»Aufwachen!« sagte Ayari und stieß mich an.
Ich ließ mich auf dem Floß herumrollen, soweit es die Kette erlaubte.
»Es kommt etwas«, sagte er.
»Eingeborene?« fragte ich.
»Ich glaube es nicht«, erwiderte er.
Ich kämpfte mich in eine hockende Stellung hoch. Der Eisenring mitsamt der Kette belastete meinen Nacken sehr. Das Floß, auf dem wir an der Gaunerkette schliefen, war ein langes Gebilde mit einem gitterartigen Käfig, der sorgfältig verschlossen wurde.
Ich blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit hinaus.
»Ich sehe nichts«, sagte ich.
»Eben habe ich den Schein einer Laterne gesehen, die einen Moment lang aufgedeckt wurde«, sagte Ayari.
»Wer immer da kommt, hat also etwas zu verbergen«, sagte ich. Und Eingeborene besaßen keine solchen Nachtlaternen.
»Hör doch«, sagte Ayari.
Plötzlich stieß die Schnauze eines Tharlarion, der sich halb auf den Rand unseres Floßes stützte, gegen die Gitterstäbe. Ich zuckte zurück. Das Wassertier grunzte und ließ seine Schnauze eine Zeitlang auf dem Holzrand liegen. Mit leisem Plätschern ließ es sich schließlich wieder in das flache dunkle Wasser gleiten.
»Hör mal!« wiederholte Ayari.
»Ich hör’s«, erwiderte ich. »Umwickelte Ruder, sogar mehrere.«
»Wie viele Boote?« wollte er wissen.
»Mindestens zwei«, entgegnete ich, »und sie bewegen sich im Tandem.« Ein wenig aus dem Takt, war das leise Eintauchen einer zweiten Gruppe von Rudern auszumachen.
»Askaris können das nicht sein«, meinte Ayari.
»Nein«, stimmte ich ihm zu. Askaris benutzen keine Ruder, sondern Paddel, die auch besser zu ihren Kanus passen. Und wenn es zu einem Nachtmarsch kommt, halten die Paddel des Kanus genau den Rhythmus des Führungsbootes ein. Auf diese Weise ist es schwierig, die Zahl der näherkommenden Boote zu schätzen. Natürlich ist es üblich, beim Nachtrudern im Tandem zu fahren, wobei das erste Boot den sicheren Fahrweg anzeigt – oder Hindernisse, wenn es nicht weiterkommt.
»Was für Fahrzeuge sind das?« fragte Askari.
»Leichte Boote«, entgegnete ich. »Sie müssen ziemlich flach sein, wenn sie in diesem Wasser gerudert werden.«
»Die Zahl der Ruder deutet auf eine ziemliche Länge hin«, sagte Ayari. »Es muß sich um leichte Galeeren handeln.«
»Nein«, entgegnete ich. »Ich kenne den Ruderzug einer leichten Galeere. Diese Boote sind sogar dafür zu leicht. Außerdem hätte jede Form der Galeere, die ich kenne, für diesen Sumpf einen viel zu tiefen Kiel.«
»Was für Boote mögen es dann sein?« fragte Ayari. »Und woher kommen sie?«
»Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte ich, »doch es ist Wahnsinn, das bei Nacht hier zu vermuten.«
Wir hörten ein Plätschern im Wasser. Offenbar war ein Tharlarion in der Dunkelheit etwa zwanzig Meter von uns entfernt gegen etwas Hölzernes gestoßen – vielleicht handelte es sich sogar um dasselbe Tier, das uns zuvor mit seiner neugierigen Schnauze beehrt hatte.
Wir vernahmen einen Wutschrei – und eine Sekunde lang wurde eine Nachtlampe geöffnet. Im Bug eines mittelgroßen, aber ziemlich langen barkenähnlichen Wasserfahrzeugs machten wir zwei Männer aus. Einer hieb mit dem Speer ins Wasser und versuchte einen Tharlarion abzuwehren.
Ich umklammerte die Stangen des Käfigs, der mir die Freiheit raubte.
Schon wurde die Laterne wieder abgedeckt. Die Boote glitten an uns vorbei. Es waren drei. Die Ruder waren in den offenen, U-förmigen Dollen mit Fell umwickelt worden, damit sie bei der Bewegung keinen Lärm machten. Die Ruder selbst wurden kaum aus dem Wasser gehoben und bewegten sich daher nahezu geräuschlos bei ihrer Arbeit.
»Was ist?« fragte Ayari.
»Nichts«, antwortete ich.
Im Licht der kurz geöffneten Nachtlaterne hatte ich die Gesichter von drei oder vier Männern erkannt – die Gesichter der beiden am Bug und zweier anderer, die ganz in der Nähe gestanden hatte. Eines dieser Gesichter kannte ich. Es war das Gesicht des Geographen Shaba gewesen.
Ich umklammerte die Gitterstäbe. Ich war hilflos. In einer Aufwallung sinnlosen Zorns rüttelte ich daran, so fest ich konnte. Dann beruhigte ich mich wieder.
»Was ist los?« fragte Ayari.
»Nichts«, sagte ich.