27

Nicht einmal, um ihr Leben zu retten, um keinen Preis der Welt, hätte Nicci Luft in ihre Lungen saugen können, und erst recht nicht, um ein Wort hervorzubringen. Das quälende Gefühl, nicht atmen zu können, glich einer panikartigen Zwangsjacke, die jeden Gedanken unmöglich machte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde die elendige Qual, dringend Luft zu benötigen, aber keine zu bekommen, furchterregender. Ein Gefühl absoluter Hilflosigkeit überkam sie.

Sie musste an Richards Atemnot denken, nachdem er von einem Armbrustbolzen getroffen worden war, und erinnerte sich, wie seine Haut erst aschfahl geworden war und sich schließlich blau zu verfärben begonnen hatte. Ihn in diesem Zustand zu sehen, unfähig zu atmen, hatte ihr eine Heidenangst eingejagt, und nun erging es ihr ebenso.

Noch nie hatte sie jemanden so humorlos, so boshaft lächeln sehen wie Kronos in diesem Moment, und doch schien es sie nicht wirklich zu berühren.

»Eine recht beachtliche Leistung, einen Zauberer zu töten – jedenfalls für eine Hexenmeisterin. Andererseits ist Euch dieses kleine Kunststück nur dank eines Verrats gelungen, weshalb man es kaum als wirkliche Leistung bezeichnen kann. Im Grunde war es nichts weiter als eine primitive, hinterhältige Täuschung.«

Er hatte keine Ahnung. Plötzlich dämmerte Nicci, dass er noch immer keinen Schimmer hatte, wer ... oder was ... sie tatsächlich war. Sie war keineswegs bloß eine Hexenmeisterin. Nur – wenn sie überhaupt etwas sein wollte, brauchte sie dringend eine Lunge voll Atemluft. Schon begann sich ihr Blickfeld zu einem schwarzen Tunnel zu verengen, an dessen Ende sich das Gesicht des Zauberers zu einer wütenden Maske verzerrte. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte versuchte sie, Luft in ihre Lungen zu saugen, doch es war, als hätte ihr Körper schlicht vergessen, wie man atmete. Zu ihrer Überraschung bewirkte der Luftmangel, dass ihr Brustkorb pochend zu schmerzen begann. Das hatte sie nicht erwartet. Trotz ihrer erlahmenden, verzweifelten Bemühungen, Luft in ihre Lungen zu bekommen, blieb der Leben spendende Atemzug einfach aus, sodass sie nur eins vermuten konnte: Wer immer sie niedergeknüppelt haben mochte, er musste sie so ernsthaft verletzt haben, dass sie nie wieder einen Leben spendenden Atemzug in ihre Lungen würde saugen können.

Schließlich biss Kronos die Zähne aufeinander und packte ihre Brust mit einem furchtbaren, schraubstockartigen und mit Dornen aus Magie versehenen Griff, dessen einziger Zweck darin bestand, ihr schier unerträgliche Qualen zu bereiten.

Der unvermittelte, jähe, schockartige Schmerz ließ sie keuchend Luft in ihre Lungen saugen, ehe sie überhaupt merkte, wie ihr geschah.

Mit der Luft strömte ein fast wollüstiges Gefühl von Lebendigkeit in ihre Lungen. Ohne bewusst darüber nachzudenken, was sie tat, schlug sie instinktiv mit ihrem Han nach der Ursache des stechenden Schmerzes. Kronos stieß einen Schrei aus, taumelte und hielt sich die Hand, die eben auf ihrer Brust gelegen hatte und die zum Werkzeug seiner Rache an ihr hatte werden sollen. An seinem Handgelenk tropfte Blut herab, das unter dem Ärmel seines Gewandes versickerte.

Sie hatte ihn zwar zwingen können, von ihr abzulassen, hatte ihn sogar verletzen können, trotzdem war sie viel zu benommen, um die Kräfte aufzubieten, die nötig gewesen wären, die ungeheuren Abwehrmechanismen eines Zauberers zu überwinden und ihn zu töten. Japsend würgte sie gierig Luft hinunter, obwohl ihr jeder Atemzug Schmerzen bereitete – allerdings wusste sie jetzt, dass es sehr viel schmerzhafter war, gar keine Luft zu bekommen.

»Du widerliches Miststück!«, brüllte Kronos. »Wie kannst du es wagen, deine Kraft gegen mich einzusetzen! Du glaubst doch nicht etwa, deine Gabe wäre mir gewachsen! Bald schon wirst du wissen, was sich für dich ziemt!«

Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. Mit einem feinen Strang ihres Han konnte Nicci die mächtigen Schilde ertasten, die er vor sich errichtet hatte. Zuvor jedoch hatte sie ihm offenbar das Fleisch von den Fingern gesengt, denn er hielt seine zitternde Hand an seine Brust gepresst. Sie war sich voll und ganz darüber im Klaren, dass er fest entschlossen war, sich ausgiebig und grausam an ihr zu rächen. Er schrie sie an, fluchte, überhäufte sie mit übelsten Beschimpfungen, gab ihr zu verstehen, was er alles mit ihr zu tun gedachte und was mit ihr geschehen würde, sobald er mit ihr fertig wäre. Das Grinsen auf den Mienen der das Spektakel verfolgenden Soldaten wurde immer breiter, als sie hörten, welcher Art diese Pläne waren. Er hielt sie für eine Hexenmeisterin und war überzeugt, ihre Gabe mit der seinen bezwingen zu können, aber er wusste nicht, dass sie weit mehr war – schließlich war sie zwischenzeitlich zu einer Schwester der Finsternis geworden. Aber selbst wenn – er hätte, wie die meisten Menschen, die volle erschreckende Bedeutung, die sich hinter diesem Namen verbarg, gar nicht begriffen. Denn eine Schwester der Finsternis beherrschte nicht nur ihre eigene Gabe, sondern besaß darüber hinaus das Han eines Zauberers, der seiner Gabe beraubt wurde, ehe er durch den Schleier in das Totenreich hinübergewechselt war.

Und als wären die vereinten Gaben einer Hexenmeisterin und eines Zauberers noch nicht Furcht erregend genug, war dieser mächtigen Mixtur eine Portion subtraktiver Magie beigemengt, die sie im Augenblick des Todes ihres Spenders übernommen hatte, als sich der Schleier teilte. Dessen Han wirkte wie eine Art Kanal, sodass sie diese Kraft in ihrem Innern zurückbehielt, während die subtraktive Essenz durch den Schleier schlüpfte. Kronos drohte Nicci mit erhobener Faust. »Ganz Altur’Rang besteht nur aus Verrätern, sie haben diesen heiligen Ort entweiht. Mit ihrer Abkehr von den Lehren der Imperialen Ordnung haben sie sich vom Schöpfer abgewendet! Aber er wird sich durch unsere Hände an ihnen rächen und dieses sündige Pack bestrafen. Wir werden Altur’Rang nicht nur von ihrem Fleisch und Blut, sondern auch von ihren unerleuchteten Gedanken befreien! Dereinst wird in Altur’Rang wieder die Imperiale Ordnung herrschen, und von dort aus wird Jagang der Gerechte unter Anleitung der gerechten Lehren des Schöpfers die ganze Welt beherrschen!«

Nicci wäre fast in Lachen ausgebrochen. Kronos hatte keinen Schimmer, dass er auf ebenjene Person einredete, der Jagang den Titel »der Gerechte« zu verdanken hatte. Damals hatte sie dem Kaiser zu verstehen gegeben, dass er mit solchen öffentlichen Urteilssprüchen unter seiner Herrschaft zahlreiche Menschen würde auf seine Seite ziehen können, ohne gegen sie kämpfen zu müssen. Der Name, den sie ihm gegeben hatte, würde die Menschen in Scharen zu ihm überlaufen lassen.

Mit ihrer Einschätzung hatte sie mehr als richtig gelegen, da viele die bloße Absicht mit der bereits vollbrachten Tat gleichsetzten. Vielen, die so gut wie nichts über ihn und seine Imperiale Ordnung wussten, erschien der Jagang von ihr zugesprochene Titel als vollkommen gerechtfertigt. Es erstaunte sie immer wieder, dass man eine große Zahl von Menschen mit einer bloßen Behauptung von etwas überzeugen konnte, so unwahr diese auch sein mochte. Vermutlich waren die meisten einfach nur erleichtert, dass ihnen jemand das Denken abnahm. Dank Kronos’ Wutausbruch hatte sie etwas Zeit gewonnen, sich zu erholen. Jetzt, da ihre Kräfte allmählich wiederkehrten, durfte Nicci keinen Moment länger zögern. Mit gestrecktem Arm richtete sie ihre Faust nach oben, auf ihn. Ihre Kraft sollte sich über die gesamte Länge ihres Armes entwickeln und dann in einem Punkt unmittelbar jenseits ihrer Faust bündeln. Auch wenn das nicht unbedingt erforderlich war, sie wollte es so machen, und sei es nur, weil es ihr Spaß machte, Kronos offen zu drohen. Er vertraute ganz auf seine Fähigkeiten und seine Kraftschilde und fühlte sich durch ihre feindliche Geste nur genötigt, noch mehr in Rage zu geraten. »Wie könnt Ihr es wagen, mir zu drohen ...«

Sie entfesselte einen konzentrierten Blitz: einen Furcht erregenden, alles vernichtenden Strang aus miteinander verwobener additiver und subtraktiver Magie, der durch die magischen Schilde fuhr wie ein Lichtblitz durch ein Blatt Papier und ein melonengroßes Loch mitten in seine Brust sprengte. Schlagartig weiteten sich Kronos’ Augen, sein Mund klaffte auf in stummem Schock, als sein Verstand das Unabänderliche registrierte. Das Loch gewährte Nicci freien Blick in den Himmel. Fast augenblicklich presste der Druck im Innern seines Körpers die Reste der umliegenden Organe in diese Leere und durch die entstandene Öffnung nach außen, derweil Kronos’ Körper, tödlich getroffen, nach hinten sank. Er hatte nicht gewusst, dass seine Kräfte den ihren nicht ebenbürtig waren, denn er konnte nur Schilde aus additiver Magie erzeugen, aber diese Art von Schilden war gegen subtraktive Magie nur von begrenztem Nutzen. Sofort griff alles rings um sie her zu den Waffen. Bogensehnen wurden von kräftigen Muskeln bis an die Wange gerissen, Arme reckten sich bis hinter den Kopf, in den Händen Speere, deren eiserne Spitzen sich gemeinsam mit Schwertern, Äxten und Lanzen auf sie richteten. Unverzüglich entfesselte Nicci einen Sturm aus konträrer ineinander verschlungener Magie, deren zerstörerische Kräfte im Augenblick ihrer Zündung die Offizierszelte dem Erdboden gleichmachten und unter die Soldaten auf der Hügelkuppe fuhren. Die vernichtende Erschütterung breitete sich mit atemberaubender Geschwindigkeit ringförmig aus und riss ihnen das Fleisch von den Knochen, bis der plötzliche Blutschwall den Boden in einen morastigen Sumpf verwandelte.

Die zu diesem Sturm gebündelte Hitze war so enorm, dass die nahen Bäume in Flammen aufgingen, sogar die Kleidung der Soldaten, die aus dem umliegenden Feldlager herbeieilten, um sich der Gefahr entgegenzuwerfen, fing Feuer. Wer bereits näher war, dessen Fleisch fing an zu schmauchen, und wer sich gar in unmittelbarer Nähe befand, wurde von der donnernden Entladung von Niccis Energie in Stücke gerissen. Die Kraft, die sie entfesselt hatte, nahm mit der Entfernung ab, sodass weiter entfernte Soldaten nur zu Boden gerissen wurden. So riskant eine solche kräftezehrende Verausgabung sein mochte, sie zeitigte die gewünschte Wirkung. Wo eben noch brutale Barbaren sich am Anblick einer hilflosen Gefangenen geweidet hatten, herrschten auf einmal Chaos und Verwirrung.

Aus Angst, die Initiative aus der Hand zu geben, richtete sie einen Strahl aus gebündelter Hitze auf die Stämme der Bäume am Bach entlang, im Rücken der Soldaten – eine Methode, mit möglichst geringem Kraftaufwand eine möglichst durchschlagende Wirkung zu erzielen. Der überhitzte Saft der Bäume verkochte augenblicklich zu Dampf, sodass die massiven Pappelstämme mit gewaltigem Krachen explodierten und schwere Stücke zersplitterten Holzes mitten in das Gewimmel aus Soldaten geschleudert wurden, die diese zu Dutzenden niederstreckten.

Rasch erzeugte Nicci ein flüssiges Feuer, sprühte das Inferno quer über das Feld mitten in das heillose Durcheinander, wo Soldaten, Pferde und Ausrüstungsgegenstände im erschreckenden Wüten tosender Flammen in Brand gerieten. Die Schreie der Tiere und der Männer verschmolzen zu einem einzigen anhaltenden, entsetzlichen Gebrüll. Die Luft war erfüllt vom Gestank öligen Rauches, es stank nach verbrannten Haaren und Fleisch. Endlich hatten die Soldaten es aufgegeben, sich auf sie stürzen zu wollen. In der kurzen Atempause rappelte sich Nicci schwerfällig vom blutgetränkten Boden hoch. Sofort kam Sa’din durch die dichten Schwaden herangestürmt und stieß sie mit dem Kopf an, um ihr zu helfen, das Gleichgewicht wieder zu finden. Erleichtert, dass es ihr gelungen war, ihre Kraft um ihn herumzulenken, und er wohlauf war, warf sie einen Arm über seinen Hals. Dann schnappte sie sich seine Zügel und schaffte es mit einem angestrengten Stöhnen, sich auf seinen Rücken zu ziehen, ehe die Soldaten ihn mit einem Speer durchbohren, sie mit einem Schwert aufschlitzen oder mit Pfeilen auf sie schießen konnten. Sie riss Sa’din herum, während sie unablässig Klumpen siedenden Feuers mitten unter die mittlerweile wieder in ihre Richtung stürmenden Soldaten schleuderte. Kaum hatten diese Feuer gefangen, taperten sie blindlings umher, stießen kreischend, mit den Armen um sich schlagend gegen Kameraden oder Zelte, wodurch die tödliche Feuersbrunst immer weiter um sich griff. Plötzlich kam ein Kerl auf einem der massiven Schlachtrösser im Galopp aus dem Rauch hervorgeprescht und riss, einen Schlachtruf auf den Lippen, sein Schwert über den Kopf. Ehe Nicci reagieren konnte, schnappte Sa’din unter wütendem Gewieher zu und biss dem Schlachtross ein Ohr ab. Das verletzte Tier schrie auf vor Schreck und Schmerz, tänzelte herum und bockte, bis sein Reiter mitten unter die brennenden Leiber geschleudert wurde.

Sofort richtete Nicci ein Kraftnetz auf die ihr entgegeneilenden Männer, einzeln nacheinander und nur für einen Augenblick und doch gerade lange genug, um ihre Herzen zum Stillstand zu bringen. Sie fassten sich an die Brust und gerieten ins Stolpern. Es war für einen Soldaten in gewisser Hinsicht viel erschreckender, seinen Kameraden aus unerklärlichem Grund plötzlich nach Luft schnappen und zu Boden gehen zu sehen, als mit anzusehen, wie er gewaltsam in Stücke gerissen wurde, aus Niccis Sicht dagegen war es nicht minder wirkungsvoll und zehrte nicht so sehr an ihren Kräften. Auch wenn es eine besondere Art des Zielens erforderte, war es allemal einfacher, ein Herz anzuhalten, als mit Flammen oder Blitzen um sich zu werfen. Angesichts der gewaltigen Soldatenhorden, die sie von allen Seiten bestürmten, würde sie ihre ganze Kraft benötigen, wenn sie noch Hoffnungen haben wölke, das Feldlager lebend wieder zu verlassen. Während die Männer in ihrer unmittelbaren Umgebung über das Geschehen weitgehend im Bilde waren, so galt dies nicht für die in den weiter entfernt gelegenen Bereichen des Lagers, auch wenn sie natürlich wussten, dass sie auf irgendeine Weise angegriffen wurden. Gut ausgebildet, wie sie waren, sammelten sie sich augenblicklich. Mittlerweile sirrten aus allen Himmelsrichtungen Pfeile durch die Luft, und die ersten Speere zischten vorüber. Ein Pfeil streifte Niccis Haar, ein zweiter berührte sie immerhin so hart an der Schulter, dass er eine Wunde riss. Mit den Fersen gegen Sa’dins Rippen trommelnd, beugte sie sich flach nach vorne über seinen Widerrist und war erstaunt, wie kraftvoll sich das Pferd mit einem Sprung in Bewegung setzte. Furchtlos galoppierte es mitten durch die ihnen entgegeneilenden Soldaten, wobei die Hufe des Hengstes ein widerliches Geräusch von sich gaben, sobald sie einen Knochen trafen. Soldaten taumelten zur Seite, Sa’din setzte über Zelte und Lagerfeuer hinweg. Grauenhafte Schreie erfüllten die Luft. Nicci nutzte auf ihrem Ritt quer durch das Feldlager jede Gelegenheit, auch weiterhin Tod und Verderben zu verbreiten. Doch dann erhob sich hinter ihrem Rücken quer durch das ganze Tal ein vieltausendfacher wütender Schrei von beängstigender Kraft und Wildheit. Augenblicklich schoss ihr mit aller Schärfe Richards Warnung durch den Kopf, dass ein einziger glücklicher Pfeil bereits genügen konnte – und jetzt umschwirrten sie sie zu tausenden. Statt weiter anzugreifen, leitete sie ihre Kräfte um und schirmte sich und ihr Pferd ab. Schließlich aber, während Sa’din sie noch immer mitten durch Soldaten, Wagen und Zelte trug, gab sie ihre Schutzmechanismen auf und bündelte ihre Gabe erneut zu einer Sichel, die alles Lebendige zerteilte, sofern es nur nahe genug war. Die stark konzentrierte und komprimierte Luft ging durch Soldaten hindurch, die angerannt kamen, um sich ihr in den Weg zu stellen. Sobald ihr Pferd über Hindernisse hinwegsetzte oder unter anderen hindurchtauchte, traf die aus ihrer Kraft gebildete tödliche Schneide die Soldaten mal in Höhe ihrer Knie, um Augenblicke später andere zu enthaupten. Pferde schrien, als ihnen die Beine unter dem Körper abgetrennt wurden und sie hilflos zu Boden stürzten. Eine Woge aus entsetzten und gequälten Schreien folgte ihr dicht auf den Fersen, doch das wutentbrannte Gebrüll schwoll unüberhörbar immer weiter an.

Während sie durch das Feldlager raste, konnte Nicci ringsumher Soldaten ihre Pferde satteln und aufsitzen sehen. Speere und Lanzen wurden von den überall im Feldlager errichteten Stapeln gerissen. Nicci wünschte sich, diese Waffen zerstören zu können, stattdessen musste sie ihre ganze Konzentration aufbieten, um sich auf Sa’dins Rücken zu halten, während er über jedes Hindernis in seinem Weg hinwegsprang, mitunter sogar über einen Wagen. Das Tier schien geradezu besessen von dem Gedanken, sie so schnell wie möglich außer Gefahr zu bringen, trotzdem war eine wachsende Zahl von Soldaten, zu Fuß oder zu Pferd, im Begriff, ihre Verfolgung aufzunehmen.

Kaum hatte sie die letzten Zelte hinter sich gelassen, riskierte Nicci einen Blick über die Schulter. Das gesamte Lager war in heillosem Aufruhr, noch immer züngelten Flammen in den Himmel, und an mehreren Stellen türmten sich Wolken öligen schwarzen Rauches auf. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Soldaten sie getötet hatte, aber mittlerweile hatten sie sich zu tausenden an ihre Fersen geheftet. Das harte Stampfen, das sie auf dem Rücken des galoppierenden Pferdes hinnehmen musste, war überaus schmerzhaft für ihren Rücken. Aber wenigstens hatte sie Kronos ausgeschaltet. Diese Leute hatten sie zu täuschen versucht, aber letzten Endes hatte sie das nur einen zweiten Zauberer gekostet, einen Zauberer, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass er die Truppen begleitete, was für die Verteidiger in Altur’Rang verheerende Auswirkungen hätte haben können. Das Ganze hatte sich als Glücksfall erwiesen.

Sofern es nicht drei – oder noch mehr! – von diesen Zauberern gab.

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