47 Noch mehr darüber, was das Rad schon webte

Die Ruhelosigkeit trieb Rand dazu, neben dem Eßtisch auf und ab zu gehen. Zwölf Schritte. Der Tisch war genau zwölf Schritte lang, ganz gleich, wie oft er die Länge abschritt. Gereizt zwang er sich dazu, mit dem Zählen aufzuhören. Dummes Zeug, sowas zu tun. Es ist mir gleich, wie lang der blutige Tisch sein mag. Ein paar Minuten später ertappte er sich dabei, wie er die Anzahl seiner Tischrunden zählte. Was erzählt er denn nun Moiraine und Lan? Weiß er, warum der Dunkle König hinter uns her ist? Weiß er, welchen von uns der Dunkle König haben will?

Er sah seine Freunde an. Perrin hatte ein Stück Brot zerkrümelt und schob abwesend mit einem Finger die Krümel auf der Tischfläche herum. Seine gelben Augen blickten ohne zu blinzeln auf die Krümel, doch sie schienen etwas Fernes wahrzunehmen. Mat hing mit halb geschlossenen Augen und einem nicht ganz vollendeten Grinsen auf dem Gesicht auf seinem Stuhl. Es war ein nervöses Grinsen, das nicht von Vergnügen zeugte. Nach außen hin wirkte er wie der alte Mat, doch von Zeit zu Zeit berührte er unbewußt durch seinen Mantelstoff hindurch den Dolch aus Shadar Logoth. Was sagt ihr Fain? Was weiß er?

Wenigstens wirkte Loial nicht besorgt. Der Ogier betrachtete die Wände. Zuerst hatte er sich in die Mitte des Raums gestellt und sich langsam beim Betrachten im Kreis herum gedreht. Jetzt drückte er beinahe seine breite Nase am Stein platt, und dabei fuhr er sanft mit Fingern, die dicker waren als die Daumen der meisten Menschen, eine bestimmte Linie nach. Manchmal schloß er die Augen, als sei das Gefühl dabei wichtiger als der Anblick. Seine Ohren zuckten gelegentlich, und er führte Selbstgespräche in der Ogiersprache. Er schien vergessen zu haben, daß sich noch andere mit ihm im Raum befanden.

Lord Agelmar stand mit Nynaeve und Egwene vor dem langen Kamin am Ende des Raumes und unterhielt sich leise mit ihnen. Er war ein guter Gastgeber, geschult darin, die anderen ihre Sorgen vergessen zu machen. Einige seiner Geschichten brachten Egwene zum Kichern. Einmal lachte sogar Nynaeve schallend los. Rand fuhr bei dem unerwarteten Geräusch hoch und dann noch mal, als Mats Stuhl krachend zu Boden fiel.

»Blut und Asche!« grollte Mat und ignorierte die Art, wie Nynaeve ob seiner Ausdrucksweise den Mund verzog. »Warum braucht sie so lang?« Er richtete seinen Stuhl wieder auf und setzte sich hin, ohne irgend jemanden anzuschauen. Seine Hand verirrte sich zu seinem Mantel.

Der Herr von Fal Dara blickte Mat mißbilligend an -sein Blick schloß auch Rand und Perrin ein, ohne freundlicher zu werden -, und dann wandte er sich wieder den Frauen zu. Rands nervöses Hin- und Hergehen hatte ihn in deren Nähe gebracht.

»Lord Agelmar«, sagte Egwene gewandt, als habe sie ihr ganzes Leben lang schon solche Titel benützt, »ich dachte, er sei einfach Behüter, aber Ihr nennt ihn Dai Shan und sprecht vom Banner des Goldenen Kranichs, genau wie die anderen Männer. Manchmal sprecht Ihr von ihm, als sei er ein König. Ich erinnere mich, daß Moiraine ihn einmal den letzten Herrn der Sieben Türme nannte.

Wer ist er eigentlich?«

Nynaeve betrachtete plötzlich eingehend ihren Pokal, aber für Rand war es ganz offensichtlich, daß sie noch genauer hinhörte als Egwene. Rand blieb stehen und bemühte sich zuzuhören, ohne den Eindruck zu erwecken, daß er sie belausche.

»Herr der Sieben Türme«, sagte Agelmar mit gerunzelter Stirn. »Ein uralter Titel, Lady Egwene. Nicht einmal die Hochlords von Tear führen einen älteren, obwohl die Königin von Andor dem nahekommt.« Er seufzte auf und schüttelte den Kopf. »Er spricht nicht darüber, aber man kennt die Geschichte hier an der Grenze recht gut. Er ist König, oder hätte es sein sollen, al'Lan Mandragoran, Herr der Sieben Türme, Herr der Seen, ungekrönter König von Malkier.« Sein geschorener Kopf war hoch erhoben, und in seinen Augen glänzte etwas wie der Stolz eines Vaters. Seine Stimme wurde kräftiger, erfüllt von der Macht seiner Gefühle. Der ganze Raum konnte mithören, ohne daß sich jemand anstrengen mußte. »Wir aus Schienar nennen uns Grenzleute, aber vor weniger als fünfzig Jahren gehörte Schienar noch nicht zu den Grenzlanden. Nördlich von uns und Arafel lag Malkier. Die Lanzen von Schienar ritten nordwärts, doch es war Malkier, das die Fäule zurückhielt. Malkier, Friede seinem Angedenken und das Licht erleuchte seinen Namen!«

»Lan kommt aus Malkier«, sagte die Seherin sanft und blickte auf. Sie schien beunruhigt.

Es war keine Frage gewesen, aber Agelmar nickte. »Ja, Lady Nynaeve, er ist der Sohn von al'Akir Mandragoran, dem letzten gekrönten König von Malkier. Wie das aus ihm wurde, was er jetzt ist? Am Anfang stand wohl Lain. In einem kühnen Angriff führte Lain Mandragoran, der Bruder des Königs, seine Lanzen durch die Fäule in das Versengte Land, vielleicht sogar bis Shayol Ghul selbst. Lains Frau, Breyan, hatte ihn dazu getrieben, denn in ihrem Herzen brannte der Neid, da al'Akir statt Lain auf den Thron erhoben worden war. Der König und Lain hatten sich so nahegestanden, wie Brüder nur können, nah wie Zwillinge; sogar noch, nachdem Akirs Name das königliche al' dazuerhalten hatte, aber Breyan wurde von Eifersucht geplagt. Lain war ob seiner kühnen Taten ein gefeierter Held, und das zu Recht, aber selbst er konnte den Ruhm al'Akirs nicht übertreffen. Er war, als Mann wie als König, ein Mensch, wie man ihn, wenn überhaupt, nur alle hundert Jahre einmal antrifft. Friede seinem Namen und dem el'Leannas!

Lain starb im Versengten Land, zusammen mit den meisten jener, die ihm gefolgt waren. Das waren Männer, deren Verlust Malkier kaum verkraften konnte, und Breyan machte den König dafür verantwortlich und behauptete, Shayol Ghul selbst wäre gefallen, wenn al'Akir den Rest der Malkieri zusammen mit ihrem Mann nach Norden geführt hätte. Als Rache verschwor sie sich mit Cowin Gemallan, den man Cowin Edelherz nannte, um den Thron für ihren Sohn Isam zu erwerben. Nun war Edelherz ein Held, fast so beliebt wie al'Akir selbst, und einer der Großherren, aber als die Großherren den König erwählt hatten, hatten ihn zwei Stimmen von Akir getrennt, und er vergaß nie, daß es genügt hätte, wenn nur zwei Männer eine andere Farbe auf den Krönungsstein gelegt hätten, damit er statt dessen auf dem Thron gesessen hätte. Miteinander zogen Cowin und Breyan Soldaten aus der Fäule ab, um die Sieben Türme im Handstreich zu nehmen. Dabei aber entblößten sie die Grenzfestungen und machten sie zu bloßen Garnisonen.

Doch Cowins Eifersucht brannte noch schlimmer.« Verachtung färbte Agelmars Stimme. »Edelherz, der Held, von dessen Vorstößen in die Fäule man in allen Grenzlanden sang, war ein Schattenfreund. Als die Grenzfestungen geschwächt waren, strömten Trollocs wie eine Flut nach Malkier hinein. König al'Akir und Lain zusammen hätten vielleicht das Land zum Widerstand führen können — das hatten sie schon zuvor fertiggebracht. Aber Lains Untergang im Versengten Land hatte die Menschen erschüttert, und die Invasion der Trollocs brach ihren Willen und Widerstandsgeist. Zu viele Männer. Die überwältigende Anzahl trieb die Malkieri zurück ins Kernland.

Breyan floh mit ihrem kleinen Sohn Isam und wurde auf dem Ritt nach Süden von den Trollocs überrannt. Niemand kennt ihr Schicksal genau, doch es läßt sich leicht erraten. Ich kann nur für den Jungen Bedauern empfinden. Als der Verrat Cowin Edelherzens aufgedeckt wurde und der junge Jain Charin — den man bereits Jain Fernstreicher nannte — ihn gefangennahm, brachte man Edelherz in Ketten zu den Sieben Türmen, und die Großherren wollten seinen Kopf auf einer Pike stecken sehen. Da er aber in den Herzen der Menschen gleich nach al'Akir und Lain gekommen war, stellte sich ihm der König zum Zweikampf und tötete ihn. Al'Akir weinte, als er Cowin tötete. Einige meinen, er habe eines Freundes wegen geweint, der sich dem Schatten verschrieb, und andere behaupten, er habe Malkiers wegen geweint.« Der Herr von Fal Dara schüttelte traurig den Kopf.

»Der erste Schlag zum Untergang der Sieben Türme war geführt worden. Es war keine Zeit geblieben, Hilfe aus Schienar oder Arafel herbeizuholen, und es gab keine Hoffnung, daß Malkier allein widerstehen konnte. Fünftausend seiner Lanzenträger lagen tot im Versengten Land, und die Grenzfestungen waren überrannt.

Al'Akir und seine Königin, el'Leanna, ließen Lan in seiner Wiege zu sich bringen. In seine Kinderhände legten sie das Schwert der Könige von Malkier, das Schwert, das er heute trägt. Eine Waffe, die während des Kriegs um die Macht, des Schattenkriegs, der das Zeitalter der Legenden beendete, von Aes Sedai hergestellt worden war. Sie salbten sein Haupt mit Öl und ernannten ihn zum Dai Shan, einen mit dem Diadem gekrönten Kriegsherrn, sie weihten ihn zum nächsten König von Malkier, und in seinem Namen schworen sie den uralten Eid der Könige und Königinnen von Malkier.« Agelmars Gesichtsausdruck verhärtete sich, und er sprach diese Worte, als habe auch er diesen Eid oder einen sehr ähnlichen geleistet. »So lang gegen den Schatten anzukämpfen, wie Eisen hart bleibt und Stein widersteht. Die Malkieri zu verteidigen, solange auch nur ein Tropfen Bluts verbleibt. Zu rächen, was nicht gehalten werden kann.« Die Wort hallten im Raum wider.

»El'Leanna hängte ein Medaillon um den Hals ihres Sohnes, um ihn immer daran zu erinnern, und das Kind wurde von der Königin selbst in Windeln gewickelt und zwanzig ausgewählten Männern aus der königlichen Leibgarde übergeben, den besten Schwertkämpfern, den tödlichsten Kriegern. Ihr Befehl: das Kind nach Fal Moran zu bringen.

Dann führten al'Akir und el'Leanna die Malkieri hinaus, um ein letztes Mal dem Schatten gegenüberzutreten. Dort starben sie, bei Herots Kreuzweg, die Malkieri starben mit ihnen, und die Sieben Türme wurden geschleift. Schienar und Arafel und Kandor trafen an der Treppe des Jehaan auf die Halbmenschen und Trollocs und warfen sie zurück, doch nicht so weit, wie es vorher der Fall gewesen war. Der größte Teil von Malkier verblieb in den Händen der Trollocs, und Jahr um Jahr, Meile um Meile, wurde es von der Fäule verschlungen.« Agelmar atmete schwer und lang ein. Als er fortfuhr, lag ein trauriger Stolz in seinem Blick und seiner Stimme.

»Nur fünf der Leibwachen erreichten Fal Moran lebendig, jeder Mann verwundet, aber sie hatten das unbeschadete Kind dabei. Von der Wiege an brachten sie ihm alles bei, was sie wußten. Er lernte, mit Waffen umzugehen, wie andere Kinder mit Spielzeugen, und die Fäule lernte er kennen, wie andere Kinder den Garten ihrer Mutter. Der Eid, der über seiner Wiege geschworen wurde, ist in seinem Verstand eingebrannt. Es gibt nichts mehr zu verteidigen, wohl aber zu rächen. Er führt seine Titel nicht, aber in den Grenzlanden nennt man ihn den Ungekrönten, und falls er je den Goldenen Kranich von Malkier hissen sollte, würde eine Armee kommen, um ihm zu folgen. Doch er wird keine Männer in den Tod führen. In der Fäule flirtet er mit dem Tod wie ein Freier mit einem Mädchen, doch andere führt er nicht hinein.

Wenn Ihr die Fäule betreten müßt und das mit nur wenigen Begleitern, dann gibt es keinen besseren Mann, Euch sicher dorthin und wieder zurück zu bringen. Er ist der Beste unter den Behütern, und das bedeutet: der Beste der Besten. Ihr könntet genausogut diese Jungen hierlassen, um ein wenig Erfahrung zu sammeln, und Euch nur noch auf Lan verlassen. Die Fäule ist kein Ort für unerfahrene Jungen.«

Mat öffnete den Mund und schloß ihn nach einem Blick Rands wieder. Ich wünschte, er würde lernen, ihn nicht mehr aufzumachen.

Nynaeve hatte mit genauso großen Augen gelauscht wie Egwene, doch nun starrte sie wieder mit blassem Gesicht in ihren Pokal. Egwene legte ihr eine Hand auf den Arm und sah sie mitfühlend an.

Moiraine erschien in der Tür, gefolgt von Lan.

Nynaeve wandte ihnen den Rücken zu. »Was hat er gesagt?« wollte Rand wissen. Mat und Perrin erhoben sich.

»Dorftrottel«, murmelte Agelmar, und dann hob er die Stimme zu seiner normalen Lautstärke. »Habt Ihr irgend etwas erfahren, Aes Sedai, oder ist er einfach ein Verrückter?«

»Er ist verrückt«, sagte Moiraine, »oder zumindest beinahe verrückt, aber es ist nichts Einfaches an Padan Fain.« Einer der Diener in schwarzgoldener Livree verbeugte sich vor Agelmar. Er trug eine blaue Waschschüssel und einen Krug, ein Stück gelbe Seife und ein kleines Handtuch auf einem Silbertablett. Er sah Agelmar unsicher an. Moiraine bedeutete ihm, alles auf den Tisch zu stellen. »Verzeiht mir, daß ich Eurem Diener diesen Auftrag erteilte, Lord Agelmar«, sagte sie. »Ich nahm mir die Freiheit, um dies zu bitten.«

Agelmar nickte dem Diener zu, der das Tablett auf den Tisch stellte und schnell wegging. »Meine Diener stehen Euch zur Verfügung, Aes Sedai.«

Das Wasser, das Moiraine in die Schüssel goß, dampfte, als habe es gerade noch gekocht. Sie schob ihre Ärmel hoch und wusch sich energisch die Hände, ohne Rücksicht auf die Wassertemperatur. »Ich sagte, er sei schlimmer als schlimm, doch das kam der Wahrheit nicht nahe genug. Ich glaube nicht, daß ich jemals jemanden kennengelernt habe, der so jämmerlich und verdorben und gleichzeitig so gemein war. Ich fühle mich beschmutzt, da ich ihn berührt habe, und ich meine damit nicht den Dreck auf seiner Haut. Innerlich beschmutzt.« Sie berührte ihre Brust. »Der Verfall seiner Seele läßt mich beinahe daran zweifeln, daß er jemals eine hatte. An ihm ist etwas Schlimmeres als an jedem Schattenfreund.«

»Er sah so erbarmungswürdig aus«, sagte Egwene leise.

»Ich erinnere mich daran, wie er jeden Frühling in Emondsfeld ankam, immer lachte und Neuigkeiten von außen mitbrachte. Es gibt doch sicherlich noch Hoffnung für ihn? ›Kein Mensch kann so lange im Schatten stehen, daß er nicht zum Licht zurückfinden könnte‹«, zitierte sie.

Die Aes Sedai trocknete sich mit schnellen Bewegungen die Hände ab. »Das habe ich auch immer geglaubt«, sagte sie. »Vielleicht ist Padan Fain noch zu retten. Aber er gehört schon mehr als vierzig Jahre zu den Schattenfreunden, und was er in dieser Zeit für sie getan hat, in Blut und Schmerz und Tod gemessen, würde Euch das Herz erfrieren lassen, wenn Ihr es hörtet. Zu seinen unwesentlichsten Taten — wenn auch nicht für Euch, denke ich — gehört, daß er die Trollocs nach Emondsfeld geführt hat.«

»Ja«, sagte Rand leise. Er hörte Egwene nach Luft schnappen. Ich hätte es wissen müssen. Verseng mich, aber das hätte ich gleich wissen müssen, als ich ihn wiedererkannte.

»Hat er auch hierher welche mitgebracht?« fragte Mat. Er blickte die Steinmauern um sie herum an und schauderte. Rand glaubte, daß er noch mehr an die Myrddraal als an die Trollocs dachte, denn in Baerlon oder Weißbrücke hatten Mauern die Blassen nicht aufhalten können.

»Falls er das getan hat«, lachte Agelmar, »werden sie sich die Zähne an den Mauern von Fal Dara ausbeißen. Das ist auch schon anderen so gegangen.« Er sprach alle an, aber seinen Blicken nach zu schließen, galten seine Worte vor allem Egwene und Nynaeve. »Und macht Euch auch keine Gedanken über die Halbmenschen.« Mat errötete. »Jede Straße und Gasse in Fal Dara wird bei Nacht erleuchtet. Und kein Mensch darf innerhalb der Mauern sein Gesicht verhüllen.«

»Warum sollte Meister Fain das tun?« fragte Egwene.

»Vor drei Jahren... « Mit einem tiefen Seufzer setzte sich Moiraine hin und zwar derart erschöpft, als habe das, was sie mit Fain getan hatte, ihr alle Energie geraubt. »Diesen Sommer sind es drei Jahre. So lange ist das schon her. Das Licht bevorzugt uns ganz eindeutig, denn sonst hätte der Herr der Lügen schon triumphiert, während ich noch in Tar Valon saß und Pläne schmiedete. Drei Jahre lang hat Fain Euch für den Dunklen König gesucht.«

»Das ist doch verrückt!« sagte Rand. »Er ist regelmäßig wie ein Uhrwerk jeden Frühling zu den Zwei Flüssen gekommen. Drei Jahre? Wir waren die ganze Zeit direkt vor seiner Nase, und er hat keinen von uns eines zweiten Blickes gewürdigt — bis zum letzten Jahr.« Die Aes Sedai deutete mit einem Finger auf ihn.

»Fain hat mir alles erzählt, Rand. Oder beinahe alles. Ich glaube, er hat es fertiggebracht, etwas zurückzuhalten, etwas Wichtiges, trotz all meiner Bemühungen, aber er hat genug gesagt. Vor drei Jahren kam ein Halbmensch zu ihm. Das war in einer Stadt in Lugard. Fain hatte natürlich schreckliche Angst, aber unter Schattenfreunden gilt es als sehr große Ehre, wenn man so berufen wird. Fain glaubte, er sei zu großen Taten erwählt worden, und das stimmte auch, wenn auch nicht so, wie er sich das dachte. Man brachte ihn nach Norden in die Fäule und ins Versengte Land. Nach Shayol Ghul. Dort traf er einen Mann mit Augen aus Feuer, der sich Ba'alzamon nannte.«

Mat rutschte nervös auf seinem Stuhl herum, und Rand mußte schwer schlucken. Es mußte natürlich so gewesen sein, aber das machte es auch nicht leichter, sich damit abzufinden. Nur Perrin blickte die Aes Sedai an, als könne ihn nichts mehr überraschen.

»Das Licht schütze uns!« sagte Agelmar inbrünstig.

»Es gefiel Fain nicht, was man in Shayol Ghul mit ihm anstellte«, fuhr Moiraine ruhig fort. »Während wir miteinander sprachen, schrie er oft etwas von Feuer und Brennen. Es hätte ihn fast umgebracht, als ich es aus ihm herausholte, wo er es so lange verborgen hatte. Trotz meiner Heilkunst ist er eine gebrochene Ruine von Mensch. Es wird lange dauern, um ihn wiederherzustellen. Ich werde mich aber darum bemühen, und sei es nur, um zu erfahren, was er noch vor mir verbirgt. Er war erwählt worden, weil er gerade dort als Händler tätig war. Nein«, sagte sie schnell, als die Emondsfelder sich beunruhigt zeigten. »Nicht nur in den Zwei Flüssen. Damals noch nicht. Der Vater der Lügen wußte ungefähr, wo er das finden konnte, was er suchte, aber nicht viel genauer als wir in Tar Valon.

Fain sagte, er sei zum Spürhund des Dunklen Königs gemacht worden, und auf gewisse Weise stimmt das auch. Der Vater der Lügen sandte Fain aus, um zu jagen, doch zuerst veränderte er ihn, damit er dieser Jagd gewachsen war. Es sind die Dinge, die man mit ihm angestellt hat, um ihn so zu verändern, vor denen sich Fain so fürchtet, daß er sich nicht daran erinnern will. Deshalb haßt er seinen Meister genauso, wie er ihn fürchtet. Also schickte man Fain los, um in allen Dörfern um Baerlon herum zu schnüffeln und zu jagen, und danach bis zu den Verschleierten Bergen und hinunter zum Taren und über ihn in die Zwei-Flüsse-Region.«

»Vor drei Frühlingen?« fragte Perrin bedächtig. »Ich erinnere mich an diesen Frühling. Fain kam später als gewöhnlich, aber das Eigenartige war, daß er länger blieb. Er blieb eine ganze Woche, ohne etwas zu tun, außer daß er zähneknirschend ein Zimmer in der Weinquellenschenke mietete. Fain hängt an seinem Geld.«

»Ich erinnere mich jetzt auch daran«, sagte Mat. »Jeder fragte sich, ob er krank sei oder sich in eine Frau aus dem Ort verliebt hatte. Nicht daß eine davon jemals einen Händler heiraten würde. Da könnte man ja genausogut einen aus dem Fahrenden Volk heiraten.« Egwene zog eine Augenbraue in seiner Richtung hoch, und er verstummte.

»Danach brachte man Fain erneut nach Shayol Ghul, und sein Verstand wurde — destilliert.« Rand drehte sich der Magen um, als er den Tonfall der Stimme der Aes Sedai hörte; das sagte mehr darüber aus, was sie meinte, als ihr ganz kurz verzogenes Gesicht. »Was er... wahrgenommen... hatte, wurde konzentriert und ihm wieder eingegeben. Als er im nächsten Jahr wieder das Gebiet der Zwei Flüsse betrat, war er in der Lage, seine Ziele bewußter zu wählen. Sogar noch eindeutiger, als selbst der Dunkle König erwartet hatte. Fain wußte mit Sicherheit, daß der, den er suchte, einer von dreien in Emondsfeld sein mußte.«

Perrin knurrte und Mat fluchte, sanftmonoton vor sich hin. Selbst Nynaeves tadelnder Blick hielt ihn nicht davon ab. Agelmar blickte sie neugierig an. Rand fühlte nur ein leichtes Schaudern, und das erstaunte ihn. Drei Jahre lang hatte ihn der Dunkle König gejagt... hatte sie gejagt. Er war sicher, daß ihm eigentlich die Zähne hätten klappern sollen.

Moiraine ließ sich nicht durch Mat unterbrechen. Sie erhob die Stimme, so daß man sie trotzdem verstehen konnte. »Als Fain nach Lugard zurückkam, erschien ihm Ba'alzamon in einem Traum. Fain erniedrigte sich und vollführte Riten — Ihr würdet taub, hörtet Ihr auch nur die Hälfte davon -, die ihn noch enger an der Dunklen König banden. Was im Traum getan wird, kann noch gefährlicher sein als das, was man im wachen Zustand tut.« Rand wurde es unter ihrem scharfen, warnenden Blick unbehaglich zumute, aber sie hielt sich nicht damit auf. »Ihm wurden reiche Belohnungen versprochen. Königreiche sollte er nach Ba'alzamons Sieg beherrschen. Wenn er nach Emondsfeld zurückkehrte, sollte er die drei bezeichnen, die er aufgespürt hatte. Ein Halbmensch würde dort mit Trollocs auf ihn warten. Jetzt wissen wir, wie die Trollocs zu den Zwei Flüssen kamen. Es muß in Manetheren einen Ogierhain und ein Wegetor gegeben haben.«

»Den schönsten von allen«, sagte Loial, »außer dem in Tar Valon.« Er hatte genauso aufmerksam wie die anderen gelauscht. »Die Ogier erinnern sich gern an Manetheren.« Agelmar formte den Namen schweigend mit den Lippen, und seine Augenbrauen hoben sich staunend. Manetheren.

»Lord Agelmar«, sagte Moiraine. »Ich werde Euch sagen, wie Ihr das Wegetor von Mafal Dadaranell findet. Es muß zugemauert und eine Wache davorgestellt werden, und niemand darf sich ihm nähern. Die Halbmenschen kennen noch nicht alle Kurzen Wege, aber dieses Wegetor befindet sich südlich von Fal Dara, nur wenige Stunden davon entfernt.«

Der Herr von Fal Dara schüttelte sich, als erwache er aus einer Trance. »Südlich? Friede! Wir brauchen so was nicht, das Licht leuchte uns. Es wird getan werden.«

»Ist Fain uns durch die Kurzen Wege gefolgt?« fragte Perrin. »Es muß so sein.«

Moiraine nickte. »Fain würde Euch dreien ins Grab folgen, weil er es tun muß. Als der Myrddraal in Emondsfeld versagte, brachte er Fain mit den Trollocs auf unsere Fährte. Der Blasse ließ Fain nicht mitreiten. Obwohl er der Meinung war, er sollte das beste Pferd der Zwei Flüsse haben und an der Spitze der Horde reiten, zwang ihn der Myrddraal, mit den Trollocs zu rennen, und die Trollocs mußten ihn tragen, wenn ihm die Beine versagten. Sie sprachen so, daß er es verstehen konnte, und stritten sich darüber, wie man ihn am besten kochen sollte, wenn er seine Schuldigkeit getan hatte. Fain behauptet, er habe sich noch vor dem Erreichen des Taren gegen den Dunklen König entschieden. Doch manchmal trieft er förmlich vor Gier nach den versprochenen Belohnungen.

Als wir über den Taren entkommen waren, brachte der Myrddraal die Trollocs zurück zum nächsten Wegetor in den Verschleierten Bergen und schickte Fain allein hinüber. Da glaubte er, er sei frei, doch bevor er Baerlon erreichte, fand ihn ein anderer Blasser, und der war nicht so freundlich. Er ließ ihn zusammengerollt in einem Trolloc-Kessel schlafen, um ihn daran zu erinnern, was ihn erwartete, sollte er versagen. Dieser Blasse benützte ihn bis Shadar Logoth. Zu der Zeit hätte Fain dem Myrddraal auch seine eigene Mutter preisgegeben, wenn er dafür freigekommen wäre, aber der Dunkle König läßt niemals freiwillig jemanden laufen, der ihm bereits gehört.

Was ich dort tat, nämlich ein Trugbild unserer Spuren und unseres Geruchs in Richtung Berge zu senden, täuschte den Myrddraal, aber nicht Fain. Die Halbmenschen glaubten ihm nicht und schleiften ihn schließlich an einer Leine hinter sich her. Erst als wir ihnen immer ein Stück voraus zu sein schienen, gleich wie schnell sie auch marschierten, begannen einige, ihm Glauben zu schenken. Das waren die vier, die nach Shadar Logoth zurückkehrten. Fain behauptet, es sei Ba'alzamon selbst gewesen, der die Myrddraal dorthin trieb.«

Agelmar schüttelte verächtlich den Kopf. »Der Dunkle König? Pah! Der Mann lügt oder spinnt. Wenn Herzensbann frei wäre, dann wären wir alle mittlerweile tot oder noch schlimmer dran.«

»Fain sagte die Wahrheit, wie er sie sah«, sagte Moiraine. »Er konnte mich nicht anlügen, auch wenn er viel verbarg. Er sagte wörtlich: ›Ba'alzamon erschien wie die flackernde Flamme einer Kerze, verschwand und erschien wieder und befand sich niemals wieder am selben Platz. Seine Augen versengten die Myrddraal, und die Feuer seines Mundes peinigten uns.‹«

»Etwas«, sagte Lan, »trieb vier Blasse an einen Ort, den sie fürchteten — einen Ort, den sie beinahe genauso fürchten wie den Zorn des Dunklen Königs.«

Agelmar stöhnte auf, als habe man ihm einen Tritt versetzt, und er wirkte, als sei ihm schlecht.

»Es hieß Böses gegen Böses in den Ruinen von Shadar Logoth«, fuhr Moiraine fort, »Verderbtheit kämpfte gegen Gemeinheit. Als Fain davon erzählte, klapperten seine Zähne, und er winselte richtig. Viele Trollocs wurden getötet und von Mashadar und anderen ›Dingen‹ verschlungen, darunter auch der Trolloc, der Fains Leine gehalten hatte. Er floh aus der Stadt, als sei sie der Abgrund des Verderbens in der Nähe von Shayol Ghul.

Fain glaubte, er sei endlich frei. Er hatte vor wegzurennen, bis Ba'alzamon ihn nicht mehr finden konnte, wenn nötig bis zum Ende der Welt. Stellt Euch seinen Schreck vor, als ihm klar wurde, daß der Zwang zum Jagen nicht geringer wurde. Statt dessen wurde er mit jedem Tag, der verging, stärker. Er hatte nichts zu essen — nur das, was er aufsammeln konnte, während er Euch verfolgte: Käfer und Eidechsen, die er beim Rennen aufschnappte, und halbverfaulten Abfall, den er bei Nacht aus den Müllhaufen zog — aber er konnte auch nicht aufhören, bis er vor Erschöpfung wie ein leerer Sack in sich zusammenfiel. Und sobald er wieder genug zu Kräften gekommen war, um aufzustehen, trieb es ihn weiter. Als er schließlich Caemlyn erreichte, konnte er seine Beute selbst dann noch fühlen, wenn sie eine Meile entfernt war. Hier, dort drunten in der Zelle, blickte er manchmal nach oben, ohne es selbst zu bemerken. Er blickte in Richtung dieses Raumes.«

Rand juckte es plötzlich zwischen den Schulterblättern. Ihm war, als könne er Fains Blick auf sich ruhen fühlen, und das durch die Steinmauern hindurch. Die Aes Sedai bemerkte sein unsicheres Achselzucken, aber sie fuhr unbeirrt fort:

»Wenn Fain schon halb verrückt war, als er Caemlyn erreichte, so sank er noch tiefer, denn er erkannte, daß sich nur zwei der Gesuchten dort befanden. Er war gezwungen, Euch alle zu finden, aber andererseits konnte er auch nichts anderes tun, als den beiden zu folgen, die da waren. Er erzählte davon, geschrien zu haben, als sich das Wegetor in Caemlyn öffnete. Doch die Kenntnis, wie man es öffnet, war in seinem Verstand, auch wenn er nicht weiß, woher sie kam. Seine Hände bewegten sich selbständig, und wenn er versuchte, sie still zu halten, brannten sie unter dem Feuer Ba'alzamons. Fain ermordete den Eigentümer des Ladens, als der herunterkam, um zu sehen, was diesen Lärm verursachte. Nicht weil er unbedingt mußte, nein, er war neidisch auf einen Mann, der frei und ungebunden aus dem Keller steigen konnte, während ihn seine Beine unweigerlich in die Kurzen Wege hineintrugen.«

»Dann war Fain derjenige, den du wahrgenommen hast, als er uns folgte«, sagte Egwene. Lan nickte. »Wie entkam er... dem Schwarzen Wind?« Ihre Stimme zitterte, und sie unterbrach sich, um Speichel herunterzuschlucken. »Er war doch am Wegetor ganz nah hinter uns.«

»Er entkam — und auch wieder nicht«, sagte Moiraine. »Der Schwarze Wind fing ihn — und er behauptet, die Stimmen verstanden zu haben. Einige begrüßten ihn, da er ihnen ähnlich war, andere fürchteten sich vor ihm. Der Wind hatte Fain kaum umhüllt, da floh er schon.«

»Das Licht behüte uns!« Loials Flüstern klang, als brumme eine riesige Hummel. »Betet darum, daß es uns beschützt«, sagte Moiraine. »Es ist noch viel an Padan Fain verborgen geblieben, vieles, das ich herausfinden muß. In ihm reicht das Böse tiefer und ist stärker als in jedem Menschen, den ich bisher kennengelernt habe. Es kann sein, daß der Dunkle König bei dem, was er Fain angetan hat, etwas von sich selbst dem Mann aufgeprägt hat — vielleicht sogar unbewußt -, einen Teil seiner Absichten. Als ich das Auge der Welt erwähnte, schloß Fain den Mund ganz fest, doch hinter seinem Schweigen fühlte ich ein Wissen. Wenn ich jetzt nur genug Zeit hätte. Aber wir können nicht warten.«

»Wenn dieser Mann etwas weiß«, sagte Agelmar, »dann kann ich es aus ihm herausbekommen.« In seinem Gesicht stand kein Mitleid für Schattenfreunde geschrieben, und seine Stimme versprach auch kein Mitleid für Fain. »Wenn Ihr nur einen Teil dessen herausbekommen könnt, was in der Fäule auf Euch wartet, dann ist das einen weiteren Tag wert. Schlachten sind schon verloren gegangen, weil man nicht wußte, was der Feind vorhatte.«

Moiraine seufzte und schüttelte bedauernd den Kopf. »Lord Agelmar, wenn wir nicht eine Nacht Schlaf bräuchten, bevor wir uns in die Fäule hineinwagen, würde ich noch in dieser Stunde losreiten, obwohl das bedeuten würde, daß wir einen Trollocüberfall in der Nacht riskierten. Überdenkt einmal, was ich von Fain erfahren habe. Vor drei Jahren mußte der Dunkle König Fain nach Shayol Ghul bringen lassen, um ihn direkt zu berühren, obwohl Fain ja bis aufs Mark ein Schattenfreund war. Vor einem Jahr konnte der Dunkle König dem Schattenfreund Fain in seinen Träumen Befehle erteilen. Dieses Jahr geht Ba'alzamon durch die Träume von Menschen, die im Licht wandeln, und erscheint persönlich, wenn auch unter Schwierigkeiten, in Shadar Logoth. Natürlich nicht in seinem eigenen Körper, aber selbst ein Trugbild aus dem Geist des Dunklen Königs, sogar eines, das flackert und sich nicht hält, ist von tödlicherer Gefahr für die Welt als alle Trollochorden zusammen. Die Siegel von Shayol Ghul werden immer schwächer, Lord Agelmar. Es ist keine Zeit mehr zu verlieren.«

Agelmar nickte zustimmend, aber als er den Kopf wieder hob, lag immer noch ein widerspenstiger Zug um seinen Mund. »Aes Sedai, ich kann es hinnehmen, daß es -wenn ich die Lanzen zum Tarwin-Paß führe — nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver sein wird oder ein Scharmützel im Randbereich der wirklichen Schlacht. Genauso wie das Muster führt auch die Pflicht Männer, wohin sie eben muß, und in keinem von beiden Fällen ist gewährleistet, daß unsere Taten von historischer Größe sein werden. Doch unser Scharmützel ist nutzlos, selbst wenn wir gewinnen, falls Ihr die Schlacht verliert. Wenn Ihr sagt, daß Eure Gruppe klein sein muß, dann sage ich: Gut und schön, doch ich bitte Euch, alles zu tun, um sicherzugehen, daß Ihr gewinnen könnt. Laßt diese jungen Männer hier, Aes Sedai. Ich schwöre Euch, ich kann drei erfahrene Männer finden, die keinen Gedanken an Ruhm und Ehre verschwenden, um sie zu ersetzen — gute Schwertkämpfer, die sich in der Fäule fast genauso gut zurechtfinden wie Lan. Laßt mich in dem Bewußtsein zum Paß reiten, daß ich alles getan habe, was in meiner Macht steht, um Euch zum Sieg zu verhelfen.«

»Ich muß sie und keine anderen mitnehmen, Lord Agelmar«, sagte Moiraine mit sanfter Stimme. »Sie sind es, die die Schlacht am Auge der Welt schlagen werden.«

Agelmars Kinnlade klappte herunter, und er starrte Rand und Mat und Perrin an. Plötzlich trat der Herr von Fal Dara einen Schritt zurück, und seine Hand griff unbewußt nach dem Schwert, das er innerhalb der Festung niemals trug. »Sie sind doch nicht... Ihr seid keine Rote Ajah, Moiraine Sedai, aber sicher würdet nicht einmal Ihr...« Schweiß glitzerte auf seinem kahlen Kopf.

»Sie sind ta'veren«, sagte Moiraine beruhigend. »Das Muster webt sich um sie herum. Der Dunkle König hat bereits mehr als einmal versucht, jeden der drei zu töten. Drei ta'veren am gleichen Ort reichen aus, um das Leben um sie herum so zu verändern, wie ein Wasserstrudel den Kurs eines Strohhalms ändert. Wenn der Ort das Auge der Welt ist, könnte das Muster vielleicht sogar den Vater der Lügen in sich einweben und ihn damit wieder zur Harmlosigkeit verdammen.«

Agelmar hörte auf, nach seinem Schwert zu tasten, sah aber immer noch Rand und die anderen zweifelnd an. »Moiraine Sedai, wenn Ihr sagt, daß nur sie die Richtigen sind, dann stimmt das, aber ich kann nichts davon erkennen. Bauernjungen. Seid Ihr sicher, Aes Sedai?«

»Das alte Blut«, sagte Moiraine, »hat sich geteilt wie ein Fluß, der in tausendmal tausend Bäche ausläuft, doch manchmal fließen die Bäche wieder ineinander und bilden wieder einen Fluß. Das alte Blut von Manetheren fließt stark und rein in fast allen diesen jungen Männern. Zweifelt Ihr an der Kraft des Bluts von Manetheren, Lord Agelmar?«

Rand sah die Aes Sedai von der Seite her an. Fast alle. Er riskierte einen Blick zu Nynaeve hinüber. Sie hatte sich Moiraine zugewandt, um sie zu sehen und ihr zu lauschen, vermied es aber immer noch, Lan anzublicken. Er erhaschte den Blick der Seherin. Sie schüttelte den Kopf; sie hatte der Aes Sedai nicht erzählt, daß er nicht im Gebiet der Zwei Flüsse geboren war. Was weiß Moiraine?

»Manetheren«, sagte Agelmar bedächtig und nickte. »Dieses Blut stelle ich nicht in Zweifel.« Dann, etwas hastiger: »Das Rad bringt uns seltsame Zeiten. Bauernjungen tragen die Ehre von Manetheren in die Fäule, und doch, wenn irgendein Blut dem Dunklen König einen schweren Schlag versetzen kann, dann ist es das Blut von Manetheren. Es wird getan, wie Ihr es wünscht, Aes Sedai.«

»Dann laßt uns jetzt in unsere Zimmer gehen«, sagte Moiraine. »Wir müssen bei Sonnenaufgang weg, denn die Zeit läuft uns davon. Die jungen Männer müssen in meiner Nähe schlafen. Die Zeit vor der Schlacht ist zu knapp, um dem Dunklen König zu gestatten, nochmals einen Schlag gegen sie zu führen. Zu knapp.«

Rand fühlte ihren Blick auf sich ruhen, wie sie ihn und seine Freunde betrachtete und ihre Stärke abschätzte, und er schauderte. Zu knapp.

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