29

»Bitte«, hauchte Cathryn.

Richard blickte in ihre sanften, braunen Augen und strich ihr sanft eine schwarze Locke aus dem strahlenden Gesicht. Sie sahen sich an, und er hätte kaum den Blick abwenden können, es sei denn, sie hätte dies zuerst getan. So weit war es mit ihm gekommen. Ihre Hand auf seiner Hüfte sandte wohlige, sehnsüchtige Schauder durch seinen Körper. Verzweifelt bemühte er sich, ein Bild von Kahlan hervorzurufen, um dem Zwang zu widerstehen, Cathryn in die Arme zu schließen und ›ja‹ zu sagen. Sein Körper brannte darauf.

»Ich bin müde«, log er. Schlafen war das letzte, was er wollte. »Der Tag war lang. Morgen werden wir wieder Zusammensein.«

»Aber ich will —«

Er berührte ihre Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er wußte, wenn er diese Worte noch ein einziges Mal aus ihrem Mund hörte, wäre dies einmal zuviel. Dem vielsagenden Angebot ihrer Lippen, die mit einem feuchten Kuß an seiner Fingerspitze nuckelten, konnte er fast ebensowenig widerstehen wie der unverhohlenen Aufforderung, die in ihren Worten lag. Sein umnebelter Verstand bekam kaum mehr zusammenhängende Gedanken zustande.

Einen aber doch: Geliebte Seelen. Gebt mir Kraft. Mein Herz gehört Kahlan.

»Morgen«, brachte er hervor.

»Das habt Ihr gestern schon gesagt, und ich habe Stunden gebraucht, um Euch zu finden«, hauchte sie und gab ihm einen Kuß aufs Ohr.

Richard hatte sich mit dem Mriswithcape unsichtbar gemacht. Es war ein klein wenig einfacher, ihr zu widerstehen, wenn sie sich nicht unmittelbar an ihn wenden konnte, doch damit wurde das Unausweichliche nur aufgeschoben. Sobald er bemerkte, wie verzweifelt sie ihn suchte, wurden die Qualen für ihn unerträglich, und am Ende mußte er zu ihr.

Als sie ihm die Hand an den Hals legen wollte, ergriff er sie und küßte sie rasch. »Schlaft gut, Cathryn. Ich sehe Euch morgen früh.«

Richard sah zu Egan hinüber, der drei Meter weiter mit dem Rücken zur Wand und mit verschränkten Armen dastand und geradeaus starrte, als hätte er nichts gesehen. Hinter ihm, im Schatten des schlecht beleuchteten Ganges, stand Berdine ebenfalls Wache. Sie versuchte erst gar nicht, den Eindruck zu erwecken, als sähe sie ihn nicht vor der Tür stehen, während Cathryn sich an ihn schmiegte. Seine anderen Bewacher, Ulic, Cara und Raina, hatten sich ein wenig hingelegt.

Richard brachte eine Hand hinter seinen Rücken und drehte den Türknauf. Sein Gewicht drückte gegen die Tür und ließ sie aufspringen, dabei trat er zur Seite, und Cathryn stolperte in ihr Zimmer. Gerade noch konnte sie sich an seiner Hand festhalten. Sie sah ihm in die Augen und küßte ihm die Hand. Fast hätten die Knie unter ihm nachgegeben.

Richard wußte, er würde ihr nicht länger widerstehen können, wenn er ihr nicht aus den Augen ging, und zog die Hand zurück. In Gedanken legte er sich Ausflüchte zurecht, warum es in Ordnung wäre, nachzugeben. Was konnte es schaden? Was war daran so schlimm? Wieso glaubte er, es wäre so falsch?

Es fühlte sich an, als hätte jemand eine dicke Decke über seine Gedanken gelegt und sie damit erstickt, bevor sie an die Oberfläche kamen.

Stimmen in seinem Kopf versuchten, vernünftige Gründe dafür vorzubringen, seinen törichten Widerstand aufzugeben und sich einfach den Reizen dieses wundervollen Geschöpfs hinzugeben, das ihm mehr als überdeutlich zu verstehen gab, daß es ihn wollte, das ihn geradezu anflehte. Er verzehrte sich so sehr nach ihr, daß ihm ein Kloß im Hals saß. Er war den Tränen nahe, aus Verzweiflung, weil er immer noch versuchte, Gründe zu finden, sich zurückzuhalten.

Sein ganzes Denken trat auf der Stelle. Ein Teil von ihm, der größere, bemühte sich verzweifelt darum, den Widerstand aufzugeben. Ein kleiner, schwacher Teil jedoch kämpfte wie besessen um Zurückhaltung, versuchte ihn zu warnen, daß irgend etwas nicht stimmte. Es ergab keinen Sinn. Was sollte denn nicht stimmen? Was war daran falsch? Was war es, das versuchte, ihn zu stoppen?

Geliebte Seelen, helft mir.

Ein Bild von Kahlan erschien vor seinem inneren Auge. Er sah, wie sie lächelte, ein Lächeln, das sie keinem anderen schenkte als ihm. Er sah, wie ihre Lippen sich bewegten. Sie sagte, daß sie ihn liebte.

»Ich muß unbedingt mit Euch alleine sein, Richard«, sagte Cathryn. »Ich halte es nicht länger aus.«

»Gute Nacht, Cathryn. Schlaft gut. Ich sehe Euch morgen früh.« Er zog die Tür zu.

Vor Erschöpfung keuchend trat er in sein Zimmer und schloß hinter sich die Tür. Sein Hemd war schweißdurchtränkt. Kraftlos hob er den Arm und schob den Türriegel an seinen Platz. Er zerbrach, als er ihn kraftvoll vorschob. Richard starrte auf die baumelnde, an einer Schraube hängende Halterung. Im schwachen Schein des Kaminfeuers konnte er die anderen Schrauben auf den kunstvollen Teppichen nicht sehen.

Ihm war so heiß, daß er kaum atmen konnte. Richard zog den Waffengurt über seinen Kopf und ließ das Schwert auf dem Weg zum Fenster zu Boden fallen. Mit der letzten Kraft eines Ertrinkenden drehte er den Fenstergriff und drückte japsend das Fenster auf, als könnte er nicht mehr atmen. Kalte Luft füllte seine Lungen, verschaffte ihm aber kaum Linderung.

Sein Zimmer lag im Erdgeschoß, und einen kurzen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, über das Fensterbrett zu steigen und sich im Schnee zu wälzen. Er verwarf die Idee und begnügte sich damit, die kalte Luft über sich hinwegstreichen zu lassen, während er hinaus in die Nacht starrte, in den vom Mond beschienenen, abgeschiedenen Garten.

Irgend etwas stimmte nicht, aber er konnte sich nicht überwinden, es zu begreifen. Er wollte bei Cathryn sein, doch etwas in seinem Inneren kämpfte dagegen an. Warum? Er verstand nicht, wieso er den Wunsch verspürte, gegen das Verlangen nach ihr anzukämpfen.

Er mußte wieder an Kahlan denken. Deshalb also.

Aber wenn er Kahlan liebte, wieso empfand er dann ein so intensives Verlangen nach Cathryn? Er konnte fast an nichts anderes mehr denken. Er hatte Mühe, die Erinnerung an Kahlan in seinem Gedächtnis zu bewahren.

Richard schleppte sich zum Bett. Instinktiv wußte er, daß er am Ende war, daß er seinem leidenschaftlichen Verlangen nach Cathryn nicht länger widerstehen würde. Wie benommen hockte er auf der Bettkante, während sich ihm der Kopf drehte.

Die Tür ging auf. Richard sah auf. Sie trug ein so hauchdünnes Etwas, daß sich im schwachen Licht des Korridors ihr Körper darunter abzeichnete. Sie kam durch das Zimmer auf ihn zu.

»Richard, bitte«, flehte sie mit jener sanften Stimme, die ihn lähmte, »schickt mich diesmal nicht fort. Bitte. Ich sterbe, wenn ich nicht bei Euch sein kann.«

Sterben? Geliebte Seelen, er wollte doch nicht, daß sie starb. Schon bei dem Gedanken wäre Richard fast in Tränen ausgebrochen.

Sie schwebte näher, in den Schein des Feuers. Das sanft plissierte Nachthemd reichte bis zum Boden, verhüllte jedoch kaum, was sich darunter befand, sondern formte ihren Körper zu einer Vision von Schönheit, die alles übertraf, was er sich je hätte vorstellen können. Der Anblick entflammte ihn. Er konnte an nichts anderes denken als an das, was er sah und wie sehr es ihn nach ihr verlangte. Wenn er sie nicht bekam, würde er an unerfüllter Sehnsucht sterben.

Sie stand über ihm, eine Hand hinter dem Rücken, und streichelte ihm lächelnd mit der anderen über das Gesicht. Er spürte die Wärme ihrer Haut. Sie beugte sich vor und streifte seine Lippen mit ihren. Er glaubte, vor Wonne zu sterben. Ihre Hand wanderte zu seiner Brust.

»Legt Euch hin, mein Geliebter«, hauchte Cathryn und stieß ihn sanft zurück.

Er ließ sich rücklings aufs Bett fallen und starrte sie an, benommen von der Qual seines Verlangens.

Richard dachte an Kahlan. Er war machtlos. Richard erinnerte sich schwach an einige der Dinge, die Nathan ihm über die Anwendung seiner Gabe erklärt hatte: Sie befand sich in seinem Innern, und Wut konnte sie hervorbringen. Aber er verspürte keinen Zorn. Instinktiv, so benutzte ein Kriegszauberer seine Gabe, hatte Nathan ihm erklärt. Er erinnerte sich, wie er sich diesem Instinkt hingegeben hatte, als er durch Lilianas Hände hatte sterben sollen, einer Schwester der Finsternis. Er hatte seine innere Kraft akzeptiert. Er hatte zugelassen, daß sein instinktiver Einsatz des Verlangens die Kraft zum Leben erweckte.

Cathryn stützte ein Knie auf das Bett. »Endlich, mein Geliebter.«

Mit hingebungsvoller Hilflosigkeit überließ Richard sich seinem ruhigen Zentrum, dem Instinkt hinter dem Schleier in seinem Kopf. Er ließ sich in die dunkle Leere fallen. Er gab alle Kontrolle über sein Tun auf, überließ sich dem, was kommen würde. Er war in jedem Fall verloren.

Plötzlich entflammte Klarheit und verbrannte den Nebel in kochenden Wellen.

Er hob den Kopf und sah eine Frau, für die er nichts empfand. Kalt und klar begriff Richard. Er war bereits von Magie berührt worden, er wußte, wie sie sich anfühlte. Der Schleier war zerrissen. Diese Frau war von Magie umgeben. Nachdem der Nebel abgezogen war, konnte er ihre Finger in seinem Verstand spüren. Aber warum?

Dann sah er das Messer.

Die Klinge blinkte im Schein des Feuers, als sie sie über den Kopf hob. In einem wilden Kraftausbruch warf er sich zu Boden, als Cathryn das Messer im Bettzeug versenkte. Sie zog es wieder heraus und stürzte sich auf ihn.

Jetzt war es für sie zu spät. Er zog die Beine an, um sie zurückzustoßen, doch inmitten des Chaos aus Empfinden und Erkenntnis spürte Richard die Gegenwart eines Mriswiths, und fast zur gleichen Zeit sah er, wie dieser Gestalt annahm und aus der Luft über ihm herabstürzte.

Und dann färbte die Welt sich rot. Er spürte, wie warmes Blut auf sein Gesicht klatschte, und sah, wie das hauchzarte Nachthemd aufgeschlitzt wurde. Mehrere Fetzen durchscheinenden Stoffes flatterten wie in einem Windstoß. Die drei Klingen rissen Cathryn nahezu entzwei. Der Mriswith landete krachend auf dem Boden hinter ihr.

Richard wand sich unter ihr hervor und sprang auf die Beine, während sie zurücktaumelte und schockiert sah, wie ihre blutverschmierten Eingeweide klatschend auf den Teppich schwappten. Ihr entsetztes Japsen ging in würgendes Keuchen über und erstarb.

Richard ging in die Hocke, Füße und Hände ausgebreitet, und wandte sich dem Mriswith auf der anderen Seite von ihr zu. Der Mriswith hatte in jeder Kralle ein dreiklingiges Messer. Zwischen ihnen wand sich Cathryn in Todesqualen.

Der Mriswith machte einen Schritt zurück in Richtung Fenster. Seine Knopfaugen blieben auf Richard geheftet. Er machte noch einen Schritt und zog dabei sein schwarzes Cape über seinen schuppigen Arm, während sein Blick durch das Zimmer wanderte.

Richard hechtete zu seinem Schwert. Er blieb rutschend liegen, als der Mriswith einen krallenbewehrten Fuß auf die Scheide setzte und es auf den Boden drückte.

»Nein«, zischelte er. »Ssssie wollte dich töten.«

»Genau wie du!«

»Nein. Ich beschützzzze dich, Hautbruder.«

Richard starrte die dunkle Gestalt sprachlos an. Der Mriswith schlang das Cape um seinen Körper, warf sich durch das Fenster hinaus in die Nacht, sprang und war verschwunden. Richard war mit einem Satz am Fenster, um ihn zu fassen zu bekommen. Seine Hände griffen ins Leere, als er, halb hinaus in der Nacht hängend, auf der Fensterbank landete. Der Mriswith war fort. Er spürte seine Gegenwart nicht mehr.

Die Leere, die das Verschwinden des Mriswith hinterließ, füllten Richards Gedanken mit dem Bild von Cathryn, die sich in der Masse ihrer Eingeweide wälzte. Er erbrach sich aus dem Fenster.

Als sein Würgen zu Ende war, als er wieder Luft bekam und sein Kopf aufgehört hatte, sich zu drehen, taumelte er zu der Stelle zurück, wo sie lag, und kniete neben ihr nieder. Er dankte den Seelen, daß sie tot war und nicht länger litt. Auch wenn sie versucht hatte, ihn umzubringen, er ertrug es nicht länger, sie in den Klauen des Todes leiden zu sehen.

Er starrte ihr Gesicht an. Er konnte sich die Gefühle, die er für sie empfunden hatte und an die er sich nur schwach erinnerte, nicht mehr vorstellen. Sie war nur eine gewöhnliche Frau. Aber sie war in Magie gehüllt gewesen. In einen Bann, der seine Vernunft überwältigt hatte. Er war keinen Augenblick zu früh wieder zur Besinnung gekommen. Seine Gabe hatte den Bann gebrochen.

Die obere Hälfte ihres zerfetzten Nachthemdes hatte sich um ihren Hals gewickelt. Eine kalte Ahnung, die ihm eine Gänsehaut machte, ließ ihn sein Augenmerk auf ihre Brüste richten. Richard kniff die Augen zusammen. Er beugte sich näher. Er streckte die Hand aus und berührte ihre rechte Brustwarze. Dann die linke. Sie waren nicht gleich.

Er trug eine Lampe zum Feuer und entzündete sie mit einem Fidibus. Damit kehrte er zur Leiche zurück und hielt sie ganz dicht an ihre linke Brust. Richard befeuchtete seinen Daumen und rieb über die glatte Brustwarze. Sie löste sich. Mit ihrem Nachthemd wischte er ihr die Schminke von der Brust, und zurück blieb eine Erhebung glatter Haut. Cathryn hatte keine linke Brustwarze.

Aus dem ruhigen Zentrum in seinem Innern stieg eine erste Ahnung auf. Dies stand in Verbindung mit dem Bann, den sie über ihn geworfen hatte. Er wußte nicht wie, aber so war es.

Plötzlich setzte Richard sich auf seine Fersen. Einen Augenblick lang blieb er mit großen Augen so sitzen, dann sprang er auf und rannte zur Tür. Er blieb stehen. Wie kam er auf diesen Gedanken? Er mußte sich täuschen.

Und wenn nicht?

Er öffnete die Tür gerade weit genug, um hinausschlüpfen zu können, dann schloß er sie wieder hinter sich. Egan sah kurz in seine Richtung, die Arme immer noch verschränkt. Richard blickte den Gang entlang zu Berdine in ihrem roten Leder, die an der Wand lehnte. Sie beobachtete ihn.

Richard winkte sie zu sich. Sie richtete sich auf und kam dann den Gang entlang geschlendert.

Als sie vor ihm stehenblieb, warf sie einen kurzen Blick auf die Tür. Sie sah ihm stirnrunzelnd in die Augen.

»Die Herzogin wünscht Eure Gesellschaft. Geht wieder zu ihr hinein.«

»Geht und holt Cara und Raina, und dann kommt ihr drei wieder hierher zurück.« Seine Stimme wurde ebenso hitzig wie sein Blick. »Sofort.«

»Ist etwas —«

»Sofort!«

Sie sah erneut zur Tür, dann schritt sie ohne ein weiteres Wort davon. Als sie um die Ecke am Ende des Ganges verschwunden war, drehte Richard sich zu Egan um, der ihn beobachtete.

»Warum hast du sie in mein Zimmer gelassen?«

Egan legte verwirrt die Stirn in Falten. Er deutete auf die Tür. »Also … so wie sie … angezogen war. Sie sagte, Ihr wolltet sie heute nacht und Ihr hättet ihr aufgetragen, sie solle das anziehen und zu Euch kommen.« Egan räusperte sich. »Es war unverkennbar, warum Ihr sie wolltet. Ich dachte, Ihr würdet zornig werden, wenn ich sie daran hindere, zu Euch zu gehen, obwohl Ihr befohlen hattet, sie solle Euch heute nacht aufsuchen.«

Richard drehte den Türgriff und stieß die Tür auf. Er forderte ihn auf einzutreten. Egan zögerte einen Augenblick, dann ging er hinein.

Er erstarrte, als er über ihren Überresten stand. »Das tut mir leid, Lord Rahl. Ich habe keinen Mriswith gesehen. Wenn, dann hätte ich ihn aufgehalten oder wenigstens versucht, Euch zu warnen — das schwöre ich.« Er stöhnte. »Bei den Seelen, was für ein Tod. Lord Rahl — ich habe Euch enttäuscht.«

»Sieh in ihre Hand, Egan.«

Sein Blick wanderte an ihrem Arm entlang und entdeckte das Messer, das sie noch immer fest mit ihrer Faust umklammert hielt. »Was zum …?«

»Ich habe sie nicht gebeten, zu mir zu kommen. Sie wollte mich umbringen.«

Egan wandte die Augen ab. Er war sich darüber im klaren, was das zu bedeuten hatte. Jeder frühere Lord Rahl hätte einen Posten für diesen Fehler hingerichtet.

»Mich hat sie auch getäuscht, Egan. Es ist nicht deine Schuld. Aber lasse niemals mehr eine Frau außer meiner zukünftigen Gemahlin in mein Zimmer. Verstanden? Wenn eine Frau in mein Zimmer will, holst du dir von mir die Erlaubnis, sie hereinzulassen, was auch passiert.«

Er schlug sich die Faust auf sein Herz. »Ja, Lord Rahl.«

»Wickle sie bitte in einen Teppich, Egan, und schaffe sie raus. Geh wieder auf deinen Posten im Gang, und wenn die drei Mord-Sith zurückkommen, schicke sie herein.«

Egan machte sich an die Arbeit, ohne die Anweisungen in Frage zu stellen. Bei seiner Kraft und Größe war dies keine große Aufgabe.

Nachdem er den gebrochenen Türriegel untersucht hatte, zog Richard einen Stuhl vom Tisch heran, drehte ihn neben dem Kamin um und setzte sich mit dem Gesicht zur Tür. Er hoffte, daß er sich irrte. Und wenn nicht, was sollte er dann tun? Er saß in der Stille, lauschte dem Knistern des Feuers und wartete auf die drei Frauen.


»Kommt herein«, rief er, als es klopfte. Cara trat ins Zimmer, gefolgt von Raina. Beide trugen ihr braunes Leder. Berdine bildete den Schluß. Die beiden ersten sahen sich zwanglos um, als sie durch das Zimmer gingen. Berdines Blick wanderte zielstrebiger durch das Zimmer. Alle drei blieben vor ihm stehen.

»Ja, Lord Rahl?« fragte Cara ohne jede Regung. »Habt Ihr einen Wunsch?«

Richard verschränkte die Arme. »Zeigt mir Eure Brüste. Alle drei.«

Cara öffnete den Mund und wollte etwas sagen. Doch dann schloß sie ihn, biß entschlossen die Zähne zusammen und begann die seitlichen Knöpfe zu öffnen. Raina warf Cara einen Blick zu und sah, daß sie tat, wie ihr befohlen war. Anfangs widerstrebend, machte sie sich ebenfalls daran, die Knöpfe aufzumachen. Berdine beobachtete die beiden anderen. Langsam begann sie, die Knöpfe ihres roten Lederanzugs aufzumachen.

Als sie fertig war, packte Cara den oberen Rand des Leders an der Seite, öffnete es aber nicht. Glühender Unmut stand ihr ins Gesicht geschrieben. Richard legte das blanke Schwert in seinem Schoß zurecht und schlug die Beine übereinander.

»Ich warte«, meinte er.

Cara atmete ein letztes Mal resignierend durch und zog die Vorderseite ihres Anzugs auseinander. Im flackernden Schein des eben erst geschürten Feuers betrachtete Richard jede einzelne Brustwarze und den schwankenden Schatten, den die Erhebung in ihrer Mitte warf. Beide hatten das rechte Profil und bestanden nicht nur aus Schminke, die man dort aufgetragen hatte, um sie vorzutäuschen.

Sein Blick ging mit stummem Befehl hinüber zu Raina. Er sagte nichts und wartete. Er sah, daß es ihr schwerfiel, stillzubleiben, und daß sie gleichzeitig Mühe hatte, zu entscheiden, was sie tun sollte. Sie preßte die Lippen empört aufeinander, aber schließlich hob sie die Hand und riß das Leder fort. Richard unterzog ihre Brüste der gleichen sorgfältigen Untersuchung. Auch ihre beiden Brustwarzen waren echt.

Sein Blick wanderte weiter zu Berdine. Sie war es, die ihn bedroht hatte. Sie war es, die ihren Strafer gegen ihn erhoben hatte.

Nicht Erniedrigung, Zorn war es, der ihr Gesicht so rot wie ihre Kleidung färbte. »Ihr habt gesagt, wir brauchen das nicht zu tun! Ihr habt es uns versprochen! Ihr habt gesagt, Ihr würdet nie —«

»Zeigt sie mir.«

Cara und Raina traten verlegen von einem Fuß auf den anderen. Die Sache gefiel ihnen ganz und gar nicht. Es war, als erwarteten sie, daß er sich eine von ihnen für die Nacht aussuchte, gleichzeitig jedoch war keine von ihnen bereit, sich den Wünschen des Lord Rahl zu widersetzen. Berdine rührte sich noch immer nicht.

Sein Blick wurde härter. »Das ist ein Befehl. Ihr habt geschworen, mir zu gehorchen. Tut, was ich sage.«

Tränen der Wut rannen ihr aus den Augen. Sie hob die Hand und riß das Leder zur Seite.

Sie hatte nur eine Brustwarze. Ihre linke Brust war glatt und durchgehend. Ihr Brustkorb hob und senkte sich vor Wut.

Die anderen beiden starrten erstaunt ihre glatte linke Brust an. Nach dem Ausdruck auf ihren Gesichtern zu urteilen, wußte Richard, daß sie ihre Brüste bereits gesehen hatten. Als ihre Strafer plötzlich herumwirbelten und in ihren Händen landeten, wußte er, daß sie dies nicht erwartet hatten.

Richard erhob sich und wandte sich an Cara und Raina. »Verzeiht mir, daß ich Euch das angetan habe.« Er gab ihnen zu verstehen, daß sie sich bedecken sollten. Berdine zitterte vor Wut und rührte sich nicht, während die beiden anderen begannen, ihren Lederanzug an der Seite zuzuknöpfen.

»Was geht hier vor?« fragte Cara und ließ den gefährlichen Blick die ganze Zeit über, derweil sie sich an den engen Knöpfen zu schaffen machte, nicht von Berdine.

»Das erkläre ich Euch später. Ihr zwei könnt jetzt gehen.«

»Wir werden nirgendwohin gehen«, erwiderte Raina ernst, während auch sie die Augen nicht von Berdine nahm.

»Doch, Ihr werdet.« Richard zeigte auf die Tür. Er drohte Berdine mit dem Finger. »Ihr bleibt hier.«

Cara trat beschützend näher an ihn heran. »Wir werden nicht —«

»Keine Widerworte. Dazu bin ich nicht in Stimmung. Raus!«

Cara und Raina zuckten überrascht zurück. Mit einem letzten wütenden Seufzer gab Cara Raina ein Zeichen. Die beiden verließen das Zimmer und schlossen die Tür hinter sich.

Berdines Strafer wirbelte herum und landete in ihrer Faust. »Was habt Ihr mit ihr gemacht?«

»Wer hat Euch das angetan, Berdine?« fragte er sie freundlich.

Sie kam näher. »Was habt Ihr mit ihr gemacht?«

Richard, jetzt wieder bei klarem Verstand, spürte den Bann, der sie umgab, als sie sich ganz nah vor ihn stellte. Er spürte das deutliche Kribbeln von Magie, dieses unangenehme Kribbeln in seiner Magengegend. Wohlwollende Magie war das nicht.

In ihren Augen sah er mehr als Magie, er sah das wilde, entfesselte Temperament einer Mord-Sith.

»Sie starb beim Versuch, mich umzubringen.«

»Ich weiß, ich hätte es selbst machen sollen.« Sie schüttelte angewidert den Kopf. »Kniet nieder«, befahl sie zwischen zusammengepreßten Zähnen hindurch.

»Berdine, ich bin kein —«

Sie schlug mit ihrem Strafer zu, traf ihn an der Schulter und stieß ihn zurück. »Wagt es nicht, mich mit meinem Namen anzusprechen!«

Sie war schneller, als er erwartet hatte. Er stöhnte vor Schmerzen und faßte sich an die Schulter. Sämtliche Erinnerungen an den Strafer und das, was man ihm damit angetan hatte, schossen ihm erstaunlich frisch durch den Kopf.

Plötzlich quälten ihn Zweifel. Er wußte nicht, ob er es schaffen würde. Aber die einzige Alternative wäre, sie zu töten, und er hatte geschworen, das nicht zu tun. Der bis auf die Knochen brennende, quälende Schmerz in seiner Schulter brachte seine Entschlossenheit ins Wanken.

Berdine kam immer näher. »Hebt Euer Schwert auf.«

Er nahm seinen Willen zusammen und rappelte sich auf. Berdine legte ihm den Strafer auf die Schulter und zwang ihn auf die Knie.

Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Denna hatte ihm beigebracht, wie man das aushielt. Er hob das Schwert auf und kam wackelig wieder auf die Beine.

»Versucht, es gegen mich zu erheben«, befahl sie.

Richard sah ihr in die kalten, blauen Augen, kämpfte gegen den panikartigen Sog in seiner Seele. »Nein.« Er warf das Schwert aufs Bett. »Ich bin Lord Rahl. Ihr seid mir über die Bande verpflichtet.«

Mit einem zornerfüllten Aufschrei rammte sie ihm den Strafer in den Unterleib. Das Zimmer drehte sich, während ihm dämmerte, daß er auf dem Rücken lag. Völlig außer Atem kämpfte er sich wieder auf die Beine, als sie ihm den Befehl dazu erteilte.

»Benutzt Euer Messer! Kämpft gegen mich!«

Mit zitternden Fingern zog Richard das Messer aus der Scheide an seinem Gürtel und hielt es ihr mit dem Griff nach vorne hin. »Nein. Tötet mich, wenn es das ist, was Ihr wirklich wollt!«

Sie riß ihm das Messer aus der Hand. »Ihr macht es mir leicht. Ich hatte eigentlich vor, Euch leiden zu lassen, aber Euer Tod genügt mir schon.«

Richard, dessen Eingeweide von einem quälenden, nicht endenwollenden, brennenden Schmerz erfüllt waren, nahm all seine Kraft zusammen und reckte seine Brust vor. Er zeigte auf sein Herz. »Hier sitzt mein Herz, Berdine. Das Herz des Lord Rahl. Jenes Lord Rahl, dem Ihr über die Bande verpflichtet seid.« Er tippte sich noch einmal auf die Brust. »Erdolcht mich hier, wenn Ihr mich töten wollt.«

Sie sah ihn schauerlich lächelnd an. »Schön. Ihr sollt Euren Wunsch bekommen.«

»Nein, nicht meinen Wunsch — Euren. Ich will nicht, daß Ihr mich tötet.«

Sie zögerte. Ihre Braue zuckte. »Schützt Euch.«

»Nein, Berdine. Wenn Ihr das wirklich wollt, dann liegt die Entscheidung ganz allein bei Euch.«

»Wehrt Euch!« Sie zog ihm den Strafer quer durchs Gesicht.

Es war, als würde sein Kiefer zertrümmert, als würden ihm sämtliche Zähne ausgeschlagen. Der stechende Schmerz zog bis ins Ohr und ließ ihn fast erblinden. Keuchend, in kalten Schweiß gebadet, richtete er sich wieder auf.

»Berdine, Ihr habt zwei Arten von Magie in Eurem Körper. Die eine ist jene, die Euch an mich bindet, die andere hat man Euch eingegeben, als man Euch Eure Brustwarze stahl. Ihr könnt nicht länger beide in Euch tragen. Eine muß gebrochen werden. Ich bin Euer Lord Rahl. Ihr seid mir verpflichtet. Der einzige Weg, mich zu töten, besteht darin, diese Bande zu zerstören. Mein Leben liegt in Eurer Hand.«

Sie schlug nach ihm. Er spürte, wie sein Hinterkopf auf den Boden knallte. Berdine war über ihm und kreischte vor Wut.

»Wehrt Euch gegen mich, Bastard!« Sie schlug mit der Faust auf seine Brust ein, während sie mit der anderen Hand das Messer in die Höhe hielt. Tränen strömten aus ihren Augen. »Wehrt Euch! Wehrt Euch! Wehrt Euch!«

»Nein. Wenn Ihr mich töten wollt, müßt Ihr das alleine tun.«

Richard schlang die Arme um sie und zog sie an seine Brust. Er stemmte seine Fersen in den Teppich, drückte sich nach hinten und nahm sie mit, als er sich rückwärts am Bett hochschob.

»Berdine, so wie Ihr mir verpflichtet seid, beschütze ich Euch auch. Ich werde nicht zulassen, daß Ihr auf diese Weise sterbt. Ich will, daß Ihr lebt. Ich will Euch als meine Beschützerin.«

»Nein!« kreischte sie. »Ich muß Euch töten! Ihr müßt Euch gegen mich zur Wehr setzen, damit ich es tun kann! Ich kann es nicht, wenn Ihr nicht versucht, mich umzubringen! Ihr müßt es tun!«

Heulend vor Wut und Verzweiflung drückte sie ihm das Messer an die Kehle. Richard hinderte sie nicht daran.

Er strich ihr mit der Hand über das wellige, braune Haar. »Berdine, ich habe geschworen, für den Schutz all derer zu kämpfen, die in Freiheit leben wollen. Das ist meine Verpflichtung Euch gegenüber. Ich werde nichts tun, was Euch schadet. Ich weiß, daß Ihr mich nicht töten wollt. Ihr habt bei Eurem Leben geschworen, mich zu beschützen.«

»Ich bringe Euch um! Ich werde es tun! Ich bringe Euch um!«

»Ich glaube an Euch, Berdine, an den Eid, den Ihr auf mich geschworen habt. Ich vertraue mein Leben Eurem Wort und den Banden an.«

Sie rang gequält schluchzend nach Atem und sah ihm in die Augen. Sie schüttelte sich und weinte hemmungslos. Richard unternahm nichts gegen die scharfe Klinge an seiner Kehle.

»Dann müßt Ihr mich töten«, weinte sie. »Bitte … ich kann es nicht länger ertragen. Bitte … tötet mich.«

»Ich werde niemals etwas tun, was Euch ein Leid zufügt, Berdine. Ich habe Euch die Freiheit geschenkt. Ihr seid Euch nur selbst gegenüber verantwortlich.«

Berdine stieß einen langen, elendigen Klagelaut aus, dann schleuderte sie das Messer zu Boden. Sie brach zusammen und schlang ihm die Arme um den Hals.

»Oh, Lord Rahl«, schluchzte sie, »vergebt mir. Vergebt mir. Oh, geliebte Seelen, was habe ich getan.«

»Ihr habt die Bande unter Beweis gestellt«, erwiderte er leise und hielt sie fest.

»Sie haben mir weh getan«, schluchzte sie. »Sie haben mir so sehr weh getan. Niemals zuvor hat etwas so weh getan. Es tut jetzt noch weh, dagegen anzugehen.«

Er drückte sie fest an sich. »Ich weiß, aber Ihr müßt dagegen ankämpfen.«

Sie legte ihm eine Hand auf die Brust und stieß sich von ihm ab. »Ich kann es nicht.« Richard glaubte nicht, daß er jemals einen Menschen in solchem Elend gesehen hatte. »Bitte, Lord Rahl — tötet mich. Ich kann die Schmerzen nicht ertragen. Ich flehe Euch an, bitte tötet mich.«

Richard, voll des quälenden Mitleids für die Leiden, zog sie wieder an seine Brust und umarmte sie, strich ihr über den Kopf, versuchte sie zu trösten. Es nützte nichts, sie weinte nur noch heftiger.

Er lehnte sich an das Bett, während sie sich unter Tränen schüttelte. Ohne darüber nachzudenken, was er tat, oder auch nur das Warum zu begreifen, legte er ihr die Hand über die linke Brust.

Richard suchte das ruhige Zentrum, den Ort bar aller Gedanken, den Quell des Friedens in seinem Innern, und hüllte sich in seine Instinkte. Er spürte, wie der sengende Schmerz seinen Körper durchdrang. Ihr Schmerz. Er spürte, was man ihr angetan hatte und wie die verbliebene Magie ihr jetzt, in diesem Augenblick, Qualen zufügte. Er ließ es über sich ergehen, wie zuvor den Schmerz des Strafers.

Dank seiner Fähigkeit, sich in sie hineinzuversetzen, spürte er die Marter ihres Lebens, die Marter, was es hieß, eine Mord-Sith zu werden, die Angst vor dem Verlust ihres früheren Selbst. Er schloß die Augen und nahm das alles auf sich. Auch wenn er die daran beteiligten Ereignisse nicht kannte, so begriff er doch, welche Spuren und Narben sie auf ihrer Seele hinterlassen hatten. Er festigte seinen Willen, um all das Leid ertragen zu können. Er stand wie ein Fels im Sturzbach der Schmerzen, der seine eigene Seele umflutete.

Dieser Fels war er für sie. Er ließ den liebevollen Respekt, den er für dieses unschuldige Wesen, für diese Leidensgenossin empfand, in sie hineinströmen. Ohne die Gefühle, die er dabei empfand, vollkommen zu verstehen, ließ er sich von seinen Instinkten leiten. Er spürte, wie er ihr Leid aufsog, so daß sie es nicht länger zu erdulden brauchte und er ihr helfen konnte. Und gleichzeitig spürte er eine innere Wärme, die durch seine Hand, die auf ihrem Körper lag, nach außen strömte. Über diese Hand, so schien es, war er mit ihrem Lebenslicht verbunden, mit ihrer Seele.

Berdines Weinen ließ nach, ihr Atem beruhigte sich, ihre Muskeln erschlafften, und sie sank nach hinten an das Bett.

Richard spürte, wie der Schmerz, der von ihr auf ihn übergegangen war, nachließ. Erst jetzt merkte er, daß er unter den unerträglichen Qualen den Atem angehalten hatte, und erschöpft holte er tief Luft.

Auch die Wärme, die aus seinem Inneren hervorströmte, ließ nach und verebbte schließlich ganz. Richard zog seine Hand zurück und strich ihr das wellige Haar aus dem Gesicht. Sie öffnete die Augen, und ihr benommener, blauäugiger Blick traf seinen.

Sie sahen beide nach unten. Sie war wieder unversehrt.

»Ich bin wieder ich selbst«, sagte sie leise. »Ich fühle mich, als wäre ich gerade aus einem Alptraum aufgewacht.«

Richard zog das rote Leder über ihre Brüste und bedeckte sie. »Ich auch.«

»Einen Lord Rahl wie Euch hat es noch nie zuvor gegeben«, meinte sie verwundert.

»Ein wahreres Wort wurde noch nie gesprochen«, sagte eine Stimme hinter ihnen.

Richard drehte sich um und erblickte die tränenverschmierten Gesichter der beiden anderen Frauen, die hinter ihm knieten.

»Geht es dir gut, Berdine?« erkundigte sich Cara.

Berdine, immer noch ein wenig überwältigt, nickte. »Ich bin wieder ich selbst.«

Doch keiner von ihnen war so ergriffen wie Richard.

»Ihr hättet sie umbringen können«, meinte Cara. »Hättet Ihr versucht, Euer Schwert zu gebrauchen, hätte sie Eure Magie bekommen, aber Ihr hättet Euer Messer benutzen können. Für Euch wäre es ein leichtes gewesen. Ihr hättet ihren Strafer nicht zu erdulden brauchen. Ihr hättet sie einfach töten können.«

Richard nickte. »Ich weiß. Aber dieser Schmerz wäre noch schlimmer gewesen.«

Berdine warf ihren Strafer neben ihm auf den Boden. »Ich übergebe Euch dies, Lord Rahl.«

Die beiden anderen streiften die goldenen Kettchen über ihre Hände und ließen ihre Strafer neben den von Berdine zu Boden fallen.

»Ich übergebe Euch meinen ebenfalls, Lord Rahl«, sagte Cara.

»Ich auch, Lord Rahl.«

Richard starrte auf die roten Stäbe, die neben ihm auf dem Fußboden lagen. Er mußte an sein Schwert denken, und wie sehr er die Dinge haßte, die er damit tat, wie er all das Töten haßte, das er damit bereits angerichtet hatte, und das Töten, das noch vor ihm lag. Aber noch konnte er das Schwert nicht aufgeben.

»Ihr könnt gar nicht wissen, wieviel mir das bedeutet«, sagte er, unfähig, ihnen in die Augen zu sehen. »Was zählt, ist Euer Wille. Er beweist Euren Mut und Eure Bande. Verzeiht mir, Ihr alle, aber ich muß Euch bitten, sie im Augenblick zu behalten.« Er gab ihnen ihre Strafer zurück. »Wenn das hier vorbei ist, wenn wir uns von der Bedrohung befreit haben, dann können wir alle die Alpträume ablegen, die uns verfolgen. Im Augenblick aber müssen wir für diejenigen kämpfen, die auf uns zählen. Es sind unsere Waffen, so fürchterlich sie sein mögen, die es uns erlauben, den Kampf fortzusetzen.«

Cara legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Das verstehen wir, Lord Rahl. Es soll sein, wie Ihr sagt. Wenn dies vorüber ist, können wir uns nicht nur von den äußeren Feinden befreien, sondern auch von den inneren.«

Richard nickte. »Bis dahin müssen wir stark sein. Wir müssen sein wie der Hauch des Todes.«

In der Stille fragte sich Richard, was Mriswiths in Aydindril verloren hatten. Er mußte an den einen denken, der Cathryn getötet hatte. Er beschütze ihn, hatte er behauptet. Ihn beschützen? Ausgeschlossen.

Wenn er jedoch darüber nachdachte, konnte er sich nicht erinnern, daß ein Mriswith ihn je persönlich angegriffen hatte. Er mußte an den ersten Angriff denken, draußen vor dem Palast der Konfessoren. Gratch hatten sie attackiert, und Richard war seinem Freund zu Hilfe gekommen. Ihr Ziel war es gewesen, ›Grünauge‹, wie sie den Gar nannten, zu töten. Ihn hatten sie eigentlich nie angegriffen.

Der, der heute abend gekommen war, hatte die beste Gelegenheit von allen gehabt — Richard war ohne sein Schwert gewesen —, trotzdem hatte er ihn nicht angegriffen, sondern war statt dessen kampflos geflohen. Er hatte ihn als ›Hautbruder‹ bezeichnet. Allein bei der Vorstellung, was das bedeuten konnte, bekam er eine Gänsehaut.

Richard kratzte sich gedankenverloren den Hals.

Cara rieb mit einem Finger über die Stelle hinten in seinem Nacken, wo er sich gerade gekratzt hatte. »Was ist das?«

»Ich weiß nicht. Eine Stelle, die schon seit langem juckt.«

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