»Du kommst spät«, sagte Msaliti.
»Ich habe die Kreditbriefe mitgebracht«, erwiderte ich.
»Die neunzehnte Ahn ist bereits vorbei«, sagte er.
»Ich wurde aufgehalten.«
»Hast du die Kreditbriefe mitgebracht?« wollte er wissen.
»Ja«, erwiderte ich. Offensichtlich war er nervös.
Er ließ mich von der Straße in den kleinen Vorraum eintreten. Von dort ging es in den größeren Raum, in dem wir am Vortag unsere Geschäfte besprochen hatten.
»Ist Shaba hier?« fragte ich.
»Nein.«
»Was ist dann so schlimm daran, daß ich zu spät komme?« fragte ich.
»Gib mir die Kreditbriefe!« forderte er. »Gib mir den Ring!«
»Nein«, sagte ich. Ich betrat den größeren Raum.
»Wo sind die Askaris?« fragte ich dann. Sie waren nicht zu sehen.
»Sie befinden sich an einem anderen Ort«, erwiderte er.
»Dieses Zimmer wirkte gestern behaglicher«, fuhr ich fort, »als es die beiden Sklavinnen enthielt.«
Msaliti und ich setzten uns mit untergeschlagenen Beinen an den niedrigen Tisch.
»Als wir uns gestern abend voneinander verabschiedet hatten«, sagte ich, »suchte ich Pembes Taverne auf. Dort beschäftigte ich mich mit einer Sklavin, die früher einmal Evelyn Ellis hieß. Im Kragen ist sie nicht übel.«
»Sie ist gefühlskalt«, sagte Msaliti.
»Unsinn!« sagte ich. »Das arme Mädchen ist pagawillig.«
»Das finde ich überraschend«, meinte er.
»Sie kann nicht mehr anders«, sagte ich.
»Armes kleines Ding!«
»Ich mußte sie nur ein bißchen an die Kandare nehmen«, sagte ich.
»Ausgezeichnet.«
»War nicht schwer.«
»Warum gibst du mir die Kreditbriefe und den Ring nicht?« fragte Msaliti.
»Ich habe Befehl, sie Shaba zu geben und dafür den echten Abschirmring entgegenzunehmen.«
»Wem wirst du den Ring aushändigen?« fragte er.
»Belisarius in Cos«, antwortete ich.
»Kennst du sein Haus?« fragte Msaliti.
»O nein!« sagte ich. »Man wird sich mit mir in Verbindung setzen.«
»Wo soll diese Kontaktaufnahme stattfinden?« fragte Msaliti und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen.
»Im Chatka und Curla in Cos«, antwortete ich.
»Wer ist Wirt im Chatka und Curla?« wollte er wissen.
»Aurelion aus Cos«, erwiderte ich.
»Ja«, sagte Msaliti.
»Sei unbesorgt!« sagte ich. »Ich werde mich nach besten Kräften darum kümmern, daß der Ring in die richtigen Hände gelangt.«
Msaliti nickte. Ich lächelte.
»Warum willst du den Ring haben?« fragte ich.
»Um sicherzugehen, daß er die Ungeheuer erreicht«, sagte er. »Sie wären nicht gerade erfreut, wenn er erneut verlorenginge.«
»Deine Sorge um das Anliegen dieser Wesen ist löblich«, sagte ich.
»Ich habe keine Lust, in Stücke gerissen zu werden«, sagte er.
»Das ist verständlich«, meinte ich. »Auch ich würde einem solchen Schicksal nicht gerade frohgemut entgegensehen.«
»Du scheinst gutgelaunt zu sein«, stellte er fest.
»Auch deine Laune dürfte nicht gerade schlecht sein«, erwiderte ich. »Ist eure Aufgabe nicht fast gelöst?«
»Das hoffe ich zumindest«, sagte Msaliti.
»Hast du wirklich so große Angst vor den Ungeheuern?« fragte ich.
»Wir sind mit der Zeit sehr im Verzug«, sagte er. »Ich habe Angst, daß die Ungeheuer sich den Ring selbst holen.«
»Aber ich soll doch den Ring an mich nehmen«, sagte ich.
»Ich kenne dich nicht einmal«, stellte Msaliti fest.
»Ich kenne dich auch nicht«, erwiderte ich.
»Wir hatten nach dem blonden Mädchen Ausschau gehalten«, sagte er.
»Sie wurde aufgehalten«, sagte ich. »Sie wurde versklavt«, fügte ich gutgelaunt hinzu.
»Wirklich schade«, sagte er.
»Unsinn – das Sklavinnendasein ist gut für eine Frau.«
»Ich traue Shaba nicht«, sagte er.
»Ich bin nicht sicher, daß er uns seinerseits vertraut«, meinte ich. »Wenigstens können wir beide Vertrauen ineinander haben.«
Msaliti trommelte mit den Fingern auf dem niedrigen Tisch herum.
»Bist du sicher, daß wir allein sind?« fragte ich.
»Natürlich«, sagte Msaliti. »Niemand hat das Haus betreten. Bis zu meinem Eintreten haben die Askaris den Eingang bewacht.«
»Wie ich sehe, haben sie es versäumt, die Spuren meines gestrigen Auftritts auf dem Dach zu beseitigen – ich meine damit die Erbsen, die noch immer an ihren Fäden hängen.«
»Natürlich haben wir sie wieder zurückgesteckt«, sagte Msaliti.
»Dann wäre ich an deiner Stelle nicht so sicher, daß wir allein sind«, sagte ich.
Hastig hob Msaliti den Kopf. Mehrere Erbsen baumelten an ihren langen Fäden.
»Wie man außerdem feststellen kann, ist der Lüftungsrost entfernt worden«, fuhr ich fort.
»Du bist sehr aufmerksam«, sagte Shaba.
Torkelnd erhob sich Msaliti und wich zurück.
Auf der anderen Seite des Tisches, an seinem gewohnten Platz, saß Shaba. Auf dem Sitz war ein kurzes Verschwimmen zu bemerken gewesen, eine Art verdrehter Lichtwirbel, eine Art Lichtstrudel – im nächsten Augenblick hatte er sich unserem Blick gelassen dargeboten.
»Ich hatte mir gleich gedacht, daß du nicht zu spät kommst«, sagte ich. »Du scheinst mir ein pünktlicher Bursche zu sein.«
»Statt dessen bist du zu spät erschienen«, stellte er fest.
»Ja«, sagte ich, »und es tut mir leid. Ich wurde aufgehalten.«
»War sie hübsch?«
Ich nickte. »Ja«, sagte ich.
»Es geht um Dinge von großer Bedeutung«, sagte Msaliti. »Wenn es euch beiden recht ist, würde ich mich jetzt gern darum kümmern.«
»Soweit ich mitbekommen habe«, sagte Shaba zu mir, »hast du die Kreditbriefe und den falschen Ring mitgebracht.«
»Ja«, sagte ich und legte die Dokumente auf den Tisch.
»Wo ist der falsche Ring?« fragte Msaliti.
»Ich habe ihn«, antwortete ich.
Shaba sah sich die Kreditbriefe genau an. Er ließ sich Zeit dabei. »Diese Dokumente scheinen in Ordnung zu sein«, sagte er schließlich.
»Darf ich sie auch sehen?« drängte Msaliti.
Shaba reichte ihm die Kreditbriefe. »Du traust unserem breitschultrigen Kurier nicht?« fragte er.
»Ich traue möglichst wenigen Leuten«, erwiderte Msaliti. Er sah die Unterlagen sorgfältig durch. Dann gab er sie an Shaba zurück. »Ich kenne die Siegel und Unterschriften. Diese Papiere lassen sich tatsächlich bei den angegebenen Banken einlösen.«
»Das sind zwanzigtausend Gold-Tarn«, stellte ich fest.
»Löse sie ein, ehe du den falschen Ring ins Sardargebirge bringst«, sagte Msaliti. »Unter diesen Umständen ist es in unserem Interesse, guten Glaubens zu verhandeln.«
»Aber was ist, wenn ich den falschen Ring nicht ins Sardargebirge bringe?« fragte Shaba.
»An deiner Stelle würde ich es tun«, meinte Msaliti.
»Ich verstehe«, sagte Shaba.
»Die Ungeheuer sind Verrätern gegenüber nicht sehr rücksichtsvoll.«
»Das ist verständlich«, sagte Shaba.
»Dieser Aspekt ließe sich bei den fraglichen Banken morgen früh erledigen«, sagte ich. »Dabei könntest du dich von der Echtheit der Dokumente überzeugen und das Gold abheben oder neu einzahlen, wie du willst.«
»Kungumi der Bettler«, sagte Msaliti, »kann sich nicht gut in der Straße der Münzen blicken lassen.«
»Dann tritt als Msaliti auf«, riet ich ihm.
Der andere lachte. »Red keinen Unsinn!« sagte er.
Ich verstand seine Antwort nicht.
»Ich bin damit einverstanden, die Transaktion heute abend abzuwickeln«, sagte Shaba. »Wenn die Kreditbriefe nicht echt sind, würde ich den Ring eben einfach nicht ins Sardargebirge bringen.«
»Denk dran«, sagte Msaliti, »du darfst am falschen Ring auf keinen Fall den kleinen Hebel drücken. Er darf nur im Sardargebirge bedient werden.«
Meine Nackenhaare begannen sich zu sträuben. Ich machte mir klar, daß mein Verdacht zutreffen mußte – in dem falschen Ring steckte irgendeine große Gefahr.
Shaba steckte die Kreditbriefe unter seine Robe. Anschließend streifte er eine lange, dünne Kette ab, die ihm um den Hals hing und bisher von seiner Kleidung verdeckt gewesen war. Er öffnete die Kette.
Ich sah den Ring an der Kette.
Mein Herz begann heftig zu klopfen.
Er streckte die Hand aus. »Dürfte ich den falschen Ring haben?« fragte er.
»Ich glaube, es hat wenig Sinn, den falschen Ring ins Sardargebirge zu bringen«, sagte ich. »Die inzwischen eingetretene Verzögerung dürfte längst Verdacht erweckt haben.« Und das stimmt durchaus. Aus persönlichen Gründen lag mir gar nicht so sehr daran, daß Shaba den Ring in das Gebirge der Priesterkönige brachte. Ich hatte Respekt vor seinem Beitrag zur Erforschung Gors. Ich wußte, er war ein Mann, der Mut und Intelligenz besaß. Gewiß, er war ein Verräter, doch umgab ihn etwas Unerklärliches, das mir irgendwie gefiel. Es ging mir nicht darum, ihn der Strafe ausgesetzt zu sehen, die sich die Priesterkönige oder ihre menschlichen Verbündeten für einen Verräter ausdenken mochten. Wenn sie sich wirklich Mühe gaben, waren sie darin bestimmt nicht weniger einfallsreich als die Kurii. Vielleicht wäre es das beste, wenn ich ihn umbrächte. Dann fand er wenigstens einen schnellen, gnädigen Tod.
»Den Ring, bitte!« sagte Shaba.
»Gib ihm den Ring!« forderte Msaliti.
Ich reichte Shaba den falschen Ring, und er fädelte ihn an die Kette.
»Hingen da nicht elf Erbsen an den Fäden?« fragte er.
Msaliti drehte sich hastig um und schaute empor. »Keine Ahnung«, sagte er. »Sind es jetzt mehr?«
Ich hatte den Blick nicht von Shaba genommen. »Es waren zwölf«, sagte ich.
»Es sind auch jetzt noch zwölf«, sagte Msaliti, der langsam die Erbsen gezählt hatte.
»Dann hat sich die Zahl also nicht verändert«, stellte Shaba fest.
»Ja«, bestätigte ich und musterte ihn gelassen.
»Ich muß dir mein Lob aussprechen«, sagte Shaba. »Du hast eine Beobachtungsgabe, die der eines Schriftgelehrten vergleichbar ist – oder der eines Kriegers.«
Er drehte die Kette, machte einen Ring davon los und reichte ihn mir.
Geographen und Kartographen gehören natürlich der Kaste der Schriftgelehrten an.
Ich hatte die Drehung der Kette genau beobachtet. Ich erhielt von Shaba den Ring, der ursprünglich an der Kette gehangen hatte.
Shaba, der nun den falschen Ring an der Kette trug, schloß die Kette im Nacken.
Er stand auf, und Msaliti und ich folgten seinem Beispiel. »Ich verlasse Schendi heute abend«, sagte Shaba.
»Ich ebenfalls«, äußerte Msaliti. »Ich habe mich schon zu lange hier aufgehalten.«
»Es wäre für dich nicht gut, wenn man dich zu sehr vermissen würde«, sagte Shaba lächelnd.
»Nein«, erwiderte Msaliti. Ich verstand dieses Gespräch nicht.
»Ich wünsche euch alles Gute, Kollegen im Verrat!« sagte Shaba.
»Leb wohl!« sagten wir zu ihm. Er verbeugte sich und ging.
»Gib mir jetzt den Ring!« sagte Msaliti.
»Ich werde ihn behalten«, sagte ich.
»Gib ihn mir!« forderte Msaliti, und seine Stimme klang nicht freundlich.
»Nein«, sagte ich. Dann schaute ich mir den Ring an. Ich drehte ihn hin und her. Ich versuchte den winzigen Kratzer auszumachen, der den Tahari-Ring eindeutig für mich identifizierte. Mit immer hektischer werdenden Bewegungen drehte ich den Ring. Meine Hand begann zu zittern. »Halt Shaba auf!« rief ich. »Dies ist nicht der Ring!«
»Er ist fort«, sagte Msaliti. »Das ist der Ring von der Kette um seinen Hals, an der er den Abschirmring getragen hat.«
»Es ist aber nicht der echte Ring«, sagte ich bedrückt.
Ich hatte mich überlisten lassen. Shaba war ein schlauer Mann. Gestern abend hatte er uns vorgeführt, daß der Ring, den er an einer Kette um den Hals trug, der echte Schutzring war. Heute aber hatte er einen anderen Ring an dieser Stelle getragen. Dies wäre mir vielleicht aufgefallen, hätte er nicht den Eindruck erzeugt, uns ablenken zu wollen, indem er uns auf die baumelnden Erbsen hinwies – vermutlich um die Ringe auszutauschen, während wir abgelenkt waren. Ich hatte mich jedoch nicht davon abbringen lassen, Shaba zu beobachten. Als er die Kette drehte, hatte ich mich vergewissert, daß der Ring, den er mir reichte, der Ring war, der ursprünglich an der Kette gehangen hatte. Der eigentliche Ringtausch hatte natürlich früher stattgefunden, als er noch allein war. Der Ring, den er so raffiniert gegen den echten Ring hatte austauschen wollen, war der falsche Ring aus meiner Hand, der mir als echt zurückgegeben werden sollte. In meiner eingebildeten Freude darüber, daß dieser Tausch von mir verhindert worden war, hatte ich völlig die Möglichkeit übersehen, daß der Ring an der Kette heute abend von vornherein gar nicht der echte gewesen war.
Msaliti schien übel zu sein. Ich gab ihm den Ring.
Shaba hatte jetzt beides – den echten Ring, den Tahari-Ring, und das falsche Schmuckstück, das die Kurii anstelle des echten Ringes ins Sardargebirge hatten schaffen wollen.
»Woher weißt du, daß dies nicht der echte Ring ist?« fragte Msaliti.
»Man hat dich doch bestimmt gelehrt, den echten Ring zu erkennen«, fragte ich.
Ich legte mir schnell etwas zurecht.
»Nein«, erwiderte Msaliti.
Die Kopie des echten Ringes war vorzüglich gestaltet. Am Rand der Silberplatte, die von der Fassung gehalten wurde, befand sich in der Tat ein winziger Kratzer. Er sah der echten Beschädigung ähnlich, war aber nicht mit dem Zeichen identisch, an das ich mich aus meiner Zeit in der Tahari erinnerte. Dem Juwelier, der Shaba den Ring nachgestaltet hatte, war in dieser Beziehung ein kleiner Fehler unterlaufen. Der Kratzer unterschied sich in Form und Tiefe ein wenig vom Original.
»Das Stück ähnelt dem echten Ring sehr«, sagte ich zu Msaliti. »Es ist zu groß und aus Gold und hat in der Fassung eine rechteckige Platte. An der Rückseite, wenn man den Ring dreht, zeigt sich ein runder Hebel, den man niederdrücken kann.«
»Ja, ja«, sagte Msaliti.
»Aber schau hier«, fuhr ich fort. »Siehst du diesen Kratzer?«
»Ja.«
»Nach meinen Informationen besitzt der echte Ring keine solchen Identifikationsmerkmale«, erklärte ich. »Angeblich besitzt er ein makelloses Äußeres. Wäre das Stück auf diese Weise entstellt worden, hätte man mich bestimmt verständigt. Ein solcher Kratzer hätte die Identifikation ja sehr vereinfacht.«
»Du bist ein Dummkopf«, sagte Msaliti. »Zweifellos hat Shaba den Ring angekratzt.«
»Würdest du ein so kostbares Stück dermaßen rücksichtslos behandeln?« fragte ich.
Msaliti drehte den Ring herum. Er sah mich an. Dann drückte er auf den Hebel. Nichts tat sich. Wutentbrannt brüllte er los, den Ring in der geballten Faust.
»Du hast dich hereinlegen lassen!« rief er.
»Wir haben uns hereinlegen lassen«, berichtigte ich ihn.
»Folglich besitzt Shaba den unbeschädigten Ring«, sagte er.
»Stimmt«, sagte ich. Shaba besaß den makellosen Ring, der der falsche Ring war. Außerdem besaß er den echten Tahari-Ring, der dem falschen Ring in Msalitis Hand so sehr ähnelte.
»Du mußt Männer in Schendis Straße der Münzen schicken«, sagte ich. »Shaba darf auf keinen Fall die Kreditbriefe einlösen, die er bei sich hat.«
»Er weiß sicher, daß wir etwas dagegen unternehmen können«, sagte Msaliti. »Er ist nicht verrückt. Wie gedenkt er an sein Gold zu kommen?«
»Er ist sehr intelligent, geradezu genial«, sagte ich nachdenklich. »Zweifellos hat er eine solche Maßnahme vorausgesehen. Trotzdem müssen wir sie einleiten.«
»Einverstanden«, sagte Msaliti zornbebend.
»Aber wie gedenkt er an das Gold heranzukommen?« fragte ich.
Msaliti blickte mich zornig an.
»Er muß einen Plan haben«, stellte ich fest.
»Ich gehe jetzt«, sagte Msaliti.
»Du willst doch bestimmt deine Verkleidung anlegen«, sagte ich.
»Die brauche ich nicht mehr«, erwiderte er.
»Was hast du vor?« fragte ich.
»Ich muß schnell handeln«, entgegnete er. »Es sind viele Befehle zu erteilen. Shaba muß festgenommen werden.«
»Wie kann ich dir helfen?« fragte ich.
»Ich nehme die Sache ab sofort allein in die Hand«, sagte er. »Du brauchst dir deswegen keine Gedanken mehr zu machen.«
Er warf sich eine bestickte Aba um die Schultern und verließ zornigen Schrittes den Raum.
»Warte!« rief ich hinter ihm her.
Doch er war schon fort.
Zornig folgte ich ihm. Kaum hatte ich den Vorraum durchquert und trat über die Schwelle ins Freie, als ich meine Arme plötzlich festgehalten spürte. Ein Dutzend Männer oder mehr warteten vor dem Haus, links und rechts von der Tür postiert. Sieben oder acht dieser Männer waren Askaris, darunter auch die beiden großgewachsenen Burschen, die ich schon von gestern kannte, schwarzhäutige, in Felle gekleidete Riesen mit Federn und goldenen Armreifen. Fünf oder sechs waren amtliche Schendi-Wächter. Sie wurden von einem Offizier des Kaufmannsrates dieser Stadt kommandiert.
»Ist er das?« fragte der Offizier.
»Ja«, sagte Msaliti und drehte sich um. »Er behauptet, Tarl aus Teletus zu sein, dürfte diese Behauptung aber nicht beweisen können.«
»Was geht hier vor?« brüllte ich. Ich wehrte mich in dem Bemühen, von den vier Männern loszukommen, die mich gepackt hielten. Im nächsten Augenblick spürte ich die nackten Spitzen zweier Dolche auf der Haut.
Ich stellte den Kampf ein. Beide Waffen ließen sich schneller zustoßen, als ich meine Gegner hätte von mir schleudern können.
Man fesselte mir die Hände auf dem Rücken.
»Diese Männer haben auf mich gewartet«, sagte ich zu Msaliti.
»Natürlich«, erwiderte er.
»Wie ich sehe, warst du entschlossen, auf jeden Fall derjenige zu sein, der den Ring unseren Vorgesetzten zurückgibt«, sagte ich.
»Natürlich«, entgegnete er. »Dadurch erhöhe ich das Ansehen, das ich bei ihnen genieße.«
»Aber was ist mit mir?« fragte ich.
Er zuckte die Achseln. »Wer mag schon wissen, was aus dir wird?«
»Du bist Offizier der Stadt Schendi«, sagte ich zu dem Mann, der die Wächter kommandierte. »Ich verlange, freigelassen zu werden.«
»Hier ist das Papier«, sagte Msaliti zu dem Offizier.
Der Offizier ergriff das Blatt und schaute es sich an. Dann wandte er sich zu mir um. »Du bist der Mann, der sich Tarl aus Teletus nennt?« fragte er.
»Ja.«
Der Offizier steckte das Papier ein.
»Es gibt in Schendi einen guten Ort für kriminelle Vagabunden«, stellte er fest.
»Schau doch in meine Brieftasche!« sagte ich. »Dort wirst du feststellen, daß ich kein Herumtreiber bin.«
Der Beutel wurde mir vom Gürtel geschnitten. Der Beamte schüttelte sich einige Gold- und Silbermünzen in die Hand.
»Siehst du?« fragte ich.
»Er traf in Schendi ein«, sagte Msaliti, »und trug das Gewand eines Metallarbeiters. Hier und jetzt steht er im Anzug eines Lederarbeiters vor dir.« Msaliti lächelte. »Welcher Metallarbeiter oder Lederarbeiter trägt schon ein solches Vermögen mit sich herum?«
»Offensichtlich ist er ein Dieb, zweifellos auf der Flucht«, sagte der Offizier.
»Das Arbeiterkontingent, das Schendi zur Verfügung stellen muß, verläßt morgen früh die Stadt«, sagte Msaliti. »Vielleicht kann dieser Bursche die Stelle eines braven Bürgers von Schendi einnehmen.«
»Würdest du das annehmbar finden?« fragte der Offizier.
Msaliti musterte mich. »Ja«, sagte er.
»Ausgezeichnet!« sagte der Offizier. »Legt dem Sleen ein Seil um den Hals!«
Man brachte an meinem Hals eine Leine an.
»Das ist nicht gerecht«, sagte ich.
»Wir haben schlimme Zeiten«, sagte der Offizier. »Und Schendi kämpft ums Überleben.«
Er hob vor Msaliti die Hand und zog sich zurück, seine Wächter nahm er mit.
»Wohin werde ich gebracht?« fragte ich Msaliti.
»Ins Landesinnere«, antwortete er.
»Du hattest die ganze Zeit den Rat von Schendi auf deiner Seite«, sagte ich. »Jemand in hoher Position muß hier seine Befehle gegeben haben.«
»Ja«, sagte Msaliti.
»Wer?« fragte ich.
»Ich.«
Ich musterte ihn verwirrt.
»Du weißt doch sicher, wer ich bin?« fragte er.
»Nein.«
»Ich bin Msaliti«, antwortete er.
»Und wer ist das?« wollte ich wissen.
»Na, ich!«
»Und wer bist du?«
»Ich dachte, das wüßten alle«, sagte er. »Ich bin Bila Hurumas Großwesir.«