Schneeflockenartigen Bruchstücken eines düsteren Traumes gleich, kam alles wieder langsam zurück in ihr Gesichtsfeld — zuerst die Doppelfeuer, dann die Fackeln, die dunklen Wände aus Stein und schließlich die Menschen.
Einen verblüffenden Augenblick lang war ihr ganzer Leib taub, dann kehrte die Empfindung mit einer Million Nadelstiche in ihren Körper zurück. Alles tat ihr weh.
Jagang riß ein großes Stück aus einem gegrillten Fasan. Er kaute einen Augenblick lang, dann wedelte er mit dem Beinknochen in ihre Richtung.
»Weißt du, was dein Problem ist, Ulicia?« fragte er, noch immer kauend. »Du benutzt Magie, die du ebenso schnell entfesseln kannst wie einen Gedanken.«
Das fiese Grinsen kehrte auf seine fettigen Lippen zurück. »Ich dagegen bin ein Traumwandler. Ich benutze die Zeit zwischen den Gedankensplittern, die Ruhe, in der nichts existiert, um das zu tun, was immer ich tue. Ich schlüpfe hinein, wo niemand sonst eindringen kann.«
Er fuchtelte wieder mit dem Knochen und schluckte. »Siehst du, in diesem Augenblick zwischen den Gedanken ist die Zeit für mich unendlich, und ich kann tun, was immer mir beliebt. Ihr könntet ebensogut steinerne Statuen sein, die versuchen, mich zu hetzen.«
Ulicia spürte ihre Schwestern durch die Verbindung. Sie war noch immer da.
»Primitiv. Sehr primitiv«, sagte er. »Ich habe andere gesehen, die es viel besser machten, aber die waren auch geübt darin. Ich habe euch die Verbindung gelassen — fürs erste. Fürs erste will ich, daß ihr euch gegenseitig spürt. Später werde ich sie unterbrechen. So wie die Verbindung kann ich auch euren Verstand zerstören.« Er nahm einen kräftigen Schluck Wein. »Aber ich finde, das alles ist so unergiebig. Wie kann man jemandem eine Lektion erteilen, wirklich eine Lektion erteilen, wenn sein Verstand sie nicht begreift?«
Über die Verbindung spürte Ulicia, wie Cecilia die Kontrolle über ihre Blase verlor und der warme Urin ihr die Beine herablief.
»Und wie?« hörte sich Ulicia mit hoher Stimme fragen. »Wie könnt Ihr die Zeit zwischen den Gedanken nutzen?«
Jagang nahm sein Messer zur Hand und schnitt sich eine Scheibe Fleisch auf einem reich verzierten Silberteller ab, der neben ihm stand. Er spießte das blutige Mittelstück mit der Messerspitze auf und stützte seine Ellenbogen auf den Tisch. »Was sind wir alle?« Er schwenkte das Stück Fleisch in großem Bogen herum, während rote Flüssigkeit an seinem Messer herabtropfte. »Was ist Wirklichkeit — die Wirklichkeit unseres Seins?«
Er zog das Fleisch mit den Zähnen vom Messer, kaute und fuhr fort. »Sind wir unsere Körper? Ist ein kleiner Mensch dann also weniger als ein großer? Wenn wir unsere Körper wären, und angenommen, wir verlören einen Arm oder ein Bein, wären wir dann weniger als zuvor, würden wir aus dem Sein verschwinden? Nein. Wir wären immer noch derselbe.
Wir sind nicht unser Körper. Wir sind unsere Gedanken. Indem sie sich formen, bestimmen sie, wer wir sind, und schaffen so die Wirklichkeit unseres Seins. Zwischen diesen Gedanken gibt es nichts. Da ist nur der Körper, der darauf wartet, daß unsere Gedanken uns zu dem machen, was wir sind.
Zwischen euren Gedanken, da ist mein Platz. In diesem Zwischenraum zwischen euren Gedanken hat Zeit für euch keinerlei Bedeutung, aber für mich.« Er nahm einen kräftigen Schluck Wein. »Ich bin ein Schatten, der sich in die Risse eures Seins einschleicht.«
Durch die Verbindung konnte Ulicia fühlen, wie die anderen zitterten. »Das kann nicht sein«, erwiderte sie tonlos. »Euer Han kann die Zeit nicht dehnen, sie in Stücke brechen. Oder zerstören.«
Sein herablassendes Lächeln ließ ihr den Atem stocken. »Ein kleiner, unscheinbarer Keil, eingeführt in den Riß des größten, massivsten Felsens, kann ihn zum Zersplittern bringen. Ihn zerstören.
Dieser Keil bin ich. Dieser Keil wird jetzt in euren Verstand hineingehämmert.«
Sie stand stumm da, während er mit dem Daumen einen langen Streifen Fleisch aus dem gerösteten Spanferkel zog. »Wenn ihr schlaft, treiben und fließen eure Gedanken, und ihr seid verletzlich. Wenn ihr schlaft, seid ihr wie ein Leuchtzeichen, das ich aufspüren kann. Dann schleichen sich meine Gedanken in diese Risse. Die winzigen Zwischenräume, in denen ihr euch in euer Sein ein-und ausblendet, sind für mich wie Abgründe.«
»Und was habt Ihr mit uns vor?« fragte Armina.
Er riß ein Stück Schweinefleisch ab und ließ es von seinen fleischigen Fingern baumeln. »Nun, einer der Zwecke, für die ich euch brauche, ist unser gemeinsamer Feind: Richard Rahl. Ihr kennt ihn als Richard Cypher.« Er runzelte die Stirn über seinen dunklen, nie zur Ruhe kommenden Augen. »Der Sucher.
Bislang war er unverletzbar. Er hat mir einen riesigen Gefallen getan, indem er die Barriere zerstört hat, die mich auf dieser Seite gefangenhielt. Jedenfalls meinen Körper. Ihr, die Schwestern der Finsternis, der Hüter und Richard Rahl haben es möglich gemacht, daß ich der Rasse der Menschen zur absoluten Überlegenheit verhelfen kann.«
»Wir haben nichts dergleichen getan«, protestierte Tovi kleinlaut.
»O doch, das habt ihr. Seht ihr, der Schöpfer und der Hüter stritten um die Vorherrschaft in dieser Welt. Der Schöpfer einfach deshalb, weil er verhindern wollte, daß der Hüter sie der Welt der Toten zuschlägt. Und der Hüter einfach deshalb, weil er eine unersättliche Gier nach allem hat, was lebt.«
Er sah sie aus seinen pechschwarzen Augen an. »In eurem Bemühen, den Hüter zu befreien, ihm diese Welt zum Geschenk zu machen, habt ihr dem Hüter hier Macht verschafft, und das wiederum hat Richard Rahl auf den Plan gerufen, der zur Verteidigung der Lebenden angetreten ist. Er hat das Gleichgewicht wiederhergestellt.
In diesem Gleichgewicht, genau wie im Raum zwischen euren Träumen, dort ist mein Platz.
Magie ist der Zugang zu jenen anderen Welten, wodurch diese Welten Macht bekommen. Indem ich die Menge der Magie in dieser Welt verringere, verringere ich auch den Einfluß des Schöpfers und des Hüters. Der Schöpfer wird nach wie vor den Lebensfunken spenden, und der Hüter wird ihn nach wie vor nehmen, wenn das Ende gekommen ist, aber darüber hinaus wird die Welt den Menschen gehören. Die alte Religion der Magie wird dem Abfallhaufen der Geschichte anvertraut werden, und schließlich der Legende.
Ich bin ein Traumwandler. Ich habe die Träume der Menschen gesehen, ich weiß, wozu sie fähig sind. Magie unterdrückt diese grenzenlosen Visionen. Ohne Magie wird der Geist des Menschen, seine Phantasie, befreit werden, und er wird allmächtig sein.
Aus diesem Grund habe ich diese Armee. Wenn die Magie tot ist, werde ich sie noch immer haben. Ich werde dafür sorgen, daß sie für diesen Tag gut gerüstet ist.«
»Und wieso ist Richard Euer Feind?« fragte Ulicia in der Hoffnung, daß er weitersprach, während sie sich überlegte, was sie tun konnten.
»Was er getan hat, mußte er tun, sonst hättet ihr Lieben die Welt dem Hüter überlassen. Das war mir eine Hilfe. Doch jetzt mischt er sich in meine Angelegenheiten ein. Er ist jung und weiß nichts von seinen Fähigkeiten. Ich dagegen habe die letzten zwanzig Jahre damit zugebracht, mein Können zu vervollkommnen.«
Er schwenkte die Messerspitze vor seinem Gesicht. »Im vergangenen Jahr erst sind meine Augen geronnen — das Merkmal eines Traumwandlers. Erst jetzt steht mir der am meisten gefürchtete Name der uralten Welt zu. In der Sprache der Vorzeit ist ›Traumwandler‹ gleichbedeutend mit ›Waffe‹. Die Zauberer, die diese Waffe geschaffen haben, bedauern ihr Tun mittlerweile.«
Er leckte das Fett von seinem Messer und betrachtete die Schwestern. »Es ist ein Fehler, Waffen zu schmieden, die über einen eigenen Willen verfügen. Jetzt seid ihr meine Waffen. Ich werde den gleichen Fehler nicht begehen.
Meine Kraft gestattet mir, in die Gedanken eines jeden einzudringen, wenn er schläft. Auf jene, welche die Gabe nicht besitzen, habe ich nur begrenzten Einfluß, aber sie sind für mich ohnehin nur von geringem Nutzen. Doch bei denen mit der Gabe, wie euch sechs, kann ich alles tun, was ich will. Habe ich meinen Keil erst einmal in eurem Geist angesetzt, gehört er nicht mehr euch. Er gehört mir.
Die Magie der Traumwandler war kraftvoll, nur nicht sehr stabil. In den letzten dreitausend Jahren, seit die Barriere errichtet wurde, die uns hier eingesperrt hat, ist niemand mehr mit dieser Fähigkeit geboren worden. Jetzt jedoch hat die Welt wieder einen Traumwandler.«
Er schüttelte sich unter einem bedrohlich stillvergnügten Kichern. Die winzigen Zöpfe an seinen Mundwinkeln zitterten. »Und das bin ich.«
Fast hätte Ulicia ihn aufgefordert, er solle zur Sache kommen, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück. Sie hatte nicht die geringste Lust, herauszufinden, was er tun würde, wenn er mit Sprechen fertig war. Alles was sie brauchte, war Zeit, um sich etwas zu überlegen. »Woher wißt Ihr das alles?«
Jagang riß einen Streifen scharf angebratenen Fetts vom Braten und knabberte daran herum, während er weitersprach. »In einer untergegangenen Stadt in meiner Heimat Altur’Rang entdeckte ich ein Archiv aus alter Zeit. Der Wert, den Bücher für einen Krieger wie mich haben, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Auch der Palast der Propheten besitzt Bücher von unermeßlichem Wert, vorausgesetzt, man weiß sie zu gebrauchen. Zu schade, daß der Prophet gestorben ist. Aber ich habe andere Zauberer.
Ein Überrest der Magie aus dem Krieg der Vorzeit, eine Art Schild, wurde von seinem Urheber an alle Nachfahren aus dem Haus Rahl weitergegeben, die mit der Gabe geboren wurden. Diese Bande schirmt den Verstand der Menschen ab, so daß ich nicht in ihn eindringen kann. Richard Rahl verfügt über diese Fähigkeit und hat begonnen, Gebrauch von ihr zu machen. Bevor er zuviel lernt, muß er ins Gebet genommen werden.
Zusammen mit seiner Verlobten.« Er hielt inne, hatte einen entrückten, nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. »Die Mutter Konfessor hat mir einen kleinen Rückschlag versetzt, aber sie wird von meinen unwissenden Marionetten oben im Norden ins Gebet genommen werden. Diese Narren haben in ihrem Eifer die Sache etwas verkompliziert, dabei habe ich sie noch nicht einmal richtig an die Kandare genommen. Wenn ich es tue, werden sie nach meiner Pfeife tanzen. Ich habe große Mühe darauf verwendet, die Geschehnisse zu meinem Vorteil umzubiegen, damit ich Richard Rahl und die Mutter Konfessor in die Hand bekomme.«
Er riß eine Handvoll Fleisch aus dem gebratenen Spanferkel. »Seht ihr, er wurde als Kriegszauberer geboren, als erster seit dreitausend Jahren, aber das wißt ihr ja. Ein solcher Zauberer ist für mich eine Waffe von unschätzbarem Wert. Er kann Dinge tun, die niemand von euch tun kann, deshalb will ich ihn nicht töten. Ich will ihn beherrschen. Wenn er mir keinen Nutzen mehr bringt, dann muß er getötet werden.«
Jagang lutschte das Schweinefett von seinen Fingern. »Seht ihr, Kontrolle ist viel wichtiger als Töten. Ich hätte euch sechs töten können, aber was hätte ich dann von euch? Solange ihr unter meiner Herrschaft steht, seid ihr keine Bedrohung für mich, sondern auf ach so viele Weisen nützlich.«
Jagang drehte sein Handgelenk nach oben und zeigte mit dem Messer auf Merissa. »Ihr alle habt geschworen, euch an ihm zu rächen. Aber du, meine Liebe, hast geschworen, in seinem Blut zu baden. Vielleicht werde ich dir die Gelegenheit dazu geben.«
Merissas Gesicht erbleichte. »Wie … wie könnt Ihr das wissen? Das habe ich gesagt, als ich wach war.«
Er sah Panik in ihrem Gesicht und lachte stillvergnügt in sich hinein. »Wenn du willst, daß ich etwas nicht erfahre, meine Liebe, dann solltest du nicht davon träumen, was du im Wachzustand gesagt hast.«
Durch die Verbindung spürte Ulicia, daß Armina der Ohnmacht nahe war.
»Natürlich müßt ihr sechs ins Gebet genommen werden. Ihr müßt lernen, wer das ist, der euer Leben beherrscht.« Er zeigte mit dem Messer auf die stummen Sklaven hinter sich. »Ihr werdet ebenso folgsam werden wie diese Leute dort.«
Zum ersten Mal betrachtete Ulicia die halbbekleideten Menschen überall im Saal. Fast hätte sie laut gestöhnt. Die Frauen waren alle Schwestern. Schlimmer noch, die meisten waren ihre Schwestern der Finsternis. Sie verschaffte sich rasch einen Überblick: Nicht alle waren hier. Auch die Männer, meist junge Zauberer, die nach ihrer Ausbildung im Palast entlassen worden waren, gehörten zu denen, die einen Seeleneid auf den Hüter geschworen hatten.
»Einige sind Schwestern des Lichts. Sie sind sehr beflissen — aus Angst vor den grauenvollen Dingen, mit denen ich sie bestrafen würde, wenn sie mich verstimmen.« Mit Daumen und Zeigefinger strich Jagang über das dünne Kettchen zwischen den Ringen in seiner Nase und seinem Ohr. »Aber deine Schwestern der Finsternis gefallen mir am besten. Ich habe sie alle ins Gebet genommen, selbst die im Palast.« Ulicia kam sich vor, als würde sie den Boden unter den Füßen verlieren. »Ich habe im Palast der Propheten etwas zu erledigen. Etwas Wichtiges.«
Die Goldkettchen auf seiner Brust blitzten im Schein der Feuer auf, als er die Arme ausbreitete. »Sie sind alle recht gefügig.« Sein starrer Blick fiel auf die Menschen hinter ihm. »Nicht wahr, meine Lieben?«
Janet, eine Schwester des Lichts, küßte ihren Ringfinger, während ihr langsam Tränen über die Wangen liefen. Jagang lachte. Sein Ring blinkte im Schein der Feuer, als er mit einem dicken Finger auf sie zeigte.
»Siehst du das? Ich habe es ihr erlaubt. Es läßt ihr ein paar falsche Hoffnungen. Würde ich es verhindern, könnte es sein, daß sie sich umbringt. Denn sie hat nicht diese Todesangst wie jene, die sich dem Hüter verschworen haben. Nicht wahr, meine liebe Janet?«
»Ja, Exzellenz«, antwortete sie eingeschüchtert. »In diesem Leben gehört mein Körper Euch, aber wenn ich sterbe, gehört meine Seele dem Schöpfer.«
Jagang lachte, krank und heiser. Ulicia hatte es schon einmal gehört und wußte, daß sie bald den Grund dafür liefern würde.
»Siehst du? Das alles dulde ich, um meine Kontrolle aufrechtzuerhalten. Natürlich wird sie jetzt als Strafe eine Woche in den Zelten dienen müssen.« Sein trüb-funkelnder Blick ließ Janet zurückweichen. »Aber das wußtest du ja schon, bevor du es gesagt hast, nicht wahr, meine Liebe?«
Schwester Janets Stimme bebte. »Ja, Exzellenz.«
Jagangs milchiger Blick fiel wieder auf die sechs, die vor ihm standen. »Die Schwestern der Finsternis mag ich am liebsten, denn sie haben allen Grund, den Tod zu fürchten.« Er zerdrehte den Fasan in zwei Teile. Die Knochen brachen mit einem dumpfen Knacken. »Sie haben den Hüter, dem sie ihre Seelen versprochen haben, verraten. Wenn sie sterben, werden sie ihm nicht entgehen. Dann wird der Hüter sich an ihnen für ihr Versagen rächen.« Er lachte tief und hallend voller Hohn. »So wie er euch sechs auf alle Ewigkeit bekommen wird, wenn ihr mir so sehr mißfallt, daß ihr den Tod verdient.«
Ulicia schluckte. »Wir verstehen … Exzellenz.«
Jagangs alptraumhafter Blick ließ sie vergessen, Luft zu holen. »O nein, Ulicia, ich glaube nicht, daß ihr das wirklich tut. Aber das werdet ihr, wenn ihr eure Lektionen erhalten habt.«
Den alptraumhaften Blick auf Ulicia gerichtet, griff er unter den Tisch und zerrte eine hübsche Frau an ihrem blonden Haar hervor. Sie wand sich vor Schmerzen, als seine kräftige Hand sie in die Höhe riß. Sie war ebenso gekleidet wie die anderen. Durch den hauchdünnen Stoff hindurch konnte Ulicia ältere, gelbliche Prellungen erkennen, sowie frischere violette. Auf ihrer rechten Wange war ein blauer Fleck, und auf ihrem linken Unterkiefer befand sich eine riesengroße, ganz frische, blutunterlaufene Stelle mit einer Reihe von vier Schnittwunden, die seine Ringe hinterlassen hatten.
Es war Christabel, eine der Schwestern der Finsternis, die Ulicia im Palast zurückgelassen hatte. Die Schwestern der Finsternis im Palast hatten den Boden für ihre Rückkehr bereiten sollen. Offenbar bereiteten sie jetzt den Boden für Jagangs Ankunft. Was er mit dem Palast der Propheten wollte, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären.
Jagang drehte seine Hand herum und zeigte auf sie. »Stell dich vor mich.«
Schwester Christabel eilte um den Tisch herum, um sich vor Jagang zu stellen. Bevor sie sich verbeugte, ordnete sie noch rasch ihr zerzaustes Haar und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Womit kann ich Euch dienen, Exzellenz?«
»Nun, Christabel, ich muß diesen sechs hier ihre abschließende Lektion erteilen.« Er riß dem Fasan das andere Bein heraus. »Und damit ich das kann, mußt du sterben.«
Sie verneigte sich. »Ja, Exzell —« Sie erstarrte, als ihr bewußt wurde, was er gerade gesagt hatte. Ulicia sah, wie ihre Beine zitterten, als sie sich wieder aufrichtete. Doch noch immer wagte die Frau nicht zu widersprechen.
Er deutete mit dem Fasanenbein auf die beiden Frauen, die vor ihm auf dem Bärenfell hockten, und sie stürzten davon. Jagang lächelte fies. »Auf Wiedersehen, Christabel.«
Sie warf die Arme in die Luft und brach kreischend auf dem Boden zusammen. Christabel drosch wie wahnsinnig auf den Fußboden ein und schrie dabei so laut, daß Ulicia die Ohren schmerzten. Die sechs Frauen, die am Rande des Bärenfells über ihr standen, verfolgten die Szene mit großen Augen und hielten den Atem an. Jagang nagte an seinem Fasanenschenkel. Die Schreie, die einem das Blut gefrieren ließen, gingen ohne Unterlaß weiter, während Christabels Kopf von einer Seite auf die andere peitschte und ihr Körper unter heftigen Zuckungen hin- und hergeworfen wurde.
Jagang befaßte sich mit seinem Fasanenschenkel und ließ sich den Weinkrug nachfüllen. Niemand sprach, als er den Schenkel verspeist hatte und sich umdrehte, um sich ein paar Trauben zu nehmen.
Ulicia ertrug es nicht länger. »Wie lange dauert es, bis sie stirbt?« fragte sie mit heiserer Stimme.
Jagang zog die Augenbrauen hoch. »Bis sie stirbt?« Er warf seinen Kopf in den Nacken und brüllte vor Lachen. Er hämmerte mit den von goldenen Ringen strotzenden Fäusten auf den Tisch. Niemand sonst im Raum lächelte auch nur. Sein stämmiger Körper schüttelte sich. Das dünne Kettchen zwischen seiner Nase und seinem Ohr sprang hin und her, während sein Gelächter sporadisch aufflackerte und dann ganz verstummte.
»Sie war tot, bevor sie auf den Boden aufschlug.«
»Was? Aber … sie schreit noch immer.«
Auf einmal verstummte Christabel, ihre Brust war so reglos wie Stein.
»Sie war vom ersten Augenblick an tot«, beharrte Jagang. Ein Lächeln breitete sich langsam auf seinen Lippen aus, während er seinen schwarzen, vollkommen leeren Blick auf Ulicia richtete. »Dieser Keil, von dem ich dir erzählt habe. Er gleicht genau dem, den ich in eure Gehirne getrieben habe. Was du hier siehst, ist ihre schreiende Seele. Du siehst, wie sie in der Welt der Toten gepeinigt wird. Offenbar ist der Hüter mit seiner Schwester der Finsternis nicht recht zufrieden.«
Jagang hob einen Finger, und Christabel setzte ihr Umsichschlagen und Kreischen fort.
Ulicia mußte schlucken. »Wie lange … dauert es, bis sie … damit aufhört?«
Er leckte sich die Lippen. »Bis sie verfault.«
Ulicia spürte, wie ihre Knie nachgeben wollten, und durch die Verbindung fühlte sie, daß die anderen kurz davor waren, genau wie Christabel in wilder Panik loszuschreien. Das waren also die Qualen, mit denen der Hüter sie bestrafen würde, wenn es ihnen nicht gelang, ihm seinen Einfluß in dieser Welt zurückzugeben.
Jagang schnippte mit den Fingern. »Slith! Eeris!«
Licht schimmerte vor einer Wand. Ulicia stockte der Atem, als zwei Gestalten in Kapuzen aus dem dunklen Stein zu treten schienen.
Die beiden schuppigen Wesen glitten lautlos um den Tisch herum und verbeugten sich. »Ja, Traumwandler?«
Jagang fuchtelte mit seinem dicken Finger und deutete auf die kreischende Frau auf dem Boden. »Werft sie in die Sickergrube.«
Die Mriswiths schwangen ihre Capes über die Schulter und bückten sich, hoben den um sich schlagenden, kreischenden Leichnam einer Frau in die Höhe, die Ulicia über einhundert Jahre gekannt hatte, einer Frau, die ihr geholfen hatte und die eine gehorsame Sklavin des Hüters gewesen war. Ihr war eine Belohnung für ihre Dienste versprochen worden.
Ulicia betrachtete Jagang, während die beiden Mriswiths den Saal mit ihrer Last verließen. »Was verlangt Ihr von uns?«
Jagang hob eine Hand und winkte mit zwei fettverschmierten Fingern einen Soldaten heran, der an der Seite des Raumes stand. »Diese sechs gehören mir. Beringe sie.«
Der stämmige, mit Fellen bekleidete und mit Waffen behangene Mann verbeugte sich. Er ging zu der Frau, die am nächsten stand, zu Nicci, riß mit seinen schmutzigen Fingern grob an ihrer Unterlippe und zog sie lächerlich weit vor. In ihre großen blauen Augen trat ein panischer Blick. Ulicia versagte gemeinsam mit Nicci vor Schreck der Atem. Durch die Verbindung spürte sie ihre überwältigenden Schmerzen und das Entsetzen, als sich der stumpfe, rostige Eisendorn mit einer Drehung durch den Rand ihrer Lippe bohrte. Der Soldat steckte den mit einem Holzgriff versehenen Dorn in seinen Gürtel zurück, nahm einen goldenen Ring aus seiner Tasche und zerrte ihre Unterlippe vor. Unter Zuhilfenahme seiner Zähne weitete er die Kerbe im Ring, dann steckte er ihn durch die blutende Wunde. Er drehte den Ring herum und schloß die Lücke mit den Zähnen.
Zu Ulicia kam der unrasierte, dreckige, stinkende Soldat zuletzt.
Mittlerweile zitterte sie unkontrollierbar, denn sie hatte mitgefühlt, wie man dasselbe den anderen angetan hatte. Als er an ihrer Unterlippe riß, versuchte sie verzweifelt, an einen Ausweg zu denken. Es war, als holte man einen Eimer aus einem trockenen Brunnen. Vor Schmerz kamen ihr die Tränen, während der Ring durchgestochen wurde.
Jagang wischte sich mit dem Handrücken das Fett vom Mund, während er amüsiert verfolgte, wie ihnen allen das Blut übers Kinn rann. »Ihr sechs seid jetzt meine Sklaven. Wenn ihr mir keinen Grund gebt, euch zu töten, dann habe ich im Palast der Propheten noch Verwendung für euch. Wenn ich mit Richard Rahl fertig bin, kann es vielleicht sogar sein, daß ihr ihn umbringen dürft.«
Er blickte ihnen wieder in die Augen. Die trüben Partikel darin bewegten sich auf eine Weise, die ihr den Atem raubte. Alle Anzeichen von Heiterkeit verschwanden, und zurück blieb etwas unverhohlen Drohendes. »Aber noch bin ich mit euren Lektionen nicht fertig.«
»Uns sind die Alternativen durchaus klar«, sagte Ulicia hastig. »Bitte — Ihr braucht nicht fürchten, daß wir Euch nicht ergeben wären.«
»Oh, das weiß ich«, sagte Jagang leise. »Trotzdem, ich bin mit euren Lektionen noch nicht fertig. Die erste war nur ein Anfang. Die übrigen werden längst nicht so schnell vorüber sein.«
Ulicia konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Seit Jagang begonnen hatte, in ihre Träume einzudringen, war ihr Leben im Wachzustand der reinste Alptraum geworden. Es mußte einen Weg geben, dem ein Ende zu machen, aber ihr fiel beim besten Willen keiner ein. Sie sah sich schon als eine von Jagangs Sklavinnen in den Palast der Propheten zurücckehren, in einem dieser Kleider.
Jagang blickte an ihr vorbei. »Habt ihr zugehört, Jungs?«
Ulicia hörte, wie Captain Blake dies bejahte. Sie erschrak. Die dreißig Seeleute, die hinter ihr am Rand des Saales standen, hatte sie völlig vergessen.
Jagang winkte sie mit zwei Fingern näher heran. »Morgen früh dürft ihr gehen. Ich dachte allerdings, daß ihr euch für heute noch gern mit den Damen vergnügen würdet.«
Die sechs erstarrten, jede einzelne von ihnen.
»Aber —«
Die Art, wie die treibenden Partikel in seinen trüben Augen plötzlich ihre Lage änderten, ließ sie sofort verstummen. »Wenn ihr eure Magie gegen meinen Willen einsetzt, und sei es nur, um nicht zu niesen, werdet ihr Christabels Schicksal teilen. Das gilt ab sofort. In euren Träumen habe ich euch einen kleinen Vorgeschmack darauf gegeben, was ich mit euch machen kann, solange ihr noch lebt, und jetzt habt ihr einen kleinen Einblick bekommen, was der Hüter mit euch machen wird, wenn ihr sterbt. Ihr bewegt euch von nun an auf einem schmalen Grat. An eurer Stelle würde ich keinen Fuß daneben setzen.«
Jagang richtete den Blick wieder auf die Seeleute hinter ihnen. »Für heute nacht gehören sie euch. Ich kenne die sechs aus ihren Träumen und weiß, daß ihr noch Rechnungen offen habt. Macht mit ihnen, was immer euch beliebt.«
Die Seeleute wurden laut und fluchten ausgelassen.
Durch die Verbindung spürte Ulicia, wie eine Hand nach Arminas Brust griff, eine andere Niccis Kopf an den Haaren nach hinten riß, während die Spitzen an ihrem Mieder abgerissen wurden, und eine dritte an der Innenseite ihrer eigenen Schenkel hinaufglitt. Sie unterdrückte einen Schrei.
»Es gibt ein paar kleine Regeln«, sagte Jagang, und die Hände auf ihren Körpern hielten inne. »Haltet ihr die nicht ein, so nehme ich euch aus wie einen Sack Fische.«
»Und wie lauten diese Regeln, Kaiser?« fragte einer der Seeleute.
»Ihr dürft sie nicht töten. Sie sind meine Sklaven — sie gehören mir. Ich möchte, daß sie am Morgen in einem hinlänglich guten Zustand zurückgegeben werden, damit sie mir dienen können. Mit anderen Worten, keine Knochenbrüche und dergleichen mehr. Ihr werdet Lose ziehen, wer welche Frau bekommt. Ich weiß, was passiert, wenn ich euch erlaube, sie euch selbst auszusuchen. Ich will nicht, daß eine von ihnen vernachlässigt wird.«
Die Männer lachten still in sich hinein. Sie waren einverstanden und meinten, das sei mehr als gerecht. Sie schworen, sich an die Regeln zu halten.
Jagang richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die sechs Frauen. »Ich habe eine gewaltige Armee großer, kräftiger Soldaten und nicht annähernd genug Frauen für alle. Was bei meinen Männern für eine ziemlich miese Stimmung sorgt. Bis ich andere Aufgaben für euch habe, werdet ihr in dieser Eigenschaft den ganzen Tag bis auf vier Stunden dienen. Seid froh, daß ihr meinen Ring an eurer Lippe tragt. So werden sie euch nicht töten, während sie ihren Spaß haben.«
Schwester Cecilia breitete die Hände aus. Sie hatte ein gütiges, strahlend unschuldiges Lächeln aufgesetzt. »Kaiser Jagang, Eure Männer sind jung und kräftig. Ich fürchte, sie werden kein Vergnügen daran haben, mit einer alten Frau wie mir zusammenzusein. Es tut mir leid.«
»Ich bin sicher, sie werden vor Wonne strahlen, dich zu kriegen. Du wirst schon sehen.«
»Schwester Cecilia hat recht, Kaiser. Ich fürchte, ich bin auch zu alt und fett«, meinte Tovi mit ihrer besten Altfrauenstimme. »Wir würden euren Männern keine Befriedigung verschaffen.«
»Befriedigung?« Er biß ein Stück aus dem Braten auf der Spitze seines Messers. »Befriedigung? Bist du verrückt? Das hat nichts mit Befriedigung zu tun. Ich versichere dir, meine Männer werden an deiner warmen Herzlichkeit Gefallen finden — aber du verstehst hier etwas falsch.«
Er drohte ihnen mit dem Finger. Die fettverschmierten Ringe an seinen Fingern glänzten im Schein der Feuer. »Ihr sechs wart zuerst Schwestern des Lichts, dann Schwestern der Finsternis. Ihr seid vermutlich die mächtigsten Magierinnen auf der Welt. Das soll euch lehren, daß ihr wenig mehr seid als Kot unter meinen Stiefeln. Ich werde mit euch machen, was ich will. Die Menschen, die die Gabe besitzen, sind jetzt meine Waffen.
Das soll euch eine Lehre sein. Ihr habt in dieser Sache nichts zu sagen. Bis ich mich anders entscheide, überlasse ich euch meinen Männern. Wenn sie euch die Finger verdrehen und Wetten abschließen wollen, wer von ihnen euch am lautesten zum Schreien bringen kann, dann werden sie es tun. Wenn sie irgendein anderes Vergnügen von euch wollen, dann werden sie es bekommen. Ihre Geschmäcker sind recht vielfältig, und solange sie euch nicht töten, steht es ihnen frei, ihnen nach Belieben zu frönen.«
Er schob sich den Rest des Fleischbrockens in den Mund. »Jedenfalls, wenn diese Jungs hier mit euch fertig sind. Erfreut euch an meinem Geschenk, Jungs. Tut, was ich sage. Befolgt die Regeln, dann habe ich in Zukunft vielleicht noch Verwendung für euch. Kaiser Jagang behandelt seine Freunde gut.«
Die Seeleute brachen in Jubel für den Kaiser aus.
Ulicia wäre gestürzt, als die Beine unter ihr nachgaben, hätte sich nicht ein Arm um ihre Hüfte gelegt und sie nach hinten gezogen, an den Körper eines Seemannes, der es kaum noch erwarten konnte. Sie roch seinen fauligen Atem.
»Sieh an, sieh an, mein Schatz. Sieht ganz so aus, als würdet ihr schließlich doch noch zum Spielen rauskommen, nachdem ihr so ekelhaft zu uns wart.«
Ulicia hörte sich wimmern. Sie spürte einen dumpfen Schmerz in ihrer Lippe, trotzdem wußte sie, dies war erst der Anfang. Sie war so benommen von dem, was hier geschah, daß sie keinen klaren Gedanken fassen konnte.
»Oh«, meinte Jagang, und alles hielt inne. Er deutete mit dem Messer auf Merissa. »Bis auf diese dort. Die könnt ihr nicht bekommen«, sagte er zu den Seeleuten. Er winkte ihr mit zwei Fingern. »Komm näher, Liebes.«
Merissa ging zwei Schritte auf das Fell zu. Durch die Verbindung konnte Ulicia fühlen, wie ihre Beine zitterten.
»Christabel gehörte ganz allein mir. Sie war mir die Liebste. Aber jetzt ist sie tot, und das nur, weil sie als Lektion für euch dienen mußte.« Er blickte auf die Stelle, wo die Seeleute ihr Kleid bereits zerrissen hatten. »Du wirst ihren Platz einnehmen.«
Er richtete seine trüben Augen auf ihre. »Wenn ich mich recht erinnere, hast du doch gesagt, daß du mir die Füße lecken würdest, wenn du müßtest. Jetzt mußt du.« Auf Merissas überraschten Blick hin setzte Jagang sein tödliches, von den geflochtenen Schnäuzern eingerahmtes Lächeln auf. »Ich habe es dir bereits gesagt, mein Liebes. Du träumst die Dinge, die du im Wachzustand aussprichst.«
Merissa nickte schwach. »Ja, Exzellenz.«
»Zieh das Kleid aus. Du brauchst vielleicht etwas Hübsches für später, wenn ich dir gestatte, Richard Rahl für mich zu töten.« Er sah zu den anderen Frauen hinüber, während Merissa tat, was von ihr verlangt worden war. »Ich werde euch die Verbindung fürs erste lassen, damit ihr die Lektionen spüren könnt, die die anderen erteilt bekommen. Ich möchte wirklich nicht, daß ihr etwas verpaßt.«
Als Merissa ausgezogen war, drehte Jagang das Messer zwischen Daumen und Zeigefinger und zeigte damit nach unten. »Unter den Tisch, Liebes.«
Ulicia spürte den rauhen Fellvorleger an Merissas Knien, und dann den groben Steinfußboden unter dem Tisch. Der Anblick entlockte den Seeleuten ein anzügliches Grinsen.
Durch reine Willenskraft schöpfte Ulicia Kraft und gewann Entschlossenheit aus ihrem Reservoir an Haß für diesen Mann. Sie war die Anführerin der Schwestern der Finsternis. Durch die Verbindung sprach sie zu den anderen. »Wir haben alle das Ritual durchgestanden. Uns ist schon Schlimmeres widerfahren als das hier. Wir sind Schwestern der Finsternis. Denkt daran, wer unser wahrer Herr und Gebieter ist. Im Augenblick sind wir die Sklavinnen dieses Blutsaugers, aber er macht einen großen Fehler, wenn er glaubt, wir hätten keinen eigenen Verstand. Er besitzt keine eigene Macht, außer der, sich unserer zu bedienen. Wir werden uns etwas überlegen, und dann wird Jagang bezahlen. Oh, geliebter Herr und Meister, und wie er bezahlen wird.«
»Aber was sollen wir bis dahin tun?« schrie Armina.
»Ruhe!« herrschte Nicci sie an. Ulicia spürte die tastenden Finger auf Niccis Körper, sie spürte das weiße Glühen ihre Zorns, und sie spürte ihr schwarzes Herz aus Eis. »Merkt euch jedes einzelne Gesicht. Sie alle werden bezahlen. Hört auf Ulicia. Wir werden uns etwas überlegen, und dann werden wir ihnen eine Lektion erteilen, wie nur wir sie uns ausdenken können.«
»Und daß keine von euch wagt, hiervon zu träumen!« warnte Ulicia sie. »Das einzige, was wir uns nicht leisten können, ist zuzulassen, daß Jagang uns tötet. Denn dann ist alle Hoffnung verloren. Solange wir leben, haben wir die Chance, uns die Gunst unseres Herrn und Meisters von neuem zu verdienen. Man hat uns eine Belohnung für unsere Seelen versprochen, und ich habe die Absicht, sie mir zu holen. Seid stark, meine Schwestern.«
»Aber Richard Rahl gehört mir«, zischte Merissa. »Und wer ihn sich an meiner Stelle nimmt, wird sich vor mir verantworten müssen — und vor dem Hüter.« Selbst Jagang wäre angesichts der Gehässigkeit in ihrer Warnung blaß geworden, hätte er sie hören können. Durch die Verbindung spürte Ulicia, wie Merissa ihr dichtes Haar nach hinten aus dem Weg schob. Sie schmeckte dasselbe, was Merissa schmeckte.
»Mit dir bin ich fertig…« Jagang hielt einen Augenblick inne und atmete durch. Er schwenkte sein Messer. »Verschwindet.«
Captain Blake packte Ulicia an den Haaren. »Zeit, die Schulden zu begleichen, Schätzchen.«