Sie schritten durchs Gras und näherten sich langsam dem Heerlager vor dem Burghügel der Königin. Dort waren hunderte von Zelten aufgeschlagen, und neben jedem wehte ein seidenes Banner im Morgenwind. Reiter und Fußkämpfer sammelten sich in der Nähe, und zwischen den Zelten gingen zahlreiche Albenkinder ihren Aufgaben nach.
Alles, was Nuramon hier sah, verwirrte ihn ebenso wie das, was er auf dem Weg hierher gesehen hatte. Seine Gefährten hatten viel Geduld mit ihm. Und dennoch waren ihre Worte so fern …
Irgendetwas war mit ihm während des Zaubers in den Hallen des Devanthars geschehen, etwas, das man ihm auch ansehen konnte. Er hatte sein Spiegelbild in einem Teich betrachtet. Eine Strähne seines Haars war weiß geworden, und er sah älter aus. Doch das war ein geringer Preis für ihre Freiheit.
Bald erreichten sie den Rand des Lagers. Nuramon fühlte sich fremd hier, so als wäre er kein Krieger und hätte nie an einer Schlacht teilgenommen. Doch da waren die Seeschlacht, die zahlreichen Kämpfe an der Seite der Firnstayner und andere Gefechte, die viel weiter zurücklagen … Oder waren sie nur ein Traum?
Nuramon schaute sich um und hoffte, irgendeinen der Krieger hier zu erkennen. Die meisten waren ihm fremd. Zwar hatte er das Gefühl, manche der Gesichter schon einmal gesehen zu haben, aber sie erinnerten ihn mehr an Traumgestalten als an lebende Albenkinder.
Sie kamen an Kentauren vorüber, und Nuramon war es so, als hätte er einst einem Kentauren das Leben gerettet. Oder hatte er es versucht und war gescheitert? Er war sich nicht sicher. Die Kentauren begegneten Mandred mit Anerkennung und neigten ihre Häupter vor ihm.
Je weiter sie ins Lager kamen, desto eindringlicher wurden die Blicke der Krieger. Sie starrten sie an, als wären seine Gefährten und er leibhaftige Alben. Ihre Namen wurden geflüstert, von manchen gar gerufen. Und mit den Namen verbreitete sich die Fassungslosigkeit auf den Gesichtern der Krieger.
Nuramon fühlte sich fehl am Platz. Noch immer hatte er niemanden gesehen, den er kannte. Oder erinnerte er sich einfach nicht? Vielleicht hatte der Zauber in den Hallen des Devanthars ihm einen Teil seines Gedächtnisses geraubt. Oder waren sie so lange fort gewesen, dass viele der Elfen, die er kannte, längst ins Mondlicht gegangen waren?
Die Krieger umringten sie und redeten auf sie ein, doch Nuramon hörte ihnen nicht zu. Er wusste nicht, ob das, was ihn umgab, ein Traum war oder aber die Wirklichkeit. Langsam nur klärte sich sein Geist, und mit einem Mal erinnerte er sich an die Suche nach Noroelle. Die Gedanken an seine Liebste halfen ihm dabei, sein Gedächtnis ein wenig zu ordnen.
Als Nuramon ein Hirschgeweih über den Köpfen der Krieger erblickte, wurde er aufmerksamer für seine Umgebung. Der Träger des Geweihs mochte jemand sein, den er kannte. Und als dieser aus dem Gedränge vor sie trat, wusste Nuramon, dass er sich nicht geirrt hatte.
»Xern!«, rief Mandred.
»Jawohl, Mandred Aikhjarto! Vor dir steht Meister Xern, der immer daran geglaubt hat, dass du zurückkehren wirst.«
Nuramons Erinnerung kehrte zurück. Meister Xern! Also stand Xern in der Nachfolge des Hofmeisters Alvias. Sein Geweih wirkte wie eine Krone und verlieh ihm die Würde eines Vertrauten der Königin.
Farodin schien ebenso erfreut zu sein, Xern wiederzusehen, wie Mandred. »Du bist also Emerelles Vertrauter!«
»Gewiss, und es wird euch nicht überraschen, dass sie euch erwartet. Deswegen ruft sie zum Kriegsrat. Folgt mir!«
Die Worte Xerns verwirrten Nuramon. Dann entsann er sich des Wasserspiegels der Königin. Darin hatte sie seine Gefährten und ihn gewiss kommen sehen.
Sie folgten Xern durch die Reihen der Krieger. Nuramon versuchte den Blicken jener auszuweichen, die ihn neugierig empfingen. Sie waren ihm unheimlich. Was sahen sie wohl in seinen Gefährten und in ihm? Welche Geschichten erzählte man sich über sie? Er konnte so viel Aufmerksamkeit nicht ertragen und wünschte sich beinahe in jene Zeit zurück, da alle ihn verachtet hatten. Denn mit den Blicken waren große Erwartungen verbunden. Und diesen konnte er nicht gerecht werden … zumindest nicht im Augenblick.
Sie erreichten das safranfarbene Zelt der Königin, an dessen Eingang zwei Wachen standen. Davor steckten weiße Steinbrocken einen weiten Kreis im Gras ab. Dies war gewiss der Ort, an dem der Kriegsrat zusammentrat. Hinter jedem der Steine erhob sich eine Stange mit einem der Banner Albenmarks. Direkt am Eingang zum Zelt der Königin stand das Elfenbanner: ein goldenes Ross auf grünem Grund. Daneben wehte die Standarte Alvemers, eine silberne Nixe auf blauem Stoff.
Xern führte sie in die Mitte des Steinkreises. Die übrigen Krieger, die sie neugierig begleitet hatten, wagten es nicht, den Kreis zu betreten. »Ich werde die Königin holen«, sagte Xern und verschwand im Zelt.
Nuramon sah sich die Wappen an. Er kannte sie alle, auch wenn er sich bei vielen nicht sicher war, woher. Das hellblaue Banner von Valemas war ihm in der Oase aufgefallen, und die schwarze Fahne der Trolle mit den weißen, gekreuzten Kriegshämmern kannte er aus der Seeschlacht. Vielleicht hatte er dort auch all die anderen Wappen gesehen. Er bemerkte, dass neben dem Stein, der dem der Königin gegenüberlag, kein Banner stand.
Die ersten Anführer erreichten den Platz. Am auffälligsten war der König der Trolle, der von einem alten Trollweib begleitet wurde. Er setzte sich, während die Alte hinter ihm stehen musste. Mit herrischem Blick musterte er die Elfen rings herum, die ihm selbst jetzt, als er saß, kaum bis zu den Schultern reichten.
»Das ist Orgrim«, flüsterte Farodin mit einer Stimme, die all seine Verachtung ausdrückte.
Mandred ballte die Fäuste und behielt den Troll im Blick. »Dem hab ich noch nicht die Zeche gezahlt«, sagte er leise.
»Dazu wird es wohl nie kommen«, sprach Farodin und starrte dem Trollkönig mit steinerner Miene entgegen.
Nuramon schaute zu dem Stein, hinter dem kein Banner stand. Während um sie herum die Anführer Platz nahmen, blieb der Steinbrocken dort leer. Er musterte all jene, die gekommen waren, und erblickte schließlich ein bekanntes Gesicht. Direkt links neben dem Sitz der Königin stand eine Elfenkriegerin am Banner von Valemas. Sie trug eine helle Tuchrüstung und einen weiten sandfarbenen Mantel. Ihr linkes Auge wurde von einer dunklen Binde verdeckt. Dennoch erkannte Nuramon sie sogleich. Es war Giliath, die Kriegerin, die Farodin einst im neuen Valemas zum Duell gefordert hatte und die sein Gefährte nur mit einer List hatte bezwingen können.
Sie kam ihnen entgegen. »Farodin!«, sagte sie. »Es ist lange her, dass wir uns sahen.«
»Giliath. Ich dachte, alle Freien von Valemas wären…«
»Tot? Nein. Eine Hand voll von uns hat überlebt und den Tjuredanbetern das Leben schwer gemacht.«
»Und ihr seid hierher zurückgekehrt? Hat die Königin sich etwa für das Unrecht, das sie euch antat, entschuldigt?«
Sie lächelte still, antwortete Farodin aber nicht. Stattdessen wandte sie sich an Nuramon. »Wir verdanken einer großen Zauberin, dass wir den Weg nach Albenmark zurückfanden und nun wieder unsere alte Stadt bewohnen. Und der Dank gebührt dir, Nuramon. Du hast in dem Kind der Hildachi etwas Besonderes erkannt und ihr den Namen Yulivee geschenkt. Eine Yulivee hatte uns aus Albenmark fortgeführt, und eine Yulivee führte uns zurück.« Sie fasste Nuramons Hand, und er konnte spüren, wie ihre Finger zitterten. »Sie hat uns alles erzählt.«
»Ist Yulivee hier?«, fragte Nuramon.
Ehe Giliath antworten konnte, trat Xern wieder aus dem Zelt hervor und rief: »Die Königin von Albenmark!«
Giliath drückte Nuramons Hand noch einmal, dann nickte sie Farodin stumm zum Gruß und kehrte unter das Banner von Valemas zurück.
Die Wachen am Zelt der Königin schlugen die Planen am Eingang zurück, und Emerelle trat heraus. Nuramon würde sie nie vergessen. Denn alles verging, nur die Königin blieb. Sie war schön wie eh und je. Wie er sich damals gewünscht hatte, dass sie ihn so sehen könnte wie einen Geliebten! Wann hatte er sich das gewünscht? Er konnte es nicht sagen. Er wusste nur, dass dieses Gefühl nicht mehr bestand. Seine eigenen Gedanken verwirrten ihn.
Als Obilee hervortrat, staunte Nuramon. Die beste Kriegerin der Königin war unverändert. Sie trug die gleiche Rüstung wie an dem Tag der Seeschlacht. Fast schien es, als hätte sie mit seinen Gefährten und ihm die Jahrhunderte übersprungen. Doch anders als damals fand Nuramon nun Freude in ihrem Gesicht. Sie strahlte ihm geradezu entgegen, und nur ihm, nicht etwa Farodin oder Mandred.
Schließlich trat eine Elfe im grauen Zaubergewand aus dem Zelt. War das Yulivee? Diese Frau erinnerte ihn kaum mehr an das Kind, das er nach seinem Empfinden erst vor wenigen Tagen zuletzt gesehen hatte. Ihr dunkelbraunes Haar wellte sich bis auf ihre Schultern, und zwei lange, dicke Zöpfe reichten ihr bis zu den Ellenbogen. An der Seite der Königin trat sie vor und folgte ihr bis zu deren Stein. An ihrem schelmischen Lächeln erkannte Nuramon sie schließlich. So sehr sie sich verändert hatte, das Lächeln war geblieben.
Die Königin nahm auf ihrem Stein Platz, Obilee und Yulivee rechts und links neben ihr. Es verwunderte Nuramon nicht, dass Yulivee sich als Anführerin unter das Banner von Valemas setzte.
Emerelle musterte ihn und seine beiden Gefährten lange, und Unruhe verbreitete sich unter all den Kriegern, die sie umgaben. Erst als sie die Hand hob, kehrte Stille ein. »Willkommen, meine treuen Recken! Nie war Albenmark so glücklich, euch zu sehen!« Die Königin zeigte ihnen das Gesicht einer gütigen Herrscherin. »Ich habe nicht daran gezweifelt, dass dieser Tag kommen werde. So habt ihr den Devanthar vernichtet.«
Farodin nickte vornehm. »Wir haben ihn getötet und seinen Albenstein erbeutet.« Mit diesen Worten holte er den goldenen Edelstein hervor. »Wenn er dir im Kampf gegen die Feinde helfen kann, dann vertrauen wir ihn dir an. Doch du weißt, wozu wir einen Albenstein verwenden würden.«
Die Königin wich kurz ihren Blicken aus. »Ich habe nicht vergessen, dass ihr Noroelle befreien wollt. Und ihr allein dürft entscheiden, was wir mit dem Albenstein tun sollen. Niemand wird euch die Wahl abnehmen. Seit der Seeschlacht herrscht Krieg zwischen uns und den Tjuredpriestern. Ihre Macht ist gewachsen, und sie haben das Land jenseits der Shalyn Falah besetzt. Sie sind sogar schon ins Herzland eingedrungen.«
»Sie haben die Shalyn Falah überquert?«, fragte Mandred empört.
Emerelle antwortete nicht, sondern schaute sich suchend um. Schließlich trat Ollowain aus den Reihen der Krieger hervor. »Nein, Mandred!« Der Hüter der Shalyn Falah wirkte längst nicht mehr so kriegerisch wie einst. Wahrscheinlich hatte er vor kurzem noch in einer Schlacht gefochten. Er trat an die Seite der Königin. Diese bedeutete ihm weiterzusprechen. »Kein Feind hat die Shalyn Falah überschritten. Sie sind an anderer Stelle durchgebrochen.«
»Auf dem Weg, den damals Aigilaos genommen hat?«, fragte der Jarl.
Ollowain blickte zu Boden. »Das ist wahrlich lange her. Aber du hast Recht.«
Die Königin sprach: »Als sich eure Ankunft näherte, gab ich den Befehl, die Feinde mit aller Kraft aus dem Herzland zurückzutreiben.«
Nuramon erinnerte sich an die Landschaft. Die Shalyn Falah führte über eine tiefe Schlucht. Es kostete viele Wegstunden, sie zu umgehen. Dies bot den Verteidigern genügend Zeit, sich aufzustellen.
Emerelle sprach weiter. »Ich habe es getan, damit wir diesen Krieg auf unsere Weise gewinnen können. Wenn ihr drei euch dazu entscheidet, mir euren Albenstein anzuvertrauen, dann werden wir unser Erbe antreten. Wir werden das tun, was die Alben einst getan haben … Albenmark wird für immer von der Anderen Welt getrennt!«
Stille kehrte ein. Nuramon sah, wie sich die Krieger fassungslos anschauten. Die Königin schlug nichts Geringeres vor, als es den Alben gleichzutun! Sie erhob sich nun von ihrem Platz. »Wir haben die Feinde in das Land zwischen der Shalyn Falah und dem Tor des Atta Aikhjarto zurückgedrängt. Doch sie sammeln bereits neue Kräfte, um zurückzuschlagen. Wir erwarten, dass sie mit einem gewaltigen Heer erneut einen Durchbruch ins Herzland versuchen werden. Daher müssen wir unseren Plan baldmöglichst durchführen.«
»Wie lautet der genaue Plan?«, fragte Farodin. »Wie können wir uns von der Anderen Welt lösen?«
»Während unsere Krieger das Herzland verteidigen, gewinnen wir Zeit. Unbehelligt von den Tjuredpriestern, werden die Mächtigen Albenmarks mit den Albensteinen zwei Zauber sprechen. Der erste wird all das Land jenseits der Shalyn Falah für immer von Albenmark trennen. Der zweite Zauber trennt alle Pfade zwischen Albenmark und der Anderen Welt. Dann werden wir frei sein von Tjured und seinen Dienern.« Sie blickte Mandred an. »Und die Fjordländer werden neuen Mut fassen und das Schwert ergreifen, wenn ihr Ahnherr als König zurückkehrt, um mit ihnen einen ewigen Platz in Albenmark zu erkämpfen.«
Mandred wirkte erfreut, doch mehr noch verstört. Er war sich offensichtlich der Tragweite dieser Ehrung bewusst. Nie zuvor hatten Menschen einen festen Platz in Albenmark gefunden, und die Königin bot nun einem ganzen Volk ein solches Geschenk an.
Emerelle wandte sich an Farodin. »Das alles kann jedoch nur geschehen, wenn ihr uns euren Albenstein überlasst.«
»Wir sollen demnach Noroelle aufgeben?«, fragte Farodin.
»Nein, ihr sollt wählen. Ihr könnt den Stein nehmen und zu Noroelle gehen und sie befreien. Oder ihr rettet damit Albenmark. Doch ich warne euch. Manchmal ist die Gefangenschaft besser als die Gewissheit, dass alles, was einst war, verloren ist.«
Nuramon konnte nicht fassen, was die Königin ihnen da vorschlug. Eine Entscheidung zwischen Noroelle und Albenmark! War es wirklich eine Wahl? Sie waren von Kriegern umgeben. Die Königin könnte sich den Albenstein jederzeit einfach nehmen. Nein, sie hatten keine Wahl. Sie konnten nichts anderes tun, als Emerelle den Stein geben. Nuramon tauschte einen Blick mit Farodin. In dessen Gesicht las er Verzweiflung.
Nuramon nickte, und sein Gefährte sprach: »Wir werden dir den Stein überlassen, denn sonst wäre die Freiheit für Noroelle grausamer als die Gefangenschaft. Aber gibt es keinen Weg, Noroelle vorher noch zu retten?«
Die Königin sprach mit bedauernder Stimme: »Nein, denn mein Urteil von einst hat noch immer Bestand.«
Farodin senkte den Kopf. Er schien jede Hoffnung verloren zu haben.
Nuramon war enttäuscht. Das Geschenk, das sie Emerelle und Albenmark brachten, hätte größer nicht sein können, und doch war es der Königin nicht möglich, das Urteil aufzuheben. »Wir haben nur eine Bitte«, sagte Nuramon und merkte, wie schwach seine Stimme war. »Öffne uns einen Pfad in die Andere Welt, ehe die Welten sich trennen. Wir werden einen anderen Weg finden, Noroelle zu befreien.«
»Wenn ihr geht, wird es kein Zurück mehr geben«, erklärte Emerelle.
»Du weißt, wie weit wir für Noroelle gehen würden«, erwiderte Farodin.
Die Königin musterte sie lange. »Nie hat es wohl eine solche Liebe gegeben«, sprach sie dann. »Nun gut. Die Albensteine müssen eine Nacht im Großen Wald an der Felsnadel ruhen. Am Morgen werden wir damit beginnen, die beiden Zauber zu weben. Es wird viele Stunden dauern, bis unser Werk vollendet ist. Die Trennung des Landes jenseits der Shalyn Falah erfolgt dann binnen eines Lidschlags. So mögen wir die Schlacht für uns entscheiden. Die Trennung von der Anderen Welt wird erst einen Tag nach dem Zauber geschehen. Und während dieser Zeit werden die Albensteine ihr Werk allein tun. Ich werde euch eine Pforte öffnen, die in die Andere Welt führt, direkt zum Tor eurer Liebsten.«
»Wir danken dir, Königin«, sagte Farodin und beugte sein Haupt vor Emerelle. Dann trat er vor sie und legte den Albenstein in ihre Hände.
Emerelle hob den goldenen Edelstein in die Höhe und zeigte ihn den Kriegern. »Dies ist der Albenstein des Weisen Rajeemil, der einst in die Andere Welt ging, um deren Geheimnisse zu ergründen. Er fand dort das Mondlicht, doch der Albenstein fiel dem Devanthar in die Hände. Und nun wird dieser Stein den Händen von Valemas anvertraut.« Sie gab den Stein Yulivee.
Die Zauberin nahm den Chrysoberyll entgegen, hatte aber keine Augen für ihn. Sie sprach zur Königin: »Emerelle! Du weißt, wie ich dazu stehe. Ich glaube nicht, dass es uns gelingen wird. Du besitzt einen Stein.« Sie deutete mit einer fließenden Geste zu der Schamanin, die hinter Orgrim stand. »Skanga besitzt einen, und ich halte nun einen weiteren in Händen. Damit können wir das Land jenseits der Brücke entrücken, doch niemals wird es uns mit nur drei Steinen gelingen, Albenmark von der Menschenwelt zu trennen. Wir brauchen mindestens noch einen weiteren … und jemanden, der ihn beherrschen kann.«
»Du hast Recht«, sagte Emerelle und schmunzelte. »Doch es wird einen weiteren Stein geben.« Sie deutete voraus. »Wenn der Platz dort besetzt ist, dann werden wir einen weiteren Albenstein haben. Die Frage ist nur, ob wir dessen Träger dazu bringen können, sich dort niederzulassen.«
»Königin, uns läuft die Zeit davon«, sagte Obilee und erhob sich.
Emerelle schüttelte den Kopf. »Nein, denn die Weisen wissen, wann die richtige Stunde gekommen ist. Es geht nur noch darum, zueinander zu finden.«
Plötzlich ertönte ein Hornsignal, begleitet von Rufen. »Ein feindliches Heer in unserem Rücken!«, klang es rings herum im Lager.
Während sich um sie herum Unruhe erhob, sah Nuramon der Königin in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick gelassen und lächelte. Es gab keinen Zweifel: Wer immer da kam, überraschte die Königin nicht. Emerelle hob die Hand. »Weichet und macht mir den Blick auf die Hügel frei!«, befahl sie.
Die Reihen der Krieger drängten auseinander, und auch Nuramon und seine beiden Gefährten machten der Königin Platz. Ein gewaltiges graues Heer schob sich über die Hügel und Wiesen der Burg entgegen. Banner ragten aus den Reihen der Krieger; sie waren rot und zeigten einen silbernen Drachen.
»Das sind die Kinder der Dunkelalben!«, sprach Nuramon vor sich hin.
Seine Worte verbreiteten sich unter den Kriegern und sorgten für blankes Entsetzen. »Die alten Feinde sind zurückgekehrt!«, hörte er jemanden rufen. »Die Nacht hat sich mit dem Feind verbündet!«, sprach ein anderer. Mandred und Farodin aber bewahrten Ruhe, denn ihnen hatte Nuramon von den Kindern der Dunkelalben erzählt.
Obilee schüttelte den Kopf, offenbar kannte sie das Geheimnis der Zwerge. »Wie konnten sie sich uns so unbemerkt nähern?«, fragte sie.
Die Königin antwortete ihr nicht. »Nuramon!«, rief sie stattdessen. »Hier ist ein Pferd. Du wirst ihnen entgegenreiten und sie im Namen Albenmarks empfangen.«
Xern führte einen Hengst herbei. Es war Felbion. Sein treuer Hengst hatte all die Jahre gewartet! Es wieherte freudig. »Gibt es etwas, was ich in deinem Auftrag sagen soll?«, fragte er und konnte dabei den Blick nur mit Mühe von Felbion abwenden.
»Bring den König dazu, hierher zu kommen! Wie du es erreichst, das liegt bei dir.«
»Wir sollten ihm eine Wache mitschicken«, schlug Ollowain vor.
»Die wird er nicht brauchen«, entgegnete Yulivee und schaute Nuramon stolz an. Er hatte ihr auf der Reise von den Kindern der Dunkelalben erzählt und ihr die Hallen der Zwerge bis ins Kleinste beschrieben.
Nuramon stieg in den Sattel. »Nun, Felbion!«, flüsterte er dem Pferd ins Ohr. »Lass uns sehen, ob du in all der Zeit etwas verlernt hast.«
Das Ross trabte los, und Nuramon spürte dessen unbändige Kraft. Doch kaum hatte er das Heerlager hinter sich gelassen, überkam ihn ein Gefühl von Demut. Er ritt allein einer gewaltigen Streitmacht entgegen! Es waren gewiss mehr als zehntausend Krieger, die ihm entgegenkamen. Sie marschierten in Formation, wie sie es im Drachenkampf zu tun pflegten; Schilde schützten sie zu allen Seiten. Im Zentrum des Heeres gab es Speerträger, deren Waffen wie Bäume aus den Reihen herausstachen. Dort war gewiss der König, sein Freund Wengalf, mit dem er einst so viele Abenteuer erlebt hatte. Nie würde er den Kampf gegen den Drachen Balon vergessen, all den Schmerz, den er erlitten hatte, und den Augenblick … seines Todes.
Mit einem Schlag war Nuramon klar, was ihn so verwirrte … was mit ihm geschehen war. Der Zauber in den Hallen des Devanthars hatte nichts ausgelöscht, sondern die Pforte zu seiner Erinnerung aufgetan. Das war es! Doch alles war so ungeordnet. Ihm schien es so, als hätte sich der Kampf gegen den Drachen auf dem Weg zum Orakel Dareen ereignet. Obwohl es unmöglich war, schien es ihm so, als hätte er im Tal der Zwerge mehrere hundert Jahre verbracht, ehe er mit Alwerich auszog, um zum Orakel zu reisen. Es ergab alles keinen Sinn, es passte nicht zusammen.
Der Damm, der das Wissen um die Vergangenheit zurückgehalten hatte, war gebrochen, und nun ergossen sich all die Erinnerungen seiner früheren Leben über jene, die sich in diesem Leben angesammelt hatten.
Wie war es früher gewesen? Wann war er mit den Zwergen ausgezogen? Als Nuramon sich diese Frage stellte, entsann er sich des Tages, an dem er Alwerich kennen gelernt hatte. Er war ein junger Zwerg gewesen, der in einer Schlucht in den Ioliden gestürzt war und sich das Bein gebrochen hatte. Nuramon hatte ihn gefunden und ihn gerettet. Seither waren sie Freunde und hatten viel miteinander erlebt. Alwerich hatte ihn zu den Zwergen geführt, und dort war er König Wengalf begegnet. Das war lange her, sogar lange bevor er mit den Zwergen Albenmark verlassen hatte.
Nuramon erinnerte sich an einen Blick von den Gipfeln der Ioliden zu Alaen Aikhwitan, an Kämpfe gegen Bestien tief in den Höhlen des alten Aelburin, an die riesigen Schmieden in den hellen Hallen der Zwerge, an Jagdzüge in den Tälern und an vieles mehr. Die Erinnerungen stürzten ihn in ein Wechselbad der Gefühle, ohne dass er in der Lage war, ihnen eine Ordnung aufzuzwingen. Denn ehe er sich versah, verlangsamte Felbion seinen Tritt. Das Heer der Zwerge war zum Stehen gekommen. Eine kleine Gruppe, die von Wachen und Bannerträgern umringt wurde, löste sich aus der Mitte der vordersten Marschreihe und kam ihm entgegen.
Nuramon stieg ab und lief vor dem Pferd den Zwergen entgegen. Er erkannte Wengalf, Alwerich und Thorwis sogleich, auch wenn sie gealtert waren.
König Wengalf bot eine prachtvolle Erscheinung. Er trug ein goldenes Kettenhemd und einen goldenen Helm, auf dem sich Runen zu einer Krone schlängelten. Alwerich war in einen glänzenden Eisenpanzer gekleidet und hatte eine Axt geschultert, die Nuramon noch gut in Erinnerung war. Ein völlig anderes Bild bot Thorwis, der ganz in eine schwarze Robe gewandet war, auf die mit dunkelgrauem Faden Schriftzeichen aufgestickt waren. Sein weißes Haar und der lange Bart bildeten einen starken Kontrast zur Farbe seines Gewandes. Die drei Zwerge wirkten wie Gestalten aus den großen Heldenepen, und auch die Wachen waren auf das Beste gerüstet. Es konnte keinen Zweifel geben: Die Zwerge hatten sich lange auf diesen Tag vorbereitet.
Der König gab seinen Wachen ein Zeichen, und sie blieben stehen, wo sie waren. Nur Alwerich und Thorwis traten gemeinsam mit ihm näher.
»Nuramon! Dich zu sehen, am Ende des Zeitalters, das rührt ein altes Zwergenherz«, sprach Wengalf.
»Auch ich bin froh, euch alle wiederzusehen«, entgegnete Nuramon.
»Und? Hast du dein Gedächtnis gefunden?«
»Ich erinnere mich an unseren Kampf mit dem Drachen.«
Wengalf nickte stolz. »Emerelle hat gut daran getan, dich zu uns zu schicken.«
»Du sollst uns willkommen sein, mein Freund«, sagte Nuramon.
»Willkommen?« Er blickte an ihm vorbei. »Nun, wenn ich die Streitmacht sehe, die sich dort sammelt, dann scheinen wir nicht so willkommen zu sein, wie du es sagst.«
Nuramon blickte über die Schulter. Tatsächlich war vor dem Lager die Reiterei aufgezogen. »Mach dir keine Sorgen. Es ist nur so, dass sie die Kinder der Dunkelalben fürchten. Nur wenige wissen um eure wahre Geschichte.«
»Und offenbar glauben sie, wir hätten Angst vor Pferden«, warf Thorwis ein. »Die werden sich wundern, wie sehr sich die Zeiten ändern können!«
Nuramon erinnerte sich an seinen letzten Besuch bei den Zwergen. Alwerich und seine Gefährten hatten schon einen gewissen Respekt vor Felbion gezeigt. »Sie stehen nicht dort, um euch anzugreifen, Wengalf.«
»Wenn sie wollen, dass wir ihnen beistehen, dann sollten sie uns freies Geleit zum Feind geben.«
Thorwis mischte sich ein. »Der Orakelspruch Dareens führt uns hierher. Hier soll die letzte Schlacht dieses Zeitalters geschlagen werden, und kein Zwerg soll in der Anderen Welt oder der Zerbrochenen Welt zurückbleiben.«
»Wir sind nicht gekommen, um uns der Königin zu unterwerfen«, setzte Wengalf nach.
»Ich weiß nichts von irgendwelchen Zeitaltern«, erwiderte Nuramon mit freundlicher Stimme. »Ich weiß nur, dass unsere einzige Hoffnung darin besteht, Verbündete zu sein. Die Königin hat die Träger der Albensteine um sich gesammelt. Sie wünscht sich, ihr würdet euch uns anschließen.«
Wengalf tauschte einen langen Blick mit Thorwis. Dann sprach er: »Nuramon, wir sind Freunde. Und ich will dich eines fragen: Können wir der Königin vertrauen?«
Das war eine schwierige Frage. »Das kann ich euch nicht beantworten. Doch ich kann euch sagen, dass meine Gefährten und ich einen Albenstein besaßen. Mit diesem hätten wir meine Geliebte befreien können. Und doch haben wir ihn Emerelle überlassen.«
Wengalf winkte Thorwis beiseite. »Entschuldige uns!«, sagte er und ließ Nuramon mit Alwerich stehen. Er hätte gern gewusst, was sie miteinander sprachen, doch so wandte er sich an Alwerich. »Wie ist es dir ergangen, Freund?«, fragte er. »Hast auch du deine Erinnerung gefunden?«
Der Zwerg lächelte. »Ja. Und was ich fand, war viel mehr, als ich durch meine Bücher erfahren konnte. Nun, da du dich auch erinnerst, möchte ich dir danken für all die Male, die du mir das Leben gerettet hast.«
Nuramon ging in die Hocke und legte Alwerich die Hand auf die Schulter. »Verzeih mir, aber ich bin noch sehr durcheinander. Doch ich sehe den Tag klar vor mir, an dem ich dich in der Schlucht fand. Ich habe dich geheilt. Und ich erinnere mich an Solstane, und wie glücklich sie war, dich unversehrt zu sehen. Wo ist Solstane?«
»Sie und die anderen warten in den alten Hallen auf unsere Rückkehr … auf die eine oder andere Weise.«
»Lebendig wäre ihr gewiss lieber.«
»Du kennst uns ja. Der Tod bedeutet uns noch weniger als den Elfen. Besonders wenn man die große Erinnerung errungen hat.«
Wengalf und Thorwis kehrten zurück. »Wenn du und deine Gefährten so selbstlos seid, den Albenstein für eine größere Sache zu opfern«, hob der König an, »dann werden wir Zwerge nicht zurückstehen. Es soll nicht an uns scheitern. Führe uns zu Emerelle! Sei uns ein guter Freund und deiner Königin ein treuer Diener!«
»Dann folgt mir!«, sagte Nuramon und wandte sich um. Felbion aber flüsterte er zu: »Lauf voraus!«, und sogleich lief das Ross los.
Wengalf gab den Befehl, dass das Heer warten solle, ebenso die Leibwache des Königs. Der Anführer der Garde sträubte sich, doch Wengalf blieb hart. »Keine Wache! Nur Thorwis und Alwerich sollen mich begleiten. Drei Zwerge, von einem Elfen geführt!« Er winkte Alwerich herbei. »Nimm dir das Banner!«
Einer der Bannerträger des Königs reichte Alwerich sein Feldzeichen.
»Die sollen genau sehen, mit wem sie es zu tun haben«, erklärte Wengalf.
Seite an Seite machten sie sich auf den Weg. Und wieder überkam Nuramon ein merkwürdiges Gefühl. Diesmal schritt er zu Fuß auf die Reiterei der Elfen zu. Und obwohl er wiederum keinen Angriff erwartete, war es beeindruckend, solcher Macht entgegenzutreten. Seine Begleiter schienen keine Angst zu kennen. Als wären sie auf einem Spaziergang, fragte Wengalf ihn: »Wie ist es dir ergangen, mein Freund?«
Nuramon erzählte in aller Kürze, was seit dem Abschied von Alwerich geschehen war. Er berichtete von seinen Jahren in Firnstayn, von der Suche nach dem Albenstein, von Iskendria und Yulivee und schließlich von der Seeschlacht und dem Kampf gegen den Devanthar.
»Bei allen Hallen der Alben!«, rief Wengalf. »Was für Abenteuer! Da wäre ich gern dabei gewesen.« Er klopfte Nuramon gegen den Arm. »Aber in der Schlacht, die uns bevorsteht, haben wir gewiss genügend Gelegenheit, Seite an Seite zu kämpfen.«
»Solange es nicht so endet wie beim Kampf mit dem Drachen!«
Schon näherten sie sich den Reitern, und Nuramon konnte sehen, mit wie viel Ehrfurcht die Krieger die Zwerge betrachteten. Und als sie wenige Schritt vor den Pferden stehen blieben, wurden die Reiter unruhig.
Nuramon rief: »Dies ist Wengalf von Aelburin, König der Zwerge, der in der Anderen Welt sein neues Reich Aelburin gründete, um heute nach Alt-Aelburin zurückzukehren. An seiner Seite steht Alwerich, Bezwinger des Höhlenwurms! Und dies ist Thorwis, das erste Kind der Dunkelalben!« Nuramon wunderte sich über seine eigenen Worte. Es stimmte. Alwerich hatte einst den Höhlenwurm erschlagen. Nuramon war selbst dabei gewesen. Und es entsprach ebenso der Wahrheit, dass Thorwis der älteste Zwerg war und aus einer Zeit stammte, da die meisten Zwerge noch ins Mondlicht gegangen waren.
Die Reihen der Reiter öffneten sich und boten einen Weg zu den Kriegern des Lagers, die nun ihrerseits eine breite Gasse bis vor das Zelt der Königin schufen. Entschlossen ließ Nuramon die Zwerge vorangehen und freute sich an all den bewundernden Blicken, die seinen Freunden zuteil wurden.
Schließlich blieben sie etwa zehn Schritt vor der Königin stehen. Nuramon trat vor und machte eine Verbeugung. »Meine Königin, ich bringe dir einen Gast und vielleicht einen Verbündeten.«
»Ich danke dir«, sprach Emerelle mit sanfter Stimme.
Nuramon machte für die Zwerge Platz.
Wengalf trat vor, gefolgt von seinen beiden Gefährten.
Die Königin blickte hinauf zum Banner, das Alwerich an der Stange trug. »Wengalf von Aelburin! Es ist lange her, dass wir uns zuletzt sahen.«
»Und wir sind nicht im Guten auseinander gegangen«, sagte der Zwerg, ohne der Königin die geringste Ehrerbietung zu erweisen. Er zeigte allen, dass er ein König und damit Emerelle ebenbürtig war.
Die Königin saß auf ihrem Stein und war so fast auf gleicher Augenhöhe mit Wengalf. »Dann müssen wir die richtigen Worte suchen, um wieder zusammenzufinden.«
»Es führt nur ein Weg dahin.«
»Ich weiß, und ich kann dir nur das Gleiche sagen, was ich König Orgrim sagte. Ein neues Albenmark wird entstehen, wenn diese letzte Gefahr gebannt ist. Und in diesem Albenmark wird es genügend Platz für Trollkönige, Elfenköniginnen und auch für den König der Zwerge geben.«
»Wenn das die Zukunft ist, dann sieh in uns deine Verbündeten.« Wengalf blickte zu Thorwis, und der Zauberer trat an seine Seite. »Wir werden dich in deinem Zauber unterstützen.«
Thorwis holte einen Stein aus den Falten seines Gewandes hervor. Es war ein Bergkristall, durch den sich fünf schwarze Fäden zogen. Der Albenstein der Zwerge! »Wir danken dir, dass du deinen Schwur gehalten hast«, sprach der Zauberer.
»Ich habe niemandem gesagt, dass ihr einen Stein besitzt. Auch wenn ich gestehen muss, Andeutungen gemacht zu haben, als ich wusste, dass ihr kommen würdet.«
»Was ist dein Plan, Emerelle?«, fragte nun Wengalf.
Die Königin wiederholte noch einmal, was sie zuvor gesagt hatte: dass ein Zauber das Land jenseits der Shalyn Falah abtrennen sollte und ein zweiter ganz Albenmark von der Anderen Welt. Thorwis und Wengalf hörten sich die Worte der Königin aufmerksam an. »So soll es geschehen!«, rief Wengalf. »Mein Heer wird an der rechten Flanke stehen, zwischen dem Ende der Schlucht und dem Wald, sofern sich das Land nicht verändert hat.«
»Es ist noch so, wie du es in Erinnerung hast. Doch die Menschen kommen in Massen. Allerdings werdet ihr nicht allein kämpfen müssen.« Die Königin blickte über die Zwerge hinweg. »Mandred!«, rief sie dann.
Der Jarl trat vor, und die Zwerge sahen ihn neugierig an. Nuramon hatte ihnen von Mandred erzählt.
»Wir brauchen die Mandriden in diesem Kampf. Du musst zu den deinen gehen und sie wachrütteln, auf dass sie morgen an der Schlacht teilnehmen.«
Mandred nickte ernst. »Das werde ich tun, Emerelle!«
»Farodin!«, sprach die Königin, und Nuramons Gefährte trat vor und verbeugte sich. »Du wirst an Ollowains und Giliaths Seite die Shalyn Falah verteidigen. Ich werde dir meine Leibwache unterstellen, die du nun befehligen sollst.« Sie schaute hinüber zu Orgrim. »Und die Trolle werden euch unterstützen, denn sie sind einst selbst gegen die Brücke angelaufen. Wenn Verteidiger und einstige Angreifer vereint sind, wird die Shalyn Falah halten.«
»Ich danke dir, Königin«, sagte Farodin tonlos.
Emerelle richtete ihren Blick auf Nuramon. »Und nun zu dir! Ich möchte, dass du die Elfen anführst, die an der Seite der Zwerge kämpfen.«
»Anführen?«, fragte Nuramon.
»Schwertkämpfer und Reiter aus Alvemer und die Bogenschützen Nomjas sollen dir zur Verfügung stehen, ebenso die Krieger deiner Sippe.«
»Ich danke dir, Emerelle«, hörte sich Nuramon sagen. Doch er sah sich nicht als Anführer. Farodin war dazu geschaffen, oder Obilee, Ollowain und Giliath. Er war gewiss nicht der Richtige, solche Verantwortung zu tragen.
Die Königin wandte sich wieder an Wengalf. »Ich bitte dich, Wengalf… König von Aelburin. Nimm den Platz ein, der dir in dieser Runde zusteht. Damit schließt sich der Schicksalskreis, und wir sind bereit für den Sturm, der dieses Zeitalter beenden wird.«
Stille kehrte ein, während der König der Zwerge mit Thorwis und Alwerich zu dem Stein ging, der dem der Königin gegenüberlag. Dort angekommen, verharrte er und sah in die Runde. Er gab Alwerich ein Zeichen, und dieser rammte mit aller Kraft die Stange des Banners in den Boden, als der König sich setzte.
Jubel erhob sich im Lager, wie Nuramon ihn unter Albenkindern selten vernommen hatte. Die Elfen jauchzten, die Kentauren wieherten, die Trolle grölten und Mandred … Mandred grölte ebenfalls.