50

Als sie den Stahl im Mondschein aufblitzen sah, duckte Verna sich hinter einer Bank aus Stein. Von weiter unten auf dem Palastgelände hörte sie den Kampflärm. Ein paar der anderen hatten ihr erklärt, die Soldaten in den karminroten Capes seien erst vor kurzem eingetroffen, um sich der Imperialen Ordnung anzuschließen. Jetzt jedoch schienen sie entschlossen, jeden umzubringen, der ihnen zu nahe kam.

Zwei Männer in karminroten Capes rannten aus der Dunkelheit herauf. Aus der anderen Richtung, von dort, wo sie den Stahl hatte aufblitzen sehen, sprang jemand herbei und streckte sie im Nu nieder.

»Es sind zwei Soldaten des Lebensborns«, flüsterte eine Frauenstimme. Die Stimme klang vertraut. »Komm weiter, Adie.«

Eine weitere dürre Gestalt trat aus den Schatten hervor. Die Frau hielt ein Schwert, doch Verna hatte ihr Han, um sich zu verteidigen. Also riskierte sie es und richtete sich auf.

»Wer ist da? Zeigt euch.«

Das Mondlicht blinkte auf dem Schwert, als es gehoben wurde. »Wer will das wissen?«

Sie hoffte, sich keiner unsinnigen Gefahr auszusetzen, schließlich gab es auch Freunde unter den Frauen hier. Trotzdem hielt sie ihren Dacra weiter fest umklammert.

»Hier ist Verna.«

Die Gestalt im Schatten zögerte. »Verna? Schwester Verna?«

»Ja. Wer ist da?« fragte sie leise zurück.

»Kahlan Amnell.«

»Kahlan! Das kann nicht sein!« Verna lief hinaus in den Mondschein und kam wankend vor der Frau zum Stehen. »Gütiger Schöpfer, sie ist es.« Verna schlang die Arme um sie. »Oh, Kahlan, ich hatte solche Angst, du wärst getötet worden.«

»Du kannst dir gar nicht vorstellen, Verna, wie ich mich freue, ein freundliches Gesicht zu sehen.«

»Wer ist bei dir?«

Eine alte Frau trat näher. »Es ist lange her, aber ich erinnere mich noch immer sehr gut an dich, Schwester Verna.«

Verna starrte sie an, versuchte das Gesicht der alten Frau irgendwo unterzubringen. »Tut mir leid, aber ich erkenne dich nicht wieder.«

»Ich bin Adie. Ich war eine Zeitlang hier, vor fünfzig Jahren, in meiner Jugend.«

Vernas Brauen schossen in die Höhe. »Adie! An eine Adie kann ich mich erinnern!«

Verna verschwieg, daß sie Adie als ganz junge Frau in Erinnerung hatte. Sie hatte längst gelernt, dergleichen für sich zu behalten. Die Menschen in der Außenwelt lebten nach einem anderem Zeitgefühl.

»Vielleicht erinnerst du dich noch an meinen Namen, aber nicht an mein Gesicht. Er ist sehr lange her.« Adie umarmte Verna herzlich. »Ich habe dich nicht vergessen. Du warst freundlich zu mir, als ich hier war.«

Kahlan unterbrach das kurz Schwelgen in Erinnerungen. »Verna, was wird hier gespielt? Wir wurden vom Lebensborn in den Palast verschleppt und konnten nur mit knapper Not entkommen. Wir müssen fort, doch wie es scheint, bricht hier gerade ein Kampf aus.«

»Das ist eine lange Geschichte, und im Augenblick fehlt mir die Zeit, euch das alles zu erzählen. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich überhaupt alles weiß. Aber du hast recht, wir müssen sofort fliehen. Die Schwestern der Finsternis haben den Palast übernommen, und Kaiser Jagang von der Imperialen Ordnung kann jeden Moment eintreffen. Ich muß die Schwestern des Lichts fortbringen. Kommst du mit?«

Kahlan suchte die Rasenflächen ab, ob ihnen Unheil drohte. »Na gut. Vorher muß ich jedoch Ahern holen. Er hat immer treu zu uns gehalten. Ich kann ihn nicht zurücklassen. Wie ich Ahern kenne, wird er sein Gespann und seine Kutsche mitnehmen wollen.«

»Es sind noch immer Schwestern unterwegs, die alle Getreuen versammeln wollen«, sagte Verna. »Wir wollen uns gleich dort drüben treffen, auf der anderen Seite der Mauer. Der Wachposten neben dem Tor ist Richard treu ergeben, wie auch all die anderen, die die Tore in dieser Mauer bewachen. Sein Name ist Kevin. Man kann ihm vertrauen. Wenn du zurücckommst, sag ihm einfach, du seist eine Freundin von Richard. Die Parole kennt er. Er wird dich in das Gelände hineinlassen.«

»Er ist Richard treu ergeben?«

»Ja. Beeil dich. Ich muß hinein und einen Freund rausholen. Dein Freund wird sein Gespann allerdings nicht auf diesem Weg hierherbringen können. Das Palastgelände verwandelt sich zunehmend in ein Schlachtfeld. Das schafft er niemals.

Die Stallungen sind an der Nordseite. Auf diesem Weg werden wir auch fliehen. Ich lasse die kleine Brücke dort von Schwestern bewachen. Sag dem Kutscher, er soll Richtung Norden fahren, bis zur ersten Farm auf der rechten Seite mit einer niedrigen Steinmauer rings um den Garten. Das ist unser Ausweichtreffpunkt, und dort ist es sicher. Fürs erste, jedenfalls.«

»Ich werde mich beeilen«, versprach Kahlan.

Verna packte sie am Arm. »Falls es dir nicht gelingt, rechtzeitig zurückzukommen, werden wir nicht auf dich warten können. Ich muß einen Freund abholen, und dann müssen wir fliehen.«

»Ich verlange nicht, daß du wartest. Keine Sorge, ich muß ebenfalls fort von hier. Ich glaube, ich bin ein Köder, der Richard herlocken soll.«

»Richard!«

»Das ist auch eine lange Geschichte, aber ich muß fort, bevor sie mich dazu benutzen können, ihn herzulocken.«

Plötzlich leuchtete die Nacht auf, wie von einem Blitz erhellt, nur daß das Licht nicht wie ein Blitz wieder erlosch. Alles wandte sich nach Südosten um, und man sah gewaltige Feuerbälle, die in den Nachthimmel hinaufwallten. Dichter, schwarzer Rauch stieg auf. Der gesamte Hafen schien in Flammen zu stehen. Riesige Schiffe wurden von gewaltigen Wassersäulen in die Luft geschleudert.

Dann bebte der Erdboden, und gleichzeitig erzitterte die Luft vom Poltern ferner Explosionen.

»Gütige Seelen«, meinte Kahlan. »Was geschieht hier?« Sie sah sich um. »Die Zeit läuft uns davon. Adie, du bleibst bei den Schwestern. Ich bin hoffentlich bald zurück.«

»Ich kann dir den Rada’Han abnehmen«, rief Verna noch, aber zu spät. Kahlan war bereits in die Schatten davongeeilt.

Verna ergriff Adies Arm. »Komm. Ich bringe dich zu den Schwestern hinter der Mauer. Eine von ihnen wird dir dieses Ding abnehmen, während ich hineingehe.«

Klopfenden Herzens schlich Verna durch die Korridore im Trakt des Propheten, nachdem sie Adie bei den anderen zurückgelassen hatte. Während sie immer tiefer in die dunklen Korridore vordrang, machte sie sich mit der Möglichkeit vertraut, daß Warren nicht mehr lebte. Sie wußte nicht, was man mit ihm angestellt hatte oder ob man einfach beschlossen hatte, ihn auszuschalten. Sie glaubte, es nicht ertragen zu können, seine Leiche zu finden.

Nein. Jagang brauchte einen Propheten, der ihm bei den Büchern half. Ann hatte ihr — mittlerweile schien es Ewigkeiten her zu sein — befohlen, ihn augenblicklich fortzuschaffen.

Dann kam ihr der Gedanke, vielleicht wollte Ann, daß sie Warren fortschaffte, damit die Schwestern der Finsternis ihn nicht umbrachten, weil er zuviel wußte. Sie verbannte den quälenden Gedanken aus ihrem Kopf, derweil sie die Korridore nach irgendeinem Anhaltspunkt dafür absuchte, daß die Schwestern der Finsternis sich in das Gebäude geschlichen hatten, um sich vor der Schlacht zu verstecken.

Vor der Tür zu den Gemächern der Propheten holte Verna tief Luft, dann trat sie in das Wohnzimmer, durch Schichten von Schilden hindurch, die Nathan annähernd eintausend Jahre im Palast gefangengehalten hatten — und jetzt Warren.

Sie durchbrach die Innentür, die in die Dunkelheit führte. Die gegenüberliegende Doppeltür, durch die man in den kleinen Garten des Propheten gelangte, stand offen und ließ die warme Nachtluft und einen Streifen Mondlicht herein. Auf einem Beistelltisch brannte eine Kerze, spendete aber nur wenig Licht.

Vernas Herz begann zu klopfen, als sie sah, wie jemand sich aus einem Sessel erhob.

»Warren?«

»Verna!« Er stürzte auf sie zu. »Dem Schöpfer sei Dank, Ihr seid entkommen!«

Verna fühlte, wie das Entsetzen nach ihr griff, als ihr Hoffen und Bangen ihre alten Ängste auslöste. Sie riß sich zusammen und drohte ihm mit dem Finger. »Was war das für eine Torheit, mir deinen Dacra zu schicken! Wieso hast du ihn nicht benutzt, dich selbst zu retten — und zu fliehen! Es war leichtsinnig, ihn mir zu schicken. Stell dir vor, es wäre etwas passiert. Du hattest ihn bereits sicher und hast ihn wieder aus der Hand gegeben! Was hast du dir dabei gedacht?«

Er lächelte. »Ich bin froh, Euch zu sehen, Verna.«

Verna verbarg ihre Gefühle hinter einer schroffen Erwiderung. »Beantworte meine Frage.«

»Nun, erst einmal hatte ich noch nie einen Dacra benutzt und Angst, ich könnte etwas falsch machen. Zweitens trage ich diesen Ring um den Hals, und solange ich ihn nicht herunterbekomme, kann ich die Schilde nicht passieren. Wenn ich Leoma nicht dazu bringen konnte, ihn mir abzunehmen, weil sie lieber sterben würde, als das zu tun, wäre alles umsonst gewesen. Drittens«, sagte er und machte einen zögernden Schritt auf sie zu, »wenn nur einer von uns beiden die Chance bekäme zu fliehen, wollte ich, daß Ihr das seid.«

Verna starrte ihn eine ganze Weile an und konnte den Kloß in ihrem Hals nicht schlucken. Schließlich schlang sie ihm die Arme um den Hals.

»Warren, ich liebe dich. Ich meine, ich liebe dich wirklich und wahrhaftig.«

Er nahm sie zärtlich in den Arm. »Du weißt gar nicht, wie lange ich schon davon träume, diese Worte von dir zu hören, Verna. Ich liebe dich auch.«

»Und meine Fältchen?«

Er lächelte sein herzliches, warmes, glühendes Warrenlächeln. »Solltest du irgendwann einmal Fältchen bekommen, dann werde ich sie ebenfalls lieben.«

Dafür und für alles andere ließ sie sich fallen und küßte ihn.


Eine kleine Traube Männer in karminroten Capes schoß um die Ecke, entschlossen, ihn zu töten. Er wirbelte mitten unter sie, trat einem in die Knie, während er einem zweiten das Messer in den Leib rammte. Bevor ihre Schwerter ihm den Weg versperren konnten, hatte er einem weiteren die Kehle aufgeschlitzt und mit dem Ellenbogen eine Nase zertrümmert.

Richard war fuchsteufelswild — verloren im donnernden Zorn der Magie, die durch seinen Körper jagte.

Auch wenn das Schwert nicht bei ihm war, so war er immer noch im Besitz seiner Magie. Er war der wahre Sucher der Wahrheit und mit dieser Magie unwiderruflich verbunden. Sie durchflutete ihn mit todbringender Besessenheit. Die Prophezeiungen hatten ihn fuer grissa ost drauka genannt, Hoch-D’Haran für ›Der Bringer des Todes‹, und wie dessen Schatten bewegte er sich jetzt. Jetzt begriff er die Worte, so wie sie geschrieben waren.

Er pflügte durch die Männer des Lebensborns aus dem Schoß der Kirche, als wären sie nichts weiter als Statuen, die ein verheerender Sturm niederwarf.

Augenblicke später war alles wieder still.

Richard stand keuchend vor Wut über den Leichen und wünschte, es wären Schwestern der Finsternis und nicht bloß deren Günstlinge. Auf diese fünf hatte er es abgesehen.

Sie hatten ihm verraten, wo man Kahlan gefangengehalten hatte, bei seinem Eintreffen jedoch war sie nicht mehr dort gewesen. Noch immer hing Schlachtrauch in der Luft. Offenbar hatte die Raserei entfesselter Magie den Raum zerstört. Er hatte die Leichen von Brogan und Galtero gefunden, und die einer Frau, die er nicht kannte.

Möglicherweise hatte Kahlan, wenn sie überhaupt hier gewesen war, fliehen können. Die Befürchtung jedoch, daß die Schwestern sie hatten verschwinden lassen, daß sie noch immer eine Gefangene war, daß sie ihr weh taten oder, schlimmer noch, daß sie sie Jagang ausliefern würden, machte ihn rasend. Er mußte sie finden.

Er mußte eine Schwester der Finsternis in die Finger bekommen und sie zum Sprechen bringen.

Auf dem gesamten Palastgelände tobte ein chaotischer Kampf. Richard erschien es, als hätte es der Lebensborn auf jeden im Palast abgesehen. Er hatte tote Wachposten gesehen, tote Putzfrauen und tote Schwestern.

Und er hatte eine große Zahl toter Soldaten des Lebensborns gesehen. Die Schwestern der Finsternis mähten sie erbarmungslos nieder. Richard hatte gesehen, wie ein Trupp von annähernd einhundert Mann von einer einzigen Schwester im Nu niedergemäht worden war. Und er hatte gesehen, wie ein unbarmherziger Trupp Soldaten eine andere Schwester von allen Seiten her überrannt hatte. Sie waren über sie hergefallen wie ein Rudel Hunde über einen Fuchs.

Als er bei der Schwester eingetroffen war, die den Angriff niedergeschlagen hatte, war diese verschwunden, also machte er sich auf die Suche nach einer anderen. Eine von ihnen würde ihm verraten, wo Kahlan sich befand. Und wenn er alle Schwestern der Finsternis im Palast töten müßte, eine von ihnen würde reden.

Zwei Soldaten des Lebensborns erblickten ihn und stürmten den Pfad herauf. Richard wartete. Ihre Schwerter trafen nur die Luft. Er streckte die beiden mit seinem Messer nieder, fast ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, und war schon wieder unterwegs, bevor der zweite Soldat ganz mit dem Gesicht auf dem Boden lag.

Er hatte den Überblick verloren, wie viele Soldaten des Lebensborns er seit Beginn der Schlacht getötet hatte. Er fraß sich nur dann durch sie hindurch, wenn sie ihn angriffen. Er konnte nicht allen Soldaten ausweichen, auf die er stieß. Wenn sie sich auf ihn stürzten, so war dies ihre Entscheidung, nicht seine. Auf sie hatte er es nicht abgesehen — sondern auf eine Schwester.

Nahe bei einer Mauer drückte Richard sich unter einer Gruppe duftender, einzeln stehender Hexenhaselnußsträucher in den Mondschatten und schlich auf einen der Laubengänge zu. Er sah, wie ein Schatten hastig den Weg verließ, und preßte sich flach an einen in der Wand eingelassenen Pfeiler. Im Näherkommen konnte er am Fall der Haare und an der Körperform erkennen, daß es eine Frau war.

Endlich hatte er eine Schwester gefunden.

Als er sich ihr in den Weg stellte, sah er, wie eine blutende Klinge auf ihn zugeschossen kam. Jede Schwester trug einen Dacra bei sich. Wahrscheinlich war es der und kein Messer. Er wußte, wie tödlich ein Dacra war und wie geschickt sie mit dieser Waffe umgehen konnten. Er durfte die Gefahr nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Richard ließ sein Bein herumschnellen und trat ihr den Dacra aus der Hand. Er hätte ihr den Kiefer gebrochen, damit sie nicht nach Hilfe rufen konnte, doch er brauchte sie unverletzt, damit sie sprechen konnte. Wenn er schnell genug war, würde sie kein Alarm schlagen.

Er packte ihr Handgelenk, sprang hinter ihrem Rücken auf, packte ihre andere Faust, als sie ihn damit schlagen wollte, und umklammerte ihre beiden Handgelenke mit einer Hand. Von hinten legte er ihr den Arm mit dem Messer um den Hals, da wurde er mit einem Ruck zurückgeschleudert. Als er, die Frau vor sich auf der Brust, auf dem Rücken landete, hakte er seine Beine über ihre, damit sie ihn nicht treten konnte. Einen Herzschlag später saß sie hilflos gefangen.

Er drückte ihr die Klinge an die Kehle. »Ich bin in einer ganz miesen Laune«, preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wenn du mir nicht sagst, wo die Mutter Konfessor ist, stirbst du.«

Sie kam keuchend wieder zu Atem. »Du schneidest ihr gleich die Kehle durch, Richard.«

Sein Verstand, so schien es, brauchte eine Ewigkeit, um ihre Worte durch seine Raserei hindurch zu verstehen und sich einen Reim auf das zu machen, was sie gesagt hatte. Es erschien ihm völlig rätselhaft.

»Gibst du mir einen Kuß, oder willst du mir die Kehle durchschneiden?« fragte sie, noch immer außer Atem.

Es war Kahlans Stimme. Er ließ ihre Handgelenke los. Sie drehte sich um, ihr Gesicht war nur Zentimeter von seinem entfernt. Sie war es. Sie war es tatsächlich.

»Gütige Seelen, ich danke euch«, sagte er leise, bevor er sie küßte.

Richard erinnerte sich noch sehr gut, wie sich ihre weichen Lippen anfühlten. Seine Erinnerung war nichts im Vergleich zur Wirklichkeit. Sein Zorn ließ nach, so wie sich ein See in einer sommerlichen Mondnacht glättet. Voller Sehnsucht und Glückseligkeit drückte er sie an sich.

Er berührte ihr Gesicht sacht mit den Fingern, berührte seinen wahr gewordenen Traum. Ihre Finger wanderten über seine Wange, während sie ihn ansah und ebensowenig wie er irgendwelcher Worte bedurfte. Für einen Augenblick schien die Welt stillzustehen.

»Kahlan«, sagte er schließlich, »ich weiß, du bist böse auf mich, aber…«

»Nun, wenn ich mein Schwert nicht zerbrochen hätte und mir kein Messer hätte nehmen müssen, hättest du nicht so ein leichtes Spiel gehabt. Aber böse bin ich nicht.«

»Das habe ich nicht gemeint. Ich kann es erklären —«

»Ich weiß, was du gemeint hast, Richard. Ich bin nicht böse. Ich vertraue dir. Natürlich wirst du einiges erklären müssen, aber böse bin ich nicht. Du kannst mich nur mit einer Sache böse machen, wenn du dich nämlich für den Rest des Lebens noch einmal mehr als zehn Fuß von mir entfernst.«

Richard lächelte. »Dann wirst du also niemals böse auf mich sein.« Sein Lächeln erlosch, und sein Kopf sank mit dumpfem Geräusch auf den Boden zurück. »Oh, doch, das wirst du. Du weißt gar nicht, wieviel Ärger ich verursacht habe. Gütige Seelen. Ich habe…«

Sie küßte ihn erneut — zärtlich, sanft, voller Wärme. Er strich ihr mit der Hand über ihr langes, dichtes Haar.

Er hielt sie an den Schultern von sich fort. »Kahlan, wir müssen fort von hier. Jetzt gleich. Wir stecken in großen Schwierigkeiten. Ich stecke in großen Schwierigkeiten.«

Kahlan rollte von ihm herunter und setzte sich auf. »Ich weiß. Die Imperiale Ordnung rückt vor. Wir müssen uns beeilen.«

»Wo sind Zedd und Gratch? Gehen wir sie holen und verschwinden dann.«

Sie neigte den Kopf und sah ihn an. »Zedd und Gratch? Sind sie nicht bei dir?«

»Bei mir? Nein. Ich dachte, sie wären bei dir. Ich habe Gratch mit einem Brief losgeschickt. Gütige Seelen, erzähle mir nicht, du hast den Brief nicht bekommen. Kein Wunder, daß du nicht böse auf mich bist. Ich habe —«

»Den Brief habe ich bekommen. Zedd hat einen Zauber benutzt, um sich so leicht zu machen, daß Gratch ihn tragen konnte. Gratch hat Zedd schon vor Wochen nach Aydindril zurückgebracht.«

Richard fühlte eine heiße Woge von Übelkeit. Er mußte an die toten Mriswiths überall auf der Brustwehr der Burg denken.

»Ich habe sie nicht gesehen«, meinte er mit leiser Stimme.

»Vielleicht bist du vor ihrem Eintreffen aufgebrochen. Es muß dich Wochen gekostet haben, hierherzukommen.«

»Ich habe Aydindril gestern erst verlassen.«

»Was?« stieß sie leise mit aufgerissenen Augen hervor. »Wie ist das…«

»Die Sliph hat mich hergebracht. Sie hat mich in weniger als einem Tag hierhergebracht. Zumindest glaube ich, daß es weniger als einen Tag gedauert hat. Es können auch zwei gewesen sein. Ich hatte keine Möglichkeit, das festzustellen. Der Mond jedenfalls scheint sich nicht verändert zu haben…«

Richard merkte, wie unzusammenhängend er stammelte, und zwang sich, den Mund zu halten.

Kahlans Gesicht verschwamm ihm vor den Augen. Seine Stimme kam ihm hohl vor, so als spräche jemand anderes. »Oben auf der Burg fand ich eine Stelle, wo es zu einem Kampf gekommen war. Überall lagen tote Mriswiths. Ich weiß noch, wie ich dachte, daß es so aussähe, als hätte Gratch sie getötet. Das war am Rand einer hohen Mauer.

In einer Mauernische war Blut und an der Seitenwand der Burg bis unten hin. Ich habe meinen Finger durch das Blut gezogen. Mriswithblut stinkt. Ein Teil des Blutes stammte nicht von einem Mriswith.«

Kahlan nahm ihn tröstend in die Arme.

»Zedd und Gratch«, sagte er leise. »Das muß einer von ihnen gewesen sein.«

Ihre Arme drückten ihn fester. »Tut mir leid, Richard.«

Er schob ihre Arme fort, stand auf und reichte ihr die Hand. »Wir müssen fort von hier. Ich habe etwas Schreckliches getan, und Aydindril ist in Gefahr. Ich muß dorthin zurück.«

Richards Blick fiel auf den Rada’Han. »Was macht denn das an deinem Hals?«

»Ich wurde von Tobias Brogan gefangengenommen. Das ist eine lange Geschichte.«

Sie hatte noch nicht ausgeredet, da hatte er die Finger bereits um den Ring geschlossen. Ohne nachzudenken, nur durch das Verlangen und seine rasende Wut, spürte er, wie die Kraft in seiner ruhigen Mitte anschwoll und durch seinen Arm strömte.

Der Halsring zerbröselte in seiner Hand wie von der Sonne ausgetrocknete Erde.

Kahlan betastete ihren Hals. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, der einem Wimmern nahekam.

»Sie ist wieder da«, sagte sie leise, sich an ihn lehnend, und legte eine Hand auf ihr Brustbein. »Ich spüre meine Konfessorenkraft. Ich kann sie wieder berühren.«

Er drückte sie mit einem Arm. »Wir sollten schnell von hier verschwinden.«

»Ich habe Ahern gerade befreit. Dabei habe ich auch mein Schwert zerbrochen — auf einem Soldaten des Lebensborns. Er ist böse hingeschlagen«, fügte sie als Erklärung hinzu, als sie sein Stirnrunzeln bemerkte. »Ich habe Ahern gesagt, er soll mit den Schwestern nach Norden aufbrechen.«

»Schwester? Welche Schwestern?«

»Ich habe Schwester Verna gefunden. Sie sucht die Schwestern des Lichts, die jungen Männer, Novizinnen und Wachposten zusammen und flieht mit ihnen. Ich wollte mich mit ihnen treffen. Adie habe ich bei ihnen zurückgelassen. Beeil dich, dann können wir sie vielleicht noch abfangen, bevor sie aufbrechen. Sie sind nicht weit.«


Kevin klappte der Mund auf, als er hinter der Mauer hervortrat, um sich den beiden in den Weg zu stellen. »Richard!« sagte er leise. »Seid Ihr es wirklich?«

Richard lächelte. »Tut mir leid, Kevin, ich habe keine Pralinen dabei.«

Kevin schüttelte Richard die Hand. »Ich bin Euch ergeben, Richard. Fast alle der Wachposten sind Euch ergeben.«

Richard setzte im Dunkeln eine mißtrauische Miene auf. »Ich … fühle mich geehrt, Kevin.«

Kevin drehte sich um und rief in deutlich vernehmbarem Flüsterton. »Es ist Richard!«

Eine kleine Menschenmenge scharte sich um die beiden, nachdem er und Kahlan durch das Tor hinter die Mauer geschlüpft waren. Richard erblickte Verna im flackernden Schein der fernen Feuer unten bei den Hafenanlagen und schlang die Arme um sie.

»Verna, ich freue mich so, Euch wiederzusehen!« Er hielt sie mit gestreckten Armen von sich. »Aber ich muß Euch sagen, Ihr habt ein Bad nötig!«

Verna lachte. Ein wunderbarer Laut, den zu hören gut tat. Warren drückte sich an ihr vorbei und schloß Richard in die Arme.

Richard drückte Verna den Ring der Prälatin in die Hand und schloß ihre Finger um ihn. »Ich habe gehört, Ann sei gestorben. Das tut mir leid. Dies ist ihr Ring. Ich glaube, Ihr wißt mehr damit anzufangen als ich.«

Verna hielt sich die Hand näher vors Gesicht und starrte den Ring an. »Richard … wo hast du ihn her?«

»Ich habe Schwester Ulicia dazu gebracht, ihn mir zu geben. Sie hatte kein Recht, ihn zu tragen.«

»Du hast…«

»Verna wurde zur Prälatin ernannt, Richard«, meinte Warren und legte ihr zur Bekräftigung die Hand auf die Schulter.

Richard schmunzelte. »Ich bin stolz auf Euch, Verna. Steckt ihn also wieder an.«

»Richard, Ann ist nicht … Man hat mir den Ring abgenommen … ein Gericht hat mich verurteilt … und als Prälatin abgesetzt.«

Schwester Dulcinia trat vor. »Wir wurden von den anderen überstimmt, aber wir haben alle an Euch geglaubt. Ihr wurdet von Prälatin Annalina ernannt. Steckt den Ring wieder an.«

Verna nickte den Schwestern unter Tränen dankbar zu, als diese erklärten, sie seien derselben Ansicht. Sie streifte den Ring wieder über ihren Finger und küßte ihn. »Wir müssen alle Leute sofort von hier wegbringen. Die Imperiale Ordnung ist auf dem Weg hierher, um den Palast einzunehmen.«

Richard packte sie am Arm und zog sie wieder herum. »Was meint Ihr damit, ›die Imperiale Ordnung ist auf dem Weg hierher, um den Palast einzunehmen‹? Was wollen sie im Palast der Propheten?«

»Die Prophezeiungen. Kaiser Jagang will sie dazu benutzen, die Gabelungen in den Büchern zu erkennen, damit er die Geschehnisse zu seinen Gunsten abändern kann.«

Den anderen Schwestern hinter Verna stockte der Atem. Warren schlug sich stöhnend die Hände vors Gesicht.

»Außerdem«, fügte Verna hinzu, »hat er die Absicht, hier zu leben, unter dem Bann des Palastes, damit er die Welt beherrschen kann, sobald er mit Hilfe der Prophezeiungen jeden Widerstand gebrochen hat.«

Richard ließ ihren Arm los. »Das dürfen wir nicht zulassen. Wir würden an jeder Gabelung einen Rückschlag erleiden. Wir hätten keine Chance. Die Welt hätte jahrhundertelang unter seiner Tyrannei zu leiden.«

»Wir können nichts dagegen tun«, sagte Verna. »Wir müssen fort, sonst werden wir hier allesamt getötet. Und dann hätten wir keine Möglichkeit mehr, zu helfen oder uns zu überlegen, wie wir zurückschlagen können.«

Richard ließ den Blick über die versammelten Schwestern wandern, von denen er viele kannte, dann sah er Verna wieder an. »Und wenn wir den Palast zerstörten, Prälatin?«

»Was! Wie willst du das tun?«

»Ich weiß nicht. Aber ich habe die Türme zerstört, und auch die waren von Zauberern aus alter Zeit errichtet worden. Und wenn es eine Möglichkeit gäbe?«

Verna fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und starrte ins Leere. Die Schar der Schwester stand schweigend da. Schwester Phoebe bahnte sich einen Weg durch die anderen hindurch.

»Das darfst du nicht zulassen!«

»Es ist vielleicht der einzige Weg, Jagang aufzuhalten.«

»Aber das kannst du nicht tun«, meinte Schwester Phoebe, den Tränen nahe. »Das ist der Palast der Propheten. Unser Zuhause.«

»Er wird das Zuhause des Traumwandlers werden, wenn wir ihn für ihn stehen lassen.«

»Aber Verna«, erwiderte Phoebe und packte Verna bei den Armen, »ohne den Bann werden wir altern. Wir werden sterben, Verna. Unsere Jugend wird im Handumdrehen vorüber sein. Wir werden alt werden und sterben, bevor wir Gelegenheit hatten zu leben.«

Verna wischte ihrem Gegenüber mit dem Daumen eine Träne aus den Augen. »Alles ist vergänglich, Phoebe, auch der Palast. Er kann nicht ewig fortbestehen. Er hat seinen Zweck erfüllt, und wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird sich sein Nutzen ins Gegenteil verkehren.«

»Das könnt Ihr nicht tun, Verna! Ich will nicht altern.«

Verna nahm die junge Frau in die Arme. »Phoebe, wir sind Schwestern des Lichts. Wir dienen dem Schöpfer in seinem Werk, um den Menschen in dieser Welt das Leben leichter zu machen. Im Augenblick besteht für uns die einzige Chance, dieses Ziel weiterzuverfolgen, darin, zu werden wie die anderen Kinder des Schöpfers auch — indem wir unter ihnen leben.

Ich verstehe deine Angst, Phoebe, doch vertraue mir — es ist nicht so, wie du befürchtest. Wir empfinden die Zeit unter dem Bann des Palastes anders. Wir spüren nicht, wie die Jahrhunderte langsam verstreichen, so wie es sich die Menschen draußen vorstellen, sondern das schnelle Tempo des Lebens. Wenn man draußen lebt, ist der Unterschied wirklich nicht so groß.

Mit unserem Eid haben wir gelobt zu dienen, nicht einfach nur lange zu leben. Wenn du ein langes und unausgefülltes Leben willst, Phoebe, dann bleibe bei den Schwestern der Finsternis. Wenn du aber ein bedeutungsvolles, nützliches, erfülltes Leben willst, dann begleite uns, die Schwestern des Lichts, in unser neues Leben jenseits dessen, was gewesen ist.«

Phoebe stand schweigend da, während ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen. In der Ferne tobten krachende Feuer, und gelegentlich zerriß eine Explosion die Nacht. Die Rufe der Soldaten im Schlachtgetümmel kamen näher.

Endlich sprach Phoebe. »Ich bin eine Schwester des Lichts. Ich will meine Schwestern begleiten … wohin uns das auch führt. Der Schöpfer wird über uns wachen.«

Verna lächelte und strich Phoebe zärtlich über die Wange. »Sonst noch jemand?« fragte sie, sich unter den anderen Versammelten umsehend. »Hat jemand etwas einzuwenden? Wenn, dann muß er jetzt gehört werden. Kommt nachher nicht zu mir und sagt, ihr hättet keine Gelegenheit gehabt. Die gebe ich euch hiermit.«

Die Schwestern schüttelten allesamt den Kopf. Kurz darauf gaben sie alle zu verstehen, daß sie aufbrechen wollten.

Verna drehte den Ring an ihrem Finger und sah Richard an. »Glaubst du, wir können den Palast zerstören? Den Bann?«

»Ich weiß es nicht. Erinnert Ihr Euch noch, wie Ihr mich damals holen kamt und Kahlan diesen blauen Blitz einsetzte? Konfessoren besitzen ein Element der Subtraktiven Magie jener Zauberer, die ihre Kraft geschaffen haben. Vielleicht läßt sich damit in den Gewölbekellern einiges an Schaden anrichten, wenn ich es nicht schaffe.«

Kahlan legte ihm die Finger auf den Rücken und sagte leise: »Ich glaube nicht, daß ich das kann, Richard. Diese Magie wurde für dich herbeigerufen — zu deinem Schutz. Ich kann sie nicht aus irgendeinem anderen Grund aufrufen.«

»Wir müssen es versuchen. Wenn nichts sonst, können wir wenigstens die Prophezeiungen in Brand setzen. Wenn wir all diese Bücher verbrennen, kann Jagang sie wenigstens nicht mehr gegen uns verwenden.«

Eine kleine Gruppe Frauen und ein halbes Dutzend junger Burschen kamen zum Tor gerannt. »Freunde von Richard«, hörte man dringliches Geflüster. Kevin öffnete das Tor und ließ die atemlose Gruppe hinein.

Verna faßte eine der Frauen am Arm. »Philippa, habt Ihr sie alle gefunden?«

»Ja.« Die große Frau hielt inne und atmete tief durch. »Wir müssen von hier fort. Die Vorhut des Kaisers ist in der Stadt. Die ersten marschieren bereits über die südlichen Brücken. Die Soldaten des Lebensborns verwickeln sie in heftige Kämpfe.«

»Hast du gesehen, was im Hafen vor sich geht?« fragte Verna.

»Ulicia und einige ihrer Schwestern sind dort unten. Diese Frauen nehmen den ganzen Hafen auseinander. Es scheint, als wäre die Unterwelt entfesselt.« Philippa legte ihre zitternden Finger an die Lippen und schloß für einen Moment die Augen. »Sie haben die Männer von der Lady Sefa bei sich.« Die Stimme versagte ihr.

»Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was sie diesen armen Kerlen antun.«

Philippa drehte sich um, ließ sich auf die Knie fallen und erbrach sich. Zwei der Schwestern, die mit ihr zusammen zurückgekommen waren, taten es ihr nach. »Gütiger Schöpfer«, brachte Schwester Philippa zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor, »Ihr könnt es Euch nicht vorstellen. Ich werde für den Rest meines Lebens Alpträume haben.«

Richard drehte sich zu den Schreien und Schlachtrufen um. »Verna, Ihr müßt augenblicklich fort von hier. Es gilt, keine Zeit zu verlieren.«

Sie nickte. »Du und Kahlan, ihr könnt nachkommen.«

»Nein. Kahlan und ich müssen unverzüglich nach Aydindril zurück. Ich habe im Augenblick keine Zeit für Erklärungen, aber sie und ich verfügen über die erforderliche Magie, die das ermöglicht. Ich wünschte, ich könnte euch alle mitnehmen, aber das geht nicht. Beeilt euch. Geht nach Norden. Dort steht eine Armee von einhunderttausend Mann, die sich auf der Suche nach Kahlan in südlicher Richtung bewegt. Berichtet General Reibisch, daß die Mutter Konfessor bei mir in Sicherheit ist.«

Adie trat zwischen den anderen hindurch und ergriff Richards Hände. »Wie geht es Zedd?«

Richard blieben die Worte in der Kehle stecken. Er schloß gequält die Augen. »Tut mir leid, Adie, aber ich bin meinem Großvater nicht begegnet. Ich fürchte, er könnte in der Burg getötet worden sein.«

Adie wischte sich über die Wange und räusperte sich. »Das tut mir leid, Richard«, sagte sie mit leise schnarrender Stimme. »Dein Großvater ist ein guter Mensch. Aber er riskiert zuviel in hoffnungslosen Situationen. Ich habe ihn gewarnt.«

Richard umarmte die alte Magierin, die leise an seiner Brust weinte.

Vom Tor stürzte Kevin herbei, das Schwert in der Hand. »Entweder brechen wir jetzt auf, oder wir müssen kämpfen.«

»Geht«, meinte Richard. »Wenn ihr in dieser Schlacht umkommt, werden wir diesen Krieg nicht gewinnen. Wir müssen nach unseren Regeln kämpfen, nicht nach Jagangs. Er wird auch Menschen mit der Gabe bei sich haben, nicht bloß Soldaten.«

Verna drehte sich zu den versammelten Schwestern, Novizinnen und jungen Zauberern um. Sie ergriff die Hände zweier junger Frauen, die Rückhalt offensichtlich gebrauchen konnten. »Hört zu, ihr alle. Jagang ist ein Traumwandler. Der einzige Schutz sind die Bande, die uns Richard gegenüber in die Pflicht nehmen. Richard wurde mit der Gabe geboren, und mit einer Magie, die von seinen Vorfahren auf ihn überging und die vor Traumwandlern schützt. Leoma hat versucht, diese Bande zu zerstören, so daß Jagang in meinen Verstand vordringen und von mir Besitz ergreifen konnte. Bevor wir aufbrechen, verneigt euch alle und schwört Richard die Treue, damit ihr sicher sein könnt, daß wir alle vor unserem Feind geschützt sind.«

»Wenn dies euer Wunsch ist«, sagte Richard, »dann tut es so, wie von Alric Rahl, dem Mann, der die Bande schuf, schriftlich festgehalten. Wenn dies euer Wunsch ist, dann bitte ich euch, das andächtige Gebet so vorzutragen, wie es überliefert wurde und wie es gedacht war.«

Richard sagte ihnen die Worte, so wie er sie selbst auch gesprochen hatte. Dann stand er schweigend da, das Gewicht der Verantwortung spürend, nicht nur den Versammelten gegenüber, sondern auch den Tausenden in Aydindril, die ihn brauchten, während die Schwestern des Lichts und ihre Schutzbefohlenen auf die Knie fielen und wie aus einem Munde ihre Treue verkündeten, daß es hinausschallte in die Nacht und den Schlachtlärm übertönte.

»Herrscher Rahl, führe uns. Herrscher Rahl, lehre uns. Herrscher Rahl, beschütze uns. In deinem Licht gedeihen wir. In deiner Gnade finden wir Schutz. Deine Wahrheit erfüllt uns mit Demut. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört Dir.«

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