Sie stiegen von den Terrassengärten hinab ins Innere der Schleusenanlagen und Dämme von Capaal. Aus dem grauen Licht eines Nachmittags, der schnell in die Dämmerung überging, liefen sie die Treppenfluchten und Gänge hinab, die sich tief in Fels und Holzwerk wanden. Schatten drängten sich um kleine Flecke schummrigen Lichts, das die Flammen der Öllampen verströmten, die von eisernen Haken herabhingen. Die in dem massiven Gestein stehende Luft war schal und feucht. Durch die Stille, die in den unteren Stockwerken herrschte, klang das ferne Rauschen von Wassern, die durch die Schleusen flössen, und das tiefe Stöhnen großer Räder und Hebel. Verschlossene Türen tauchten auf und verschwanden wieder, als die Vier tiefer hinab vordrangen, und sie hatten das Gefühl, als läge irgendwo eine wilde Bestie gefangen, die auf die Geräusche der Schleusen und ihrer Mechanik erwacht war und auszubrechen versuchte.
Auf diesen tiefen Etagen der Festung begegneten ihnen wenige Zwerge. Als Waldvolk, das die großen Kriege dadurch überlebt hatte, daß es sich in die Erde eingegraben hatte, waren die Zwerge vor langer Zeit wieder aus ihrem unterirdischen Gefängnis ans Sonnenlicht aufgetaucht und hatten sich geschworen, nie wieder zurückzugehen. Ihr Abscheu vor dunklen, engen Räumen war den anderen Völkern bekannt, und sie vermochten solche Abgeschlossenheit nur unter Schwierigkeiten zu ertragen. Die Schleusen und Dämme von Capaal waren lebensnotwendig für sie, regulierten sie doch die Strömung des Silberflusses nach Westen in ihre Heimat, und folglich brachten sie das Opfer — jedoch niemals für lange Zeit und nicht häufiger als unbedingt nötig. Kurzen Arbeitseinsätzen zur Überprüfung der Maschinen, die sie für ihre Zwecke errichtet hatten, folgte jeweils hastige Rückkehr in die Welt von Licht und Luft oben.
So kam es, daß die wenigen Gesichter, denen die vier Gefährten auf dem Weg nach unten begegneten, einen Ausdruck stoischer Gelassenheit vermittelten, der kaum ihre anhaltende tiefe Abneigung für diese widerlichste aller Pflichten verbergen konnte.
Elb Foraker war nur eine Spur davon anzumerken, doch er ertrug sein Unbehagen mannhaft. Das grimmige, dunkle Gesicht war nach vorn, dem Labyrinth der Gänge und Treppenfluchten, gewandt, und sein kräftiger Körper wirkte aufrecht und zielstrebig, als er seine Begleiter durch Lampenschein und Dunkelheit auf den Lagerkeller zuführte, der noch weiter unten lag. Unterwegs erzählte er Jair und Edain Elessedil die Geschichte der Mwellrets.
„Sie waren eine Spezies von Trollen“, erklärte er am Anfang seiner Schilderung. „Die Trolle hatten die Großen Kriege auf der Erde überlebt, wo sie den schrecklichen Auswirkungen der Energien ausgesetzt waren, welche jene Kriege freigesetzt hatten. Als Mutanten der Männer und Frauen, die sie einst gewesen waren, hatten sie andere Gestalt angenommen und Haut und Körperorgane den entsetzlichen Lebensbedingungen, welche die Großen Kriege fast auf der gesamten Erdoberfläche geschaffen hatten, angepaßt. Die Nordland-Trolle hatten im Innern der Berge überlebt, waren groß und kräftig und ihre Haut war zäh geworden, so daß sie schließlich wie rauhe Baumrinde aussah. Doch die Mwellrets waren Nachfahren von Menschen, die in Wäldern zu überleben versucht hatten, welche die Großen Kriege mit verseuchtem Wasser und Entlaubungsmitteln in Sümpfe verwandelt hatten. Die Mwellrets nahmen in der Folgezeit Charakteristika von Wesen an, für die das Überleben im Sumpf ganz natürlich war, und erhielten dabei das Aussehen von Reptilien. Wenn Spinkser sie Echsen nannte, so beschrieb er sie wahrheitsgemäß nach ihrem jetzigen Äußeren — wo früher Haut gewesen war, trugen sie nun Schuppen. Arme und Beine waren kurz und krallenbewehrt, ihre Körper gelenkig wie die von Schlangen geworden.
Aber es bestand noch ein größerer Unterschied zwischen den Mwellrets und den anderen Arten von Trollen, die die dunklen Winkel der Vier Länder bevölkerten. Das erneute Voranschreiten der Mwellrets auf der Zivilisationsleiter war schneller erfolgt und von einer eigentümlichen und erschreckenden Fähigkeit zur Gestaltwandlung gekennzeichnet. Das Überleben hatte an die Mwellrets wie an alle anderen Trolle schreckliche Anforderungen gestellt; bei ihrem Lernprozeß der Geheimnisse des Überlebens hatten sie körperliche Veränderungen durchgemacht, die sie befähigten, ihre äußere Gestalt mit der Geschmeidigkeit von öligem Ton zu verändern. Zwar war ihre Kunst, ihre grundlegenden Charakteristika zu tarnen, weniger entwickelt, sie vermochten jedoch alle Körperteile zu verlängern oder zu verkürzen und konnten sich den Gegebenheiten jeder Umgebung, in der sie sich befanden, anpassen. Es war nur wenig darüber bekannt, wie dieser Gestaltwandel vonstatten ging. Es genügte das Wissen, daß es möglich war und daß die Mwellrets die einzigen Geschöpfe darstellten, die diese Kunst beherrschten.
Nur wenige außerhalb des Ostlandes wußten überhaupt von den Mwellrets, denn sie waren ein einsiedlerisches, abgeschiedenes Volk, das sich selten aus dem Schutz des unteren Anar hinauswagte. Keine Mwellrets hatten sich zu Zeiten der Ratsversammlungen auf Paranor sehen lassen. Keine Mwellrets hatten in den Kriegen der Rassen mitgekämpft. Sie lebten zurückgezogen in ihrer dunklen Heimat aus Wäldern, Sümpfen und Bergen.
Das hieß, außer was das Gnomen-Volk anbelangte. Nach dem Ersten Rat von Paranor, also vor über tausend Jahren, waren Mwellrets aus Sümpfen und zerstörten Wäldern in die bewaldeten Höhen vom Rabenhorn gezogen. Sie hatten die feuchten, fauligen Sümpfe des Tieflands jenen Geschöpfen überlassen, mit denen sie diese Gebiete seit der Zerstörung der alten Welt geteilt hatten, und waren ins höher gelegene Waldland gewandert, das von zerstreuten Gnomenstämmen bewohnt war. Die Gnomen waren ein abergläubisches Volk und fürchteten sich entsetzlich vor diesen Wesen, die ihre Gestalt wechseln konnten und anscheinend die schwarze Magie beherrschten, welche mit dem Erscheinen der Druiden aufgetaucht war. Zu jener Zeit machten sich die Mwellrets diese Ängste zunutze, um ihre Macht über die im Rabenhorn lebenden Stämme zu festigen. Mwellrets rissen die Rolle von Häuptlingen an sich, die Gnomen wurden zu Sklaven unterdrückt.
Anfangs bäumten sie sich noch gegen diese Kreaturen auf — diese Echsen, wie sie genannt wurden —, doch nach einiger Zeit brach aller Widerstand zusammen. Die Gnomen waren nicht stark und nicht organisiert genug, um sich erfolgreich zu widersetzen, und einige wenige abschreckende Beispiele, was man mit jenen anstellte, die sich nicht unterwerfen wollten, hinterließ bei den anderen einen nachhaltigen Eindruck. Unter der Knute der Mwellrets wurde die Festung von Graumark erbaut — eine massive Zitadelle, von der aus die Echsen die Stämme der umliegenden Region regierten. Jahre vergingen, und das ganze Rabenhorn geriet unter die Herrschaft der Mwellrets. Die Zwerge im Süden und die Gnomenstämme im Westen und Norden hielten sich von den Bergen fern, und die Mwellrets zeigten sich ihrerseits nicht geneigt, sich aus ihrer neu eroberten Heimat hinauszuwagen. Mit dem Auftauchen des Dämonen-Lords im Zweiten Krieg der Rassen kam ein Gerücht auf, es bestünde ein Abkommen mit den Echsen, daß diese dem Finsteren Herrscher eine Anzahl ihrer Gnomen-Untertanen zur Verfügung stellten — doch niemand konnte diese Behauptung jemals belegen.
Mit dem Ende des fehlgeschlagenen Dritten Krieges der Rassen — in dessen Verlauf Shea Ohmsford auf die Suche nach dem sagenumwobenen Schwert von Shannara gezogen und der Dämonen-Lord vernichtet worden war — hatten die Mwellrets unerklärlicherweise begonnen auszusterben. Alter und Krankheiten reduzierten ihre Zahl, und es gab nur wenige Geburten. Somit schwand allmählich auch ihre Macht über die Gnomenstämme im Rabenhorn. Stück für Stück bröckelte von ihrem kleinen Reich ab, bis es schließlich nur noch aus Graumark und den wenigen Stämmen bestand, die in diesem Teil der Welt lebten.
Und nun hat es den Anschein, als seien sie von dort zurückgetrieben worden in die Sümpfe, die sie herv orbrachten“, schloß Foraker seine Erzählung. „Welche Kräfte sie auch besitzen mögen, den schwarzen Wandlern haben sie damit nichts entgegenzusetzen. Wie die Gnomen, die sie einst beherrschten, würden sie zu Sklaven werden, wenn sie in den Bergen blieben.“
„Es wäre besser, sie wären ganz vom Antlitz der Erde ausgelöscht worden!“ warf Spinkser verbittert ein. „Sie verdienen es nicht besser!“
„Besitzen sie tatsächlich die Macht der schwarzen Magie?“ erkundigte sich Jair.
Foraker zuckte mit den Schultern. „Ich habe es nie miterlebt. Ich denke, ihre Kraft liegt im Gestaltwandel. Ach, es gibt Geschichten, auf welche Weise sie die Elemente beeinflussen können — Wind, Luft, Feuer, Erde und Wasser. Vielleicht ist daran sogar etwas Wahres, weil sie einfach ein Verständnis dafür entwickelt haben, wie die Elemente auf gewisse Dinge reagieren. Doch es ist weitgehend Aberglaube.“
Spinkser murmelte etwas Unverständliches und warf Jair einen finsteren Blick zu, der besagte, daß er nicht völlig konform mit dem Zwerg ging.
„Dir wird nichts geschehen, Ohmsford.“ Foraker lächelte ernst. Er hob die dunklen Brauen. „Wäre er töricht genug, innerhalb dieser Mauern die schwarze Magie anzuwenden, wäre er schneller tot, als du mit der Wimper zucken kannst!“
Vor ihnen fiel plötzlich Licht in den dunklen Gang, und die Vier stießen auf ein Quertunnel und eine Reihe von Türen, die rechts abgingen. Vor der nächstliegenden standen zwei Wachen Posten. Foraker begrüßte sie knapp und befahl dann, die Tür zu öffnen. Die beiden Wachen schauten einander an und zuckten mit den Schultern.
„Neh mt ein Licht“, empfahl der erste und reichte Foraker eine Ölfunzel.
„Die Echse läßt den Raum da drinnen stockfinster.“
Foraker entzündete die Lampe am Docht einer anderen, die neben der Tür hing, und warf dann seinen Begleitern einen aufmunternden Blick zu. „Fertig“, erklärte er den Wachen.
Schnappriegel klickten auf und eine Querstange wurde angehoben. Mit traurigem Stöhnen schwenkte die eisenbeschlagene Tür in totale Finsternis auf. Foraker setzte sich wortlos in Bewegung, die drei anderen folgten ihm auf den Fersen. Als der schwache Lichtkreis der Öllampe die Dunkelheit durchdrang, kamen die dunklen Umrisse von gestapelten Kisten, Schachteln und Säcken in Sicht. Der Zwerg und seine Begleiter blieben stehen.
Die Tür schlug krachend hinter ihnen zu.
Jair schaute sich ängstlich in dem dunklen Raum um. Ein ranziger, fauler Gestank schwängerte die Luft, ein Gestank, der von sterbenden, verfaulenden Dingen zeugte. Tiefe, schweigende Schatten lagen über allem rings um ihre kleine Lichtquelle.
„Stythys?“ Foraker sprach den Namen ruhig aus.
Lange Augenblicke kam keine Antwort. Dann durchbrach ein Rascheln zu ihrer Linken aus einer Ecke voller Kisten und Vorräte die Stille.
„Wer issst da?“ zischte jemand.
„Foraker“, antwortete der Zwerg. „Ich bin gekommen, um mit dir zu sprechen. Radhomm hatte dir ausrichten lassen, daß ich käme.“
„Hsss!“ Die Stimme schnarrte, als würde eine Kette über Stein gezogen. „Sssprich, wasss du möchtesst, Zwerg!“
Etwas rührte sich in der Dunkelheit — etwas Riesiges, Verhülltes, gleich dem Tod selbst. Eine Gestalt tauchte auf und erhob sich vage und finster neben den Regalen. Jair empfand einen plötzlichen, überwältigenden Widerwillen gegen das, was da stand. Bleib ganz ruhig, warnte eine Stimme in seinem Innern. Sag nichts!
„Kleine Leutchen“, murmelte die Gestalt ausdruckslos. „Zwerg und Elfen und Gnom. Müssst keine Angssst haben, kleine Leutchen. Tretet näher.“
„Tritt du näher“, fuhr Foraker ihn ungeduldig an.
„Hsss! Kann Licht nicht ausstehen. Brauche Finsssternisss!“
Foraker zuckte mit den Schultern. „Dann bleiben wir am besten beide, wo wir sind.“
„Bleib“, stimmte der andere ihm zu.
Jair schaute rasch zu Spinkser hinüber. Das rauhe Gesicht des Gnomen war zu einer Maske von Haß und Abscheu verzerrt, und er schwitzte. Er sah aus, als würde er jeden Augenblick davonstürzen. Edain Elessedil mußte diesen Ausdruck ebenfalls bemerkt haben, denn plötzlich ging er im Bogen um Jair und Foraker und stellte sich fast beschützend auf die andere Seite des verwirrten Gnomen.
„Alles in Ordnung“, murmelte Spinkser fast unhörbar und fuhr mit der Hand durch die Dunkelheit vor ihm.
Dann trat der Mwellret plötzlich an den Rand ihres Lichtscheins; eine hohe, verhüllte Gestalt, die sich aus der Finsternis zu materialisieren schien. In groben Zügen hatte er die Körperform eines Menschen, ging aufrecht auf zwei kräftigen, krummen, muskulösen Hinterbeinen. Unterarme reckten sich zögernd vor, und wo Haut und Haare hätten sein sollen, spannte sich nur eine zähe, rauhe Schuppenschicht, die in krumme Krallen auslief. In seiner Kapuze wandte der Mwellret ihnen nun das Gesicht zu; ein schuppiges, breites Reptilienmaul hob sich ins Licht und entblößte Reihen scharfer Zähne und eine Schlangenzunge. Nüstern blähten sich am stumpfen Ende der Schnauze; weiter oben, fast schon im Dunkel der Kapuze, funkelten grüne Schlitzaugen.
„Sstythyss weisss, warum ihr kommt, kleine Leutchen“, zischte das Ungeheuer langsam, „weisss esss gut.“
Stille trat ein. „Graumark“, erklärte Foraker schließlich.
„Geissster“, flüsterte der andere. „Ssty thy ss weisss. Zerssstörende Wandler. Kommen ausss den Gruben, ausss dem schwarzen Loch des Maelmordsss. Ausss dem Totenreich. Klettern zum Himmelsss-brunnen hinauf, um die Wassser des Sssilberflusssesss zu vergiften.
Vergiften dasss Land. Vernichten esss! Dasss Bössse kommt nach Graumark. Kommt, unsss ausss unssserer Heimat zu vertreiben. Unsss zu versssklaven.“
„Hast du es gesehen?“ fragte Foraker.
„Allesss gesssehen! Geissster kommen ausss der Finsssternisss, vertreiben unsss und reisssen un ssseren Besssitz an sssich!“
Spinkser spie plötzlich ins Dunkel und murmelte etwas vor sich hin, ehe er einen Schritt zurücktrat und gegen den Steinboden kickte.
„Bleib!“ fauchte der Mwellret plötzlich mit unmißverständlichem Befehlston. Spinksers Kopf fuhr in die Höhe. „Gnomen müsssen keine Angssst vor unsss haben. Sssind Freunde gewesssen — nicht wie die Geissster. Geissster vernichten allesss Leben, weil sssie nicht lebendig sssind. Sssind Geschöpfe desss Todesss! Schwarze Magie herrscht. Ihnen werden alle Länder zufallen!“
„Aber du weißt einen Weg, sie zu vernichten“, drängte Foraker.
„Hsss! Graumark gehört unsss! Geissster sind in unsere Heimat eingedrungen! Glauben sssich in Sssicherheit, wo wir fort sssind — täuschen sssich aber. Möglichkeiten, zu ihnen zu gelangen! Möglichkeiten, sssie nicht kennen!“
„Geheimgänge!“ rief Jair plötzlich aus und folgte der Erzählung des anderen so gespannt, daß er seinen Vorsatz für einen Augenblick vergaß.
Sogleich fuhr der Kopf des Mwellrets in die Höhe wie bei einem Tier, das in die Luft wittert. Jair wurde es eiskalt, als ihn das Vorgefühl von etwas entsetzlich Bösem überkam, während entsetzlich Bösem überkam, während er völlig reglos dastand.
Die Schlangenzunge des Mwellrets zuckte heraus. „Zauberkräfte, kleiner Freund? Du besitzt tatsächlich Zauberkräfte?“
Keiner sprach ein Wort. Jair schwitzte heftig. Foraker schaute grimmig zu ihm hin und wußte im Augenblick nicht recht, was vor sich ging.
„In deiner Ssstimme, kleiner Freund?“ lispelte der Mwellret. „Fühle sssie in deiner Ssstimme. Fühle sssie in dir. Zauberkräfte wie die meinen. Zeig sssie mal, ja? Sssprich!“
Etwas schien Jair zu umgarnen, eine unsichtbare Schlinge, die ihm die Luft abschnürte. Ehe er sich dagegen wehren konnte, begann er zu singen. Schnell und klar schlüpfte das Wünschlied zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor, und Wellen aus Farbe und Form spannten sich zwischen ihnen und tanzten wie Lebewesen durch Dunkelheit und Lampenschein.
Einen Augenblick später war Jair wieder frei, die Schlinge hatte sich gelöst. Das Wünschlied erstarb. Der Talbewohner japste vor Schreck nach Luft und fiel geschwächt auf die Knie. Spinkser war an seiner Seite, zerrte ihn zur Tür zurück, brüllte den Mwellret heftig an und grapschte mit seiner freien Hand nach Edain Elessedils Langmesser. Eilig riß Foraker sie auseinander und zückte sein eigenes Schwert, als er sich umdrehte und Stythys entgegenstellte. Der Mwellret war plötzlich geschrumpft und zog sich ins Dunkel seines Kapuzenmantels zurück, um wieder in die Finsternis einzutauchen.
„Was hast du mit ihm gemacht?“ fuhr Foraker ihn an. Der Mwellret wich noch weiter zurück, und seine Schlitzaugen blitzten aus der Dunkelheit. Foraker wirbelte unvermittelt herum. „Das genügt. Wir gehen.“
„Bleibt!“ jammerte der Mwellret plötzlich. „Sssprecht mit Sstythy ss! Kann euch von den Geissstern erzählen!“
„Kein Interesse mehr“, erwiderte Foraker und pochte mit dem Griff seines Schwerts an die Tür des Lagerkellers.
„Hss! Müssst mit Sstythy ss sssprechen, wenn ihr Mordgeissster vernichten wollt! Nur ich weisss, wie! Mein Geheimnisss!“ Die Stimme des Geschöpfs klang nun hart und unglaublich kalt, alle Heuchelei von Freundlichkeit war verflogen. „Kleine Freunde werden wiederkommen — müssen wiederkommen! Tut mir leid, wenn ihr geht!“
„Uns tut es leid, daß wir überhaupt gekommen sind“, gab ihm Edain Elessedil zurück. „Wir brauchen deine Hilfe nicht!“
Jair ging nun durch die offene Tür, gestützt auf der einen Seite von dem Elfenprinzen, auf der anderen von Spinkser, der mit jedem Schritt vor sich hinmurmelte. Der Talbewohner schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären, und schaute zu dem Mwellret zurück, einer verhüllten, gesichtslosen Gestalt, die sich tief in die Dunkelheit zurückzog, als Foraker die kleine Lampe aus dem Raum trug.
„Braucht meine Hilfe!“ sagte die Kreatur leise und hob einen schuppigen Arm. „Ihr werdet wiederkommen, kleine Freunde. Ihr kommt wieder.“
Dann verschlossen und verriegelten die Zwergenwachen wieder den Lagerraum, indem sie Schnappriegel und Querstange sorgfältig an ihre Plätze schoben. Jair holte tief Luft, richtete sich auf und schüttelte die Arme ab, die ihn stützten. Foraker hielt ihn fest, schaute ihm tief in die Augen, grunzte und drehte sich dann wieder in den Gang um, der sie hergeführt hatte.
„Sieht so aus, als fehlte dir nichts“, verkündete er. „Schnell wieder hoch an die Luft!“
„Was ist geschehen, Jair?“ wollte Edain Elessedil wissen. „Wie hat er das mit dir angestellt?“
Jair schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht recht.“ Immer noch ganz benommen ging er flankiert von dem Elfenprinzen und dem Gnomen hinter Foraker her. „Ich weiß es einfach nicht.“
„Schwarze Teufel!“ stieß Spinkser hitzig seinen Lieblingsausspruch hervor. „Die können einen ganz verdrehen.“
Der Talbewohner nickte knapp und ging weiter. Er hätte gerne gewußt, wie dieses Verdrehen vonstatten gegangen war.