Das Geborgene Land, Königreich Urgon, Dreigipfelburg, 6241. Sonnenzyklus, Frühherbst.
Die dröhnenden Hammerschläge und das aufbegehrende Klirren des Metalls auf dem Amboss waren bis in den letzten Winkel der wolkenverhangenen Festung zu hören. Die grauen Regenwolken trieben in dichten Schwaden über das Land und machten nicht vor den Mauern Halt. Sie ergossen ihren Inhalt auf die Steine, als wollten sie den Mörtel auflösen und die Festung zum Einsturz bringen.
Tungdil, mit Hosen, Stiefeln und Lederschürze bekleidet, verbrachte die meiste Zeit in der Schmiede und formte das Schwert des Unauslöschlichen zu einer neuen Waffe. Er prügelte ihr mit all seiner Kraft die Bosheit heraus. Die Feuerklinge hatte er abgeschrieben, das Geborgene Land hatte er abgeschrieben und die Zwergenstämme ebenso.
Nichts hielt ihn mehr hier. Er hatte zweimal den Untergang abgewendet, er befand sich gerade auf seiner dritten und letzten Mission. Danach sollten die Zwerge sehen, wie sie die Angelegenheiten regelten. Gleich, was er unternommen hatte und wie viele Leben für die Rettung verloren gingen, es gab anscheinend keine andauernde Vernunft. Nicht hier und bei keinem der Völker des Geborgenen Landes.
Die Wut schoss ihm in die Arme und machte seine Schläge ungenau. Er unterbrach seine Arbeit, wischte sich den Schweiß aus seinem verbliebenen rechten Auge; über der leeren linken Höhle lag kein Verband mehr, sondern eine schlichte weiße Augenklappe.
Er reckte das, was er erschuf, gegen den Eingang. Noch konnte er nicht sagen, was in seinen Händen entstand. Es war weder eine Axt noch ein Schwert, noch eine Keule. Er überließ es der Glut, dem Hammer und seinen geschickten Fingern, Neues zu formen, ohne dabei nachzudenken. Das Metall musste eine unbekannte Legierung sein, das hörte er an dem Ton, mit dem es beim Schmieden sang. Und es wies eine unglaubliche Beständigkeit auf, weigerte sich lange, seine Form zu verlieren und eine andere Gestalt anzunehmen. Derart angestrengt hatte er sich am Amboss schon lange nicht mehr.
Eilige Schritte näherten sich, platschten durch Pfützen und über die nassen Steine. Sirka betrat die Schmiede und stolperte über die Schwelle. Ihre Augen sahen im Halbdunkel der verrauchten, kleinen Kammer lange nicht so gut wie seine. »Tungdil?«
Er schlug mit dem Hammer gegen den Schraubstock, um ihr durch den Ton den Weg zu weisen. »Hier drüben. Neben der Esse.«
»Der Aufbruch verzögert sich weiter«, sagte sie, während sie sich vorwärts tastete. »Der strömende Regen hat die kleinen Bäche in den Bergen Urgons zu reißenden Flüssen anschwellen lassen und einige der Wege überspült, wie Kundschafter des Königs eben berichteten.« Sie fand ihn und gab ihm einen Kuss, Regenwasser perlte von ihrer Nase auf seine. »Die Abreise wird erst in sieben Umläufen geschehen.«
Tungdil nickte. Ortger würde die Hunderttausend noch länger versorgen und Nahrung aus allen Teilen des Reiches herbeischaffen müssen, was eine enorme Belastung bedeutete. Gauragar und Idoslän unterstützten Urgon mit Getreide. »Ich bin auch noch nicht fertig.« Er zeigte ihr sein bisheriges Werk.
»Wie seltsam«, sagte sie. »So eine Waffe habe ich noch nie gesehen.«
»Sie wird einem Helden wie mir würdig sein«, meinte er, Spott schwang mit. »Was machen Goda und Ingrimmsch?«
»Seit sie sich zueinander bekannt haben, sind sie unzertrennlich«, grinste Sirka. »Zwerge, Regen, ein warmes Bett - du kannst dir den Rest denken, oder? Es gibt keine bessere Ausrede als dieses Wetter, um in der Unterkunft zu verschwinden. Meister und Lehrling unterweisen sich gegenseitig, nehme ich an.« »Gut. Dann fällt ihnen nicht auf, dass ich die ganze Zeit über in der Schmiede stehe.«
Sirka schaute in die Flammen. »Ich werde niemals verstehen, was es an dieser Art zu schmieden Besonderes gibt.« Sie fuhr sich mit den Fingern über die Stirn und verrieb den Schweiß, der sich mit dem Regenwasser mischte. »Ich bin gespannt, was du zu unserer Methode sagen wirst.«
Tungdil legte den Rohling in die Glut und den Hammer auf den Amboss. Er nahm die Zwergin in die Arme, die nur ein dünnes Ledergewand trug. Die Schnürung über der Brust erlaubte es ihm, viel von ihrer braunen Haut zu sehen. Liebevoll strich er über ihren kahlen Schädel und küsste sie lange, begehrend. Das Verlangen flammte auf.
Er warf den Hammer gegen die Tür, sodass sie zufiel und sich der Klappriegel vor das Holz legte. Sie grinste und öffnete die Verschlüsse seiner Lederschürze.
Sie liebten sich ausgiebig neben der heißen Esse auf einer Decke, und wie immer konnte Tungdil von Sirka nicht genug bekommen. Er mochte es, ihre dunkle Haut zu streicheln, die Hitze ihrer Lebensesse zu fühlen, die beim Liebesspiel heller brannte und den Schweiß heraustrieb. Die Untergründige hatte einmal davon gesprochen, einem leidenschaftlichen Volk anzugehören. Das bewies sie nicht nur im Kampf.
Danach lagen sie neben dem Feuer und betrachteten die zuckenden Flämmchen.
»Es wird dir schwer fallen, dein Volk zu verlassen«, sagte sie zu ihm.
»Ich habe kein Volk«, entgegnete er ohne Trauer. »Ich habe mir sehr viele Gedanken darüber gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass mein Herz nur einer gehört.« Er küsste sie auf den Hals. »Dir. Ansonsten ergeht es mir...« Beinahe hätte er sich verraten, der Name des Albs hatte ihm auf der Zunge gelegen. »... schlecht. Soll ich zu den Zwergen gehen, die unter Ginsgar Ungewalt alte Feinde zu neuen machen? Oder zu den Menschen? Auch bei den Elben würde ich mich nicht wohl fühlen.«
»Ich werde dir ein neues Zuhause geben, solange du möchtest, und nicht, wie ich es will. Du kannst jederzeit weiterziehen, Tungdil. Ich kenne deine unstete Art. Und du hast mich davor gewarnt.« Sirka lächelte und schlüpfte in ihr Ledergewand. Bewundernd glitten Tungdils Blicke an ihrem sehnigen Körper entlang, der kraftvoll genug war, nicht zu brechen. Weder im Kampf noch beim Liebesspiel. »Und auch ich habe dich vor mir gewarnt. Bei uns gibt es kein für immer und auf ewig. Meistens nicht.«
»Deine Ewigkeit, Sirka, sind für mich ein oder zwei Zyklen«, sagte er bedächtig. »Ich lebe im besten Fall zehnmal länger als du.«
Sie fädelte die Lederschnüre in die Ösen, zog ihre Kleidung zusammen und raubte ihm damit den letzten Blick auf ihre unverhüllte Statur. »Eine merkwürdige Vorstellung. Wenn wir Kinder bekommen, könntest du neun deiner eigenen Generationen überleben.«
Bei dem Wort Kinder zuckte er zusammen. Dann fiel ihm wieder ein, dass die Untergründigen ihren Nachwuchs anders aufzogen als die Kinder des Schmieds, und er entspannte sich. Sollte ihn sein Drang zu wandern auch in der Fremde treffen, müsste er sich keine Sorgen um seine Nachkommen machen. Der Gedanke, dass er den Untergründigen eine Linie hinterlassen würde, die älter als alle anderen werden würde, gefiel ihm sogar. Er stand auf und stieg ebenfalls in seine Kleider. »Ja, wirklich eine merkwürdige Vorstellung«, wiederholte er ihre Worte und küsste sie wieder, dieses Mal in den Nacken. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich auf das Neue freue.«
»Sobald wir das Artefakt zusammengefügt haben«, schränkte sie ein, ging zur Tür und öffnete sie. Trübes Licht fiel herein, es regnete noch immer. »Danach wirst du eine aufregende Zeit haben.« Sie lächelte verführerisch. »Nicht nur meinetwegen.« Sie eilte hinaus und rannte durch den anhaltenden Wolkenbruch zurück in die Unterkünfte.
Tungdils Laune hatte sich gebessert, die Wut war verraucht. »Oh, verflucht!« Er hatte vergessen, das Eisen aus der Glut zu nehmen. Wenn es geschmolzen war, wäre sehr viel Mühe vergebens gewesen.
Rasch packte er den hinteren Teil mit der Zange und zog den Rest behutsam aus dem Grab aus Glut und Kohle; knisternd tanzten Funken davon und stoben umher, bis sie erloschen und als Asche auf den Boden fielen. Tatsächlich war das übrige Metall so weich wie Wachs in der Sonne geworden. Es leuchtete goldgelb wie Honig und zog lange Fäden, die an der kühleren Luft erkalteten und ergrauten.
»So willst du also aussehen?«, sagte er zu der Waffe und tauchte sie rasch in den Bottich mit Wasser, um sie abzuschrecken und ihr die Hitze zu nehmen. Die Flüssigkeit brodelte und kochte, in Windeseile verdampfte sie um die Hälfte, bis das Eisen seine Temperatur verloren hatte. Das hatte Tungdil noch niemals beobachtet. Er nahm die Waffe heraus und drehte sie verwundert hin und her. Sie war schwarz wie die Nacht und etwas länger als der Arm eines ausgewachsenen Mannes. Auf der einen Seite war sie dicker und hatte lange, dünne Spitzen gezogen, die Tungdil an Gräten oder einen Kamm erinnerten; auf der anderen verjüngte sie sich wie bei einer Klinge. Ihr Schwerpunkt lag oberhalb des Griffs, was dem Hieb zusätzlichen Schwung gab; dabei blieb sie aber immer noch sehr gut führbar.
»Dann wollen wir dir also deine endgültige Gestalt geben.« Tungdil schob sie zurück in die Esse, erhitzte sie aufs Neue und arbeitete bis zum Sonnenuntergang an den Feinheiten. Er schuf ihr einen runden, langen Griff, damit er sie mit beiden Händen führen konnte. Es kam ihm so vor, als habe das Metall seinen Widerstand aufgegeben.
Die Nacht war lange schon hereingebrochen, da saß er über dem runden Schleifstein und gab der Schneide ihre Schärfe. Die hellen Funken beschrieben einen langen Bogen und prasselten gegen die Tür. Tungdil prüfte die Klinge, indem er ein Stück Kohle nahm und sachte, ohne Druck darüber rieb. Der schwarze Stein wurde durchschnitten, als bestünde er aus Luft. Das genügte ihm vorerst.
Müde und hungrig stapfte er mit seiner Waffe durch den Regen in die Unterkunft, um etwas zu essen und zu trinken.
»Bin ich zu spät, um die Wünsche der Städte der Freien zu überbringen?«
Tungdil blieb stehen und hob seine Waffe. Neben der Schmiede stand ein Zwerg im strömenden Regen. Sein Umhang und die Kapuze waren durchnässt, er musste eine ganze Weile neben dem Fenster verharrt haben. Für einen Boten benahm er sich äußerst merkwürdig. »Zeig dein Gesicht!«
Der Zwerg näherte sich, die Hände langten an die Kapuze und zogen sie zurück. »Ich dachte, du würdest mich an meiner Stimme erkennen.«
Tungdil blickte auf die bekannten Züge von Bramdal Meister klinge, über die das Regenwasser rann. »Du schon wieder?« Misstrauisch hielt er das Schwert schräg vor sich. »Was möchtest du?«
»Ich soll dir von König Gordislan und den anderen Stadtherrschern die besten Grüße überbringen und dir viel Glück auf deinem Weg ins Jenseitige Land ausrichten.« Bramdal deutete auf einen Unterstand. »Können wir ins Trockene gehen?«
Tungdil traute dem einstigen Henker nicht. »Du stehst vor der Schmiede, beobachtest mich und fängst mich im Regen ab, um mir gute Wünsche zu übermitteln?« Tungdil bewegte sich nicht eine Handbreit von der Stelle. Ihm machte der Regen nichts aus. »Du wirst zugeben, dass mir dein Auftreten seltsam erscheinen darf.« »Es soll niemand wissen, dass wir miteinander gesprochen haben. Denn meine Mission endet nicht mit den guten Wünschen.«
»Kannst du deine Worte in irgendeiner Art beweisen, Bramdal?«
Vorsichtig langte Bramdal unter seinen Umhang und zog eine Lederrolle hervor, danach reichte er Tungdil einen Siegelring. »Darin steht die Beglaubigung dessen, was ich dir gleich eröffne, und dies ist der Siegelring Gordislans.« Das Wasser sickerte aus seinem blonden Bart. »Können wir uns nun unterstellen?« Tungdil deutete mit seiner Waffe auf die Schmiede. Sie betraten das dunkle, warme Innere und verzichteten darauf, eine Lampe zu entzünden. Im Schein der Glut las Tungdil das Schreiben und betrachtete den Ring sehr genau. Bramdal galt tatsächlich als Vertrauter des Königs von Goldhort. »Warst du schon immer mehr als ein Henker?«
Bramdal nickte. »Gemmil und viele andere vor ihm sandten mich schon aus. Meine Aufgabe war es, die Menschen zu beobachten, ihre Reden über die Zwerge zu vernehmen und nach Hause zu tragen, was sie sagten. Wir warteten auf einen günstigen Augenblick, in dem sich die Städte offenbaren durften, um Handel mit den Menschen zu treiben.« Er setzte sich auf den Amboss, zog den Umhang aus und hängte ihn an den Kamin, damit er trocknete. »Wir wussten, dass es den Unbill der Stämme hervorrufen würde und dieser Schritt wohl überlegt sein musste. Dein Besuch bei uns hat uns das Vorhaben erleichtert. Aber es macht die Zukunft nicht einfacher.« »Mir kam es so vor, als richteten sich die Städte der Freien in der jüngsten Vergangenheit absichtlich zu den Menschen hin aus.«
»Dein Eindruck hat dich nicht getäuscht. Wir sehen die Entwicklung in den Gebirgen mit Sorge. Ich habe die Unterredung von Ginsgar und Bylanta gehört. Es ist ein offenes Geheimnis, welche Einstellung Ginsgar gegenüber den Städten hat. Das ist der Grund, weswegen wir bald offen die Nähe der Menschen suchen werden. Gandogars Tod hat den endgültigen Ausschlag gegeben.«
»Und das sollst du mir sagen?«
Bramdal nickte langsam. »Ja. Die Könige der Städte sehen in dir ein vernünftiges Kind des Schmieds, auf dem ihre Hoffnungen ruhen. Sie denken, dass du in dem anstehenden Streit um das Großkönigtum zwischen den Stämmen der Vermittler sein wirst. Es gibt keinen größeren Helden als dich in unserem Volk. Daher wollen sie, dass du ihre Gründe als Erster erfährst. Denn es ist sicher, dass die Stämme die Beweggründe für unser Vorhaben nicht verstehen werden.«
»Die Freien fürchten ihr eigenes Volk und suchen bei den Menschen Verbündete? Ist es so weit gekommen?« »Sollte Ginsgar der Großkönig sein, ja.« Bramdal wendete seinen Umhang, damit der Stoff von beiden Seiten durchwärmte. »Es kam uns zu Ohren, dass Ginsgar danach strebt, die Städte mit Gewalt aufzulösen, und deren Reichtümer einziehen will.«
»Durch den verstärkten Handel mit den Menschen gedenkt ihr für den Notfall deren Beistand zu erlangen.« Tungdil blieb kühl. »Ich verstehe die Beweggründe. Aber warum soll uns niemand bei unserer Unterredung sehen?«
»Gordislan fürchtet, dass Ginsgar bereits einen Plan hat und diesen sofort in die Tat umsetzt, wenn er erfährt, dass die Städte sich auf ihn vorbereiten. Es würde uns nicht ausreichen, um die Verbindung zu den Menschen zu knüpfen.«
Tungdil schürte die Esse mit einer Schippe Kohlen, mengte die glühenden mit den frischen Stücken und fachte das Feuer durch den Blasebalg an. Es knisterte, Wärme verbreitete sich. »Sage den Königen, dass ich mich geehrt fühle, ihr Vertrauen zu besitzen. Allerdings beabsichtige ich nicht, so schnell ins Geborgene Land zurückzukehren.« Er sah Bramdal in die hellbraunen Augen, in denen sich die Esse spiegelte. »Auch das ist ein Geheimnis und soll nicht verraten werden. Die Könige müssen sich darauf einstellen, dass ich nicht zur Stelle sein werde, falls es zu einer Auseinandersetzung kommt. Sie müssen ihre Schwierigkeiten selbst lösen.« »Du entziehst dich deiner Verantwortung?«, fragte Bramdal überrascht.
»Ich habe keine Verantwortung mehr. Es ist genug. Zweimal habe ich das Geborgene Land gerettet, und ich stehe dicht davor, es zusammen mit meinen Freunden ein drittes Mal zu tun. Andere sollen fortan an meine Stelle treten. Ich gehe in die Fremde, um sie zu erforschen.«
Der Henker erwiderte den Blick. »Was wäre, wenn du eines Umlaufs zurückkehrst und feststellst, dass ein Krieg ausgebrochen ist? Ein Krieg zwischen den Kindern des Schmieds? Dass deswegen die Tore ins Geborgene Land brachen und sich eine Flut von Monstren hinein ergoss?« Er machte einen Schritt auf ihn zu. »Und dir bewusst wird, dass du es hättest verhindern können?«
Tungdil lächelte unberührt. »Ich würde sage, dass andere nicht fähig waren, ihren Verstand zu bewahren. Ich war lange genug der Hüter des Geborgenen Landes und bin nicht der einzige vernünftige Zwerg. Sage den Königen der Städte, dass sie Bylanta um Hilfe bitten sollen. Sie ist klug.«
»Dein Wort hat bei den Clans weit mehr Gewicht.«
»Ich bin ein Dritter, Bramdal, und habe nie einen Hehl daraus gemacht. Ginsgar würde diesen Umstand zu nutzen wissen und mein Ansehen untergraben.« Er ging zur Tür, öffnete sie und trat auf die Schwelle. »Richte Gordislan meine Worte aus. Meine Meinung ist nicht mehr zu ändern.« Er nickte ihm zum Abschied zu. »Dann war es wirklich kein Zufall, dass wir uns ständig auf unseren Reisen trafen?«
»Nichts im Leben ist Zufall, Tungdil Goldhand.« Bramdal rückte näher an die Esse. »Ich überbringe deine Botschaft. Und ich bete zu Vraccas, dass er deine Meinung ändert.«
»Versuche es. Es wird vergebens sein.« Tungdil zog die Tür zu und marschierte über den Hof, der voller Pfützen war. Er ahnte, dass ihm die Unterredung zu schaffen machen würde, aber er war fest entschlossen, das Geborgene Land seinem Schicksal zu überlassen. Grübelnd betrat er den Raum, in dem sein Essen angerichtet und unangetastet auf ihn wartete. Bier und Wein verschmähte er immer noch, er hielt sich an Wasser. »Da ist er ja, der Gelehrte!« Ingrimmsch kam durch die Tür und trug, zu Tungdils großem Erstaunen, kein Kettenhemd, sondern lediglich sein ledernes Untergewand. Es war auch nicht richtig geschlossen, gerade so als hätte er es in großer Hast angelegt. Er trat zu ihm und entdeckte die Waffe. »Ist das das einstige Schwert des Unauslöschlichen?« Wortlos und kauend schob Tungdil ihm die Klinge mit dem Griff voran hin. »Sie ist scharf.« »So etwas habe ich noch nicht gesehen. Wie nennst du sie?
Tungdil zuckte mit den Achseln.
Der Krieger hob sie an, wog sie in der Hand, vollführte einige Schwünge und suchte in dem Raum nach etwas, woran er sie ausprobieren konnte. Ein Fußbänkchen fiel seiner Neugier und der Waffe zum Opfer. Die Schneide zerteilte das fingerdicke Holz glatt und ohne dass es splitterte.
»Bei Vraccas!« Ingrimmsch legte die Klinge auf den Tisch. »Was für ein merkwürdiges Ding. Leicht wie ein Dolch, schneidet wie das schärfste Schwert und verhält sich beim Schlag doch wie eine Axt.« Er betrachtete seine Hand, und aus dem Daumenballen quoll ein winziger Blutstropfen. »Und sie ist gierig nach meinem Blut«, lachte er. »Es stehen noch Eisenspäne weg, Gelehrter. Du wirst sie feilen müssen.«
Tungdil runzelte die Stirn. Er wusste genau, dass der Griff sich vorhin glatt wie eine Marmorplatte angefühlt hatte. Aus diesem Grund lag das raue Leder darum, um einen besseren Halt zu geben. Er schluckte. »Ich werde sie mir noch mal anschauen.«
»Nenne sie doch Blutdürster«, meinte er neckend. »Es würde gut passen.« Er nahm sich von dem Wasser und schob sich eine große Scheibe Schinken in den Mund.
»Welche Lektion lernen Goda und du gerade?«, fragte Tungdil. Der Name Blutdürster gefiel ihm. »Ringkampf?« Ingrimmsch lief rot an. »Gut beobachtet, Gelehrter.«
»Die Mauern sollen schon wacklig sein, so sehr übt ihr«, hörten sie die spöttelnde Stimme Rodarios hinter sich, der sich zu der nächtlichen Tafel hinzugesellte.
»Von dir lasse ich mir dazu schon mal gar nichts vorschreiben«, sagte der Zwilling und biss in den Schinken. »Du bist ein Meister des anderen Ringkampfes.«
»Hast du mich in letzter Zeit mit jemandem ringen sehen, Meis ter des heißen Blutes?« Rodario setzte sich neben ihn. »Ich bin meiner Tassia treu.«
»Sicher«, winkte Ingrimmsch ab und hob seinen Schinken. »Wenn das wahr ist, soll dieses Stück Fleisch fliegen.« Er ließ es los, sodass es auf den Tisch klatschte. »Sieht schlecht aus, Schauspieler.« Tungdil lachte, und Rodario stimmte mit ein. »Ich freue mich für dich, Ingrimmsch«, sagte er. »Endlich mal eine Dame, die dein grimmiges Kriegerherz erweicht und dafür andere Teile an dir dazu bringt, unnachgiebig zu sein.«
Boindil grinste breit. »Es hat alles ein gutes Ende genommen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten.« »Es kann nicht nur Schlechtes geschehen, wenn die Welt fortbestehen soll«, meinte Tungdil. »Genieß, was du hast.«
»Das tun sie übrigens ständig«, frotzelte Rodario wieder. Aus dem gutmütigen Spott sprach die Freude über die junge Liebe der beiden Zwerge.
»Wir ringen. Mehr nicht, damit wir in Form bleiben und auf Abenteuer vorbereitet sind, die uns im Jenseitigen Land erwarten. Ich werde mit dir gehen«, sagte Ingrimmsch zu Tungdil. »Dieses Abenteuer wird mein größtes sein.«
Rodario applaudierte. »Bevor mich einer von euch fragt: Auch ich sehe es als Ehre, in die Fremde zu ziehen, um Erfahrungen zu sammeln, die ich den werten Spectatores in meiner unnachahmlichen Weise auf der Bühne näher bringen werde.«
»Du gehst mit?«, brach es aus Ingrimmsch heraus. »Vraccas sei uns gnädig! Er wird uns in den Untergang reden. Oder eine Lampe zum falschen Zeitpunkt entzünden.«
»Ha, sehr komisch.«
»Es spricht sich eben schnell herum. So ähnlich wie deine Tat im Bauch der Maschine. Das hätte man auch anders regeln können.«
»Ja, mach dich nur lustig, Bettenzermürber. Aber ich sage euch voraus, dass ich euch nutzen werde.« Er stand auf und spielte den Beleidigten. »Damit ihr es wisst: Ortger hat eine andere Strecke für uns herausgesucht. Die Wege sind zwar schmaler, aber sie sind begehbar. Morgen können wir aufbrechen, hat Lot-Ionan gesagt. Husch, husch, in die Federn, ihr Helden.« Er deutete auf den Krieger. »Und keine Ringkämpfe mehr! Nicht heute Nacht. Oder stellt das Bett von der Wand weg.« Rodario grinste und verschwand.
Es war Tungdil nur recht, diese Nachricht zu erhalten. Die Verzögerung währte lange genug, und seine Waffe war fertig. Ausgezeichnet.
»Wenn das so ist, wie der Kaiser der Großmäuler und Aufschneider sagt«, Ingrimmsch stand auf, »gehe ich besser schlafen.« Er legte die Linke auf Tungdils Schulter. »Bist du sicher, dass du das Geborgene Land hinter dir lassen möchtest?«, fragte er ernst.
»Ja, Ingrimmsch. Ich will nicht sehen, wie es in die nächste Katastrophe gerät, die dieses Mal von eigener Hand ausgelöst wurde.«
»Du meinst Ginsgars Tat?«
»Was sonst? Im schlimmsten Fall werden sich die Zwergenstämme verwerfen. Die einen schließen sich Ginsgar dem Selbsternannten an, die anderen wählen nach alter Tradition einen weiteren Großkönig.« Er nahm einen Schluck Wasser und dachte an die Unterredung mit Bramdal. »Wohin wird das führen, Boindil? Kannst du es sagen?«
Er senkte das Haupt. »Ginsgar hat mich gefragt, ob ich seine Leibwache kommandieren möchte«, gestand er leise. »Ich habe gesagt, dass ich es mir überlege.«
»Dass du es dir überlegst?« Tungdil wollte seinem Freund schon Vorhaltungen machen, dann lenkte er ein. »Ja, du hast Recht. Du musst überlegen, denn ich habe kein Recht, dir etwas zu raten. Ich verlasse das Land.« Ingrimmsch setzte sich wieder. »Es ist nicht leicht, Gelehrter. Ginsgars Ansichten tragen zu einem Teil Wahrheit in sich, andererseits ist er ein Kriegstreiber. Er wird ein gnadenloser Großkönig sein.« Ingrimmsch fuhr sich über den kurzen schwarzen Zopf.
»Denke an meine Worte: die Freien und die Dritten werden seine nächsten Feinde sein.« Tungdil schnitt sich ein Stück Käse ab. »Wenn du dich auf seine Seite stellst, wirst du bald aus dem Kämpfen nicht mehr herauskommen. Ich weiß, dass sich dein Blut wieder danach sehnt, aber sollten es nicht die Köpfe von Orks und Monstren anstelle von Zwergen sein?« Er schob sich das Stückchen in den Mund und erhob sich. »Bedenke es bei deiner Entscheidung. Ginsgar Ungewalt wird als berüchtigter Großkönig in die Chroniken eingehen. Nicht als guter.« Er berührte ihn an der Schulter. »Gute Nacht, Ingrimmsch. Rede mit Goda darüber und finde eine Entscheidung. Du hast noch Zeit, bis du ins Geborgene Land zurückkehrst.« Er nahm die Waffe und schritt an ihm vorbei hinaus.
Unterwegs strich er über die Klinge und fühlte die ungebrochene Schärfe, die sich wie ein raues Reiben an der Haut anfühlte. In einem unachtsamen Augenblick schnitt er sich. Nicht tief, aber es genügte, um Blut austreten zu lassen.
»Es ist der richtige Name für dich«, sagte er zu seiner Waffe. »Von heute an heißt du Blutdürster. Du wirst das Blut vieler Scheusale zu trinken bekommen und dich daran satt saufen dürfen, das verspreche ich dir. Dafür wirst du mir gute Dienste leisten.« Er betrachtete den roten Tropfen auf der Klinge. »Aber du wirst niemals mehr das Blut eines Zwergs schmecken. Tust du es dennoch, schlage ich dich in tausend Stücke.«
Ein sanfter Schimmer glitt die Schneide entlang. Auch wenn es nur der Lichtreflex einer Lampe gewesen war, Tungdil verstand es als Zustimmung. Der Pakt war geschlossen.