklavinnen. Er hat die Absicht, Tende zu seiner Gefährtin zu erheben.«
»Diese Gefährtenschaft«, sagte einer der Männer, »wird die Verbindung der Ukungu-Dörfer zum Ubarat festigen.«
»Ich hätte nichts dagegen, solche hübschen Geschenke zu erhalten«, meinte ein anderer.
»Schade, daß Tende eine Frau ist!« meinte jemand.
Die beiden Sklavinnen befanden sich auf einem Floß, das von fünf angeketteten Sklaven durch den Sumpf gezogen wurde. Vier Askaris wateten neben dem Floß her. Die Mädchen standen; sie waren an einer Stange angekettet, die über ihren Köpfen verlief und an den Enden des Floßes von überkreuz verlaufenden Streben gehalten wurde. Beide waren barfuß.
»Ho!« rief ich und ging auf das Floß zu, soweit es die Kette um meinen Hals zuließ.
»Herr!« rief die blonde Barbarin.
Beide Mädchen waren blond, blauäugig, hellhäutig und bis zur Hüfte unbekleidet. Es war ein passendes Sklavinnenpaar, dazu bestimmt, einen hübschen Kontrast zur dunkelhäutigen Schönheit Tendes zu bilden, der Tochter Aibus, des hohen Häuptlings der Ukungu-Dörfer.
»Sasi und ich wurden schon nach kurzer Zeit gefangen!« rief die blonde Barbarin mir zu. »Wir wurden verkauft!«
»Wo ist Sasi?« fragte ich.
»Ruhe!« rief einer der Askaris in meiner Nähe und richtete den kurzen Speer auf mich.
»Sie wurde in Schendi an einen Tavernenwirt verkauft!« rief das Mädchen. »Es heißt Filimbi!«
Einer der Askaris, die das Floß begleiteten, stieg ärgerlich auf die kleine Plattform. Sofort richtete sich das Mädchen erschrocken auf und blickte geradeaus. Trotzdem versetzte er ihr zwei heftige Ohrfeigen. Blut erschien an ihrem Mundwinkel. Sie hatte ohne Erlaubnis gesprochen. Der Askari in meiner Nähe, der Aufseher über unsere Kette, schob mich mit seinem Schild zurück, und ich stürzte ins Wasser. Viermal hieb er mit dem Griff seines Stoßspeers zu, ehe ich zornig wieder auf die Beine kam. Er drohte mir mit dem scharfen Ende des Speers. Ich wandte zornig den Kopf hin und her. Andere Askaris hatten sich genähert. Ich bewegte mich nicht mehr.
Das Floß wurde langsam weitergezogen. Die blonde Barbarin wagte es nicht mehr, sich umzusehen. Sie blickte starr geradeaus und rührte sich nicht. Die andere blonde Sklavin warf mir einen kurzen Blick zu. Vermutlich war sie verwirrt, an der Gaunerkette einen Mann auszumachen, der eine Goldkette trug. Vermutlich war sie ebenfalls eine Barbarin.
»Grab weiter!« befahl der Askari, der mich geschlagen hatte.
Eigentlich war ich davon ausgegangen, daß sich Sasi der Gefangenschaft länger entziehen konnte – aber da hatte ich mich geirrt. Anscheinend waren beide beinahe sofort wieder als Sklavinnen aufgegriffen worden. Offenbar hatte man sie schon kurze Zeit später aufgegriffen, und es sah so aus, als hätte jemand gute Geschäfte mit ihnen gemacht. Beide waren sofort wieder verkauft worden – Sasi an Filimbi, einen Paga-Wirt, von dem ich schon gehört hatte, und die blonde Barbarin direkt oder indirekt an einen Agenten Bila Hurumas.
»Nun mach schon!« sagte der Askari drohend.
Natürlich hatte sich auf dem Floß außer den Mädchen eine Truhe mit weiteren Schätzen für Tende befunden, Dinge, zu denen nach Angaben des Askaris, mit dem Ayari eine gute Beziehung pflegte, auch Stoffballen, Geschmeide, Kosmetika, Münzen und Parfums gehörten. So etwas war logisch und unterstrich die Großzügigkeit des Ubars Bila Huruma. Er wäre sicher als geizig angesehen worden, hätten sich seine Geschenke auf die Übersendung zweier weißhäutiger Sklavinnen beschränkt.
Wieder traf mich der Griff des kurzen Speers schmerzhaft an der Schulter.
»Grab weiter!« forderte der Askari.
»Na schön«, erwiderte ich und stieß die Schaufel in den Schlamm zu meinen Füßen.
»Du auch!« rief der Aufseher einem Mann weiter unten an der Kette zu. »Grab! Grab!«
Der Mann an der Kette, eine große majestätische Erscheinung, musterte ihn verächtlich. Dann wandte er sich noch einmal zu dem Floß um, das die Geschenke für Tende beförderte. Der Askari hämmerte mit dem Schaft seines Speers mehrmals auf ihn ein. Ohne den Aufseher eines Blickes zu würdigen, setzte der Mann schließlich die Arbeit fort.
Dieser Mann war Kisu, der ehemalige Anführer der Ukungu-Rebellen.
Als sich die Askaris nach einiger Zeit weiter zurückgezogen hatten, sagte ich zu Ayari: »Bitte übermittle Kisu meine Empfehlung.« Ich hatte gesehen, wie er hinter dem Floß herschaute. Seine Körperhaltung hatte mir verraten, welch kalte Wut ihn erfüllte.
Die Kette mitschleppend, wateten wir auf Kisu zu. Die Männer hinter uns gingen auf unser Zeichen ein und bewegten sich mit uns.
Ayari wandte sich an Kisu, er hob den Kopf und musterte mich verächtlich.
»Ich habe Kisu deine Grüße ausgerichtet«, sagte Ayari auf Goreanisch zu mir.
»Er hat aber gar nichts gesagt«, erwiderte ich.
»Natürlich nicht«, entgegnete Ayari. »Er ist der Mfalme von Ukungu. Er spricht nicht mit gewöhnlichen Leuten.«
»Sag ihm, er sei nicht mehr Mfalme von Ukungu!« sagte ich. »Sag ihm, er sei gestürzt worden. Wenn es überhaupt noch einen Mfalme von Ukungu gibt, dann ist es der edle Aibu.«
Genaugenommen mußte Aibu als hoher Häuptling Ukungus Distriktsverwalter sein, der Oberherrschaft Bila Hurumas unterstellt.
»Halt deine Schaufel bereit!« sagte Ayari auf Goreanisch zu mir.
»Keine Sorge!«
Aber Kisu griff mich nicht an, als er meine Worte übersetzt bekam. Sein Körper erstarrte, und er musterte mich zornig, doch er machte keine Anstalten, mich mit seiner Schaufel zu schlagen. Für einen stolzen Mann, der von sich selbst überzeugt und sehr kräftig war, legte er eine bemerkenswerte Selbstbeherrschung an den Tag.
»Sag ihm, ich möchte mit ihm reden«, sagte ich. »Wenn nötig, kann er mich ja als Mfalme von Ukungu in den Adelsstand erheben.«
Frohgemut machte sich Ayari an die Übersetzung.
Wieder hielt Kisu sich zurück. Dann wandte er mir den Rücken zu und begann zu graben.
»Sag ihm«, forderte ich Ayari auf, »Bila Huruma, sein eigener Ubar, spreche ohne weiteres mit gewöhnlichen Bürgern. Sag ihm, ein echter Mfalme hört sich alle Menschen an und spricht mit ihnen.«
Kisu richtete sich auf und fuhr zu mir herum. Die Knöchel seiner Hände, die die Schaufel hielten, waren vor Anspannung weiß geworden.
»Ich habe ihm übersetzt, was du gesagt hast«, meinte Ayari. Die Sprache, die Kisu benutzte, war mit der Binnensprache eng verwandt, so daß Ayari mit der Verständigung keine Probleme hatte. Mir ging es nicht ganz so gut, denn ich kannte die Sprache der Binnenländer noch nicht gut genug.
»Sag ihm«, fuhr ich fort, »es täte ihm sicher gut, sich von einem wahrlich großen Anführer zeigen zu lassen, wie man ein Volk leitet – und damit meine ich Bila Huruma.«
Diese Worte wurden Kisu übermittelt.
Mit einem Wutschrei sprang Kisu auf mich los, und die Schaufel schwang auf meinen Kopf zu. Ich wehrte den Hieb ab, ließ meinen Schaufelgriff herumschwingen und versetzte ihm einen heftigen Schlag gegen die Seite des Kopfes. Der Hieb hätte einen Kailiauk fällen können. Zu meinem Erstaunen ging er nicht zu Boden. Und schon hatte ich alle Hände voll zu tun, seine Hiebe abzuwehren. Ein Schlag oder Schnitt seiner scharfen Schaufel hätte meinem Leben ein Ende gesetzt. Zweimal vermochte ich ihn mit meinem Schaufelgriff abzuwehren – und bohrte ihm das Holz beim zweiten Mal tief in den Solarplexus. Unvermutet hielt er inne; der Schlag hatte ihn gelähmt. Er konnte sich nicht mehr verteidigen. Ich atmete schwer. Natürlich schlug ich nicht weiter zu. Jener bestimmte Körperpunkt gehört zu den wichtigen Zielen, die sich Krieger bei ihrer Ausbildung einprägen müssen, besonders für den Nahkampf.
Kein Zweifel, was die Kräfte anging, war mir Kisu recht ähnlich. Doch er war kein ausgebildeter Krieger. Und so erstaunte es mich nicht, daß er und seine Kämpfer von den Askaris Bila Hurumas besiegt worden waren.
Er hob den Kopf und blickte mich erstaunt an. Er verstand nicht, wie ein Schlag von mir einen Mann von seiner Kraft hatte lähmen können. Dann erbrach er sich ins Wasser.
Zornig rufend kamen die Askaris auf uns zu. Sie schlugen mit den Schäften ihrer Speere auf uns beide ein.
Wir wurden getrennt und wieder an unseren Platz an der Kette zurückgeschickt.
Nach einiger Zeit drehte sich Kisu um und rief Ayari etwas zu. Ayari wandte sich daraufhin an mich. »Er will wissen, warum du ihn nicht umgebracht hast«, sagte er.
»Ich wollte ihn nicht töten«, sagte ich. »Ich wollte nur mit ihm sprechen.«
Dies wurde Kisu übermittelt, der eine Antwort gab.
»Er war Mfalme von Ukungu«, übersetzte Ayari. »Er kann nicht mit einfachen Menschen sprechen.«
»Na schön«, sagte ich, und meine Zustimmung wurde Kisu übermittelt.
»Grab weiter!« befahl der Askari neben mir.
Wir machten uns wieder an die Arbeit.