Sasi öffnete die Tür.
»Bereite die Kette für ein neues Mädchen!« befahl ich.
»Ja, Herr!« sagte sie.
Ich nahm nicht an, daß Sasi sonderlich erfreut war, als ich nun die blonde Sklavin über die Schwelle trug und auf das Stroh legte.
»Ist das das Mädchen von der Schendi-Palme?« fragte sie. Die Barbarin schlief noch immer.
»Ja«, antwortete ich.
»Wozu brauchst du sie?« fragte Sasi und reichte mir den geöffneten Knöchelring der Sklavenkette, die am Boden festgemacht war.
»Sie interessiert mich, zumindest im Augenblick«, erwiderte ich, machte die blonde Sklavin fest und legte eine Decke über sie. Das arme Kind war erschöpft.
»Mich hast du nicht über die Schwelle getragen«, beschwerte sich Sasi.
»O doch, in ein Tuch gewickelt – ich hatte dich auf die Schulter genommen.«
»Ja, Herr«, sagte sie und senkte den Kopf. »Es ist schwer, einem Mann die Gefühle mitzuteilen, die eine Frau in einem solchen Augenblick bewegen«, fuhr sie fort.
»Es sind die Gefühle einer Sklavin«, sagte ich.
»Ach, das klingt so einfach!« rief sie. »Gewiß, es sind die Gefühle einer Sklavin. Aber ich frage mich, ob ein Mann jemals begreifen kann, was der Kragen für eine Frau bedeutet. Ob er die Beschaffenheit und Tiefe der Gefühle der Frau ausloten kann, die vor ihm kniet.«
»Freie Frauen haben gewiß auch Gefühle.«
»Ich war frei«, sagte sie. »Ich wußte nicht, was Gefühl bedeutete, bis ich versklavt wurde. Ich war frei. Ich brauchte nicht zu fühlen, brauchte nicht bewußt zu empfinden. Dies aber hat sich verändert. Jetzt muß ich mich den Gefühlen anderer öffnen. Nie zuvor bin ich mir der anderen Menschen so bewußt gewesen wie jetzt. Und ich kann meinen Willen nicht mehr obenanstellen. Ich muß dem Manne gehorchen, ich muß ihm gefallen. Darauf spricht tief in mir etwas an, Herr.«
»Natürlich. Das ist die Sklavin in dir.«
»Ja«, sagte sie, »die Frau und die Sklavin in mir.«
»Die sind identisch«, sagte ich.
»Ja«, gab sie zurück.
Ich blickte zu dem schlafenden Mädchen hinüber. Ich ging zu ihr und hob mit einer Hand die Decke über ihrem Körper. Sie begann sich zu regen, denn sie spürte den Temperaturunterschied, den kühlen Lufthauch auf der Haut. »Nein«, wimmerte sie leise auf Englisch, »ich will nicht aufstehen!« Wie schön sie aussah, eine hilflose weiche Gestalt im Stroh. Sie zog die Knie an. »Nein, ich will nicht aufstehen!« wiederholte sie und tastete nach der Decke. Ich umfaßte ihre Oberarme. »Oh!« rief sie, plötzlich in den Alltag einer Sklavin zurückgerissen.
Ich legte mich zu ihr. »Ich dachte mir schon, daß du es bist, Herr«, sagte sie und löste sich aus der liebevollen Umarmung, in der sie mich gehalten hatte.
Ich hatte ihr die Gesichtsmaske abgenommen, und sie hatte zum ersten Mal mein Gesicht gesehen.
Wir schreiben die sechzehnte Ahn; es war mehrere Ahn her, daß ich meiner Sklavin die Jungfräulichkeit genommen hatte.
»Seit dem Augenblick, da ich dich zum ersten Mal sah, habe ich mir erträumt, deine Sklavin zu sein«, sagte sie. »Jetzt ist es Wirklichkeit geworden.«
»Hilf Sasi beim Abwaschen!« sagte ich.
»Ja, Herr!« sagte sie. Sie hob die Finger, drehte den Kopf hin und her und betrachtete die Ringe in ihren Ohren.
»Sie sind wunderschön«, sagte sie und bewunderte sich im Spiegel.
Sie bestanden aus Gold und maßen etwa einen Zoll im Durchmesser. Ich hatte ihr die Ohrläppchen durchstochen und die Schmuckstücke angesteckt.
»Wie schön es ist, wieder sehen zu können!« fuhr sie fort. Die Gesichtsmaske lag in einer Ecke. Ihr Bein steckte nicht mehr im Sklavenring.
Als sie meinen Blick bemerkte, kniete sie sofort nieder. »Bin ich schön, Herr?« fragte sie.
»Beinahe«, antwortete ich.
»Ich möchte ja nicht eitel reden«, sagte sie und schaute in den Spiegel. »Ich meine aber, daß ich so schön bin wie die schönste Frau auf der Erde.«
»Das bist du sicher«, sagte ich. »Bist du aber auch als goreanische Sklavin schön?«
»Das würde sicher von der goreanischen Sklavin abhängen«, sagte sie.
»Findest du dich schön, soweit es den Durchschnitt der goreanischen Sklavinnen angeht?« erkundigte ich mich.
Sie senkte den Kopf. »Nein, Herr. Ich wußte nicht, daß es solche Frauen gab, bis ich als freie Frau mehrere in Cos entdeckte, später dann einige andere im Hafen von Port Kar und Schendi als ich selbst schon versklavt worden war. Manchmal«, fuhr sie fort, »kommt es mir beinahe unrecht vor, daß eine Frau so schön und begehrenswert aussehen kann.«
»Warum?« fragte ich.
»Ich weiß nicht«, sagte sie lächelnd. »Vielleicht weil ich nicht so schön und begehrenswert bin. Vielleicht weil die Männer solche Frauen mögen. Vielleicht bin ich eifersüchtig auf ihre Schönheit, auf die Anziehung, die sie auf Männer ausüben.«
»Es ist ganz natürlich, daß die Häßlichen an der Schönheit etwas auszusetzen haben«, sagte ich.
»Aber ich bin doch nicht häßlich, oder?«
»Nein«, erwiderte ich, »das bist du nicht. Du bist sogar beinahe schön.«
»Ich frage mich, ob goreanische Männer wie du begreifen, was für ein Glück sie haben, daß es solche Frauen auf ihrer Welt gibt.«
»Gibt es nicht auch auf deiner Welt zahlreiche solche Frauen, die hilflos und liebevoll dienen und gefallen wollen?«
»Ihr goreanischen Ungeheuer seht doch all die herrliche Pracht, die euch zur Verfügung steht, als zu selbstverständlich an!«
Ich zuckte die Achseln.
Sie blickte mich an. »Wie kommt es«, fragte sie, »daß auf deiner Welt die Dinge nicht so sind wie in meiner Heimat?«
»Die goreanischen Männer sind eben keine Schwächlinge und Dummköpfe«, antwortete ich.
Sie blickte mich an.
»Sie haben die Vorherrschaft nicht aufgegeben, die Blut und Rückgrat ihrer Natur ist«, fuhr ich fort.
Sie schluckte trocken.
»Sie rücken nicht davon ab«, betonte ich.
»Ja, Herr!« sagte sie.
»Und was ist mit mir?« fragte Sasi. »Bin ich nicht schön? Sind meine Ohrringe nicht auch reizvoll anzuschauen?«
»Ja«, sagte ich, »du bist schön, und die Ohrringe stehen dir vorzüglich, mein kleiner Sleen!« Sasis goldene Ohrringe waren identisch mit denen, die die blonde Barbarin trug.
»Vielen Dank, Herr!« Sasi war bei guter Stimmung. Nach meiner Rückkehr aus Pembes Taverne hatte ich mich zur Blonden gelegt und anschließend einige Stunden geschlafen. Doch als ich dann erwachte, hatte ich auch ihre Sklavengelüste gestillt. Anschließend hatten wir gegessen, Speisen, die sie während meiner Ruheperiode in Schendi erstanden hatte, mit Hilfe von Münzen, die ich ihr gegeben hatte.
»Wenigstens bin ich beinahe schön«, sagte die blonde Sklavin lächelnd.
»Vielleicht wirst du eines Tages wirklich schön sein.«
Sie blickte mich an.
»Frauen nehmen an Schönheit zu – in der Sklaverei«, sagte ich.
Sie blickte in den Spiegel.
»Durch die Unterwerfung unter den Mann wird als Reaktion in der Frau mehr von ihrer Weiblichkeit freigesetzt«, fuhr ich fort und stand auf.
Aus meinem Seesack nahm ich die auf Shaba ausgestellten Kreditbriefe, die auf verschiedene Banken in Schendi gezogen waren, und den falschen Ring, den er anstelle des echten Schmuckstücks ins Sardargebirge bringen sollte. Für diese Kreditbriefe sollte ich, angeblich ein Agent der Kurii den echten Ring in Empfang nehmen, den Tahari-Ring, den ich anschließend nach Port Kar schaffen wollte, von wo Samos den Transport ins Sardargebirge zu organisieren gedachte. Ich nahm nicht an, daß ich Shaba umbringen würde. Wenn er es wirklich wagen sollte, den falschen Ring im Sardargebirge abzuliefern, würde er dort zweifellos den Priesterkönigen in die Hände fallen, die mit ihm machen würden, was sie für richtig hielten. Brachte er den falschen Ring nicht ins Sardargebirge, konnte ich ihn später noch aufspüren und töten. Für mich ging es in erster Linie darum, den Tahari-Ring so schnell und sicher wie möglich zu Samos zurückzuschaffen.
Die achtzehnte Ahn rückte heran.
»Herr«, sagte Sasi, »ich fürchte den Blick deiner Augen.«
»Ich muß fort«, sagte ich.
»Ich fürchte deinen Blick«, wiederholte sie. »Kehrst du zu uns zurück?«
»Ich werde es versuchen«, sagte ich.
»Deine Augen verraten mir, daß du meinst, du kehrst nicht zurück«, sagte sie.
»Ich habe eine schwierige Aufgabe vor mir«, sagte ich. »Im Seesack befinden sich verschiedene Dinge«, fuhr ich fort. »Zum Beispiel der Schlüssel zu deinem Kragen. Außerdem Münzen. Falls ich nicht zurückkehre oder nicht bald zurückkehre, müßten sie ausreichen, um dich und die Barbarin längere Zeit am Leben zu erhalten.«
»Ja, Herr«, sagte sie. Dann blickte sie mich staunend an. »Du willst es zulassen, daß ich den Schlüssel zu meinem eigenen Kragen in die Hand bekomme?« fragte sie.
»Schendi mag für dein Überleben kein einfacher Ort sein«, erwiderte ich. »Es mag Umstände geben, da du es für angemessen hältst, den Kragen abzunehmen.«
»Befreist du mich?« fragte sie. Sasi kam gar nicht auf den Gedanken, ich könnte vorhaben, auch der blonden Barbarin die Freiheit zu schenken. Auf einer Welt wie Gor konnte ein Mädchen wie die Blonde, die eben erst zu ihrer Schönheit fand, nichts anderes sein als eine Sklavin.
Ich warf Sasi einen Blick zu. Hastig kniete sie nieder. »Verzeih mir, Herr!« sagte sie. »Bitte töte mich nicht!«
»Nein«, sagte ich. »Aber wie ich schon sagte, es mögen Umstände eintreten, da es besser ist, wenn du nicht als Mädchen Tarls aus Teletus zu erkennen bist.«
»Wer bist du wirklich, Herr?« fragte sie.
»Du solltest dein Mundwerk zügeln, Sasi«, sagte ich. »Du bist wendig, schlau. Dein Geist ist so wach, wie dein Körper sich wohlgerundet zeigt. Du hast dich im Hafen Port Kars als Urt-Mädchen durchs Leben geschlagen. Ich habe keine Angst um dich.« Ich blickte auf die blonde Barbarin.
»Sei unbesorgt, Herr!« sagte Sasi. »Ich bringe ihr bei, sich zu verstecken, Abfall zu essen und Paga-Helfern zu gefallen.«
»Ich muß jetzt fort«, sagte ich.
»Ja, Herr!«
»Sollte bis zu meiner Rückkehr zuviel Zeit vergehen«, fuhr ich fort, »wird man euch beide vermutlich einfangen und öffentlich versteigern.«
»Ja, Herr!« sagte sie.
Ich wandte mich zum Gehen.
»Mußt du denn in diesem Augenblick fort?« fragte Sasi.
Ich drehte mich um und schaute sie an.
»Vielleicht sehe ich dich nie wieder«, sagte sie.
Ich zuckte die Achseln.
»Ich will nicht frei sein«, sagte sie.
»Sei unbesorgt!« antwortete ich. »Das wird dir nicht widerfahren.«
»Bitte, Herr«, sagte sie leise, »liebe mich, liebe mich sanft!«
Ich ging zu ihr, beugte mich über sie und nahm sie in die Arme.