Mandred hatte sich die Enterbrücke hinaufgekämpft. Er und die Mandriden waren bis auf das Vorderkastell der Kogge vorgestoßen. Wie ein Turm überragte es den Bug des feindlichen Schiffes. Nur zwei Treppen führten vom Hauptdeck hier herauf. Die Stellung war leicht zu halten. Doch die Feinde hatten einen Schildwall gebildet und schon zwei ihrer Angriffe zurückgeschlagen.
Wütend stürmte Mandred ein drittes Mal vor. Seine Axt hämmerte in Schilde und durchschnitt Kettenhemden. Die Mandriden hielten respektvoll Abstand, wenn er die Waffe schwang. Doch ganz gleich, mit welcher Wucht er vorstürmte, sofort schlossen sich die Reihen wieder. Schwerter zuckten durch die Lücken oder über Schildränder. Blitzschnell wie Vipern sprangen sie hervor. Die Ordensritter waren erfahren darin, auf diese Weise zu kämpfen, und sie gaben keinen Fußbreit Boden preis. Ein Stich traf Mandred über der Hüfte. Warmes Blut rann ihm das Bein hinab. Gedeckt durch die Schilde der Mandriden, zog er sich auf das Vorderkastell zurück.
Niedergeschlagen blickte er über das Schanzkleid. Zwischen dem Flaggschiff der Königin und der großen Kogge trieb eine kleine Galeere. Offenbar hatte sie herbeieilen wollen, um die Mannschaft Emerelles zu verstärken. Niemand lebte mehr an Bord. Krieger und Ruderer lagen zusammengesunken an Deck: Opfer des verfluchten Tjuredpriesters!
Es war zum Verzweifeln. Auch die Schlacht um die aneinander geketteten Langboote schien nicht gut zu stehen. Fjordländer und Elfen hatten fast ihre letzten Reserven in die Schlacht geworfen. Der Nachschub der Ordensritter hingegen schien unerschöpflich. Ganz gleich, wie viele Krieger sie verloren, die Lücken in ihren Reihen schlossen sich sofort wieder.
Liodred kam an seine Seite. »Bist du verletzt?«
»Nur ein Kratzer!«, brummte Mandred. Er log seinen Nachkommen an. Die Wunde brannte, als hätte ihn nicht ein Schwert, sondern ein glühender Schürhaken getroffen. »Es sind zu viele Gegner! Wir müssen uns darauf beschränken, das Vorderkastell zu halten.« Er blickte zurück zu einem jungen Mandriden, der erschöpft am Schanzkleid lehnte und über das Schiff der Königin hinweg das Geschehen auf den Langschiffen verfolgte.
»Werden sie Verstärkung zu uns durchbringen?«, fragte Mandred.
»Nein! Sie stecken in schweren Abwehrkämpfen. Die Ordensritter greifen auf ganzer Front an!«
»Verdammt!«
Mandred blickte zum Hauptdeck der Kogge. Die Feinde hatten sich neu formiert und griffen nun ihrerseits wieder an. Todesmutig stürmten sie die beiden Treppen zum Vorderkastell. Ein hünenhafter Ritter führte sie auf der linken Seite an. Er rammte den Mandriden zu Boden, der sich ihm in den Weg stellte. Seine Klinge schlitzte die Kehle des jungen Kriegers auf. Mit Schildstößen schaffte er sich Platz und fasste Fuß auf dem Vorderkastell. Sogleich drängten weitere Ritter nach.
Mandred warf sich nach vorn. Er verabscheute diese Art des Kampfes. Dicht eingekeilt im Gedränge blieb kein Platz, mit seiner Axt auszuholen. Nur wenn er sie über den Kopf hob, konnte er ihre ganze Kraft ausnutzen. Doch dazu würde er sich nicht verleiten lassen. Dann wären Brust und Bauch ungeschützt, und er müsste schmerzhaft erfahren, wie geschickt die Ritter mit ihren Kurzschwertern waren. Verbissen beschränkte er sich darauf, mit dem kurzen Stoßdorn seiner Axt anzugreifen. Er rammte ihn in den Schild des Kriegers vor sich. Der Ritter schrie auf. Mandred hatte sein Ziel getroffen, den Arm, der hinter dem Holz mit Lederbändern festgelascht war. Der Ordenskrieger ließ den Schild kurz sinken. Es war nur ein Augenblick, doch lange genug, um ein zweites Mal mit der Axt zuzustoßen. Knirschend drang der Dorn durch den Sehschlitz des Vollhelms.
Die Lücke nutzend, griff er den Mann links an, der nun nicht mehr durch den Schild seines Kameraden gedeckt wurde. Der Krieger riss sein Schwert hoch, um den Hieb zu parieren, doch der Wucht des Angriffs hatte er nichts entgegenzusetzen, und Mandreds Axt grub sich ihm in die Brust.
Der Jarl war fast bis zum Schanzkleid vorgedrungen. Auf dem Hauptdeck zwischen den Reihen der Krieger erblickte er den Priester. Er war etwa zehn Schritt entfernt. Sein nachtblaues Gewand wehte im Wind. »Vorwärts!«, rief er in der Sprache von Fargon. »Wir müssen weiter! Sonst flieht die Dämonenkönigin!«
Die Ordensritter stürmten entschlossen die beiden Treppen zum Vorderkastell. Noch immer hielt sich der hünenhafte Ritter neben dem Treppenaufgang. Zwei tote Mandriden lagen zu seinen Füßen.
Mandred blickte noch einmal hinab zum Hauptdeck. Es war unmöglich, an den verfluchten Priester heranzukommen. Zehn Schritt! Zehn Schritt, und alles wäre gewonnen! Doch dazu müsste er auf das Schanzkleid steigen und mitten in die Feinde dort unten springen.
Der Jarl duckte sich unter einem Schwerthieb weg und hämmerte seinem Gegner am Schild vorbei die Axt ins Knie. Schreiend ging der Mann zu Boden und versuchte, Mandred sein Schwert in die Leiste zu rammen. Mandred trat gegen den Schild, sodass dem Ritter die eisenbeschlagene Kante gegen den Helm schlug. Sein Kopf wurde zurückgerissen, und Mandred rammte ihm den Dorn der Axt in die Kehle.
Sofort blickte der Jarl wieder auf. Wenn er über das Schanzkleid sprang, dann wäre das sein Tod. Aber vielleicht konnte er mit seinem Leben der Königin die Flucht erkaufen und Albenmark und das Fjordland retten.
Der Priester hatte die Arme erhoben. Er begann wieder zu zaubern! Mandred blickte zurück. Das letzte Mal war der Priester mindestens zehn Schritt weiter hinten gewesen. Emerelle stand nun im Todeskreis!
Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Der hünenhafte Ordensritter hatte sich zu ihm vorgekämpft. Mandred wich zurück. Das Schwert des Ritters schrammte über sein Kettenhemd. Der Schlag hatte tief gesessen und sein Schienbein getroffen. Ein Schildstoß warf ihn zurück. Hände griffen nach ihm und zerrten ihn in den Schutz des Schildwalls der Mandriden. Jetzt war das Schanzkleid unerreichbar. Er hätte springen sollen!