20

Es war eine Erleichterung, endlich alleine zu sein. Er war es leid, daß Menschen bereitstanden, um auf sein Kommando hin zu springen. Zwar hatte er versucht, den Soldaten ein wenig von ihrer Befangenheit zu nehmen, trotzdem waren sie stets angespannt, wenn er sie begleitete, und schienen zu befürchten, er würde sie mit seiner Magie niedermachen, falls es ihnen nicht gelang, Brogans Fährte zu finden. Sogar nachdem er erklärt hatte, er habe Verständnis dafür, daß sie es nicht geschafft hatten, ließ ihre Befangenheit nicht nach. Erst gegen Ende waren sie ein wenig unbekümmerter geworden, doch noch immer behielten sie ihn ständig im Auge, für den Fall, daß er leise einen Befehl erteilte, den sie vielleicht überhören könnten. Von Menschen umgeben zu sein, die ihm soviel Ehrfurcht entgegenbrachten, zehrte an Richards Nerven.

Immer wieder gingen ihm dieselben kummervollen Gedanken durch den Kopf, während er seinen Eintopf in sich hineinlöffelte. Er hätte kaum besser schmecken können, auch wenn er nicht halb verhungert gewesen wäre. Er war nicht frisch zubereitet, sondern hatte eine gute Weile auf dem Herd geköchelt, was ihm jenen reichen Geschmack verliehen hatte, den keine andere Zutat als die Zeit hervorbringen konnte.

Als er von seinem Becher Tee aufsah, stand Berdine in der Tür. Seine Muskeln spannten sich. Sie fing an zu sprechen, bevor er ihr sagen konnte, sie solle wieder gehen.

»Herzogin Lumholtz aus Kelton ist hier und wünscht Lord Rahl zu sprechen.«

Richard saugte sich einen Brocken Eintopf aus den Zähnen und heftete den Blick auf Berdine. »Ich bin nicht daran interessiert, Bittsteller zu empfangen.«

Der Tisch allein verhinderte, daß Berdine noch näher kam. Sie warf ihren braunen Zopf nach hinten. »Ihr werdet sie empfangen.«

Richard strich mit den Fingerspitzen über die vertrauten Kerben und Kratzer auf dem Hickorygriff des Messers an seinem Gürtel. »Die Bedingungen der Kapitulation stehen nicht zur Diskussion.«

Berdine stützte sich mit den Knöcheln auf den Tisch und beugte sich zu ihm vor. Ihr Strafer, am Ende einer feinen Kette an ihrem Handgelenk, kreiste um ihre Hand. Ihre blauen Augen funkelten kalt. »Ihr werdet sie empfangen.«

Richard spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. »Ihr habt meine Antwort gehört. Eine andere werdet Ihr nicht bekommen.«

Sie ließ nicht locker. »Und ich habe mein Wort gegeben, daß Ihr sie empfangt. Ihr werdet mit ihr sprechen.«

»Das einzige, was ich mir von Vertretern Keltons anhören werde, ist ihre bedingungslose Kapitulation.«

»Und die werdet Ihr auch hören.« Die melodische Stimme stammte von einer Silhouette, die sich in der Tür abzeichnete. »Vorausgesetzt, Ihr seid bereit, mich anzuhören. Ich bin nicht gekommen, um Drohungen auszustoßen, Lord Rahl.«

Richard hörte den Unterton von Angst, in ihrer leisen, bescheidenen Art zu sprechen. Es weckte in ihm ein Gefühl von Sympathie.

»Bittet die Dame herein« — sein funkelnder Blick wanderte zurück zu Berdine — »und macht auf dem Weg zum Bett die Tür hinter Euch zu.« Er ließ mit seinem Ton keinen Zweifel daran, daß dies ein Befehl war, und er keine Übertretung dulden würde.

Ohne eine Regung zu zeigen, ging Berdine zur Tür und bat den Gast herein. Richard erhob sich, als die Herzogin in den warmen Schein des Feuers trat. Berdine warf ihm einen leeren Blick zu und schloß dann die Tür, doch er bemerkte es kaum.

»Bitte, Herzogin Lumholtz, tretet ein.«

»Danke, daß Ihr mich empfangt, Lord Rahl.«

Einen Augenblick lang betrachtete er schweigend ihre braunen Augen, ihre geschwungenen roten Lippen und ihren dichten schwarzen Haarschopf, dessen Locken ihr makelloses, strahlendes Gesicht rahmten. Richard wußte, daß in den Midlands die Länge des Haares einer Frau ihren gesellschaftlichen Rang verriet. Die lange, verschwenderische Pracht dieser Frau zeugte von hohem Rang. Längeres Haar hatte er nur bei einer Königin gesehen, und dann noch bei der Mutter Konfessor.

Benommen holte er Luft, und plötzlich besann er sich auf seine Manieren. »Bitte, laßt mich Euch einen Sessel holen.«

Er hatte das Äußere der Herzogin nicht so in Erinnerung, diese reine, für sich einnehmende Eleganz — andererseits war er ihr auch noch nie so nahe gewesen. In seiner Erinnerung war sie protzig, mit überflüssigem Glitter, zuviel Schminke und einem Kleid, das alles andere war als schlicht und vornehm wie das, welches sie jetzt trug. Es war aus einfacher, geschmeidiger rosenfarbener Seide geschneidert, die leicht über die Rundungen ihres Körpers floß, ihren üppigen Körper umschmeichelte und knapp unterhalb des Busens gerafft war.

Richard stöhnte innerlich, als er sich an ihre letzte Begegnung erinnerte. »Herzogin, es tut mir leid, daß ich im Ratssaal so schauderhafte Dinge zu Euch gesagt habe. Könnt Ihr mir je verzeihen? Ich hätte auf Euch hören sollen. Ihr wolltet mich nur vor Lord General Brogan warnen.«

Als er den Namen nannte, glaubte er Angst in ihren Augen aufblitzen zu sehen. Diese war jedoch so rasch wieder verschwunden, daß er nicht sicher war. »Ich bin es, Lord Rahl, die um Vergebung bitten sollte. Es war unverzeihlich von mir, Euch vor den versammelten Vertretern zu unterbrechen.«

Richard schüttelte den Kopf. »Ihr wolltet mich doch nur vor diesem Mann warnen. Und wie sich herausgestellt hat, hattet Ihr recht damit. Ich wünschte, ich hätte auf Euch gehört.«

»Es war falsch von mir, meiner Meinung auf diese Weise Ausdruck zu verleihen.« Auf ihrem Gesicht erschien ein geziertes Lächeln. »Nur ein äußerst galanter Mann würde versuchen, mir etwas anderes einzureden.«

Richard wurde rot, als sie ihn galant nannte. Sein Herz klopfte so heftig, daß er befürchtete, sie könnte die Adern an seinem Hals pochen sehen. Aus irgendeinem Grund malte er sich aus, wie er mit den Lippen die losen Locken daunenweichen Haars, die vor ihrem äußerst reizenden Ohr hingen, zurückstreifte. Es tat fast weh, den Blick von ihrem Gesicht zu lösen.

Eine leise warnende Stimme erklang in seinem Hinterkopf, wurde aber vom reißenden Strom seiner glühenden Leidenschaft übertönt. Mit einer Hand packte er das Gegenstück seines Quastensessels, drehte ihn vor dem Tisch um und bot ihn ihr an.

»Ihr seid äußerst freundlich«, stammelte die Herzogin. »Verzeiht bitte, wenn meine Stimme ein wenig unsicher ist. Die letzten Tage waren anstrengend.« Als sie um den Sessel herumging, hob sie erneut den Blick und sah ihm in die Augen. »Außerdem bin ich einfach ein wenig nervös. Ich habe mich nie in Gegenwart eines so großen Mannes befunden, wie Ihr es seid, Lord Rahl.«

Richard blinzelte, unfähig, den Blick von ihren Augen zu lösen, obwohl er überzeugt war, es versucht zu haben. »Ich bin nur ein Waldführer, der sehr weit fort ist von zu Hause.«

Sie lachte, ein sanfter, seidiger Laut, der den Raum in einen behaglichen, wohligen Ort verwandelte. »Ihr seid der Sucher, Ihr seid der Herrscher D’Haras.« Ihr Gesichtsausdruck wechselte von Amüsiertheit zu Ehrfurcht. »Eines Tages werdet Ihr vielleicht die Welt beherrschen.«

Richard zuckte erschrocken mit den Achseln. »Ich will nichts beherrschen. Es ist nur so, daß…« Er hörte sich bestimmt an wie ein Narr. »Wollt Ihr nicht Platz nehmen Mylady?«

Ihr Lächeln kehrte zurück, strahlend, warm und von solch zarter Anmut, daß er in dessen Glut erstarrte. Süß und warm spürte er ihren Atem auf seinem Gesicht.

Sie sah ihn unentwegt an. »Verzeiht mir meine direkte Art, Lord Rahl, aber Ihr müßt wissen, daß Eure Augen Frauen verrückt vor Sehnsucht machen. Ich möchte wagen zu behaupten, daß Ihr das Herz einer jeden Frau im Ratssaal gebrochen habt. Die Königin von Galea darf sich höchst glücklich schätzen.«

Richard legte die Stirn in Falten. »Wer?«

»Die Königin von Galea. Eure zukünftige Braut. Ich beneide sie.«

Er drehte sich von ihr fort, als sie sich anmutig auf der Kante des Sessels niederließ. Richard holte tief Atem, um das Schwindelgefühl aus seinem Kopf zu vertreiben, ging um den Tisch herum und ließ sich in seinen Sessel sinken.

»Herzogin, Ihr hattet mein Mitgefühl, als ich vom Tod Eures Gatten erfuhr.«

Sie wendete den Blick ab. »Danke, Lord Rahl, aber sorgt Euch nicht um mich. Ich empfinde wenig Trauer für diesen Mann. Mißversteht mich nicht, ich wollte ihm nichts Böses. Aber…«

Richards Blut geriet in Wallung. »Hat er Euch etwas angetan?«

Als sie sich daraufhin mit einem unsicheren Achselzucken abwendete, mußte Richard sich zwingen, dem Drang zu widerstehen, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. »Der Fürst hatte einen scheußlichen Charakter.« Ihre zarten Finger strichen über das Hermelinfell am Saum ihres Umhangs. »Aber so schlimm, wie das klingen muß, war es nicht. Ich brauchte ihn nur selten zu sehen, meistens war er fort, in irgendeinem fremden Bett.«

Richards Mund klappte auf. »Er hat Euch verlassen, um bei anderen Frauen zu sein?« Sie bestätigte ihm dies mit einem zögerlichen Nicken.

»Die Ehe war arrangiert«, erklärte sie. »Er war zwar von edlem Geblüt, trotzdem war es für ihn ein gesellschaftlicher Aufstieg. Seinen Titel erhielt er erst durch die Ehe mit mir.«

»Und was habt Ihr dafür bekommen?«

Die Lockenkringel seitlich neben ihrem Gesicht glitten über ihre Wangenknochen, als sie kurz den Kopf hob. »Mein Vater gewann einen skrupellosen Schwiegersohn dazu, der den Familienbesitz verwaltete, und gleichzeitig entledigte er sich damit einer nutzlosen Tochter.«

Richard erhob sich halb aus seinem Sessel. »So dürft Ihr nicht von Euch sprechen. Hätte ich davon gewußt, ich hätte dafür gesorgt, daß der Herzog eine Lektion erteilt bekommt…« Er sank zurück. »Verzeiht mir die Anmaßung, Herzogin.«

Sie befeuchtete sich die Mundwinkel gemächlich mit der Zunge. »Hätte ich Euch schon gekannt, als er mich schlug, vielleicht hätte ich den Mut gehabt, Euch um Schutz zu bitten.«

Er hatte sie geschlagen? Richard wäre liebend gern dabei gewesen, um es irgendwie zu verhindern.

»Wieso habt Ihr ihn nicht verlassen? Warum habt Ihr Euch das gefallen lassen?«

Ihr Blick suchte das heruntergebrannte Feuer im Kamin. »Ich konnte nicht. Ich bin die Tochter des Bruders der Königin. Scheidung ist in solch hohen Rängen nicht erlaubt.« Plötzlich errötete sie und lächelte unsicher. »Aber hört nur, wie ich über meine albernen Probleme plaudere. Verzeiht mir, Lord Rahl. Andere haben in ihrem Leben sehr viel größere Sorgen als einen untreuen Ehemann, dem schnell die Hand entgleitet. Ich bin keine unglückliche Frau. Ich habe Pflichten meinem Volk gegenüber, die mich ganz in Anspruch nehmen.«

Sie hob den schlanken Finger und zeigte auf den Tisch. »Könnte ich vielleicht einen Schluck Tee bekommen? Meine Kehle ist ganz trocken vor Sorge, Ihr könntet…« Die Röte stieg ihr abermals ins Gesicht. »Ihr könntet mir den Kopf abschlagen, weil ich Euch gegen Euren Befehl aufsuche.«

Richard sprang auf. »Ich werde euch heißen Tee holen.«

»Nein, bitte. Ich möchte euch keine Umstände machen. Und ein kleiner Schluck ist alles, was ich möchte. Wirklich.«

Richard ergriff den Becher und reichte ihn ihr.

Er beobachtete, wie sich ihre Lippen um den Rand legten. Er blickte auf das Tablett, bemüht, seine Gedanken wieder auf das Geschäftliche zu richten. »Weshalb wolltet Ihr mich sprechen. Herzogin?«

Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, setzte sie den Becher ab und drehte den Henkel wieder zu ihm, so wie zuvor. Am Rand war ein roter Hauch von ihren Lippen zurückgeblieben.

»Diese Pflichten, von denen ich eben sprach. Seht Ihr, die Königin lag im Sterben, als Prinz Fyren getötet wurde, und starb kurz darauf selbst. Der Prinz hatte zwar unzählige Bankertsprößlinge, war aber nicht verheiratet und hatte daher keine Nachkommen von Rang.«

Richard hatte noch nie Augen von einem so sanften Braun gesehen. »Ich bin kein Experte in Angelegenheiten der Erbfolge, Herzogin. Ich fürchte, Ihr müßt mir das näher erklären.«

»Nun, was ich zu sagen versuche, ist: die Königin und ihr einziger Nachfolger sind tot, daher ist Kelton ohne Monarch. Und da ich die nächste in der Erbfolge bin — die Tochter des verstorbenen Bruders der Königin — werde ich die nächste Königin von Kelton werden. Es gibt niemanden, an den ich mich wenden müßte, um ihn in der Frage unserer Kapitulation um Rat zu bitten.«

Richard hatte Mühe, sich auf ihre Worte und nicht auf ihre Lippen zu konzentrieren. »Wollt Ihr damit sagen, es steht in Eurer Macht, Keltons Kapitulation zu verfügen?«

Sie nickte. »Ja, Eure Hoheit.«

Er spürte, wie seine Ohren bei dem Titel, dem sie ihm gegeben hatte, rot wurden. Er nahm den Becher und versuchte, so gut es ging, sein Gesicht dahinter zu verstecken. Richard merkte erst, daß er seine Lippen auf die Stelle gelegt hatte, wo zuvor ihre gewesen waren, als er den pikanten Abdruck schmeckte, der auf dem Rand zurückgeblieben war. Er ließ den Becher einen Augenblick, wo er war, und spürte, wie die glatte, honigsüße Wärme über seine Zunge zog. Mit zitternder Hand stellte er den Becher auf das silberne Tablett.

Richard wischte sich die schweißnassen Hände an den Knien ab. »Herzogin, Ihr habt gehört, was ich zu sagen hatte. Wir kämpfen für die Freiheit. Wenn Ihr Euch uns ergebt, werdet Ihr nichts verlieren, sondern etwas gewinnen. Unter unserer Herrschaft wird es zum Beispiel ein Verbrechen sein, wenn ein Mann seiner Frau Gewalt antut. Genauso, als würde er einem Fremden auf der Straße Gewalt antun.«

Ihr Lächeln hatte etwas belustigt Tadelndes. »Lord Rahl, ich bin nicht sicher, ob selbst Ihr genügend Macht besitzt, um ein solches Gesetz zu verkünden. An manchen Orten der Midlands gilt die Tötung einer Frau durch ihren Mann nur als symbolische Strafe, vorausgesetzt, sie hat ihn durch eine Missetat, von denen es eine ganze Liste gibt, provoziert. Die Freiheit würde den Männern nur überall das gleiche Recht einräumen.«

Richard fuhr mit dem Finger über den Rand seines Bechers. »Es ist falsch, einem Unschuldigen Gewalt anzutun, wer es auch sein mag. Freiheit bedeutet nicht, daß Fehlverhalten hingenommen wird. Menschen mancher Länder dürfen nicht Taten erdulden müssen, die in anderen Ländern als Verbrechen gelten. Wenn wir vereint sind, wird es solche Ungerechtigkeiten nicht mehr geben. Alle Menschen werden die gleichen Freiheiten haben, die gleiche Verantwortung tragen und nach einem gerechten Gesetz leben.«

»Aber Ihr könnt doch sicher nicht erwarten, daß solche allgemein anerkannten Gebräuche allein deshalb ein Ende haben, weil Ihr sie für gesetzeswidrig erklärt.«

»Moral kommt stets von oben, wie bei Eltern gegenüber einem Kind. Der erste Schritt ist es also, gerechte Gesetze schriftlich niederzulegen und zu zeigen, daß wir alle nach ihren Grundsätzen leben müssen. Man kann nicht jedes Verbrechen unterbinden, aber wenn man es nicht bestraft, nimmt es Überhand, bis die Anarchie schließlich im Gewand von Toleranz und Verständnis daherkommt.«

Sie strich mit den Fingern durch die zarte Vertiefung an ihrem Halsansatz. »Lord Rahl, was Ihr sagt, erfüllt mich mit Hoffnung für die Zukunft. Ich werde für Euren Erfolg zu den Guten Seelen beten.«

»Ihr schließt Euch uns also an? Ihr werdet Kelton übergeben?«

Flehentlich bittend hob sie ihre sanften, braunen Augen. »Unter einer Bedingung.«

Richard schluckte. »Ich habe geschworen: keine Bedingungen. Jeder wird gleich behandelt, wie ich es Euch erklärt habe. Wie kann ich Gleichheit geloben, wenn ich mich selbst nicht nach meinen Worten und Regeln richte?«

Sie befeuchtete sich erneut die Lippen, während Angst in ihre Augen trat. »Ich verstehe«, sagte sie so leise, daß es in der Stille fast verlorenging. »Vergebt mir die Eigennützigkeit, mit der ich mir einen Vorteil zu verschaffen suche. Ein Ehrenmann wie Ihr wird unmöglich verstehen, daß eine Frau wie ich auf ein solches Niveau herabsinken kann.«

Richard hätte sich am liebsten sein Messer in die Brust gestoßen, weil er zuließ, daß Angst sie quälte.

»Wie lautet Eure Bedingung?«

Sie senkte den Blick in ihren Schoß, auf die gefalteten Hände. »Mein Gatte und ich waren nach Eurer Ansprache fast schon zu Hause, als…« Sie verzog das Gesicht und schluckte. »Wir waren fast schon sicher zu Hause, als wir von diesem Monster überfallen wurden. Ich habe es überhaupt nicht kommen sehen. Ich hatte mich bei meinem Gatten eingehakt. Plötzlich blitzte Stahl auf.« Ein Stöhnen entfuhr ihrer Kehle. Richard mußte sich zwingen, sitzenzubleiben. »Die Eingeweide meines Gatten liefen mir vorne am Körper herunter.« Sie unterdrückte ein Stöhnen. »Das Messer, das ihn tötete, streifte meinen Ärmel und hinterließ dabei drei Schnitte.«

»Herzogin, ich verstehe. Es ist nicht nötig, daß…«

Mit zitternder Hand bat sie ihn flehentlich zu schweigen, damit sie zu Ende sprechen konnte. Sie zog den seidenen Ärmel ihres Kleides hoch, so daß man drei Striemen auf ihrem Unterarm sehen konnte. Richard erkannte den dreifachen Schnitt einer Mriswithklinge. Nie zuvor hatte er sich so sehr gewünscht zu wissen, wie man seine Gabe zum Heilen benutzt. Er hätte alles getan, um die bösartigen roten Wundmale auf ihrem Arm zu entfernen.

Sie zog den Ärmel herunter, schien ihm seine Besorgnis im Gesicht anzusehen. »Es ist nichts. Ein paar Tage, und es ist verheilt.« Sie tippte sich auf die Brust, auf ihren Busen. »Was sie mir hier drinnen angetan haben, das ist es, was nicht verheilen will. Mein Gatte war ein ausgezeichneter Schwertkämpfer, aber seine Chancen gegen diese Kreaturen standen nicht besser, als meine gewesen wären. Das Gefühl seines warmen Blutes auf meinem Körper werde ich nie vergessen. Es ist mir peinlich zuzugeben, daß ich untröstlich geschrien habe, bis ich mir das Kleid vom Leib reißen und das Blut von meiner nackten Haut waschen konnte. Aus Angst, ich könnte aufwachen und noch immer in diesem Kleid stecken, habe ich seitdem ganz ohne Nachtkleid schlafen müssen.«

Richard wünschte, sie hätte andere Worte benutzt, die keine so lebhafte Vorstellung in seinem Kopf erzeugten. Er beobachtete das sanfte Auf und Ab ihres seidenen Kleides und zwang sich, einen Schluck Tee zu trinken, nur um unerwartet mit ihrem Lippenabdruck konfrontiert zu werden. Er wischte sich eine Schweißperle hinter dem Ohr fort.

»Ihr spracht von einer Bedingung?«

»Verzeiht mir, Lord Rahl. Ich wollte, daß Ihr meine Angst versteht, damit Ihr meinen Zustand berücksichtigen könnt. Ich hatte solche Angst.« Sie schlang die Arme um ihren Körper, wobei das Kleid zwischen ihren Brüsten Falten warf.

Richard richtete den Blick auf das Tablett und rieb sich mit den Fingerspitzen über die Stirn. »Verstehe. Und die Bedingung?«

Sie nahm ihren Mut zusammen. »Ich werde Kelton übergeben, wenn Ihr mir Euren persönlichen Schutz gewährt.«

Richard sah auf. »Was?«

»Ihr habt diese Kreaturen draußen vor dem Palast getötet. Es heißt, niemand außer Euch kann sie töten. Ich habe eine entsetzliche Angst vor diesen Bestien. Wenn ich mich mit Euch verbünde, hetzt die Imperiale Ordnung sie womöglich auf mich. Wenn Ihr mir erlaubt, hierzubleiben, unter Eurem Schutz, bis die Gefahr vorüber ist, gehört Kelton Euch.«

Richard beugte sich vor. »Ihr wollt nichts weiter, als Euch in Sicherheit fühlen?«

Sie nickte und zuckte dabei leicht zusammen, so als fürchtete sie, er würde ihr den Kopf abschlagen für das, was sie als nächstes sagen würde. »Man muß mir ein Zimmer in der Nähe von Eurem geben, damit Ihr nahe genug seid, um mir zur Hilfe zu eilen, falls ich schreien sollte.«

»Und…«

Schließlich schöpfte sie den Mut, um ihm in die Augen zu blicken.

»Und weiter nichts. Das ist die Bedingung.«

Richard mußte lachen. Das beklemmende Gefühl in seiner Brust verflog. »Ihr wollt nur beschützt werden, so wie meine Wachen mich beschützen? Herzogin, das ist keine Bedingung, das ist bloß eine einfache Gefälligkeit — der verständliche und legitime Wunsch nach Schutz vor unseren gnadenlosen Feinden. Es sei Euch gewährt.« Er zeigte in Richtung der Gästezimmer. »Ich wohne in diesen Räumen, ein Stück den Gang hinunter. Sie stehen alle leer. Als Verbündete seid Ihr ein willkommener Gast und könnt Euch eines aussuchen. Ihr könnt eines gleich neben meinem haben, wenn Ihr Euch dort sicherer fühlt.«

Im Vergleich zu dem Strahlen, das jetzt auf ihrem Gesicht erschien, hatte sie vorher nicht einmal gelächelt. Sie faltete die Hände vor der Brust und stieß einen mächtigen Seufzer aus, als hätte man ihr eine riesengroße Last abgenommen. »Oh, ich danke Euch, Lord Rahl.«

Richard strich sich die Haare aus der Stirn. »Gleich morgen früh als erstes wird eine Delegation, begleitet von unseren Truppen, nach Kelton aufbrechen. Eure Streitkräfte müssen unserem Kommando unterstellt werden.«

»Unter … ja, natürlich. Morgen. Sie werden ein persönliches Schreiben von mir bei sich tragen, sowie die Namen all unserer Beamten, die in Kenntnis gesetzt werden sollen. Hiermit ist Kelton ein Teil D’Haras.« Sie neigte den Kopf, daß ihre dunklen Locken über ihre rosigen Wangen fielen.

Jetzt stieß auch Richard einen mächtigen Seufzer aus. »Ich danke Euch, Herzogin … oder sollte ich Euch Königin Lumholtz nennen?«

Sie lehnte sich zurück, die Arme ruhten auf der Lehne ihres Sessels, die Hände hingen herab. »Weder noch.« Ihr Bein glitt nach oben, als sie es über das andere schlug. »Ihr solltet mich Cathryn nennen, Lord Rahl.«

»Gut, also Cathryn — und bitte nennt mich Richard. Ganz ehrlich, ich bin es allmählich leid, daß jeder mich…« Als er in ihre Augen blickte, entfiel ihm, was er sagen wollte.

Geziert lächelnd beugte sie sich vor, wobei eine Brust über den Rand des Tisches glitt. Richard wurde sich bewußt, daß er auf der Sesselkante saß, während er beobachtete, wie sie eine Locke ihres schwarzen Haars um ihren Finger wickelte. Er versuchte, seinen umherschweifenden Blick in den Griff zu bekommen und konzentrierte sich auf das Tablett mit den Speisen vor ihm.

»Gut, also Richard.« Sie kicherte, ein Laut, der nicht im geringsten mädchenhaft klang, sondern gleichzeitig derb und fraulich und überhaupt nicht damenhaft. Er hielt den Atem an, um nicht laut aufzustöhnen. »Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann, einen so großen Mann wie den Herrscher ganz D’Haras auf so vertrauliche Weise anzusprechen.«

Richard lächelte. »Vielleicht braucht es einfach nur ein wenig Übung, Cathryn.«

»Ja, Übung«, erwiderte sie mit rauchiger Stimme. Plötzlich wurde sie rot. »Seht Ihr, ich tue es schon wieder. Bei Euren schmerzhaft schönen grauen Augen kann sich eine Frau nur selbst vergessen. Ich sollte Euch jetzt besser Eurem Abendessen überlassen, bevor es kalt wird.« Ihr Blick verweilte auf dem Tablett, das zwischen ihnen stand. »Es sieht köstlich aus.«

Richard sprang auf. »Erlaubt, daß ich Euch etwas bringen lasse.«

Sie zog sich vom Tischrand zurück, lehnte sich wieder nach hinten in den Sessel. »Nein, das könnte ich nicht. Ihr seid ein vielbeschäftigter Mann und habt bereits mehr als Freundlichkeit bewiesen.«

»Ich bin nicht vielbeschäftigt. Ich wollte nur vor dem Schlafengehen noch einen Bissen zu mir nehmen. Wenigstens könnt Ihr mir beim Essen Gesellschaft leisten und vielleicht ein wenig davon mit mir teilen. Es ist mehr, als ich bewältigen kann — man würde es nur wegwerfen.«

Sie rückte näher an ihn heran, drückte ihren Körper gegen den Tisch. »Nun, es sieht wirklich köstlich aus … und wenn Ihr nicht alles eßt … also gut, vielleicht einen kleinen Bissen.«

Richard strahlte. »Was möchtet Ihr? Eintopf, eingelegte Eier, Reis, Lamm?«

Bei der Erwähnung von Lammfleisch entfuhr ihr ein kehliger Laut des Wohlbehagens. Richard schob den goldgeränderten Teller über das Tablett. Er hatte nicht die Absicht gehabt, das Lammfleisch selbst zu essen. Seit die Gabe in ihm zum Leben erwacht war, konnte er kein Fleisch mehr herunterbringen. Das hatte mit der Magie zu tun, die gleichzeitig mit der Gabe in Erscheinung getreten war: Vielleicht war es aber auch so, wie es die Schwestern ihm erklärt hatten: Magie verlangte stets nach einem Ausgleich. Er war ein Kriegszauberer, vielleicht konnte er kein Fleisch essen, weil er das Töten ausgleichen mußte, zu dem er manchmal gezwungen war.

Richard reichte ihr Messer und Gabel. Lächelnd schüttelte sie den Kopf und ergriff das Lammkotelett mit den Fingern. »Bei den Keltoniern gibt es ein Sprichwort, das besagt, wenn etwas gut ist, sollte man sich diese Erfahrung um nichts entgehen lassen.«

»Dann will ich hoffen, daß es gut ist«, hörte Richard sich sagen. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich nicht einsam.

Die braunen Augen auf seine geheftet, beugte sie sich auf ihre Ellenbogen gestützt nach vorn und biß ein winziges Stückchen ab. Richard wartete wie gebannt.

»Und … ist es gut?«

Als Antwort rollte sie die Augen nach oben und schloß langsam die Lider, während sie die Schultern hochzog und in völliger Verzückung aufstöhnte. Ihr Blick senkte sich, stellte die glühende Verbindung wieder her. Ihr Mund schloß sich um das Fleisch, und ihre makellos weißen Zähne rissen ein saftiges Stück heraus. Ihre Lippen glänzten. Er glaubte nicht, daß er jemals jemanden so langsam hatte kauen sehen.

Richard brach das weiche Brot in zwei Stücke und reichte ihr das, auf dem die meiste Butter war. Mit der Kruste löffelte er Reis aus der braunen Rahmsoße. Seine Hand zögerte vor seinem Mund, als sie die Butter mit einer einzigen, langsamen Bewegung vom Brot leckte.

Sie schnurrte kehlig, anerkennend. »Ich mag das weiche, glitschige Gefühl auf meiner Zunge«, hauchte sie, kaum lauter als ein Flüstern. Sie ließ das Brot aus ihren glänzenden Fingern aufs Tablett fallen.

Während sie den Knochen durch die Zähne zog und den Rand abknabberte, sah sie ihm tief in die Augen. Mit kleinen, saugenden Bissen nagte sie den Knochen ab. Das Stück Brot wartete noch immer vor Richards Mund.

Sie strich mit der Zunge über ihre Lippen. »Das beste Lamm, das ich je gegessen habe.«

Richard merkte, daß seine Finger leer waren. Er nahm an, daß er den Reis mit dem Brot gegessen hatte, bis er den weißen Klecks auf dem Tablett unter sich entdeckte.

Sie nahm ein Ei aus der Schale, schloß ihre roten Lippen darum und biß es entzwei. »Hm, köstlich.« Sie legte ihm das andere Stück mit dem runden Ende an die Lippen. »Hier, versucht es selbst.«

Die seidige Oberfläche hinterließ einen mild würzigen, scharfen Geschmack auf seiner Zunge und fühlte sich zugleich fest und nachgiebig an. Sie schob es mit einem Finger ganz hinein. Jetzt hieß es kauen oder ersticken. Er kaute.

Ihr Blick löste sich von seinen Augen und wanderte über das Tablett. »Was haben wir hier? Oh, Richard, sagt nur nicht, daß es…« Sie rührte mit zwei Fingern in der Schale mit den Birnen. Dann lutschte sie die weiße Soße von ihrem Zeigefinger ab. Ein Teil der Soße auf den anderen Finger rann herunter bis zum Handgelenk. »Hmmm, ja, Richard, das ist fabelhaft. Hier.«

Sie legte ihm den Mittelfinger an die Lippen. Bevor er merkte, was geschah, hatte sie ihn der Länge nach in seinen Mund geschoben. »Lutscht ihn ab«, beharrte sie. »Ist das nicht das Beste, was Ihr je gekostet habt?« Richard nickte und versuchte, wieder Luft zu holen, nachdem sie den Finger zurückgezogen hatte. Sie hielt ihm ihr Handgelenk hin. »Oh, bitte, leckt es ab, bevor es auf mein Kleid tropft.« Er nahm ihre Hand und führte sie an seinen Mund. Ihr Geschmack elektrisierte ihn. Als seine Lippen ihre Haut berührten, fing sein Herz schmerzhaft an zu klopfen.

Sie stieß ein kehliges Lachen aus. »Das kitzelt. Ihr habt eine rauhe Zunge.«

Er ließ ihre Hand los, erschrocken über die intime Berührung. »Verzeiht«, sagte er leise.

»Redet keinen Unsinn. Ich habe nicht gesagt, daß es mir nicht gefällt.« Ihre Augen fanden die seinen. Das Licht der Lampe glühte sanft auf der einen Seite ihres Gesichts, das des Feuers auf der anderen. Er stellte sich vor, wie er mit den Fingern durch ihr Haar fuhr. Ihre Atemzüge paarten sich. »Das hat mir sehr gefallen, Richard.«

Ihm auch. Der Raum schien sich zu drehen. Der Klang seines Namens von ihren Lippen schickte Wellen von Hochgefühl durch seinen Körper. Mit allergrößter Mühe zwang er sich aufzustehen.

»Cathryn, es ist spät, und ich bin wirklich müde.«

Sie stand bereitwillig auf, in einer eleganten Bewegung, die den Körper unter dem seidenen Kleid erahnen ließ. Seine Selbstbeherrschung schien sich völlig aufzulösen, als sie ihren Arm in seinen gleiten ließ und sich eng an ihn schmiegte. »Zeigt Ihr mir, welches Euer Zimmer ist?«

Als er sie nach draußen auf den Korridor führte, spürte er, wie sich ihre feste Brust an seinem Arm drückte. Nicht weit entfernt standen Ulic und Egan, die Arme verschränkt. Ein Stück weiter, an den Enden des Ganges, erhoben sich Cara und Raina. Keiner der vier zeigte irgendeine Reaktion, als sie sahen, daß er Cathryn am Arm genommen hatte. Richard sagte nichts zu ihnen, während sie auf die Gästezimmer zusteuerten.

Mit aufdringlicher Beharrlichkeit streichelte Cathryn seine Schulter mit ihrer freien Hand. Die Hitze ihrer Haut ließ ihn bis in die Knochen erglühen. Er wußte nicht, ob seine Beine den Weg überstehen würden.

Als er den Flügel mit den Gästezimmern gefunden hatte, winkte er Ulic und Egan zu sich. »Teilt euch in Schichten auf. Ich will, daß zu jeder Zeit einer von euch Wache hält. Außerdem soll nichts und niemand heute nacht diesen Gang betreten.« Er sah zu den beiden Mord-Siths hinüber, die am anderen Ende warteten. »Das gilt auch für die beiden dort.« Sie stellten keine Fragen und versprachen zu gehorchen. Dann bezogen sie ihren Posten.

Richard führte Cathryn bis zur Mitte des Ganges. Sie liebkoste weiter seinen Arm. Ihre Brust drückte sich noch immer gegen ihn.

»Ich denke, dieses Zimmer wird genügen.«

Ihre Lippen teilten sich, ihre Brust wogte. Mit zarten Fingern packte sie sein Hemd. »Ja«, hauchte sie, »dieses Zimmer.«

Richard nahm seine ganze Kraft zusammen. »Ich nehme das gleich nebenan. Hier seid Ihr sicher.«

»Was?« Das Blut wich aus ihrem Gesicht. »Oh, bitte, Richard…«

»Schlaft gut, Cathryn.«

Ihr Griff um seinen Arm wurde fester. »Aber … aber Ihr müßt mit hineinkommen. Oh, bitte, Richard. Ich werde mich fürchten.«

Er drückte ihre Hand, als sie seinen Arm losließ. »Euer Zimmer ist sicher, Cathryn. Seid unbesorgt.«

»Drinnen könnte eine Gefahr lauern. Bitte, Richard, kommt Ihr mit hinein?«

Richard lächelte besänftigend. »Dort drinnen ist nichts. Ich würde es spüren, wenn irgendwo in der Nähe eine Gefahr lauerte. Ich bin ein Zauberer, ist das Euch schon entfallen? Hier seid Ihr vollkommen sicher, außerdem werde ich nur wenige Schritte entfernt sein. Nichts wird Eure Ruhe stören, das schwöre ich.«

Er öffnete die Tür, reichte ihr eine Lampe aus einer Halterung gleich neben der Tür, legte ihr seine Hand auf den Rücken und schob sie sachte hinein.

Sie drehte sich um und strich mit einem Finger über seine Brust. »Werde ich Euch morgen sehen?«

Er nahm ihre Hand von seiner Brust und küßte sie mit aller Höflichkeit, die aufzubieten er imstande war. »Verlaßt Euch drauf. Gleich morgen früh als erstes haben wir eine Menge zu erledigen.«

Er zog ihre Tür zu und ging zur nächsten. Die zwei Mord-Siths ließen ihn nicht aus den Augen. Er sah zu, wie sie mit dem Rücken an der Wand hinabglitten und sich auf den Boden setzten. Die beiden schlugen die Beine übereinander, als wollten sie damit ausdrücken, sie hätten die Absicht, die ganze Nacht dort zu bleiben, und umfaßten ihren Strafer mit beiden Händen.

Richard sah zur Tür von Cathryns Zimmer hinüber. Sein Blick verweilte dort einen Augenblick lang. Die Stimme in seinem Hinterkopf schrie verzweifelt. Er riß die Tür zu seinem Zimmer auf. Nachdem er sie hinter sich zugemacht hatte, lehnte er sich mit dem Gesicht daran und rang nach Atem. Er zwang sich, den Riegel vorzuschieben.

Auf der Bettkante sank er nieder, vergrub das Gesicht in den Händen. Was war nur los mit ihm? Sein Hemd war schweißdurchtränkt. Wieso brachte ihn diese Frau auf solche Gedanken? Aber es war so. Bei den Seelen, es war so. Er mußte daran denken, daß die Schwestern des Lichts glaubten, die Gelüste der Männer seien unkontrollierbar.

Wie benommen zog er mühevoll das Schwert der Wahrheit aus seiner Scheide, ließ das leise, klare Klirren in dem dunklen Zimmer erklingen. Richard setzte die Spitze auf den Boden, hielt das Heft mit beiden Händen an die Stirn und ließ sich vom Zorn durchfluten. Er spürte, wie dessen Wildheit durch seine Seele toste, und er hoffte nur, daß es ausreichen würde.

In einem dunklen Winkel seines Verstandes wußte Richard, daß er sich im Tanz mit dem Tod befand, und diesmal konnte ihn das Schwert nicht retten. Und er wußte, daß er keine Wahl hatte.

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