Elayne saß hinten auf einem hochrädrigen Karren, der von vier schwitzenden Männern gezogen die gewundene Straße in Tanchico hochrumpelte, und blickte finster durch den schmutzigen Schleier, der ihr Gesicht von den Augen bis zum Kinn bedeckte. Sie trat wütend mit ihren bloßen Füßen aus. Jeder Ruck, wenn sie durch ein Schlagloch auf der gepflasterten Straße fuhren, rüttelte sie von Kopf bis Fuß durch. Je mehr sie sich an den rauhen Holzplanken des Karrens festklammerte, desto schlimmer wurde es. Nynaeve schien es nicht viel auszumachen. Sie wurde wohl genauso wie Elayne durchgeschüttelt, doch sie hatte lediglich die Stirn leicht gerunzelt, ihr Blick war nach innen gerichtet, und sie war sich der ganzen Rumpelei kaum bewußt. Und Egeanin, die auf der anderen Seite Nynaeves in die Ecke gedrückt saß, verschleiert und das dunkle Haar zu schulterlangen Zöpfen geflochten, balancierte jeden Ruck mit verschränkten Armen problemlos aus. Schließlich versuchte Elayne, es der Seanchanfrau nachzumachen. Sie konnte allerdings nicht vermeiden, Nynaeve anzurempeln, aber trotzdem hatte sie jetzt wenigstens nicht mehr das Gefühl, ihr Unterkiefer werde in den Oberkiefer hineingerammt.
Sie wäre sehr gern gelaufen, sogar barfuß, aber Bayle Domon hatte gesagt, es würde nicht echt wirken. Die Leute würden sich fragen, warum Frauen nicht mitfuhren, wenn genug Platz war, und das Letzte, was sie wollten, war, ungewöhnlich zu erscheinen und Aufsehen zu erregen. Er wurde natürlich auch nicht wie ein Sack Zwiebeln umhergeschaukelt, denn er ging zu Fuß vor dem Karren her, und mit ihm gingen zehn der zwanzig Seeleute, die er als Eskorte mitgenommen hatte. Mehr würden nur verdächtig wirken, hatte er behauptet. Sie vermutete, wenn nicht sie und die anderen Frauen gewesen wären, hätte er nicht so viele mitgebracht.
Der wolkenlose Himmel über ihnen war immer noch grau, obwohl vor ihrem Aufbruch schon die Dämmerung eingesetzt hatte. Die Straßen waren noch weitgehend leer und still, bis auf das Rumpeln des Karrens und das Quietschen seiner Achse. Wenn die Sonne über den Horizont stieg, würden sich die Leute langsam herauswagen, aber jetzt sah sie nur kleine Gruppen von Männern in Pumphosen und dunklen, zylinderförmigen Kappen, die auf eine Art herumschlichen, als hätten sie in der Dunkelheit der Nacht nichts Gutes ausgeheckt. Die alte Segeltuchplane, die sie über die Ladung auf dem Karren gebreitet hatten, war sorgfältig zurechtgezogen worden, damit jeder sehen konnte, daß sie lediglich drei große Körbe bedeckte, und doch blieb die eine oder andere dieser Gruppen sogar bei der Aussicht auf so magere Beute stehen wie ein Rudel wilder Hunde, die verschleierten Gesichter nach oben gewandt. Ihre Augen folgten der Bewegung des Karrens. Offensichtlich waren zwanzig Mann mit Knüppeln und Entermessern denn doch zu viele, um etwas zu riskieren, denn schließlich und endlich ging jeder dieser Beobachter weiter.
Die Räder krachten in ein großes Loch im Pflaster hinein, wo man während einer dieser Unruhen die Pflastersteine herausgerissen und als Wurfgeschosse verwendet hatte. Der Karren fiel unter ihr weg. Sie biß sich fast auf die Zunge, als der Karren wieder gegen ihr Hinterteil schlug. Egeanin und ihre Haltung mit verschränkten Armen und so! Sie packte mit aller Gewalt die Seitenverkleidung und sah die Seanchanfrau finster an. Doch diesmal hatte auch die ihre Lippen zusammengepreßt und hielt sich mit beiden Händen fest.
»Ist doch nicht ganz das gleiche, wie an Deck zu stehen«, sagte Egeanin mit einem Achselzucken. Nynaeve verzog leicht das Gesicht und bemühte sich, auf Abstand zu der Seanchanfrau zu gehen, obwohl das schwierig würde, wenn sie nicht gerade auf Elaynes Schoß klettern wollte. »Ich werde mit Meister Bayle Domon sprechen«, verkündete sie bedeutungsschwanger, als sei die Sache mit dem Karren nicht auf ihren Vorschlag zurückgegangen. Ein neuer Ruck ließ ihren Mund zuklappen.
Alle drei Frauen trugen Kleidung aus graubrauner Wolle, dünn, aber grob und nicht gerade sauber — die Kleidung armer Bauersfrauen. Die Kleider wirkten wie formlose Säcke, wenn man sie mit den eng anliegenden Seidenkleidern nach Rendras Geschmack verglich. Flüchtlinge vom Land, die sich, so gut es ging, die nächste Mahlzeit verdienten: so sollte es aussehen. Egeanins Erleichterung beim ersten Blick auf diese Kleider war offensichtlich gewesen und genauso verwunderlich wie ihre Anwesenheit auf dem Karren. Elayne hatte sich das zunächst gar nicht vorstellen können.
Es hatte schon einige Diskussionen gegeben — so hatten es die Männer zumindest genannt —, als sie in der Kammer der Fallenden Blüten zusammensaßen, aber sie und Nynaeve hatten die meisten ihrer närrischen Einwände entkräftet und den Rest einfach beiseite geschoben. Sie beide mußten in den Panarchenpalast hinein und zwar so bald wie möglich. Domon hatte noch einen Einwand geäußert, der nicht so dumm war wie die anderen.
»Ihr nicht können gehen in Palast allein«, hatte der bärtige Schmuggler geknurrt, während er auf seine Fäuste herabsah, die auf der Tischfläche lagen. »Ihr sagen, Ihr nicht werdet verwenden Macht, um nicht zu warnen diese Schwarzen Aes Sedai.« Keine von ihnen hatte es für notwendig gehalten, den anderen gegenüber eine der Verlorenen zu erwähnen. »Dann Ihr brauchen Muskeln, um Knüppel zu schwingen, wenn die Notwendigkeit kommen, und Augen, um nach hinten zu blicken, auch nicht schlecht wären. Mich dort die Diener kennen. Ich auch altem Panarchen Geschenke bringen. Ich werden gehen mit Euch.« Und kopfschüttelnd hatte er noch gegrollt: »Ihr mich schon dazu bringen, meinen Kopf legen auf Richtblock, weil ich Euch verlassen haben in Falme. Glück stich mich, wenn es nicht so sein! Na ja, es sein nun einmal notwendig und Ihr können nicht widersprechen diesmal! Ich gehen hinein mit Euch.« »Ihr seid ein Narr, Illianer!« sagte Juilin voller Verachtung, bevor sie oder Nynaeve auch nur den Mund öffnen konnten. »Glaubt Ihr etwa, die Taraboner werden Euch gestatten, im Palast umherzulaufen, wie es Euch paßt? Einen schäbigen Schmuggler aus Illian? Ich weiß, wie sich die Diener verhalten und wie ich den Kopf einziehen muß und den hohlköpfigen Adligen vormachen... « Er räusperte sich schnell und fuhr fort, ohne Nynaeve — und sie! — anzusehen: »Ich sollte derjenige sein, der mitkommt.« Thom lachte die beiden anderen Männer aus. »Glaubt Ihr, einer von Euch könnte sich als Taraboner einschleichen? Ich kann es — der wird mir dabei behilflich sein.« Er strich über seinen langen Schnurrbart. »Außerdem kann man nicht mit Knüppel oder Bauernspieß im Panarchenpalast herumlaufen! Da braucht man schon eine... etwas subtilere... Art der Selbstverteidigung.« Er streckte eine Hand aus, und plötzlich lag ein Messer darin, wirbelte um seine Finger und verschwand genauso schnell, wie es aufgetaucht war — in seinem Ärmel, wie Elayne glaubte.
»Ihr wißt alle genau, was Ihr zu tun habt«, fuhr Nynaeve die Männer an. »Und das könnt ihr nicht, wenn ihr über uns wacht wie über ein paar Gänse, die für den Markt bestimmt sind!« Sie atmete tief durch und fuhr dann in milderem Ton fort: »Wenn es eine Möglichkeit gäbe, einen von Euch mitzunehmen, dann wäre ich allein schon für ein weiteres Augenpaar dankbar, aber es geht nicht. Es scheint, wir müssen allein gehen, und damit hat sich's.« »Ich kann Euch begleiten«, verkündete Egeanin plötzlich von ihrem ihr von Nynaeve zugewiesenen Platz in einer Ecke des Raums her. Alle wandten sich zu ihr um, und sie blickte etwas unsicher zurück. »Diese Frauen sind Schattenfreunde. Man muß sie zur Rechenschaft ziehen.« Elayne war einfach nur überrascht von dem Angebot, aber Nynaeve, deren Mundwinkel sich weiß verfärbten, schien bereit, die Frau zu verprügeln für ihre Frechheit. »Glaubt Ihr, wir könnten Euch trauen, Seanchan?« fragte sie kalt. »Bevor wir gehen, werden wir Euch in einen Lagerraum einsperren, aus dem Ihr nicht entkommen könnt, wieviel Ihr jetzt auch reden mögt... « »Ich schwöre bei meiner Hoffnung auf einen höheren Namen«, unterbrach Egeanin ihren Redeschwall, wobei sie ihre Hände, eine auf die andere, über ihr Herz legte, »daß ich Euch auf keine Weise verraten werde, daß ich Euch gehorchen und Eure Rücken decken werde, bis Ihr wieder sicher aus dem Panarchenpalast heraus seid.« Dann verbeugte sie sich dreimal tief und formell. Elayne hatte keine Ahnung was dieses ›Hoffnung auf einen höheren Namen‹ bedeuten sollte, aber für die Seanchanfrau schien es durchaus bindend zu sein.
»Sie können genau die Richtige sein«, sagte Domon bedächtig und unter Zögern. Er musterte Egeanin und schüttelte den Kopf. »Glück stich mich, wenn es mehr als zwei oder drei meiner Männer geben, auf die ich wetten können, wenn sie gegen diese Seanchanfrau kämpfen.« Nynaeve blickte finster ihre Hand an, die sich um ein halbes Dutzend langer Zöpfe verkrampft hatte, und dann zog sie mit voller Absicht kräftig daran.
»Nynaeve«, sagte Elayne energisch zu ihr, »du hast selbst gesagt, daß du dir noch ein weiteres Augenpaar wünschst, und mir wäre das ganz sicher auch recht. Außerdem, wenn wir das alles schaffen wollen, ohne die Macht zu benützen, hätte ich nichts dagegen, noch jemanden dabei zu haben, die mit einem zu neugierigen Wächter fertigwerden kann, falls es notwendig ist. Ich bin kaum in der Lage, mit den Fäusten auf Männer loszugehen, und du genausowenig. Aber du wirst dich auch noch daran erinnern, wie sie kämpfen kann.« Nynaeve funkelte Egeanin an, warf Elayne einen finsteren Blick zu und starrte dann die Männer an, als hätten sie sich hinter ihrem Rücken gegen sie verschworen. Und doch nickte sie schließlich. »Gut«, sagte Elayne. »Meister Domon, das bedeutet, wir brauchen Kleidung für drei und nicht nur für zwei. Jetzt solltet Ihr drei dann aber gehen. Wir wollen bei Tagesanbruch bereits unterwegs sein.« Der Karren kam beim Anhalten beinahe ins Schleudern und riß sie grob aus ihren Erinnerungen.
Weißmäntel zu Fuß verhörten Domon. Hier führte die Straße direkt auf einen Platz hinter dem Panarchenpalast, allerdings einem viel kleineren als dem davor. Dahinter stand der Palast: weißer Marmor, schlanke Türmchen, umsäumt mit Steinfriesen selbst noch in schwindelnder Höhe, schneeweiße Kuppeln, mit Gold gekrönt, und obenauf standen noch goldene Spitzen oder Wetterfahnen. Die Straßen auf jeder Seite waren viel breiter als sonst in Tanchico und gerader außerdem.
Das langsame Geklapper von Pferdehufen auf den breiten Pflastersteinen des Platzes kündete von der Ankunft eines weiteren Reiters. Es war ein hochgewachsener Mann mit einem glänzenden Helm, dessen Rüstung unter dem weißen Umhang mit der goldenen Sonnenscheibe und dem roten Schäferstab richtig schimmerte. Elayne senkte den Kopf. Die vier Rangknoten unter der strahlenden Sonne sagten ihr, daß dies Jaichim Carridin sein mußte. Der Mann hatte sie nie kennengelernt, aber wenn er glaubte, daß sie ihn neugierig anstarre, würde er sich vielleicht nach dem Grund fragen. Der Hufschlag entfernte sich wieder, ohne innezuhalten.
Auch Egeanin hatte den Kopf gesenkt. Nur Nynaeve blickte ganz offen und finster dem Inquisitor hinterher. »Der Mann ist sehr beunruhigt über irgend etwas«, murmelte sie. »Ich hoffe, er hat nicht gehört... « »Die Panarchin ist tot!« schrie eine Männerstimme von irgendwo gegenüber am Rand des Platzes. »Sie haben sie getötet!« Man konnte nicht sehen, wer das geschrien hatte oder wo er stand. Alle Straßen, die Elayne von ihrem Standpunkt aus einsehen konnte, waren von berittenen Weißmänteln abgesperrt.
Sie blickte zurück, die Straße entlang, durch die der Karren gefahren war, und wünschte sich, die Wachen würden mit ihrem Verhör Domons etwas schneller verfahren. Immer mehr Menschen versammelten sich unten an der ersten Biegung, liefen erregt herum und blickten immer wieder nach oben zu dem Platz hin, auf dem sie sich befanden. Wie es schien, hatten Juilin und Thom gute Arbeit geleistet, als sie die Nacht hindurch für die Verbreitung ihrer Gerüchte gesorgt hatten. Wenn nur die Menge nicht schon zum Überkochen kam, solange sie hier mittendrin saßen! Wenn jetzt Tumulte losbrachen... Das Einzige, was ihre Hände am Zittern hinderte, war ihr verkrampfter Griff an den Brettern des Karrens. Licht, hier draußen der Mob und drinnen die Schwarzen Ajah und vielleicht noch Moghedien... Mein Mund ist vor Angst schon ausgetrocknet. Auch Nynaeve und Egeanin beobachteten die ständig anwachsende Menschenmenge und zuckten mit keiner Wimper. Keine Spur von Zittern bei den beiden! Ich bin doch kein Feigling. Ich nicht!
Der Karren rumpelte vorwärts, und sie seufzte trotz des harten Rucks erleichtert auf. Sie brauchte einen Augenblick, bis ihr bewußt wurde, daß sie Gleiches von den beiden anderen Frauen gehört hatte.
Vor einem Tor, das nicht viel breiter war als der Karren, wurde Domon wieder ausgefragt, diesmal von Wachen mit spitzen Helmen und einem auf den Harnisch aufgemalten goldenen Baum. Das waren Soldaten aus der Legion der Panarchen. Diesmal waren die Fragen kürzer. Elayne glaubte zu sehen, wie eine kleine Börse in die Hände des einen wanderte, und dann befanden sie sich drinnen und rumpelten über den grob gepflasterten Hof vor der Küche. Bis auf Domon blieben die Seeleute draußen bei den Soldaten.
Elayne hüpfte hinunter, sobald der Karren stand. Es tat ein wenig weh, denn die ungleichmäßigen Pflastersteine waren hart, und sie war ja barfuß. Es fiel schwer, zu begreifen, daß die dünne Sohle eines Schuhs einen solchen Unterschied machte. Egeanin kletterte noch mal auf den Karren zurück und reichte ihnen die Körbe herunter. Nynaeve nahm den ersten auf den Rücken, die eine Hand halb verdreht unten und die andere über die Schulter gestreckt von oben, damit sie ihn richtig festhalten konnte. Lange, weiße Pfefferschoten, ein wenig gerunzelt nach der langen Reise von Saldaea nach Tanchico, füllten die Körbe fast bis zum Rand.
Als Elayne ihren Korb entgegennahm, kam Domon zum hinteren Ende des Karrens und tat so, als inspiziere er die Pfefferladung. »Die Weißmäntel und die Legion der Panarchen sich fast gehen an den Kragen gegenseitig, wie es scheinen«, murmelte er leise, während er einige Schoten befühlte. »Der Leutnant sagen, die Legion können durchaus die Panarchin selbst beschützen, wenn nicht so viele Soldaten zu den Ringfestungen geschickt wären worden. Jaichim Carridin haben Zugang zur Panarchin, aber nicht der Lordhauptmann der Legion! Und es ihnen überhaupt nicht gefallen, daß die Wachen innen alle von Miliz. Ein mißtrauischer Mann mögen behaupten, jemand wollen, daß die Wachen der Panarchin mehr bewachen sich gegenseitig als ihre Herrin.« »Gut, das zu wissen«, murmelte Nynaeve, ohne aufzublicken. »Ich habe immer schon gesagt, daß man viel Nützliches erfahren kann, wenn man dem Klatsch der Männer lauscht.« Domon knurrte mürrisch. »Ich werden Euch bringen hinein, und dann ich müssen zurück zu meinen Männern, damit ich sichergehen, sie nicht vom Mob werden fertiggemacht.« Jeder Seemann von jedem Schiff, das Domon hier im Hafen liegen hatte, befand sich draußen auf den Straßen rund um den Palast.
Elayne wuchtete sich den eigenen Korb auf den Rücken und folgte den anderen beiden Frauen, die hinter Domon hergingen. Sie hielt den Kopf gesenkt und zischte vor Schmerzen bei jedem Schritt durch die Zähne, bis sie sich endlich auf den rotbraunen Fußbodenkacheln der Küche befanden. Der Raum war erfüllt von Düften: Gewürze, Saucen, kochende Suppen, Fleisch...
»Eispfeffer für die Panarchin!« verkündete Domon. »Ein Geschenk von Bayle Domon, einem guten Reeder dieser Stadt.« »Noch mehr Eispfeffer?« sagte eine mollige Frau mit dunklen Zöpfen, die eine weiße Schürze und den immer vorhandenen Schleier trug. Sie blickte dabei kaum von dem silbernen Tablett hoch, auf dem sie gerade eine kunstvoll gefaltete Serviette zwischen die Schüsseln aus dünnem Meervolk-Porzellan legte. In der Küche befanden sich ein Dutzend oder noch mehr Frauen mit weißen Schürzen, und dazu noch zwei Jungen, die Bratspieße mit tropfenden, duftenden Fleischstücken an zwei der sechs offenen Herde drehten. Aber sie war offensichtlich die Chefköchin. »Na ja, der Panarchin scheinen die letzten ja auch gut geschmeckt zu haben. In die Vorratskammer dort drüben.« Sie deutete auf eine der Türen am anderen Ende des Raums. »Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit Euch zu beschäftigen.« Elaynes Blick ruhte weiter auf dem Fußboden, während sie schwitzend hinter Nynaeve und Egeanin herlief. Das Schwitzen hatte allerdings nichts mit der von den Eisenherden und Kaminen herrührenden Hitze zu tun. Neben einem der breiten Tische stand eine magere Frau in grüner Seide, die aber dem Schnitt des Kleids nach nicht aus Tarabon stammte, und kraulte eine abgemagerte graue Katze hinter den Ohren, die Sahne aus einer Porzellanschüssel schlabberte. An der Katze erkannte sie diese Frau, aber auch an ihrem schmalen Gesicht mit der breiten Nase: Marillin Gemalphin, einst eine Braune Ajah und nun eine Schwarze. Falls sie von der Katze hochblickte, falls sie ihrer wirklich gewahr wurde, war es gar nicht mehr nötig, die Macht zu benützen. Sie hätte auch so gewußt, daß zwei von ihnen dazu in der Lage waren. Auf diese geringe Entfernung war die Frau in der Lage, diese Fähigkeit an einer anderen Frau zu erkennen.
Schweiß tropfte von Elaynes Nasenspitze, als sie schließlich mit der Hüfte die Tür des Lagerraums hinter sich zuschob. »Hast du sie gesehen?« fragte sie mit leiser Stimme und ließ ihren Korb zu Boden plumpsen. Ein durchbrochener Fries gleich unter der Decke an der getünchten Wand ließ von der Küche her trübes Licht einfallen. Der große Raum war vollgestellt mit hohen Regalen, auf denen Säcke und Netze mit verschiedenen Gemüsesorten und große mit Gewürzen gefüllte Krüge standen und lagen. Überall standen außerdem Fässer und andere Behälter, und an Haken hingen ein Dutzend abgezogener Lämmer und doppelt soviel Gänse von der Decke. Domon und Thom hatten ihnen einen groben Plan dieses Erdgeschosses gezeichnet, und demnach war dies der kleinste Lagerraum für Lebensmittel im Palast. »Das ist widerlich«, sagte sie. »Ich weiß, daß Rendras Speisekammern voll sind, aber sie kauft halt alles, was sie wirklich braucht, so wie die anderen Leute. Aber diese Leute hier schlemmen, während... « »Halte dich zurück, bis du etwas dagegen unternehmen kannst«, flüsterte ihr Nynaeve in scharfem Tonfall zu. Sie hatte ihren Korb auf den Boden ausgeleert und zog bereits ihr grobes Bauernkleid aus. Egeanin stand sogar schon im Hemd da. »Ich habe sie gesehen. Wenn du willst, daß sie hereinkommt und nachsieht, was dieser Lärm zu bedeuten hat, dann rede nur weiter.« Elayne schniefte, sagte jedoch nichts dazu. Sie hatte bestimmt nicht soviel Lärm gemacht. Also zog auch sie ihr Kleid aus, leerte den Inhalt ihres Korbes auf den Boden und auch das, was darunter verborgen gelegen hatte. Unter anderen Dingen lag da ein weißes Kleid mit grünem Gürtel. Es war aus ganz fein gesponnener Wolle, und über der linken Brust war ein grüner Baum mit ausladender Krone und dahinter der Umriß eines dreifingrigen Blattes aufgestickt. Ihren schmierigen Schleier ersetzte sie durch einen sauberen aus Leinen, das aber fast genauso fein gewebt war wie Seide. Weiße Pantoffeln mit dicken Sohlen fühlten sich an ihren vom Barfußlaufen geschundenen Füßen wunderbar weich an. Selbst der kurze Weg vom Karren zur Küche und in den Lagerraum hatte sie einige Schmerzen gekostet.
Die Seanchanfrau war die erste gewesen, die ihre alte Kleidung abgelegt hatte, aber sie war die letzte, die ihr weißes Kleid anhatte. Dabei murmelte sie Sachen wie ›unkeusch‹ oder ›Serviermädchen‹, was keinen rechten Sinn ergab. Natürlich waren das die Kleider von Dienerinnen. Das war ja der springende Punkt dabei: Dienerinnen konnten sich im Palast frei bewegen und es gab hier schon so viele, daß ein paar mehr nicht auffallen würden. Und was das ›unkeusch‹ betraf... Elayne erinnerte sich daran, daß auch sie gezögert hatte, ein Kleid im Stil von Tarabon in der Öffentlichkeit zu tragen, doch sie hatte sich schnell daran gewöhnt, und diese dünne Wolle lag ja auch nicht so eng an wie Seide. Egeanin schien sehr eigene Ansichten darüber zu haben, was gewagt war und was normal.
Aber schließlich hatte auch sie das letzte Schnürband zu, und die Bauernkleider steckten in den Körben und waren mit Pfefferschoten bedeckt.
Marillin Gemalphin war aus der Küche verschwunden, obwohl die graue Katze mit den zerbissenen Ohren immer noch auf dem Tisch von der Sahne naschte. Elayne und die anderen beiden gingen zu der Tür, die weiter in den Palast hineinführte.
Eine der Unterköchinnen blickte die Katze finster an, die Fäuste auf die ausladenden Hüften gestützt. »Ich würde dieses Vieh zu gern erwürgen«, knurrte sie. Hellbraune Zöpfe flogen, als sie den Kopf ärgerlich schüttelte. »Es frißt die Sahne, aber ich muß Brot und Wasser essen, bloß weil ich ein wenig Sahne zum Frühstück auf meine Beeren getan habe!« »Schätze dich glücklich, daß du nicht auf der Straße sitzt oder gar am Galgen baumelst.« Die Chefköchin klang nicht, als habe sie Mitleid mit der anderen. »Wenn eine Lady sagt, du hast gestohlen, dann hast du gestohlen, und wenn es auch nur die Sahne für ihre Katzen ist, klar? Du dort drüben!« Elayne und ihre Begleiterinnen erstarrten bei diesem Ruf.
Die Frau mit den dunklen Zöpfen schwenkte einen großen Holzlöffel in ihre Richtung. »Ihr kommt in meine Küche und schlendert herum wie beim Spaziergang im Garten, Ihr faulen Säue? Ihr sollt das Frühstück für Lady Ispan holen, oder? Wenn Ihr es nicht neben ihrem Bett stehen habt, sobald sie aufwacht, wird sie Euch das Springen beibringen. Also?« Sie deutete auf das silberne Tablett, das sie zuvor hergerichtet hatte und das jetzt mit einem schneeweißen Leintuch bedeckt dastand.
Sie hatten keine Möglichkeit, ihr etwas zurückzugeben, denn wenn eine von ihnen den Mund aufmachte, würde sie merken, daß sie nicht aus Tarabon kamen. Elayne schaltete schnell, knickste, wie es sich für eine Dienerin gehört, und nahm das Tablett. Eine Dienerin, die ihre Arbeit tat und etwas trug, würde bestimmt nicht angehalten werden oder an eine andere Arbeit geschickt. Lady Ispan? Das war kein ungewöhnlicher Name in Tarabon, aber auf ihrer Liste der Schwarzen Schwestern stand ebenfalls eine Ispan.
»Willst du mich verhöhnen, du kleine Kuh?« brüllte die mollige Frau und ging um den Tisch herum mit drohend erhobenem Holzlöffel auf sie zu.
Sie konnte nichts tun, ohne sich zu verraten, nichts als entweder dableiben und sich schlagen lassen oder wegrennen. Also schoß Elayne mitsamt dem Tablett aus der Küche, Nynaeve und Egeanin dicht auf den Fersen. Das Geschrei der Köchin verfolgte sie, aber zum Glück nicht die Köchin selbst. Die Vorstellung, wie sie alle drei durch den Palast hetzten, von der molligen Köchin verfolgt, ließ in Elayne den Wunsch aufsteigen, hysterisch zu kichern. Sie verhöhnen? Sie war sicher, daß schon Tausende von Malen Dienerinnen genau auf die gleiche Art vor ihr geknickst hatten.
In dem engen Korridor, der von der Küche wegführte, waren rechts und links weitere Türen zu Vorratsräumen, und außerdem hatte man ihn vollgepfropft mit offenen Hochschränken, in denen Besen und Mops aufbewahrt wurden, dazu Eimer, Seifenpulver, Tischtücher und alle möglichen Dinge. Nynaeve holte sich einen dicken Staubwedel aus einem der Schränke, und Egeanin nahm aus einem anderen einen Arm voll zusammengefalteter Handtücher. Dazu holte sie sich einen großen Steinstößel aus einem Tiegel, der in einem dritten Schrank stand. Den Stößel verbarg sie unter den Handtüchern.
»Ein Knüppel kann manchmal nützlich sein«, sagte sie, als Elayne eine Augenbraue hochzog. »Vor allem, wenn niemand erwartet, daß man eine Waffe hat.« Nynaeve schnaubte, sagte aber nichts. Sie hatte Egeanin kaum noch beachtet, seit sie zugestimmt hatte, die Frau mitzunehmen.
Weiter drinnen im Palast wurden die Gänge breiter und höher. Die weißen Wände waren mit Friesen verziert, und an den Decken befanden sich vergoldete Arabesken. Lange bunte Läufer lagen auf den weißen Bodenkacheln. Kunstvoll geschmiedete Goldlampen auf vergoldeten Ständern beleuchteten die Szenerie und verströmten den Duft parfümierten Öls. Gelegentlich weitete sich solch ein Korridor zu einem kleinen Innenhof, der von einer Galerie mit schlanken, kannelierten Säulen umgeben war. Von Balkonen mit filigranfeinen Steingeländern aus konnte man den Hof überblicken. In großen Brunnen plätscherte Wasser, und rote, weiße und goldene Fische schwammen unter den breiten Blättern und weißen Blüten schwimmender Wasserpflanzen in den Becken umher. Alles stand im totalen Gegensatz zu der Stadt draußen.
Gelegentlich sahen sie andere Diener, Männer und Frauen in Weiß, das übliche Emblem mit Baum und Blatt auf eine Schulter aufgestickt, die geschäftig ihren Aufgaben nachgingen, oder auch Männer in den grauen Röcken und Stahlhelmen der Miliz, die mit Stäben oder Knüppeln bewaffnet waren. Keiner sprach mit ihnen oder blickte sich auch nur nach ihnen um. Sie waren eben einfach drei Dienerinnen, die ihrer Arbeit nachgingen.
Schließlich erreichten sie einen engen Treppenaufgang für Diener, der auf ihrem hastig skizzierten Plan eingezeichnet war.
»Denkt daran«, sagte Nynaeve leise, »falls Wachen an ihrer Tür stehen, geht ihr sofort wieder. Wenn sie nicht allein ist, geht ihr auch. Sie ist nicht der wichtigste Grund für unsere Anwesenheit.« Sie atmete tief durch und zwang sich dazu, Egeanin direkt anzusehen. »Falls Ihr es zulaßt, daß Elayne etwas zustößt... « Von draußen war schwach eine Trompete zu hören. Einen Augenblick später hallten Gongschläge durch die Gänge und unweit von ihnen wurden Befehle geschrien. Männer mit Stahlhelmen rannten weiter unten über den Gang.
»Vielleicht müssen wir uns keine Gedanken mehr darüber machen, daß vor ihrer Tür Wachen stehen könnten«, sagte Elayne. Auf der Straße hatte offensichtlich der Tumult richtig eingesetzt. Die von Thom und Juilin ausgestreuten Gerüchte hatten das Volk angeheizt. Domons Seeleute hatten sie an Ort und Stelle noch mehr angestachelt. Sie bedauerte wohl, daß so etwas notwendig war, aber die Auseinandersetzungen würden die meisten Wachen aus dem Palast locken, mit etwas Glück sogar alle. Diese Menschen dort draußen wußten nicht, daß sie eine Schlacht ausfochten, um ihre Stadt vor den Schwarzen Ajah und die Welt vor dem Schatten zu retten. »Egeanin sollte mit dir gehen, Nynaeve. Deine Rolle ist wichtiger. Wenn eine von uns Rückendeckung braucht, dann bist du es.« »Ich brauche keine Seanchan!« Nynaeve schulterte ihren Staubwedel wie einen Spieß und schritt los, den Gang hinunter. Sie bewegte sich absolut nicht wie eine Dienerin. Ihr Schritt wirkte ausgesprochen militärisch.
»Sollten wir nicht auch ans Werk gehen?« fragte Egeanin. »Die Ausschreitungen werden nicht so schrecklich lang für Ablenkung sorgen.« Elayne nickte. Nynaeve war um eine Ecke verschwunden.
Die Treppe war eng und versteckt in die Wand eingebaut, damit die Diener sich so unsichtbar wie möglich bewegen konnten. Die Korridore im zweiten Stock unterschieden sich kaum von denen unten; lediglich führten die Doppelbögen hier nicht nur zu Zimmern, sondern auch hinaus auf steingeflieste Balkone. Als sie in den westlichen Teil des Palastes kamen, waren weniger Diener als zuvor zu sehen, und deren Blicke streiften sie nur flüchtig. Erfreulicherweise war das Foyer vor den Gemächern der Panarchin leer. Es standen keine Wachen vor der breiten Tür mit dem geschnitzten Baumwappen und den jeweils oben spitz zulaufenden Türflügeln. Nicht, daß sie ernstlich erwogen hatte, sich zurückzuziehen, falls Wachen dagewesen wären, gleich, was sie Nynaeve versprochen hatte, aber so war die Sache natürlich einfacher.
Doch einen Moment später war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Sie spürte nämlich, wie in diesen Gemächern jemand die Macht benutzte. Es waren keine starken Stränge, die da gewebt wurden, aber ganz entschieden wurde die Macht dazu benützt, oder es war ein älteres Gewebe, das nur erhalten wurde. Nur wenige Frauen kannten den Trick, wie man ein Gewebe verknotete.
»Was ist los?« fragte Egeanin.
Elayne wurde bewußt, daß sie stehengeblieben war. »Eine der Schwarzen Schwestern ist dort drinnen.« Eine oder mehrere? Jedenfalls benützte nur eine die Macht. Sie drückte sich an die Tür heran. Dort drinnen sang eine Frau. Sie legte das Ohr an die beschnitzte Holzoberfläche und hörte eine heisere Stimme, gedämpft, aber doch eindeutig zu verstehen:
»Meine Brüste gefieln jedem, den ich hatte! Ich geh mit ner ganzen Crew auf die Matte.« Überrascht zuckte sie zurück, so daß die Porzellanschüsseln unter dem Leintuch auf dem Tablett ins Rutschen kamen. War sie vielleicht zu den falschen Gemächern gekommen? Nein, sie hatte den Plan gut auswendig gelernt. Außerdem führte die einzige Tür im Palast, in die man das Wappen mit dem Baum geschnitzt hatte, eben nun mal zu den Gemächern der Panarchin.
»Dann müssen wir uns zurückziehen«, sagte Egeanin. »Ihr könnt nichts tun, ohne die anderen auf Eure Gegenwart aufmerksam zu machen.« »Vielleicht doch. Wenn sie bemerken, daß ich die Macht benütze, werden sie glauben, es sei die dort drinnen.« Sie runzelte die Stirn und biß sich auf die Unterlippe. Wie viele mochten sich drin befinden? Sie konnte ja gleichzeitig drei oder vier Dinge mit der Macht anstellen, was ansonsten höchstens Egwene und Nynaeve fertigbrachten. Sie ging im Geist die Liste jener andoranischen Königinnen durch, die angesichts von Gefahr besonderen Mut bewiesen hatten, bis ihr klar wurde, daß diese Liste alle Königinnen von Andor umfaßte. Ich werde eines Tages selbst Königin sein, also muß ich genauso tapfer und mutig sein wie sie. Sie machte sich also bereit und sagte: »Reißt die Tür auf, Egeanin, und dann laßt Euch fallen, damit ich alles überblicken kann.« Die Seanchanfrau zögerte. »Kommt schon, reißt die Tür auf.« Elaynes eigne Stimme überraschte sie. Sie hatte nichts bewußt damit auszudrücken versucht, doch sie klang leise, ruhig und überzeugend befehlsgewohnt. Und Egeanin nickte. Es war fast schon eine Verbeugung. Unmittelbar darauf riß sie wirklich die Türflügel vehement auf.
»›Meine Schenkel sind kräftig wie 'ne Ankerkette. Meine Lippen tun Dinge, die...« Die Sängerin stand bis an die dunklen Zöpfe durch Stränge von Luft gefesselt da. Sie trug ein schmuddeliges, verknittertes Taraboner Kleid aus roter Seide. Als die Türen aufschlugen, brach der Gesang abrupt ab. Eine zerbrechlich wirkende Frau, die auf einer langen Polsterbank in einem hellblauen, hochgeschlossenen Kleid, das aus Cairhien stammen mußte, geruht hatte, hörte auf, rhythmisch mit dem Kopf zu nicken und sprang auf. Wut verdrängte das Grinsen auf ihren fuchsähnlichen Gesichtszügen.
Das Glühen Saidars umgab Temaile bereits, aber trotzdem hatte sie keine Chance. Elayne war so entsetzt über das sich ihr bietende Bild, daß sie blitzschnell nach der Wahren Quelle griff und mit Strängen aus Luft knallhart zuschlug, sie von den Schultern bis an die Füße damit einspann und die Fesseln mit einem brutalen Ruck anzog. Gleichzeitig webte sie einen Schild aus dem Element Geist und wuchtete es zwischen die Frau und die Wahre Quelle, um sie davon abzutrennen. Das Glühen um Temaile verschwand, und sie brach über der Polsterbank zusammen, als sei sie von einem Pferdehuf getroffen worden. Ihre Pupillen weiteten sich, und sie landete schließlich bewußtlos drei Schritt entfernt von Elayne mit dem Rücken auf dem grüngoldenen Teppich. Die Frau mit den dunklen Zöpfen fuhr zusammen, als ihre unsichtbaren Fesseln von ihr abfielen, und betastete in staunender Ungläubigkeit ihren Körper, während sie von Temaile zu Elayne und dann zu Egeanin blickte.
Elayne verknotete das Gewebe, mit dem sie Temaile gefesselt hatte, und trat dann erst richtig in das Gemach ein, wobei sie sich nach weiteren Schwarzen Ajah umsah. Hinter ihr schloß Egeanin die Tür. Es schien sonst niemand anwesend zu sein. »War sie allein?« wollte sie von der Frau in Rot wissen. Die Panarchin, wie Nynaeve sie beschrieben hatte. Nynaeve hatte doch auch etwas von einem Lied erwähnt.
»Ihr gehört nicht... zu ihnen?« fragte Amathera zögernd. Ihre dunklen Augen glitten über ihre Kleider. »Ihr seid aber auch Aes Sedai?« Sie schien immer noch gewillt, daran zu zweifeln, obwohl das mit Temaile doch ganz eindeutig war. »Aber Ihr gehört nicht dazu?« »War sie allein?« fuhr Elayne sie an und Amathera zuckte zusammen.
»Ja. Allein. Ja, sie... « Die Panarchin verzog das Gesicht. »Die anderen zwangen mich, mich auf den Thron zu setzen und zu sagen, was sie mir in den Mund legten. Es erheiterte sie, wenn ich manchmal auf ihren Befehl hin wirklich Gerechtigkeit walten ließ, und manchmal ließen sie mich Urteile von schreiender Ungerechtigkeit verkünden oder Vorschriften, die noch generationenlang für Auseinandersetzungen sorgen werden, wenn ich sie nicht widerrufen kann. Aber die da!« Dieser Mund mit seinen vollen Lippen verzog sich haßerfüllt. »Sie setzten sie zu meiner Bewachung ein. Sie verletzte mich aus keinem anderen Grund, als mich zum Weinen zu bringen. Sie zwang mich, ein ganzes Tablett voll Pfeffer zu essen und ließ mich keinen Tropfen trinken, bis ich sie auf Knien anbettelte, während sie schallend lachte! In meinem Traum trägt sie mich an den Füßen mit dem Kopf nach unten bis zur Spitze des Morgenturms und läßt mich dann fallen. Nur ein Traum, aber er scheint so realistisch, und jedesmal läßt sie mich schreiend ein Stück weiter hinunterfallen. Und sie lacht darüber! Sie läßt mich anrüchige Tänze lernen und schmutzige Lieder singen, und sie lacht, wenn sie mir ankündigt, daß sie mich vor ihrer Abreise zwingen werden, öffentlich zu singen und tanzen, für die... « Sie warf sich mit einem Schrei wie eine angreifende Katze über die Polsterbank auf die gefesselte Frau, ohrfeigte sie wild und trommelte mit den Fäusten auf sie ein.
Egeanin, die mit verschränkten Armen vor der Tür stand, schien bereit, das zuzulassen, doch Elayne verwebte schnell ein paar Stränge Luft um Amatheras Taille. Zu ihrer eigenen Überraschung war sie sodann in der Lage, die Frau von der sowieso bewußtlosen Schwarzen Schwester zu heben und auf die Füße zu stellen. Vielleicht hatte sie mehr Kraft, seit sie mit Jorin geübt hatte, diese schwierigen Gewebe in den Griff zu bekommen.
Amathera trat nach Temaile und wandte sich dann mit bösem Blick Elayne und Egeanin zu, als ihr pantoffelbewehrter Fuß ihr Opfer verfehlte. »Ich bin die Panarchin von Tarabon, und ich werde an dieser Frau Gerechtigkeit üben!« Dieser Schmollmund schmollte jetzt wirklich. Hatte die Frau denn kein Gespür dafür, wie man sich in ihrer Position, ihrem Rang gemäß, verhielt? Ihr Rang entsprach schließlich dem eines Königs, eines Herrschers!
»Und ich bin die Aes Sedai, die gekommen ist, um Euch zu befreien«, sagte Elayne kühl. Ihr wurde bewußt, daß sie immer noch das Tablett in Händen hielt, und so stellte sie es schnellstens auf den Fußboden. Der Frau schien es auch so schon schwer genug zu fallen, ihre Verkleidung als Dienerinnen zu durchschauen. Temailes Gesicht war stark gerötet; es würde bis zu ihrem Erwachen einige Schwellungen aufweisen. Zweifellos weniger, als sie verdient hatte. Elayne wünschte sich, es gebe eine Möglichkeit, Temaile mitzunehmen. Wenigstens eine von ihnen sollte man der Gerechtigkeit der Weißen Burg überstellen. »Wir sind gekommen, und das unter erheblichen Risiken, um Euch hier herauszubringen. Dann könnt Ihr den Lordhauptmann der Legion der Panarchen und auch Andric und sein Heer benachrichtigen und mit ihrer Hilfe diese Frauen vertreiben. Vielleicht haben wir sogar Glück und können ein paar davon fangen und vor Gericht stellen. Aber zuerst müssen wir Euch vor ihnen in Sicherheit bringen.« »Ich brauche Andric nicht«, murrte Amathera. Elayne hätte schwören können, daß sie ganz leise das Wort ›jetzt‹ eingeflochten habe. »Soldaten aus meiner Legion sind rund um den Palast stationiert, das weiß ich. Man hat mir nicht erlaubt, mit ihnen zu sprechen, aber sobald sie mich sehen und meine Stimme hören, werden sie alles Notwendige unternehmen, ja? Ihr Aes Sedai könnt die Macht nicht zum Schaden anderer verwenden...« Sie ließ ihre Worte verklingen und funkelte die bewußtlose Temaile an. »Oder zumindest könnt Ihr sie nicht als Waffe einsetzen, oder? Ich weiß so etwas.« Elayne überraschte sich selbst, als sie ganz dünne Stränge von Luft verwob und damit jeden von Amatheras Zöpfen anhob. Die Zöpfe standen plötzlich senkrecht nach oben, und die Närrin mit dem Schmollmund hatte keine andere Wahl: Sie mußte den Kopf hochrecken und auf Zehenspitzen stehen. Elayne ließ sie genauso, auf Zehenspitzen, wie eine Tänzerin herankommen, bis die Frau mit weit aufgerissenen Augen und empörtem Blick direkt vor ihr stand.
»Ihr werdet mir jetzt zuhören, Panarchin Amathera von Tarabon«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Wenn Ihr versucht, zu Euren Soldaten hinauszugehen, kann es sein, daß Temailes Busenfreundinnen Euch erwischen, zu einem Bündel verschnüren und ihr zurückgeben. Was noch schlimmer ist: Sie würden erfahren, daß sich meine Freundinnen und ich hier befinden, und das werde ich nicht zulassen. Wir werden uns hier hinausschleichen, und wenn Ihr etwas dagegen habt, fessle und kneble ich Euch und lasse Euch neben Temaile für ihre Freundinnen zurück.« Es mußte einfach eine Möglichkeit geben, auch Temaile mitzunehmen. »Habt Ihr mich verstanden?« Amathera nickte leicht, soweit es ihre hochgezogenen Zöpfe zuließen. Egeanin gab einen zustimmenden Laut von sich.
Elayne ließ die Stränge fahren und die Fersen der Frau klatschten auf den Boden herunter. »So, jetzt werden wir etwas zum Anziehen für Euch suchen, das sich zum Hinausschleichen eignet.« Amathera nickte wieder, doch ihr Mund hatte noch nie so geschmollt wie jetzt. Elayne hoffte nur, daß Nynaeve sich nicht mit solchen Schwierigkeiten abzugeben habe.
Nynaeve betrat die große Ausstellungshalle mit ihrer Vielzahl an schmalen Säulen und schwenkte sogleich ihren Staubwedel. Die unzähligen Ausstellungsstücke und Vitrinen mußten ja wohl ständig abgestaubt werden, und sicher würde niemand eine Frau genauer ansehen, die einfach das Notwendige hier erledigte. Sie blickte sich um. Ihr Blick wurde angezogen von dem durch Drähte zusammengehaltenen Knochengestell, das wie ein Pferd mit besonders langen Beinen wirkte, aber einen so langen Hals aufwies, daß der Schädel zwanzig Fuß höher saß. Der enorme Saal erstreckte sich völlig menschenleer in alle Richtungen.
Aber es konnte jeden Moment jemand hereinkommen —Diener, die man vielleicht wirklich zum Reinigen geschickt hatte, oder Liandrin mit ihrem Spießgesellinnen auf der Suche... So hielt sie wohl sicherheitshalber ihren Staubwedel auffällig in der Hand, eilte aber schnell hin zu dem weißen Steinpodest, auf dem das mattschwarze Halsband und die Armbänder lagen. Ihr war gar nicht klar, daß sie die Luft anhielt, bis sie erleichtert ausatmete, als sie sah, daß alles noch so dalag wie im Traum. Die Glasvitrine, in der das Cuendillar-Siegel lag, stand fünfzig Schritt weiter, aber dies hier hatte Vorrang.
Sie kletterte über das handgelenkstarke, weiße Seidenseil und berührte das breite, aus Einzelgliedern zusammengesetzte Halsband. Leid. Schmerz. Trauer. Diese Gefühle durchströmten sie, und sie hätte am liebsten geweint. Was war das, wenn es soviel Schmerz in sich aufnehmen konnte? Sie zog ihre Hand zurück und betrachtete das schwarze Metall finster. Es war also dazu da, einen Mann zu kontrollieren, der mit der Macht umgehen konnte. Liandrin und ihre Schwarzen Genossinnen wollten es dazu benützen, Rand in ihre Gewalt zu bringen, ihn zum Schatten zu führen, ihn zu zwingen, dem Dunklen König zu dienen. Jemand aus ihrem Dorf, der von Aes Sedai beherrscht und benutzt wurde! Schwarze Ajah, sicher, aber doch genauso Aes Sedai wie Moiraine mit ihren Intrigen. Egeanin macht aus mir schon beinahe eine schmutzige Seanchan!
Mit einemmal wurde ihr klar, wie unzusammenhängend dieser letzte Gedanke gewesen war, und sie erkannte, daß sie sich im Moment absichtlich bemühte, sich in Wut hineinzusteigern, um die Macht benützen zu können. So griff sie nach der Wahren Quelle, und die Macht erfüllte sie. Und dann betrat eine Dienerin mit dem Baum-und-Blatt-Emblem auf der Schulter die Säulenhalle.
Nynaeve bebte vor Verlangen, die Macht zu benützen, doch sie zwang sich, zu warten, hob sogar den Staubwedel und wischte über das Halsband und die Armbänder. Die Dienerin schritt über den hellen Steinboden. Noch ein Augenblick, dann würde sie verschwinden, und Nynaeve konnte... Was eigentlich? Die Sachen in ihre Gürteltasche stecken und mitnehmen, aber...
Die Dienerin würde gehen? Warum habe ich geglaubt, sie werde gehen, anstatt ihre Arbeit zu tun? Sie warf der Frau einen heimlichen Seitenblick zu. Sie kam auf sie zu. Natürlich. Kein Besen oder Mop, kein Staubwedel, nicht einmal ein Staubtuch. Weswegen sie auch hier sein mag, es wird nicht lange...
Plötzlich erkannte sie das Gesicht der Frau ganz eindeutig. Kantig, aber gutaussehend, von dunklen Zöpfen eingerahmt, so lächelte sie auf beinahe freundlich zu nennende Art, obwohl sie Nynaeve offensichtlich gar nicht weiter beachtete. Auf jeden Fall wirkte sie überhaupt nicht bedrohlich. Das Gesicht war ein wenig verändert, doch sie erkannte es.
Ohne nachzudenken, schlug sie zu, webte einen wahren Hammerschlag aus Luft, um dieses Gesicht zu zerschmettern. Innerhalb eines Wimpernschlags wurde die andere Frau vom Glühen Saidars umgeben, und ihre Gesichtszüge veränderten sich, wirkten auf einmal edler, stolzer, eine Erinnerung an Moghediens wirkliches Gesicht. Doch auch überrascht wirkten diese Züge, weil sie sich nicht wie geglaubt unbemerkt genähert hatte. Nynaeves Schlag zerfaserte, und sie taumelte unter dem Rückschlag, der sich wie ein physischer Schlag auswirkte. Die Verlorene schlug mit einem komplexen Gewebe aus Geist mit Beimischungen von Wasser und Luft zurück. Nynaeve hatte keine Ahnung, welche Wirkung dieser Schlag haben sollte, doch sie versuchte, ihn genauso zu zerfasern, wie sie es bei der anderen Frau erlebt hatte, und zwar mit einem scharfkantigen Gewebe aus Geist. Einen Herzschlag lang empfand sie Liebe, Hingabe, Anbetung für diese prachtvolle Frau, die sich dazu herablassen würde, ihr zu gestatten...
Das kunstvolle Gewebe spaltete sich, und Moghedien kam ins Stolpern. In Nynaeves Verstand blieb ein schwacher Hauch haften, das Gefühl, gehorchen zu wollen, zu kriechen und zu Gefallen zu sein, all das, was bei ihrem ersten Zusammentreffen eingetreten war, und das heizte ihren Zorn noch an. Die messerscharfe Abschirmung, die Egwene benutzt hatte, um Amico Nagoyin einer Dämpfung zu unterziehen, war ganz plötzlich da. Es war eher eine Waffe als eine Abschirmung, die auf Moghedien zufuhr —und abgeblockt wurde. Gewebe aus Geist stand gegen Gewebe aus Geist. Es hätte nicht viel gefehlt, und Moghedien wäre für immer von der Wahren Quelle abgeschnitten gewesen. Wieder schlug die Verlorene zurück. Wie ein Axthieb kam der Schlag, um Nynaeve auf die gleiche Art von der Quelle abzuschneiden. Auf immer und ewig. Verzweifelt blockte Nynaeve ihn ab.
Mit einemmal war ihr bewußt, daß unter der Oberfläche ihres Zorns die nackte Angst brodelte. Den Versuch der anderen Frau abzublocken, ihre Fähigkeiten auszubrennen, und dabei das gleiche bei ihr zu versuchen, beanspruchte all ihre Kräfte. In ihr kochte die Macht, bis sie glaubte, platzen zu müssen. Ihre Knie bebten; sie konnte kaum noch stehen. Und immer noch floß alle Energie in diese beiden Aktivitäten. Sie hätte nicht einmal genug übrig gehabt, um eine Kerze anzuzünden. Moghediens aus Geist gewebte Axt war einmal schärfer und dann wieder stumpfer, doch das war im Grunde gleichgültig, falls die Frau mit ihrem Schlag Erfolg hatte. Nynaeve sah kaum eine andere Möglichkeit, wie dieses Duell ausgehen würde, als entweder durch die Frau ausgebrannt zu werden, oder zumindest — zumindest! — abgeschirmt und ihr damit ausgeliefert zu sein. Das Ding, die Axt oder wie sie es bezeichnen sollte, berührte den Strom der Macht von der Wahren Quelle in sie hinein, wie ein Messer den ausgestreckten Hals eines Hähnchens berührt. Dieser Vergleich war nur zu treffend — sie wünschte, der Gedanke wäre ihr nicht gekommen. In ihrem Hinterkopf stammelte eine kleine Stimme: Oh, Licht, laß es nicht zu! Laß sie das nicht tun! Licht, bitte, nur das nicht!
Einen Augenblick lang dachte sie daran, ihren eigenen Versuch aufzugeben, Moghedien von der Wahren Quelle abzuschneiden. Sie mußte immer wieder die scharfe Schneide erneuern, denn die gewebten Stränge wollten diese Schärfe nicht beibehalten. Vielleicht sollte sie das aufgeben und ihre ganze Kraft einsetzen, Moghediens Angriff zurückzuschlagen und sogar ihr Gewebe zu zerreißen. Aber falls sie es so machte, mußte die andere sich nicht mehr verteidigen und konnte all ihre Kraft in den Angriff legen. Und sie war schließlich eine der Verlorenen und nicht eine einfache Schwarze Schwester. Eine Frau, die im Zeitalter der Legenden eine Aes Sedai gewesen war, als diese noch Dinge vollbringen konnten, von denen man jetzt nur noch träumte. Falls Moghedien ihre ganze Kraft gegen sie einsetzen konnte...
Wenn jetzt ein Mann eingetreten wäre oder irgendeine Frau, die unfähig war, die Macht zu benutzen, hätten sie lediglich zwei Frauen gesehen, die sich in einem Abstand von weniger als zehn Schritt über das weiße Seidenseil hinweg anstarrten. Zwei Frauen, die sich inmitten einer riesigen, mit eigenartigen Dingen angefüllten Halle gegenüberstanden. Sie hätten nichts bemerkt, was auf ein Duell hätte schließen lassen. Sie sprangen nicht wie Männer umeinander herum und schwenkten Schwerter —nichts wurde zerschmettert oder gebrochen. Nur zwei Frauen, die fast bewegungslos dort standen. Und trotzdem ein Duell, vielleicht sogar ein tödliches. Mit einer der Verlorenen.
»Meine ganze sorgfältige Planung ist ruiniert«, sagte Moghedien plötzlich mit angespannter, zorniger Stimme. Ihre Hände verkrampften sich so in den Rock, daß die Knöchel weiß wurden vor Anstrengung. »Nun muß ich zumindest unwahrscheinliche Anstrengungen auf mich nehmen, um alles in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Vielleicht ist es auch gar nicht mehr zu schaffen. Ah, ich werde Euch dafür bezahlen lassen, Nynaeve al'Meara! Das war ein so bequemes Versteck bisher, und diese blinden Frauen haben eine Anzahl von sehr nützlichen Gegenständen in Besitz, auch wenn sie das selbst nicht... « Sie schüttelte den Kopf und bleckte wütend die Zähne. »Ich glaube, diesmal werde ich Euch mitnehmen. Ich weiß schon. Ich werde Euch als lebenden Tritt benützen. Ihr werdet herbeigebracht, müßt auf alle viere hinunter, so daß ich von Eurem Rücken in den Sattel steigen kann. Oder ich könnte Euch auch Rahvin übergeben. Er erwidert immer Gefälligkeiten. Er hat jetzt wohl gerade eine hübsche kleine Königin als Spielzeug, aber seine große Schwäche waren immer hübsche Frauen. Er mag es, wenn gleich drei oder vier ständig um ihn herumtanzen. Wie wird Euch das wohl gefallen? Den Rest Eures Lebens damit verbringen, sich um Rahvins Aufmerksamkeit zu reißen? Ihr werdet es Euch wünschen, sobald er Euch einmal in der Hand hat — er hat so seine kleinen Tricks. Ja, ich glaube, ich gebe Euch Rahvin.« In Nynaeve stieg der Zorn wieder auf. Schweiß rann ihr über das Gesicht, und ihre Beine zitterten, als wollten sie den Dienst versagen, doch der Zorn verlieh ihr Kraft. Mit aller Macht brachte sie es fertig, ihre aus Geist gewebte Waffe um Haaresbreite näher an Moghediens Nabelschnur aus Energie heranzudrücken, um die Frau abzuschneiden, bevor diese den Angriff wieder zum Stillstand brachte.
»Also habt Ihr das kleine Schmuckstück hinter Euch entdeckt«, sagte Moghedien in einem Augenblick unsicheren Gleichgewichts. Überraschenderweise sprach sie beinahe im Plauderton. »Ich frage mich, wie Euch das gelungen ist. Aber es spielt keine Rolle. Seid Ihr gekommen, um es mitzunehmen? Vielleicht, um es zu zerstören? Ihr könnt es nicht zerstören. Das ist kein Metall, sondern eine Art von Cuendillar. Und falls Ihr es verwenden wollt: Es hat gewisse... nennen wir es einmal Nachteile. Legt einem Mann, der die Macht lenkt, das Halsband an, dann kann ihn eine Frau mit Hilfe des Armbands völlig beherrschen, das ist wahr, aber es hält ihn nicht davon ab, dem Wahnsinn zu verfallen. Der Strom verläuft in beiden Richtungen. Irgendwann wird er in der Lage sein, auch Euch zu beherrschen, und dann steckt Ihr in einem andauernden Kampf um die Vorherrschaft. Nicht gerade angenehm, wenn er dabei ist, verrückt zu werden. Natürlich könnt Ihr die Armbänder weitergeben, damit keine dem allzu lange ausgesetzt ist, aber das bedeutet eben, daß Ihr ihn einer anderen anvertrauen müßt. Männer beherrschen es immer so gut, Gewalt anzuwenden, daß man aus ihnen brauchbare Waffen machen kann. Oder zwei Frauen tragen jeweils ein Armband, falls Ihr jemanden habt, der ihr vertrauen könnt. Wie ich hörte, verlangsamt das den Rückfluß in erheblichem Maße, aber es mindert auch Eure Kontrolle über ihn, selbst wenn Ihr genau im Gleichklang arbeitet. Schließlich werdet Ihr wieder um die Vorherrschaft kämpfen müssen, denn jede von Euch braucht ihn, um das Armband abnehmen zu können, und genauso braucht er Euch, um das Halsband loszuwerden.« Sie hielt den Kopf ein wenig schräg und zog fragend eine Augenbraue hoch. »Ihr habt das doch vor, denke ich. Lews Therin zu beherrschen — Rand al'Thor, wie man ihn jetzt nennt — wäre äußerst nützlich, aber ist es den Aufwand wert? Ihr wißt nun, warum ich das Halsband und die Armbänder gelassen habe, wo sie sind.« Nynaeve zitterte durch die Anstrengung, die Macht zu halten, die gewebten Stränge zu erhalten, und runzelte dabei die Stirn. Warum erzählte ihr die Frau all das? Glaubte sie, es spiele keine Rolle, weil sie sowieso gewinnen werde? Wie war es zu diesem plötzlichen Wechsel von Zorn zu Gesprächsbereitschaft gekommen? Auch auf Moghediens Gesicht stand Schweiß. Eine ganze Menge Schweiß sogar. Tropfen standen auf ihrer Stirn und rannen ihr über die Wangen herunter.
Plötzlich begann Nynaeve, die Dinge anders zu sehen. Moghediens Stimme klang nicht etwas gepreßt aus unterdrücktem Zorn, sondern verzerrt von der Anstrengung. Moghedien würde nicht mit einem Schlag all ihre Kraft gegen sie einsetzen, nein, das tat sie bereits die ganze Zeit. Der Kampf kostete die Frau genauso viel Energie wie sie. Sie stand einer der Verlorenen gegenüber, aber anstatt wie eine Gans fürs Essen gerupft zu werden, hatte sie noch keine einzige Feder verloren. Sie kämpfte als Gleichwertige gegen eine der Verlorenen! Moghedien versuchte, sie abzulenken, um eine Schwäche zu entdecken, bevor ihre eigene Kraft versagte! Wenn sie nur dasselbe tun könnte. Bevor sie mit ihrer Kraft am Ende war.
»Fragt Ihr euch, woher ich das alles weiß? Halsband und Armbänder wurden hergestellt, nachdem ich... Na ja, darüber sprechen wir lieber nicht. Sobald ich wieder in Freiheit war, habe ich nach Berichten über diese letzten Tage gesucht. Die letzten Jahre eigentlich. Es gibt hier und da eine ganze Menge von bruchstückartigen Informationen, die niemandem etwas nützen, der nicht von vornherein einiges darüber weiß. Das Zeitalter der Legenden. Was für einen drolligen Namen Ihr doch meiner Zeit gegeben habt. Doch selbst Eure wildesten Legenden kommen der Wahrheit nicht einmal zur Hälfte nah. Ich war mehr als zweihundert Jahre alt, als man das Bohrloch anlegte, und für eine Aes Sedai war ich noch jung. Eure ›Legenden‹ sind nur schwache Abbilder dessen, was wir vollbringen konnten. Also... « Nynaeve hörte nicht mehr hin. Eine Möglichkeit, die Frau abzulenken. Auch wenn sie ihr etwas zu sagen hätte, wäre Moghedien wohl gewappnet gegen die Methode, die sie selbst anwandte. Sie hatte nicht die Kraft, nebenher mehr als nur einen hauchdünnen Strang zu weben, genausowenig wie... Genausowenig wie Moghedien. Eine Frau aus dem Zeitalter der Legenden, eine Frau, die so lange schon mit dem Gebrauch der Macht vertraut war. Vielleicht war sie es gewohnt gewesen, beinahe alles mit Hilfe der Macht zu tun, bevor sie in das Gefängnis des Dunklen Königs mit eingesperrt worden war. Seit sie in Freiheit war, hatte sie sich verborgen. Inwieweit hatte sie sich daran gewöhnt, Dinge ohne die Hilfe der Macht zu erledigen?
Nynaeve ließ bewußt ihre Beine nachgeben. Der Staubwedel fiel zu Boden, und sie faßte nach dem Podest, um sich zu stützen. Soviel mußte sie dabei gar nicht vortäuschen.
Moghedien lächelte und kam nun einen Schritt näher. »... zu anderen Welten reisen, sogar zu Welten am Himmel. Wißt Ihr, daß die Sterne... « So selbstsicher, dieses Lächeln.
So triumphierend.
Nynaeve ergriff das Halsband, verdrängte die herzzerreißend schmerzlichen Emotionen, die sich über sie ergossen, und schleuderte es in einer flüssigen Bewegung.
Die Verlorene bekam den Mund gar nicht mehr auf, als das breite, schwarze Metallband sie zwischen die Augen traf. Es war kein besonders harter Schlag und reichte bestimmt nicht aus, sie zu betäuben, aber er kam unerwartet. Moghedien verlor nur einen Augenblick lang nur einen kleinen Teil der Kontrolle über die von ihr gewebten Stränge. Und doch verlagerte sich in diesem kurzen Augenblick das Gewicht des Kampfes zu Nynaeves Gunsten. Das aus Geist gewebte Schild schlüpfte zwischen Moghedien und die Wahre Quelle. Das Glühen um die Frau herum verschwand augenblicklich.
Moghediens Augen quollen hervor. Nynaeve erwartete, daß sie ihr an die Kehle springen werde. Jedenfalls hätte sie selbst das getan. Statt dessen riß Moghedien ihren Rock hoch bis an die Knie und rannte davon.
Da sie sich jetzt nicht mehr verteidigen mußte, kostete es Nynaeve wenig Mühe, Stränge aus Luft um die fliehende Frau zu weben. Die Verlorene erstarrte aus vollem Lauf heraus.
Schnell verknotete Nynaeve ihr Gewebe. Sie hatte es geschafft. Ich habe mich einer der Verlorenen gestellt und sie besiegt, dachte sie ungläubig. Sie sah die Frau an, die von Kopf bis Fuß durch Luft festgehalten wurde, die sich so unnachgiebig wie Stein verhielt. Die Frau stand sogar noch in der Bewegung auf einem Fuß und nach vorn gebeugt da. Es war kaum zu glauben. Als sie näher betrachtete, was sie da erreicht hatte, sah sie, daß ihr Sieg doch nicht so vollständig war, wie sie gehofft hatte. Die scharfe Kante des Schilds war doch etwas stumpf geworden, bevor es durchgedrungen war. Moghedien war gefangen und abgeschirmt, aber es war nicht zu einer Dämpfung gekommen.
Sie bemühte sich, nicht zu wanken, und trat vor die Frau hin. Moghedien wirkte immer noch majestätisch, aber wie eine verängstigte Königin, die sich die Lippen leckte und deren Blick unstet umherirrte. »Wenn... wenn Ihr mich freilaßt, dann k-können wir uns irgendwie einigen. Ich... ich kann Euch... viel beibringen... « Nynaeve unterbrach sie grob und webte einen Knebel aus Luft, der den Mund der Frau offenstehen ließ. »Ein lebender Tritt. Das habt Ihr doch gesagt, oder? Ich glaube, das war eine gute Idee. Ich reite so gern.« Sie lächelte die Frau an, der die Augen beinahe aus dem Kopf quollen.
Ihr in den Sattel helfen, ha! Wenn Moghedien endlich in der Burg vor Gericht stand und anschließend einer Dämpfung unterzogen wurde — es konnte ja wohl keine andere Strafe für eine der Verlorenen geben —, würde man ihr sicher eine nützliche Arbeit zuteilen, in der Küche, im Garten oder im Stall. Außerdem würde man sie natürlich vorzeigen, um zu beweisen, daß auch die Verlorenen zur Rechenschaft gezogen wurden, aber ansonsten würde man sie nicht anders behandeln als jede Dienerin, wenn vielleicht auch strenger überwachen. Aber sollte sie doch denken, daß Nynaeve genauso grausam sei wie sie. Sollte sie das glauben, bis sie schließlich vor...
Nynaeve verzog den Mund. Moghedien würde nicht vor Gericht kommen. Jedenfalls jetzt nicht. Erst einmal mußte sie einen Weg finden, um mit ihr aus dem Panarchenpalast zu entkommen. Die Frau schien ihre Grimasse für etwas zu halten, was Schlimmes für sie zu bedeuten habe. Tränen rannen ihr aus den Augen und ihr Mund formte Worte, die sie des Knebels wegen nicht hervorbrachte.
Nynaeve ging angewidert und mit unsicheren Schritten dorthin zurück, wo das schwarze Halsband lag und steckte es geschwind in ihre Gürteltasche, bevor die Welle negativer Gefühle ihr mehr antun konnte, als sie kurz zu berühren. Die Armbänder folgten unter den gleichen Schwierigkeiten. Ich war dabei, sie zu foltern, indem ich sie das glauben ließ! Sie verdient es ganz gewiß, aber das bin nicht wirklich ich. Oder doch? Bin ich auch nicht besser als Egeanin?
Sie drehte sich auf dem Fuß um, zornig darüber, daß sie sich so etwas auch nur fragte, und stolzierte an Moghedien vorbei zu der anderen Vitrine. Es mußte eine Möglichkeit geben, an dieser Frau Gerechtigkeit zu üben.
In der Vitrine standen sieben kleine Statuen. Sieben, aber ein Siegel lag nicht drin.
Einen Moment lang blickte sie die Vitrine nur entgeistert an. Eine der Figuren, ein eigenartiges Tier mit den ungefähren Umrissen eines Schweins, doch mit einer großen, runden Schnauze und Füßen, die genauso breit waren wie die dicken Beine, stand an der Stelle, wo sich das Siegel befunden hatte, nämlich in der Mitte des Tisches. Plötzlich zog sie die Augen zusammen. Es befand sich gar nicht wirklich dort! Das Ding war aus Luft und Feuer gewebt, und zwar mit so feinen Strängen, daß Spinnweben dagegen noch wie Taue gewirkt hätten. Selbst bei höchster Konzentration konnte sie die Stränge kaum noch erkennen. Sie bezweifelte, daß Liandrin oder eine der anderen Schwarzen Schwestern sie erkannt hätten. Ein winziges Aufflammen der Macht, ein extrem kurzer Schnitt, und das fette Tier verschwand. An seiner Stelle lag das schwarzweiße Siegel auf seinem rotlackierten Podest. Moghedien, die es versteckt haben mußte, hatte einen geschickten Platz für ihr Versteck gewählt: vor aller Augen. Feuer schmolz ein Loch in das Glas der Vitrine, und auch das Siegel verschwand in ihrer Tasche. Sie beulte sich nun aus und zerrte mit ihrem Gewicht an ihrem Gürtel.
Finster blickte sie die Frau an, die auf einer Zehenspitze starr dastand, und bemühte sich, sich einen Weg auszudenken, auf dem sie die Frau mit hinausnehmen konnte. Aber Moghedien konnte sie nicht in die Tasche stecken, und selbst wenn sie die Frau einfach hinaustrug, würde das einiges Aufsehen erregen. Als sie zu dem nächstgelegenen Ausgang ging, blickte sie sich immer wieder wie unter Zwang um. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe. Sie blieb stehen, um einen letzten bedauernden Blick von der Tür aus zurückzuwerfen, und dann trat sie hinaus.
Sie trat in einen Innenhof mit einem Brunnen, in dessen Becken unzählige Wasserlilien schwammen. Auf der anderen Seite des Brunnens hob eine schlanke Frau mit kupferfarbener Haut in einem beigen Taraboner Kleid, in dem selbst Rendra errötet wäre, gerade einen gerillten, schwarzen Stab von etwa einem Schritt Länge. Nynaeve erkannte Jeaine Caide. Und sie erkannte auch den Stab.
Verzweifelt warf sie sich zur Seite, so hart, daß sie über die glatten, weißen Fußbodenkacheln rutschte, bis eine der schmalen Säulen sie mit einem Ruck aufhielt. Ein oberschenkeldicker Strahl aus reinstem Weiß schoß durch die Stelle, an der sie gestanden hatte. Es war, als habe sich die Luft in schmelzendes Metall verwandelt. Der Strahl fuhr durch die Ausstellungshalle, und wo er auftraf, da verschwanden ganze Teile von Säulen, und unschätzbar wertvolle Ausstellungsstücke hörten auf, zu existieren. Nynaeve schleuderte Feuerstränge blindlings nach hinten in der Hoffnung, etwas zu treffen, irgend etwas, dort im Hof, und krabbelte auf allen vieren durch die Halle. In kaum mehr als Hüfthöhe sägte sich der Strahl durch die Luft und hinterließ einen tiefen Schnitt in beiden Wänden. Dazwischen brachen Kästen und Kommoden und Vitrinen und sorgfältig verdrahtete Skelette zusammen und zersplitterten auf dem Boden. Mehrere Säulen bebten und stürzten ein, doch was in dieses schreckliche Schwert hineinfiel, konnte nicht mehr die darunter stehenden Ausstellungsstücke zerschmettern, denn es existierte nicht mehr. Die Vitrine, aus der sie das Siegel geholt hatte, stürzte ebenfalls in sich zusammen, bevor der schmelzende Strahl verschwand und in ihrer Sicht einen rötlichen Streifen hinterließ, der noch eine ganze Weile nachflimmerte. Die Cuendillar-Statuen waren alles, was der schmelzende, weiße Strahl unbeschädigt zurückließ. Sie polterten auf den Boden.
Natürlich zerbrachen die Statuen nicht. Es schien, Moghedien habe recht behalten. Nicht einmal Baalsfeuer konnte Cuendillar vernichten. Dieser schwarze Stab war einer der gestohlenen Ter'Angreal. Nynaeve erinnerte sich an die Warnung, die mit kräftiger Schrift auf ihrer Liste angefügt worden war. Erzeugt Baalsfeuer. Gefährlich und beinahe unmöglich zu beherrschen.
Moghedien schien zu versuchen, trotz ihres unsichtbaren Knebels zu schreien. Ihr Kopf ruckte verzweifelt vor und zurück, als sie gegen ihre Fesseln aus Luft ankämpfte, doch Nynaeve schenkte ihr über einen kurzen Blick hinaus keine Beachtung. Sobald der Strahl aus Baalsfeuer verglimmt war, richtete sie sich so weit auf, daß sie zurückblicken konnte, durch die Halle und durch den geschmolzenen Riß in der Wand bis hinein in den Innenhof. Neben dem Brunnen wankte Jeaine Caide, eine Hand am Kopf und die andere so kraftlos, daß der schwarze Stab fast zu Boden fiel. Doch bevor Nynaeve mit der Macht zuschlagen konnte, hatte sie den schwarzen Stab erneut gepackt, und wieder barst Baalsfeuer aus seinem Ende und zerstörte alles, was es in der Halle berührte.
Nynaeve ließ sich auf den Bauch fallen und kroch, so schnell sie konnte, unter all dem Bersten und Krachen und Klappern von umstürzenden Säulen und Mauern und Kästen nach der anderen Seite davon. Schwer atmend zog sie sich schließlich in einen Korridor, dessen Seitenwände ebenfalls aufgeschlitzt waren. Sie konnte nicht feststellen, wie tief das Baalsfeuer alles durchschnitten hatte; vielleicht durch den ganzen Palast bis nach draußen. Sie wand sich auf einem mit Steinbrocken übersäten Läufer herum und spähte vorsichtig um die Türkante.
Das Baalsfeuer war wieder erloschen. Stille hatte sich in der großen Ausstellungshalle ausgebreitet. Nur dann und wann löste sich noch ein Brocken aus dem Mauerwerk und krachte auf den schuttübersäten Boden herunter. Von Jeaine Caide war nichts zu sehen, obwohl die gegenüberliegende Wand so weit zusammengebrochen war, daß Nynaeve den Brunnen im Hof deutlich erkennen konnte. Sie hatte nicht vor, das Risiko einzugehen, hinzulaufen und festzustellen, ob der Ter'Angreal die Frau umgebracht habe, die ihn benützte. Sie atmete schwer und unregelmäßig, und ihre Arme und Beine zitterten so stark, daß sie froh war, einen Augenblick lang liegenbleiben zu können. Das Lenken der Macht kostete genausoviel Kraft wie jede andere Arbeit. Je härter man arbeitete, desto erschöpfter war man eben. Und je erschöpfter man war, desto weniger Energie blieb für den Gebrauch der Macht übrig. Sie war sich im Moment nicht sicher, ob sie in ihrem jetzigen Zustand überhaupt Jeaine Caide gegenübertreten könnte.
Was für eine Närrin war sie doch gewesen, Moghedien in einem Duell der Macht gegenüberzutreten, ohne daran zu denken, daß sie durch derart starke Entladungen der Macht jede Schwarze Schwester im Palast beinahe aus der Haut fahren ließ. Sie hatte Glück gehabt, daß die Domanifrau mit dem Ter'Angreal nicht schon gekommen war, während sie noch mit der Verlorenen beschäftigt war. Höchstwahrscheinlich wären sie beide gestorben, bevor sie überhaupt der anderen gewahr geworden wären.
Plötzlich starrte sie ungläubig in die Halle. Moghedien war weg! Das Baalsfeuer war ihrem Standpunkt kaum näher als zehn Fuß gekommen, aber sie war nicht mehr da. Das war doch unmöglich! Sie war abgeschirmt gewesen.
»Woher will ich schon wissen, was unmöglich ist und was nicht?« knurrte Nynaeve. »Es war mir ja auch unmöglich, eine Verlorene zu besiegen, und doch habe ich es geschafft.« Immer noch kein Lebenszeichen von Jeaine Caide.
Sie rappelte sich hoch und eilte zu ihrem abgesprochenen Treffpunkt. Wenn nur Elayne keine Schwierigkeiten gehabt hatte! Dann könnten sie es vielleicht doch sicher aus dem Palast hinaus schaffen.