12 Uber den Taren

Lan kam die Treppe herunter und befahl den Gefährten, sie sollten absteigen und die Pferde hinter ihm durch den Nebel führen. Wieder mußten sie darauf vertrauen, daß der Behüter wußte, wo er hintrat. Der Nebel wirbelte ihm um die Knie und verbarg seine Füße und alles, was sich mehr als einen Schritt entfernt befand. Der Nebel war hier nicht so dicht wie außerhalb des Ortes, aber trotzdem konnte Rand seine Gefährten kaum erkennen.

Immer noch rührte sich kein Mensch außer ihnen in dieser Nacht. Es zeigten sich Lichter in ein paar Häusern, aber der Nebel machte sie zu verschwommenen Lichtflecken. Andere Häuser schienen auf einem Wolkenmeer zu schwimmen oder ragten unvermittelt aus dem Nebel heraus, als stünden sie ganz allein in der einsamen Landschaft.

Rand war steif vor Schmerzen von diesem langen Ritt und fragte sich, ob er nicht den Rest des Weges nach Tar Valon zu Fuß zurücklegen sollte. Laufen war zwar nicht besser als Reiten, aber seine Füße waren so ziemlich der einzige Körperteil, der nicht schmerzte. Und er war das Laufen ja gewöhnt.

Nur einmal sagte jemand etwas so laut, daß Rand es klar hören konnte. »Du mußt dich darum kümmern«, sagte Moiraine, als antworte sie auf etwas, das Lan — für Rand unhörbar — gesagt hatte. »Er wird sich sowieso an viel zuviel erinnern, ohne daß wir es ändern können. Wenn er sich besonders deutlich an mich erinnert... «

Rand bewegte die Schultern unter dem mittlerweile durchnäßten Umhang, aber es half nichts. Er hielt sich nahe bei den anderen. Mat und Perrin murrten vor sich hin, murmelten Flüche und verbissen sich manchen Aufschrei, wenn sie mit den Zehen an etwas Unsichtbarem anstießen. Auch Thom Merrilin brummelte vor sich hin. Wortfetzen wie ›heiße Mahlzeit‹ und ›Feuer‹ und ›Glühwein‹ drangen an Rands Ohren, aber weder der Behüter noch die Aes Sedai achteten darauf. Egwene marschierte wortlos mit, den Rücken gerade aufgerichtet und den Kopf hoch erhoben. Ihr Schritt wirkte allerdings auch schmerzhaft zögernd, denn sie war genausowenig an das Reiten gewöhnt wie die anderen.

Sie bekommt ihr Abenteuer, dachte er grimmig, aber so wie es schien, bemerkte sie Kleinigkeiten wie Nebel, Feuchtigkeit und Kälte überhaupt nicht. Es mußte da einen Unterschied in der Sichtweise geben, der davon abhing, ob man das Abenteuer suchte oder ob es einem aufgezwungen wurde. In den Geschichten wirkte es zweifellos spannend, wenn einer durch kalten Nebel ritt, einen Draghkar oder Schlimmeres auf den Fersen. Egwene empfand vielleicht einen Nervenkitzel dabei; er dagegen spürte nur Kälte und Feuchtigkeit und war froh, sich wieder in einem Dorf zu befinden, selbst wenn es nur Taren-Fähre war.

Plötzlich prallte er in der Dunkelheit gegen etwas Großes und Warmes: Lans Hengst. Der Behüter und Moiraine waren stehengeblieben, und der Rest der Gruppe tat es ihnen nach. Sie tätschelten ihre Reittiere, um sich ebenso zu beruhigen wie die Tiere. Hier war der Nebel ein wenig dünner.

Vorsichtig führte Rand Wolke ein Stückchen vorwärts und war überrascht, als er hörte, daß seine Stiefel über Holzplanken scharrten. Der Landesteg der Fähre! Er bewegte sich behutsam rückwärts und zog den Grauen mit sich. Er hatte gehört, wie der Landesteg der Taren-Fähre aussah: eine Brücke ins Nichts, an deren Ende nur die Fähre lag. Der Taren war angeblich breit und tief und hatte eine trügerische Strömung, die auch den stärksten Schwimmer unter Wasser ziehen konnte. Viel breiter als der Weinquellenbach, dachte er bei sich. Dazu noch der Nebel... Er war erleichtert, als er wieder Erdboden unter den Füßen fühlte.

Ein zorniges ›Hsst!‹ von Lan, beißend wie der Nebel. Der Behüter gestikulierte und eilte an Perrins Seite. Er zog den Umhang des kräftigen Burschen weg, bis die große Axt zu sehen war. Gehorsam, auch wenn er nicht verstand, warum, warf Rand den eigenen Umhang über die Schulter zurück, um sein Schwert zu zeigen. Als Lan schnell zu seinem Pferd zurücklief, erschienen im Nebel schwankende Lichter, und gedämpfte Schritte näherten sich.

Sechs Männer in grober Kleidung folgten Meister Hochturm mit unbewegten Gesichtern. Die Fackeln, die sie trugen, vertrieben den Nebel in einem engen Umkreis. Als sie stehenblieben, konnten sie die ganze Gesellschaft aus Emondsfeld klar erkennen. Sie waren von einer grauen Mauer umgeben, die durch den reflektierten Fackelschein noch undurchdringlicher wirkte. Der Fährmann betrachtete sie. Den schmalen Kopf hielt er schief, und seine Nase zuckte wie bei einem Wiesel, das die Luft prüft, ob eine Falle droht.

Lan lehnte sich scheinbar unbeteiligt an seinen Sattel, doch eine Hand ruhte drohend auf dem langen Knauf seines Schwertes. Er wirkte wie eine zusammengepreßte Metallfeder.

Rand ahmte rasch die Haltung des Behüters nach, indem er eine Hand auf sein Schwert legte. Doch er glaubte nicht, daß er diesen tödlich wirkenden Eindruck erwecken konnte. Vielleicht lachen sie, wenn ich es versuche.

Perrin lockerte seine Axt in der Lederschlaufe und stellte sich absichtlich breitbeinig hin. Mat legte eine Hand auf den Köcher. Rand fragte sich, in welchem Zustand sich Mats Bogensehne befand, nachdem sie dieser Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen war. Thom Merrilin trat großspurig vor und hielt eine leere Hand hoch, die er langsam drehte. Plötzlich machte er eine schwungvolle Bewegung, und ein Dolch wirbelte zwischen seinen Fingern hindurch. Der Griff klatschte ihm in die Handfläche, und er reinigte sich ganz lässig die Fingernägel damit. Ein leises Lachen trieb von Moiraine herüber. Egwene klatschte, als beobachte sie eine Vorführung beim Fest, hielt dann inne und blickte beschämt drein. Ihr Mund zuckte trotzdem im Anflug eines Lächelns.

Hochturm wirkte überhaupt nicht erheitert. Er starrte Thom an und räusperte sich laut. »Es ist mehr Gold für die Überfahrt im Gespräch gewesen.« Er sah wieder mit einem mürrischen und gleichzeitig verschlagenen Blick einen nach dem anderen an. »Was Ihr mir zuvor gegeben habt, ist jetzt an einem sicheren Ort verwahrt, klar? Da kommt Ihr nicht mehr dran.«

»Der Rest des Goldes«, sagte Lan zu ihm, »ist in Eurer Hand, wenn wir auf der anderen Seite sind.« Der Lederbeutel an seinem Gürtel klimperte, als er ihn ein wenig schüttelte.

Einen Augenblick lang huschte der Blick des Fährmanns zu dem Beutel hinüber, doch schließlich nickte er. »Fangen wir also an«, murmelte er und schritt hinaus auf den Steg, von seinen sechs Helfern gefolgt. Der Nebel wich vor den Fackeln zurück. Hinter ihnen schlossen sich graue Fühler und füllten den Raum, in dem sie sich befunden hatten. Rand eilte hinterher.

Die Fähre selbst war eine breite Holzbarke mit hochgezogenen Seiten. Man erreichte sie über eine Rampe, die hochgezogen werden konnte und so das eine Ende abschloß. Auf beiden Seiten verliefen Seile, stark wie das Handgelenk eines Mannes. Die Seile waren an massiven Pfosten am Ende des Stegs befestigt und verschwanden auf der anderen Seite in der Nacht über dem Fluß. Die Helfer des Fährmanns steckten ihre Fackeln in Eisenklammern an den Bordwänden der Fähre, warteten, bis alle ihre Pferde an Bord geführt hatten, und zogen dann die Rampe hoch. Das Deck knarrte unter Hufen und scharrenden Füßen, und die Fähre schwankte unter ihrem Gewicht.

Hochturm fluchte vor sich hin und knurrte sie an, sie sollten ihre Pferde festhalten und in der Mitte bleiben, damit sie den Helfern nicht im Weg standen. Er schrie seine Helfer an und hetzte sie herum, als sie die Fähre auf die Überquerung vorbereiteten, aber was er auch sagte: Die Männer bewegten sich mit den gleichen zögernden Bewegungen. Auch er war nicht mit ganzem Herzen dabei, brach oft mitten im Schreien ab, hielt seine Fackel hoch und spähte in den Nebel hinaus. Schließlich hörte er mit dem Schreien ganz auf und ging zum Bug, wo er stand und in den Nebel starrte, der den Fluß bedeckte. Er bewegte sich nicht, bis einer der Helfer ihn am Arm berührte; dann fuhr er zusammen und sah ihn böse an.

»Was? Oh. Du? Fertig? Wurde auch Zeit. Also, Mann, worauf wartest du?« Er wedelte mit den Armen. »Legt ab! Mach Platz! Beweg dich!« Der Mann schlurfte gehorsam weg, und Hochturm spähte wieder in den Nebel hinaus.

Die Fähre schwankte stark, als die Taue gelöst wurden und die heftige Strömung sie erfaßte, und dann gab es nochmals einen Ruck, als sie von den Führseilen abgefangen wurde. Die Helfer, auf jeder Seite drei, packten die Seile am vorderen Ende der Fähre und schritten mühsam damit nach hinten. Sie unterhielten sich leise, und die Fähre glitt auf den grauverhüllten Fluß hinaus.

Der Landesteg verschwand. Nebel hüllte sie ein. Zarte Nebelfinger griffen zwischen den flackernden Fackeln hindurch über die Fähre hinweg. Die Barke schaukelte langsam in der Strömung. Nirgends zeigte sich eine Bewegung bis auf den gleichmäßig schweren Schritt der Helfer, wenn sie vorwärtsgingen, um die Seile zu packen und sie dann nach hinten zu ziehen. Rands Gruppe hielt sich möglichst dicht beieinander in der Mitte der Fähre. Rand hatte gehört, daß der Taren viel breiter war als die Flüsse, die er kannte; der Nebel machte ihn nun noch unendlich viel breiter.

Nach einer Weile bewegte sich Rand näher zu Lan hin. Flüsse, die ein Mann nicht durchwaten oder durchschwimmen konnte, ja, deren anderes Ufer er noch nicht einmal sah, machten ihn, der nie etwas Breiteres oder Tieferes als einen Wasserwald-Teich gesehen hatte, schon recht unruhig. »Hätten sie wirklich versucht, uns auszurauben?« fragte er leise. »Er hat sich eher so benommen, als habe er Angst, wir würden ihn ausrauben.«

Der Behüter betrachtete den Fährmann und seine Helfer — keiner schien zu lauschen -, bevor er ebensoleise antwortete: »Wenn der Nebel sie verbirgt... Also, wenn das verborgen bleibt, was sie tun, handeln Menschen manchmal anderen gegenüber anders, als es der Fall wäre, wenn man sie beobachten kann. Und diejenigen, die am schnellsten bereit sind, einem Fremden etwas anzutun, glauben auch am ehesten, ein Fremder wolle ihnen Schaden zufügen. Dieser Bursche... Ich denke, er würde seine Mutter als Festtagsbraten an die Trollocs verkaufen, wenn der Preis stimmt. Ich bin etwas überrascht, daß du fragst. Ich hörte, wie die Leute in Emondsfeld über die Einwohner von Taren-Fähre reden.«

»Ja, aber... Na ja, jeder sagt, daß sie... Aber ich habe nicht geglaubt, daß sie wirklich... « Rand entschloß sich, den Glauben daran aufzugeben, er wisse irgend etwas über die Menschen außerhalb seines eigenen Dorfes. »Er erzählt vielleicht dem Blassen, daß wir auf der Fähre übergesetzt haben«, sagte er schließlich. »Vielleicht bringt er die Trollocs anschließend auch hinüber.«

Lan lachte trocken. »Einen Fremden ausrauben ist eine Sache, mit einem Halbmenschen zu tun haben, eine andere. Kannst du dir wirklich vorstellen, daß er Trollocs übersetzt, besonders in diesem Nebel, ganz gleich, wieviel Gold man ihm bietet? Oder daß er auch nur mit einem Myrddraal spricht, wenn er es vermeiden kann? Allein der Gedanke daran brächte ihn dazu, wegzurennen, so weit er nur könnte. Ich glaube nicht, daß wir uns über Schattenfreunde in Taren-Fähre viele Gedanken machen müssen. Nicht hier. Wir sind sicher.... Wenigstens für eine Weile. Vor diesen Burschen jedenfalls. Paß auf!«

Hochturm hatte sich umgedreht. Das spitze Gesicht vorgestreckt die Fackel erhoben, betrachtete er Lan und Rand, als sehe er sie nun zum erstenmal klar und deutlich. Planken knarrten unter dem Schritt der Helfer, und gelegentlich hörte man das Stampfen eines Pferdehufs. Plötzlich zuckte der Fährmann zusammen, denn er bemerkte, daß sie ihn beim Beobachten selbst beobachteten. Behende wandte er sich um und spähte nach dem anderen Ufer aus oder was er sonst im Nebel suchen mochte.

»Sag nichts mehr«, sagte Lan so leise, daß Rand ihn kaum verstehen konnte. »Dies sind schlechte Tage, um von Trollocs oder Schattenfreunden oder dem Vater der Lügen zu sprechen. Fremde Ohren lauschen. Solche Gespräche können sich noch mehr rächen als ein Drachenzahn an deiner Tür.«

Rand verging die Lust zum Weiterfragen. Mehr als zuvor packte ihn eine Weltuntergangsstimmung. Schattenfreunde! Als ob Blasse und Trollocs und ein Draghkar nicht schon genug waren. Wenigstens konnte man einen Trolloc erkennen, wenn man ihn sah.

Plötzlich ragten schattenhafte Pfähle aus dem Nebel auf. Die Fähre prallte sanft auf dem Steg am anderen Ufer auf. Dann rannten die Helfer und machten die Fähre fest und ließen die Rampe am vorderen Ende mit einem dumpfen Schlag herunter, während Mat und Perrin großspurig erklärten, der Taren sei nicht halb so breit, wie sie erwartet hatten. Lan führte seinen Hengst die Rampe hinunter, von Moiraine und den anderen gefolgt. Als Rand, der letzte in der Reihe, Wolke hinter Bela auf den Steg führte, rief ihnen Meister Hochturm zornig zu: »Was ist jetzt? He! Wo ist mein Gold?«

»Es wird bezahlt werden.« Moiraines Stimme kam von irgendwoher im Nebel. Rands Stiefel polterten über die Planken des Landestegs. »Und eine Silbermark für jeden Eurer Männer«, fügte die Aes Sedai hinzu, »als Dank für die schnelle Überfahrt.«

Der Fährmann zögerte, das Gesicht vorgeschoben, als wittere er Gefahr, aber als sie das Silber erwähnte, erhoben sich die Helfer. Ein paar holten sich erst einmal eine Fackel, doch alle polterten die Rampe hinunter, bevor Hochturm den Mund öffnen konnte. Mit mürrisch verzogenem Gesicht folgte der Fährmann seiner Besatzung.

Wolkes Hufschläge klangen hohl durch den Nebel, als Rand vorsichtig den Steg entlangging. Der graue Nebel war hier so dicht wie über dem Fluß. Am Fuß des Stegs teilte der Behüter Münzen aus. Er war umgeben von den Fackeln Hochturms und seiner Leute. Alle außer Moiraine warteten ein wenig weiter entfernt. Sie standen ängstlich eng beieinander. Die Aes Sedai stand allein da und blickte auf den Fluß hinaus. Rand verstand nicht, was sie da wohl sehen mochte. Schaudernd zog er den Umhang enger um die Schultern, obwohl er ganz durchnäßt war. Jetzt befand er sich wirklich außerhalb der Zwei Flüsse, und seine Heimat schien ihm viel ferner als nur eine Flußbreite.

»Hier«, sagte Lan, der Hochturm eine letzte Münze in die Hand drückte. »Wie abgemacht.« Er steckte seine Börse noch nicht weg, und der Mann mit dem Frettchengesicht betrachtete sie gierig.

Unter lautem Quietschen erzitterte der Landesteg. Hochturm fuhr hoch. Sein Kopf wandte sich der von Nebel eingehüllten Fähre zu. Die an Bord zurückgebliebenen Fackeln waren ein paar verschwommene trübe Lichtflecken. Der Steg ächzte, und mit dem donnernden Krachen von zerberstendem Holz schwankten die beiden Lichter und entfernten sich. Egwene stieß einen wortlosen Schrei aus, und Thom fluchte.

»Sie treibt weg!« schrie Hochturm. Er packte seine Helfer und schob sie auf das Ende des Stegs zu. »Die Fähre hat sich losgerissen, ihr Dummköpfe! Packt zu! Holt sie zurück!«

Die Helfer stolperten unter seinen Stößen ein paar Schritte vorwärts, blieben dann aber stehen. Die trüben Lichter an Bord der Fähre drehten sich plötzlich und dann immer schneller. Der Nebel darüber drehte sich ebenfalls, wurde zu einer Spirale. Der Landesteg bebte. Das Krachen und Splittern von Holz erfüllte die Luft, als die Fähre zerbrach.

»Ein Strudel«, murmelte einer der Helfer mit ehrfurchtsvoller Stimme.

»Es gibt keine Strudel im Taren.« Hochturm hörte sich irgendwie leer an. »Da war noch nie ein Strudel... «

»Ein unglückliches Vorkommnis.« Moiraines Stimme klang hohl durch den Nebel, der aus ihr einen Schatten machte, der sich vom Fluß abwandte.

»Unglücklich«, stimmte Lan mit gepreßter Stimme zu. »Es scheint, daß Ihr für eine Weile niemanden mehr über den Fluß bringen werdet. Eine unangenehme Sache, Euer Floß in unseren Diensten zu verlieren.« Er griff erneut in den Beutel, der sich noch in seiner Hand befand. »Dies sollte Euch entschädigen.«

Für einen Augenblick starrte Hochturm auf das Gold, das in Lans Hand schimmerte, dann zog er die Schultern ein, und sein Blick wanderte zu den anderen hinüber, die er über den Fluß gebracht hatte. Die Leute aus Emondsfeld standen undeutlich und schweigend im Nebel. Mit einem verängstigten Aufschrei schnappte sich der Fährmann die Münzen aus Lans Hand, drehte sich um und rannte in den Nebel hinein. Seine Helfer waren nur einen halben Schritt hinter ihm. Der Schein ihrer Fackeln verschwand schnell flußaufwärts.

»Es gibt hier nichts mehr, das uns halten könnte«, sagte die Aes Sedai, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen. Sie führte ihre weiße Stute weg vom Landesteg und die Uferböschung hinauf.

Rand stand noch da und starrte auf den verborgenen Fluß. Es könnte ein Zufall gewesen sein. Er sagte wohl: Keine Strudel... Aber es... Plötzlich wurde ihm klar, daß alle anderen weg waren. Hastig stieg auch er die sanft ansteigende Böschung hinauf.

Drei Schritte später verflog der dichte Nebel, und nichts blieb davon übrig. Er blickte zurück. Entlang der Uferlinie hing auf einer Seite dichtes Grau, während sich auf der anderen ein klarer Nachthimmel zeigte, noch dunkel, obwohl die scharfen Umrisse des Mondes darauf hinwiesen, daß die Dämmerung nicht mehr fern war.

Der Behüter und die Aes Sedai standen neben ihren Pferden und berieten. Die anderen drückten sich ein Stück entfernt aneinander; sogar im Mondlicht war ihr Unbehagen greifbar zu spüren. Alle sahen Lan und Moiraine an, und alle außer Egwene hatten sich nach hinten gelehnt, innerlich unentschlossen, denn sie wollten das Paar nicht aus den Augen verlieren und ihm andererseits nicht zu nahe kommen. Rand lief an Egwenes Seite, Wolke im Schlepptau, und sie lächelte ihn an. Er glaubte nicht, daß das Leuchten in ihren Augen nur vom Mondschein herrührte.

»Er verläuft so gerade am Flußufer entlang, als sei er mit der Feder gezogen«, sagte Moiraine in befriedigtem Tonfall. »Es gibt keine zehn Frauen in Tar Valon, die das ohne Hilfe fertiggebracht hätten. Ganz zu schweigen davon, daß es vom Rücken eines galoppierenden Pferdes aus geschah.«

»Ich will mich ja nicht beklagen, Moiraine Sedai«, sagte Thom mit ungewohnter Schüchternheit, »aber wäre es nicht besser gewesen, uns weiterhin Deckung zu gewähren? Vielleicht bis Baerlon? Wenn der Draghkar auf diese Seite des Flusses schaut, dann verlieren wir alles, was wir gewonnen haben.«

»Die Draghkar sind nicht besonders schlau, Meister Merrilin«, sagte die Aes Sedai trocken. »Furchterregend und von tödlicher Gefahr und mit guten Augen ausgestattet, doch mit wenig Intelligenz. Er wird dem Myrddraal berichten, daß es auf dieser Seite des Flusses klar sei, doch der Fluß selbst sei meilenweit in beiden Richtungen in Nebel gehüllt. Der Myrddraal wird wissen, welche Anstrengung das für mich bedeutete. Er wird in Betracht ziehen, daß wir vielleicht den Fluß hinunter zu entkommen versuchen, und das wird ihn aufhalten. Er muß seine Bemühungen verdoppeln. Der Nebel sollte sich lange genug halten, damit er nie sicher ist, ob wir nicht doch zumindest ein Stück mit einem Boot gefahren sind. Ich hätte den Nebel statt dessen auch mehr in Richtung Baerlon ausdehnen können, doch dann könnte der Draghkar den Fluß innerhalb weniger Stunden absuchen, und der Myrddraal wüßte genau, in welche Richtung wir reisen.«

Thom pustete und schüttelte den Kopf. »Ich entschuldige mich, Aes Sedai. Ich hoffe, Ihr seid mir nicht böse.«

»Ah, Moi... ach ja, Aes Sedai.« Mat stockte und schluckte hörbar. »Die Fähre... äh... habt Ihr... ich meine... ich verstehe nicht, wieso... « Er verstummte schüchtern, und die nachfolgende Stille war so tief, daß der einzige Laut, den Rand vernahm, der eigene Atem war. Schließlich sprach Moiraine, und ihre Stimme erfüllte die leere Stille mit Schärfe. »Ihr sucht alle nach Erklärungen, aber wenn ich jede meiner Handlungen erst erklären wollte, dann hätte ich keine Zeit mehr für anderes.« Im Mondlicht erschien ihnen die Aes Sedai größer, sie ragte beinahe über ihnen auf. »Wisset also: Ich beabsichtige, Euch sicher nach Tar Valon zu bringen. Das ist das einzige, was Ihr wissen müßt.«

»Wenn wir weiter hier herumstehen«, warf Lan ein, »muß der Draghkar den Fluß nicht erst absuchen. Falls mich mein Gedächtnis nicht täuscht...« Er führte sein Pferd weiter die Böschung hoch.

Als habe die Bewegung des Behüters etwas in seiner Brust befreit, holte Rand tief Luft. Er hörte die anderen dasselbe tun, sogar Thom, und erinnerte sich an eine alte Redensart: Besser dem Wolf auf die Nase spucken als eine Aes Sedai erzürnen. Aber die Anspannung war gewichen. Moiraine ragte über niemanden auf; sie reichte ihm kaum bis zur Brust.

»Können wir uns wenigstens ein bißchen ausruhen?« fragte Perrin hoffnungsvoll und gähnte. Egwene, die sich träge an Bela lehnte, seufzte erschöpft.

Das war der erste verzagte Laut, den Rand von ihr vernahm. Vielleicht merkt sie endlich, daß dies kein tolles Abenteuer ist. Dann erinnerte er sich schuldbewußt daran, daß sie nicht wie er den halben Tag verschlafen hatte. »Wir brauchen ein wenig Ruhe, Moiraine Sedai«, sagte er. »Schließlich sind wir die ganze Nacht hindurch geritten.«

»Dann schlage ich vor, wir sehen nach, was Lan mit uns im Sinn hat«, sagte Moiraine. »Kommt!«

Sie führte sie die Böschung vollends hinauf und in den Wald hinein. Kahle Äste verstärkten die Schatten, und sie erreichten eine dunkle Erhebung neben einer Lichtung. Hier hatte vor langer Zeit eine Überschwemmung einen ganzen Hain von Lederblattbäumen unterspült und umgestürzt. Die Bäume waren zu einem großen Gewirr aus Stämmen und Ästen und Wurzeln zusammengesackt. Moiraine blieb stehen, und plötzlich erschien in Bodennähe ein Licht. Der Schein drang aus dem Gestrüpp hervor, und Lan kroch dort unten heraus. Er schob vorsichtig den Stummel einer Fackel vor sich her. »Keine ungebetenen Besucher«, sagte er zu Moiraine. »Und das Holz, das ich gesammelt hatte, ist immer noch trocken. Ich habe ein kleines Feuer gemacht. Wir können uns in der Wärme ausruhen.«

»Hattet Ihr damit gerechnet, daß wir hier eine Rast einlegen?« fragte Egwene überrascht.

»Das schien ein geeigneter Ort«, antwortete Lan. »Ich bin immer gern auf alles vorbereitet. Man kann ja nie wissen.«

Moiraine nahm ihm die Fackel ab. »Kümmerst du dich um die Pferde? Wenn du fertig bist, werde ich mein möglichstes tun, um allen die Müdigkeit zu vertreiben. Jetzt gerade möchte ich mich mit Egwene unterhalten.

Egwene?«

Rand beobachtete, wie sich die beiden Frauen bückten und unter dem Gewirr aus Baumstämmen verschwanden. Es gab da eine niedrige Öffnung, kaum groß genug, um hineinzukriechen. Der Schein der Fackel verschwand.

Lan hatte bei den Reisevorbereitungen auch an Futtersäcke und einen kleinen Hafervorrat gedacht, doch die Pferde sollten die Sättel nicht ablegen. Statt dessen holte er die ebenfalls mitgebrachten Fußfesseln heraus. »Sie könnten sich ohne Sättel natürlich besser ausruhen, aber falls wir schnell weitermüssen, haben wir vielleicht keine Zeit mehr, sie wieder zu satteln.«

»Für mich sehen sie nicht so aus, als müßten sie sich ausruhen«, sagte Perrin beim Versuch, einen Futtersack über den Kopf seines Reittieres zu hängen. Das Pferd warf den Kopf hoch, bevor es ihm gestattete, die Riemen anzubringen. Rand hatte auch seine Schwierigkeiten mit Wolke. Er benötigte drei Versuche, bis er den Segeltuchbeutel über die Nase des Grauen gezogen hatte.

»Sie brauchen Ruhe«, sagte Lan. Er richtete sich auf, nachdem er seinen Hengst festgemacht hatte. »Ja, sie können immer noch rennen. Wenn wir nicht aufpassen, dann rennen sie, bis sie vor Erschöpfung tot umfallen. Mir wäre es lieber gewesen, Moiraine Sedai hätte das nicht tun müssen, aber es war nicht anders möglich.« Er tätschelte den Hals des Hengstes, und das Pferd hob und senkte den Kopf, als genieße es die Berührung des Behüters. »Wir müssen in den nächsten Tagen langsamer tun, damit sie sich erholen. Langsamer, als mir lieb ist. Aber mit etwas Glück wird es reichen.«

»Ist das...?« Mat schluckte hörbar. »Meinte sie das? Mit unserer Erschöpfung?«

Rand klatschte mit der Hand auf Wolkes Hals und starrte ins Leere. Obwohl sie seinem Vater so wirkungsvoll geholfen hatte, hatte er nicht das Bedürfnis, die Macht der Aes Sedai auch an sich selbst erproben zu lassen. Licht, sie hat ja so gut wie zugegeben, daß sie die Fähre versenkte.

»Ja, so ungefähr.« Lan lachte sarkastisch. »Aber ihr müßt euch keine Gedanken machen, daß ihr euch zu Tode rennen werdet — solange die Lage nicht sehr viel schlimmer wird als jetzt. Nehmt es einfach als eine zusätzliche Nacht zum Schlafen.«

Von weit droben über dem nebelbedeckten Fluß ertönte plötzlich der Schrei des Draghkars. Sogar die Pferde erstarrten. Wieder erklang er, diesmal näher, und noch einmal. Wie Nadeln drang es in Rands Schädel. Dann wurden die Schreie schwächer, bis sie ganz fern verklangen. »Glück«, hauchte Lan. »Es sucht den Fluß nach uns ab.« Er zuckte kurz mit den Achseln und klang plötzlich wieder ganz selbstsicher. »Gehen wir hinein. Ich könnte heißen Tee gebrauchen und etwas zum Magenfüllen.«

Rand war der erste, der auf Händen und Knien durch die Öffnung im Gestrüpp und einen kurzen Tunnel hinunterkroch. Am Ende hielt er an, immer noch auf Knien. Vor ihm lag ein unregelmäßig geformter Raum, eine Waldhöhle, die bei weitem groß genug für alle war. Die Decke aus Baumstämmen und Ästen war allerdings so niedrig, daß nur die Frauen aufrecht stehen konnten. Rauch stieg von einem kleinen Feuer auf einem Fundament aus Flußsteinen auf und trieb davon. Der Luftzug reichte aus, um den Raum vom Rauch zu befreien, und das verwobene Gestrüpp war so dicht, daß kein Feuerschein nach außen drang. Moiraine und Egwene hatten ihre Umhänge zur Seite gelegt und saßen sich im Schneidersitz am Feuer gegenüber. »Die Eine Macht«, sagte Moiraine gerade, »kommt aus der Wahren Quelle, der treibenden Kraft der Schöpfung, der Kraft, die der Schöpfer erschuf, um das Rad der Zeit zu drehen.« Sie legte die Handflächen aneinander und preßte sie gegeneinander. »Saidin, die männliche Hälfte der Wahren Quelle, und Saidar, die weibliche Hälfte, arbeiten gleichzeitig gegeneinander und miteinander, um die Macht zu erzeugen. Saidin« — sie erhob eine Hand und ließ sie wieder fallen — »wurde durch die Berührung des Dunklen Königs verdorben, wie Wasser, auf dessen Oberfläche ein dünner Film ranzigen Öls schwimmt. Das Wasser ist immer noch rein, doch man kann es nicht berühren, ohne gleichzeitig die Verunreinigung zu berühren. Nur Saidar kann noch gefahrlos benutzt werden.« Egwene wandte Rand den Rücken zu. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch sie beugte sich begierig lauschend vor.

Mat stieß Rand von hinten an und murmelte etwas, und so kroch Rand nach vorn in die Baumhöhle hinein. Moiraine und Egwene nahmen sein Eintreten nicht wahr. Die anderen drängten sich hinter ihm hinein, warfen die klammen Umhänge zur Seite, setzten sich ans Feuer und hielten die Hände darüber, um sie zu wärmen. Lan, der letzte, der eintrat, zog Wasserbeutel und Ledersäcke aus einer Nische in der Baumwand, holte einen Kessel hervor und bereitete Tee zu. Er achtete nicht darauf, was die Frauen sagten, aber Rands Freunde hörten auf, sich die Hände zu rösten, und lauschten ganz unverhohlen. Thom gab vor, seine ganze Aufmerksamkeit dem Stopfen seiner wunderschön geschnitzten Pfeife zu widmen, aber die Art, wie er sich zu den Frauen hinüberbeugte, verriet ihn. Moiraine und Egwene benahmen sich, als seien sie allein.

»Nein«, antwortete Moiraine auf eine Frage, die Rand nicht gehört hatte, »die Wahre Quelle kann nicht aufgebraucht werden, genausowenig wie ein Fluß durch das Mühlrad aufgebraucht wird. Die Quelle ist der Fluß, die Aes Sedai sind das Mühlrad.«

»Und Ihr glaubt wirklich, daß ich das lernen kann?« fragte Egwene. Ihr Gesicht glühte vor Eifer. Rand hatte sie noch nie so schön gesehen und gleichzeitig so weit von ihm entfernt. »Ich kann eine Aes Sedai werden?«

Rand sprang auf und stieß mit dem Kopf gegen einen Baumstamm an der niedrigen Decke. Thom Merrilin packte ihn am Arm und zog ihn hinunter.

»Sei kein Narr!« zischte der Gaukler. Er betrachtete die Frauen — keine schien etwas bemerkt zu haben — und blickte Rand voller Sympathie an. »Darauf hast du keinen Einfluß mehr, Junge.«

»Kind«, sagte Moiraine sanft, »nur wenige lernen, die Wahre Quelle zu berühren und die Eine Macht anzuwenden. Einige von denen lernen es besser, andere schlechter. Du gehörst zu der Handvoll Menschen, die es nicht erst lernen müssen. Zumindest wirst du von selbst wissen, wie man die Wahre Quelle berührt, ob du es willst oder nicht. Ohne das Wissen, das du in Tar Valon erwerben kannst, wirst du allerdings nie lernen, die Macht ganz zu beherrschen, und es könnte sein, daß du nicht überlebst. Männer, denen die Fähigkeit angeboren ist, Saidin zu berühren, sterben natürlich, falls die Roten Ajah sie nicht finden und dämpfen... «

Thom grollte tief in seiner Kehle, und Rand rutschte nervös hin und her. Männer wie jene, von denen die Aes Sedai sprach, waren selten — er hatte in seinem ganzen Leben nur von dreien gehört, und die lebten, dem Licht sei Dank, nicht bei den Zwei Flüssen -, aber der Schaden, den sie anrichteten, bevor sie von den Aes Sedai gefunden wurden, war immer schlimm genug, um Futter für die Nachrichten zu liefern, genauso wie die Kriege oder Erdbeben, die ganze Städte zerstörten. Er hatte niemals richtig verstanden, was die Ajah taten. Den Geschichten nach bildeten sie Gesellschaften innerhalb der Aes Sedai, die mehr als alles andere untereinander stritten und intrigierten, doch in einem Punkt waren sich die Geschichten einig. Die Roten Ajah hatten es sich zur obersten Pflicht gemacht, die Welt vor einer neuen Zerstörung zu bewahren, und diese Aufgabe erfüllten sie, indem sie jeden Mann jagten, der davon träumte, die Eine Macht anzuwenden. Mat und Perrin sahen aus, als wünschten sie sich plötzlich, zu Hause in ihren Betten zu liegen.

»... aber auch einige der Frauen sterben. Es ist schwer ohne Führung zu erlernen. Die Frauen, die wir nicht finden und die überleben, werden oft zu... Nun ja, in diesem Teil der Welt werden sie vielleicht Seherinnen in ihren Dörfern.« Die Aes Sedai schwieg nachdenklich. »Das alte Blut ist stark in Emondsfeld, und dieses alte Blut singt. Ich wußte, wer du warst, vom ersten Augenblick an, als ich dich sah. Jede Aes Sedai, die sich in Gegenwart einer Frau befindet, die die Eine Macht lenken kann oder deren Erwachen bevorsteht, fühlt dies.« Sie kramte in einem Beutel an ihrem Gürtel und holte einen kleinen blauen Edelstein an einer Goldkette hervor, den sie vorher im Haar getragen hatte. »Du bist deinem Erwachen sehr nahe, deiner ersten Berührung der Wahren Quelle. Es ist besser, wenn ich dich durch diese Zeit geleite. Dann kannst du die unangenehmen Auswirkungen vermeiden, die denen bevorstehen, die den Weg selbst finden müssen.«

Egwenes Augen wurden groß, als sie den Stein betrachtete, und sie leckte sich die Lippen zum wiederholten Mal. »Ist... Hat der die Macht?«

»Natürlich nicht!« fuhr Moiraine sie an. »Dinge haben keine Macht, Kind. Selbst ein Angreal ist nur ein Werkzeug. Das hier ist nur ein hübscher blauer Stein. Aber er kann Licht erzeugen. Sieh her!«

Egwenes Hände zitterten, als Moiraine den Stein auf ihre Fingerspitzen legte. Sie wollte die Hände zurückziehen, aber die Aes Sedai nahm ihre beiden Hände in eine der ihren, und mit der anderen berührte sie Egwenes Schläfe. »Schau den Stein an«, sagte die Aes Sedai leise. »Es ist besser so, als allein herumzutasten. Befreie deinen Geist von allem bis auf den Stein. Befreie deinen Geist und laß dich treiben. Es gibt nur noch den Stein und die Leere. Ich werde beginnen. Treibe und laß mich dich führen. Keine Gedanken. Treibe.«

Rands Finger bohrten sich in seine Knie; die Kinnbacken verkrampften sich, bis sie schmerzten. Sie muß versagen. Sie muß.

Licht erblühte im Stein, ein einziges blaues Aufblitzen, dann war es verschwunden; nicht heller als ein Glühwürmchen, doch er zuckte zusammen, als habe es ihn geblendet. Egwene und Moiraine starrten mit ausdruckslosen Gesichtern in den Stein hinein. Ein weiteres Aufblitzen, dann noch einmal, bis das azurblaue Licht wie in einem Herzschlag pulsierte. Es ist die Aes Sedai, dachte er verzweifelt. Moiraine tut das. Nicht Egwene.

Ein letztes schwaches Aufflackern, und dann war der Stein erneut nichts als ein Anhänger. Rand hielt die Luft an.

Für einen Moment starrte Egwene noch weiter in den Stein hinein, doch dann blickte sie zu Moiraine auf. »Ich... ich dachte, ich fühle... etwas, aber... Vielleicht habt Ihr doch nicht recht in bezug auf mich. Es tut mir leid, daß Ihr Eure Zeit verschwendet habt.«

»Ich habe nichts verschwendet, Kind.« Um Moiraines Lippen spielte ein schwaches, zufriedenes Lächeln. »Das letzte Licht war allein deines.«

»Tatsächlich?« rief Egwene und verfiel danach sofort in Trübsinn. »Aber es war ja kaum vorhanden.«

»Jetzt benimmst du dich wie ein närrisches Dorfmädchen. Die meisten, die nach Tar Valon kommen, müssen monatelang üben, um das fertigzubringen, was du gerade geschafft hast. Du könntest es weit bringen. Vielleicht sogar eines Tages bis zum Amyrlin-Sitz, wenn du fleißig lernst und arbeitest.«

»Ihr meint...?« Mit einem Freudenschrei umarmte Egwene die Aes Sedai. »O danke! Rand, hast du gehört? Ich werde eine Aes Sedai!«

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