Das Geborgene Land, Königinnenreich Weyurn, 20 Meilen nordöstlich von Mifurdania, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.


Der Nebel lichtete sich nicht. Ganz im Gegenteil, er schien den Unauslöschlichen schützen zu wollen. Es war im Grunde sträflich leichtsinnig, mit Vollzeug über den See zu gleiten. Ein treibender Baumstamm oder ein Felsen hätten genügt, um den hölzernen Bauch des Seglers auf der Stelle aufzuschlitzen. Dennoch gingen sie das Wagnis ein, da sie nicht wussten, wie groß der Vorsprung ihrer Feinde war.

»Wenn ich nur wüsste, wie es ihnen gelungen ist, schneller zu sein als wir«, ärgerte sich Flagur. »Ihr habt gesehen, welche Kräfte diese Kreaturen besitzen. Und die Macht eines Unauslöschlichen ist kaum bekannt«, tröstete ihn Lot-Ionan. Ihm bereitete es Sorge, dass er sich dem magischen Widersacher allein stellen musste. Es gab keinen Dergard mehr, der ihm beistand, oder einen Runenmeister. »Ist es Euch überhaupt noch möglich, den Stein in das Artefakt einzusetzen?«

»Wie meint Ihr das, ehrenwerter Magus?« Flagur sah, dass Sirka die Segel reffen ließ. Der Steuermann hatte ihr gesagt, dass sie bald die Stelle erreichen würden, an der sich die Insel befunden hatte. Bis vor kurzem jedenfalls. »Euer Runenmeister ist tot. Hättet Ihr ihn nicht benötigt, um das Artefakt in Gang zu setzen?« »Ganz recht, unser Runenmeister ist tot. Aber es gibt noch einen Runenmeister. Bei den Acronta. Es wird nur sehr schwierig, ihn dazu zu bewegen, uns mit seinem Wissen zu helfen.« Der Ubari verzog das Gesicht, was ihn äußerst missgelaunt wirken ließ. »Sie sehen es als Herausforderung an, gegen die Bestien zu kämpfen, die in der Schwarzen Schlucht lauern. Es wäre so, als wolle man einem Kind verbieten, sich mit einem Stärkeren zu messen. Sie verstehen nicht, dass sie niemals siegen würden, sondern auf Dauer unterliegen.« Er betrachtete Lot-Ionan. »Ihr seid ein Magus. Für Euch wäre es sicherlich eine Kleinigkeit, den Stein einzusetzen.«

»Mit solchen Artefakten kenne ich mich nicht aus«, gestand er ein. »Doch bevor es zu spät für Eure und meine Heimat ist, werde ich Euch sicherlich folgen.«

Ein warnender Ruf von der Nebelwache am Bug ertönte, schon prallte ein schwerer Gegenstand rumpelnd gegen den Bug des Seglers.

»Was war das?«, rief Sirka. »Sind die Planken heil geblieben?«

»Ja«, bekam sie die erleichterte Antwort. »Es war Treibgut. Sah aus wie das Stück eines anderen Schiffes, ein Teil einer Bordwand oder etwas in der Art.«

Tungdil dankte Vraccas, dass Sirka die Fahrt verlangsamt hatte. Bei voller Geschwindigkeit wären ein Loch und Wassereinbruch sicher gewesen.

Bald schlugen immer mehr Trümmer gegen die Wogenschwinge, je weiter sie sich der Insel näherte. Tungdil kam ein schrecklicher Gedanke, was da anklopfte.

»Wo sind eigentlich die Kriegsschiffe, die Königin Wey zum Schutz der Insel ausgesandt hat?«, fragte Rodario besorgt. »Sie hätten uns schon lange...« Er schwieg. »Oh, verfluchter Alb!«, meinte er, als er Tungdils Blicke sah. »Er hat sie versenkt?«

»Hast du eine andere Erklärung, Unglaublicher?« Aus dem Nebel tauchten die Umrisse der Insel auf. »Aber sie ist noch da. Wir...«

Eine grelle Flammensäule schoss aus einer Bergflanke und stach fünfzig Schritt in den Dunst hinein, dann fauchte eine zweite ihr helles Feuer in die Nacht; die Wärme rollte über sie hinweg, obwohl sie noch einhundert Schritte von dem Strand entfernt waren. Aus den großen Lohen wurden viele kleine Flämmchen, welche die Spitze der Insel wie eine Krone umspielten. Das Schauspiel erregte die Aufmerksamkeit aller an Bord. »Sie taucht!« Tungdil verstand, was vor sich ging. Der Unaus löschliche verbrannte das leichte Gas in den Kammern und flutete sie, um auf den Grund zu sinken. Damit wäre er für niemanden mehr zu erreichen. Ob es Lot-Ionan mit seiner Magie gelingen könnte, nach unten zu gelangen, und ihn und den Bastard allein zu überwinden, hielt der Zwerg zumindest für fraglich. »Wir müssen sie erreichen, ehe sie verschwindet. Sirka, Vollzeug! Keine Rücksicht auf das Schiff.«

Die Seeleute tauschten Blicke, waren unschlüssig. Sie hatten Angst.

Tungdil machte einen Schritt auf den nächsten Matrosen zu. »Geht das Wagnis ein, oder Ihr tragt die Schuld für alles Unheil, das nach diesem Umlauf im Geborgenen Land geschehen wird«, sagte er eindringlich. »Wir können das Böse nur vernichten, wenn wir diese Insel betreten.«

Die Seeleute bewegten sich allmählich und handelten nach seinem Willen, auch wenn sie wussten, dass es das Ende für das Schiff bedeuten konnte. Tungdil fühlte sich in die erste Eroberung der Insel zurückversetzt. Damals waren zwei Schiffe verloren gegangen. Das sollte sich nicht wiederholen.

Die Wogenschwinge nahm Fahrt auf, und bei jedem Krachen keimte die Angst auf, dass Wasser in den Laderaum strömte. Elria-Gebete erklangen unaufhörlich, kein Handstreich wurde mehr getan, ohne den Segen der Göttin zu erflehen.

Die Insel sank sehr schnell. Die Flammen erloschen, das Schwebgas war abgefackelt.

Der Steuermann manövrierte den Segler auf Anweisung Rodarios an eine ganz bestimmte Stelle und so nahe heran, dass die Ubariu, Tungdil und seine Freunde über die Bordwand auf die langsam nach unten gleitende Bergwand springen konnten. Der flache Strand befand sich schon längst unter Wasser.

Rodario schrie laut auf, als er in der Wand landete. Die Schmerzen in seinem verletzten Unterschenkel mussten höllisch sein. »Da hinüber«, deutete er auf einen Schlot. »Klettert hinein, er führt in eine Kammer, von der aus wir ins Innere gelangen.« Er zeigte ihnen, wie man den Einstieg erreichte.

Danach mussten sie springen. Es ging zwanzig Schritt nach unten; am Boden der Kammer befand sich bereits ausreichend Ballastwasser, dass sie nicht auf dem Stein zerschmetterten.

»Worauf habe ich mich da nur eingelassen?«, seufzte Rodario und sah, dass Lot-Ionan verstohlen nickte. Einer nach dem anderen ließ sich ins schäumende Wasser fallen, danach erklommen sie die in den Stein gehauenen Stufen und gelangten durch das Schott hinaus in einen Gang. Das Wasser rann ihnen aus den Schuhen und Kleidern, leise tropfte es und hinterließ eine dunkle Spur. Eine verräterische Spur. »Ich weiß, wo wir sind.« Tungdils Zwergenverstand hatte sich die Höhle beim ersten Besuch gut eingeprägt. Er wies nach rechts. »Da kommen wir in die Schmelze. Von dort gelangt man in den Durchgang zu dem Raum, von dem aus die Druckkessel bedient werden, richtig?«

Rodario nickte. »Da sollten wir den Unauslöschlichen finden. Jemand muss die Apparaturen ja bedienen.« Behutsam eilten sie voran und staunten über den Anblick der Höhle, in der sich einst die Hochöfen befunden hatten.

Das flüssige Eisen, mit dem Tungdil und seine Freunde damals überschüttet worden waren, war erkaltet. In den tiefer gelegenen Stellen hatten sich große, graue Flächen gebildet, die an Eis erinnerten. Von den oberen Stockwerken hingen lange, spitze Panzer herab, an anderen Stellen hatten sie sich zu stangengleichen Gebilden geformt oder Felsen mit einer dicken, grauen Schicht überzogen. Es war ein bizarrer und faszinierender Anblick. »Weiter«, raunte Tungdil und ging auf das aufgebrochene Schott im Kesselraum zu, das von einem schweren Gegenstand getroffen worden war. Verzogen und zerbeult hing die runde Tür in ihrer Halterung. »Ob der Alb auch noch hier ist?«, fragte Rodario und zog sein Schwert. »Drei Gegner wären mir ein bisschen zu viel.«

»Nein, ich glaube nicht, dass er gewartet hat, bis wir zurückkommen«, beschwichtigte ihn Tungdil und betrat den Raum, in dem sich einmal die riesigen Feuerstellen und die Kessel befunden hatten.

Der erste Gegner erwartete sie bereits.

An dem vorderen großen Ofen stand das dreieinhalb Schritte große Monstrum mit den Unterarmen aus Gestängen und Glas. Auf dem Kopf saß der aus Tionium geformte, einem Totenschädel nachempfundenen Helm. Es drehte verzweifelt wimmernd an Ventilen herum und suchte offensichtlich einen Weg, den Untergang zu verhindern. Noch hatte es die Gruppe nicht bemerkt. Seine Waffen, die runengezierten Äxte, blieben auf seinem Rücken im Futteral über der schwarzen Plattenpanzerung.

»Was für ein Koloss«, murmelte Flagur, und es klang erwartungsfroh.

»Sieht einer von euch den Unauslöschlichen?«, fragte Rodario und spähte in dem Halbdunkel der Höhle umher. »Besiegen wir erst diese Ausgeburt, dann kümmern wir uns um den anderen«, empfahl Flagur und leckte sich über die Lippen. »Ich bin gespannt, wie es schmeckt. Bislang hatte ich noch keine Zeit zum Kosten.« Das Monstrum hielt inne. Die gewaltigen Finger lagen noch immer auf den Drehrädern, und es schaute über die Schulter. Eine Träne rollte unter seinem Helm hervor und rann über den lippenlosen Mund. »Warum hat er das getan?«, jaulte es verzweifelt. »Ich war ein guter Sohn! Immer ein guter Sohn!« Die langen Stifte, die Kopfschutz und Schädel verbanden, schlugen gegen den Eisenkessel über ihm. »Er tötet mich.« »Nein, wir töten dich«, grinste Flagur und bedeutete seinen Kriegern anzugreifen.

»Halt«, rief Tungdil sie zurück und näherte sich dem Monstrum. Er hatte dessen Angst erkannt, die er nutzen wollte. »Wo ist er, dein Vater?«, fragte er behutsam.

»Gegangen«, heulte es. »Er hat mich zurückgelassen, weil ich euch töten soll. Aber ich weiß, dass er will, dass ich auch sterbe. Ich soll mit euch zusammen sterben.« Es wandte sich um, die Finger spannten sich um andere Ventile und bedienten sie sinnlos. Anzeigen schnellten in die Höhe, mit gellendem Pfeifen entwich hoch über ihnen Dampf. »Ich will nicht ertrinken.«

Tungdil stand nur noch fünf Stiellängen entfernt und entdeckte die Elbenrune auf dem Helm: acht. »Wohin ist er gegangen?«

»Er hat mir versprochen, dass wir alle gemeinsam durch den Stollen gehen«, sagte es zu sich selbst wie ein trotziges Kind.

Der Kontrast von seiner Stimme und seinem Verhalten zu seiner Statur, dem schrecklichen Maul mit dem schwarzen Zahnfleisch und den weißen Reißzähnen brachte Tungdil dazu, sich vor Abscheu zu schütteln. »Weißt du, wo dieser Stollen ist? Wir können dich hinbringen.« Er schluckte. »Ich bin ein Gelehrter. Ich weiß, wie die Maschine funktioniert.«

Jetzt ließ das Wesen die Griffe los und wandte sich zur Gänze um. »Du weißt es?« Die Augen funkelten aus dem übergroßen Helm grün hervor. »Aber der Schöpfer hat gesagt, dass ich euch töten soll, wenn ihr erscheint.« Sein Auftrag und der Wunsch zu überleben rangen miteinander.

Tungdil konnte sich vorstellen, was in dem schlichten Gemüt vorging, das hoffnungslos überfordert war. Sicherlich plante das Scheusal, auf seinen Vorschlag einzugehen und sie zu töten, sobald sie an der Oberfläche auftauchten.

»Gut. Ich bringe euch hin«, willigte es ein, und man hörte die Lüge deutlich in der hellen Stimme. Es trat einen Schritt zur Seite und deutete auf die Steuerung. »Mach, dass es auftaucht.«

»Sag mir, wo dieser Stollen ist, damit wir die Insel dorthin fahren.« Tungdil legte eine Hand auf einen Hebel. »Aber du musst mir die Wahrheit sagen. Die Maschine merkt sofort, wenn du lügst. Dann pfeift sie hell und wird sich weigern, mir zu gehorchen. Sie mag keine Lügen. Eher lässt sie uns ersaufen.«

Damit hatte die Kreatur nicht gerechnet. Besorgt betrachtete sie aus dem Helm heraus die Wand aus Hebeln, Rädern und Anzeigen. »Er liegt im... Süden«, sagte sie abwartend.

Tungdil ließ das Ventil unter der Decke laut pfeifen. »Du hast mich angelogen!«, rief er gespielt erschrocken. »Nun werden wir alle sinken!«

»Nordwesten!«, schrie es auf der Stelle. »Nordwesten, ich schwöre es! Es ist genau in der Felswand, unter der Nase des Riesen! Da liegt eine kleine Sandbank mit Bäumen davor, die den Stollen verdeckt.« Es fiel vor dem Kessel auf die Knie, scheppernd prallten die gerüsteten Beine auf den Steinboden. »Liebe Maschine, sei nicht böse! Hebe uns zurück ans Licht.«

Fast tat Tungdil das Scheusal Leid. »Wie will dein Vater dorthin gelangen?«

»Muss sie das auch wissen?«, staunte es.

»Ja. Die Maschine möchte vor ihm dort sein, damit wir alle in den Stollen gehen können.«

»Der Schöpfer hat eines der Kriegsschiffe genommen, die um die Insel schwammen.«

»Und wie hat er die übrigen vernichtet? Mit einem Diamanten?«

»Nein.« Es wandte den Kopf Tungdil zu. »Ich habe sie vernichtet. Alle fünf.« Es hob beweisend seine Unterarme aus funkelndem Metall und grün leuchtendem Glas. »Mit meiner Macht. Ich kann sie loslassen, wann immer ich es will.«

»Fünf«, murmelte Rodario Lot-Ionan bestürzt zu. »Hättet Ihr das für möglich gehalten?«

Der Magus wagte nicht, sich zu bewegen. »Es muss diese Legierung sein, die seinen Leib durchzieht. Ich schätze, dass dieses Monstrum das gefährlichste und mächtigste von allen ist.« Er blickte zu Flagur. »Hütet Euch, es herauszufordern. Die Waffen, die es auf dem Rücken trägt, sind unsere geringste Sorge.« Es fiel dem Ubari sehr schwer, nichts zu tun; zumal sich der Feind in einer unvorteilhaften Kampfposition befand: Er kniete und rechnete nicht mit einer Attacke, machte sich kleiner und unbeweglicher. Ein Zittern lief durch die Insel. Sie hatte den Grund und die Quelle erreicht.

»Mach, dass sie auftaucht«, bettelte das Scheusal voller Furcht und zog seine beiden Äxte. Sobald sich die Fäuste um die Griffe legten, leuchteten die Runen auf der Panzerung und auf den Waffen auf. »Ja, ich mache es«, sagte Tungdil ruhig. »Siehst du?« Er schob und drückte an den Hebeln herum. Als es sich eben aus seiner Lage erheben wollte, ergriff Flagur die Initiative. Er durfte den Vorteil nicht verstreichen lassen; seine Krieger stürzten mit ihm vorwärts.

Das Monstrum reagierte schnell. Es warf seine Axt nach den Angreifern und spaltete damit einen der Ubariu der Länge nach, sein Blut und seine Innereien ergossen sich auf den Steinboden; dann reckte es ihnen die freie Hand entgegen, und das gläserne Behältnis leuchtete grün auf.

Ein Strahl zuckte aus der Hand und fegte Flagur von den Beinen, schleuderte ihn zurück bis an den Eingang und rammte ihn gegen die Wand.

Brüllend sprang er auf die Füße. Auf seiner Brustpanzerung zeichnete sich ein schwarzer Brandfleck ab. »Nein!«, rief das Scheusal und warf seine zweite Axt, aber der Ubari wich dem Geschoss aus. »Nicht jetzt!« Tungdil zog seine Axt und trieb sie tief in das Schienbein des abgelenkten Feindes. Er wusste, was die Reaktion bedeutete. Die Magie war aufgebraucht. Durch die Vernichtung der fünf Schiffe hatte sich der letzte gespeicherte Rest in Nichts aufgelöst. Damit war das Monstrum wesentlich ungefährlicher, als sie die ganze Zeit über angenommen hatten.

Als das schwarze Blut spritzte, brüllte und schrie es gleichzeitig, riss ein Stück des Geländers von der Plattform über sich ab und schlug damit nach dem Zwerg.

Tungdil musste den Griff seiner Axt loslassen und zur Seite springen. Die massive Eisenstange verfehlte ihn und bohrte sich in den Wald aus Hebeln und Drehrädern; Dutzende zersprangen und verbogen sich. Das Vernichtungswerk, das die Dritten beim ersten Kampf begonnen hatten, vollendete nun das Monstrum. »Nein!«, rief es gequält. »Wegen dir habe ich die Maschine kaputt gemacht!« Es drückte sich vom Boden ab, sprang weit hinauf zur nächsten Plattform und hopste von dort weiter. »Dafür töte ich euch alle!« »Ehrenwerter Magus!«, rief Tungdil. »Verhindert, dass es sich mit neuer Kraft versorgt.«

Lot-Ionan hob die Hände und sandte dem Wesen einen hellblauen Strahl hinterher, der es knapp verfehlte, weil es im letzten Augenblick die Laufrichtung änderte. Die Energiebahn schlug in die Mitte eines Dampfkessels ein, fauchend strömten heiße Schwaden aus dem mühlsteingroßen Loch.

Die Ubariu und Flagur rannten unter der Führung von Tungdil los; Sirka, Rodario und Lot-Ionan folgten mit etwas Abstand.

Immer wieder hielt der Magus inne und versuchte, das Scheusal mit knisternden Blitzen zu treffen und es von der Plattform, auf der es sich mit der Macht der magischen Quelle versorgen konnte, zu vertreiben. Es gelang nicht. Eine unsichtbare Macht zerfaserte die vernichtenden Bahnen, lenkte sie ab.

Derweil betraten Tungdil und ein Teil der Truppe den Aufzug, der Rest bediente die Winde, um den Korb hinauf zu dem Mons trum zu schaffen, was ein riskantes Unterfangen war. Tungdil wünschte, er hätte die Feuerklinge wieder. »Beten wir, dass es zu spät bemerkt, was wir beabsichtigen«, sagte er zu Flagur.

Geschickt erklomm das Monstrum den nächsten Dampfkessel und sprang von dort auf die Plattform. Sobald die Füße auftrafen, leuchten grünliche Flämmchen auf und leckten am gepanzerten Leib entlang. Sprühende Funken schlugen in die Gestänge um die gläsernen Unterarme. Die Magie bündelte sich darin, im Innern des Glases leuchtete es, als seien zwei kleine Sonnen darin gefangen.

Der Korb kam neben der Plattform pendelnd zum Halten, Tungdil stieß die Tür auf.

»Ihr werdet sterben!«, schrie die Bestie voller Wut. »Wegen euch bin ich im See gefangen!« Es richtete beide Arme auf den erschöpften Lot-Ionan.

»Palandiell, gib mir deine Kraft!«, bat er und schaffte es, einen Abwehrzauber vor sich zu erschaffen. Da schnellten Energiebahnen aus den Fingern seines Feindes.

Zischend trafen sie auf den magischen Widerstand. Ein Spiegelspruch war von Lot-Ionan beschworen worden, ein Zauber der einfachsten Kategorie. Und zu allem Überfluss drohte der Spruch unter der unfassbaren Macht nachzugeben. Es schien, als leite das Monstrum die Kraft der Quelle direkt gegen ihn. Der magische Spiegel bekam Risse und splitterte mit verheerenden Folgen.

Damit wurden die Bahnen keineswegs abgefälscht und auf ein anderes, zufälliges Ziel gelenkt, nein, sie wurden in nahezu hundert kleine Strahlen aufgefächert. Aufs Geratewohl verteilten sie sich wie das Licht der Sonne und zerstörten alles, was sie in der Höhle trafen.

»Hinlegen!«, schrie Tungdil seinen Begleitern zu und warf sich auf die Plattform, hoffend, dass die Legierung die herumschwirrende Energie aufsog.

Aber es gab nichts, was sich den Strahlen widersetzte.

Die Druckkessel barsten, faustgroße Löcher wurden in die Felswand gestanzt, durch die das Wasser hereinspritzte. Zwei der Ubariu verglühten in den Strahlen.

Auch das Monstrum wurde an mehreren Stellen durchbohrt. Einer der Lichtfinger fuhr ihm durch die Zähne in den Mund, schwarzer Rauch kräuselte auf. Brüllend schwankte es rückwärts und stürzte von der Plattform. Auf dem Flug in Richtung Boden schnitten weitere Strahlen in seinen Körper, bevor es dumpf aufprallte.

Tungdil erhob sich, seine Augen richteten sich auf das Chaos zu seinen Füßen, dann wanderten sie über die Höhlenwände, in denen sich dicke Risse abzeichneten. Das geschundene Gestein hielt dem Druck nicht mehr länger stand. »Rasch, auf den Boden!«, befahl er und sprang in den Aufzug. »Es gibt nur einen Weg, dem Tod zu entrinnen.«

Sie hatten den Grund noch nicht erreicht, da brach die Decke über ihnen ein. Wassermassen ergossen sich wie eine gewaltige Kaskade auf sie und drohten, Zwerge, Ubariu und Menschen zu ertränken.


Загрузка...