Fünf Unteroffiziere, von jedem Kreuzer einer, tasteten uns ab, prüften unsere Ausweise und übergaben uns einer Sichtungsangestellten der Gesellschaft. Sheri kicherte, als der Russe eine empfindliche Stelle berührte, und flüsterte: »Was glauben sie denn, dass wir einschmuggeln, Rob?«

Ich winkte ab. Die Frau aus der Verwaltung hatte unsere Landekarten von dem chinesischen Feldwebel übernommen, der den Trupp anführte, und rief unsere Namen auf. Wir waren insgesamt acht.

»Willkommen an Bord«, sagte sie. »Jeder von euch Fischen bekommt einen Proktor zugeteilt. Er wird euch helfen, euch einzuleben, eure Fragen beantworten, euch erklären, wo ihr euch zur Untersuchung und zum Unterricht einfinden müsst. Außerdem wird er euch einen Durchschlag des Vertrages zum Unterschreiben geben. Jedem von euch sind von dem Bargeld, das ihr in eurem Schiff deponiert habt, elfhundertfünfzig Dollar abgezogen worden; das ist eure Lebenserhaltungs-Steuer für die ersten zehn Tage. Über den Rest könnt ihr jederzeit mit einem P-Scheck verfügen. Euer Proktor zeigt euch das. Linscott!«

Der ältere Farbige aus Baja California hob die Hand.

»Ihr Proktor ist Shota Taraswili. Broadhead!«

»Hier.«

»Dane Metschnikow«, sagte die Angestellte.

Ich wollte mich umsehen, aber die Person, die Dane Metschnikow sein musste, kam schon auf mich zu. Er packte mich am Arm, begann mich wegzuführen und sagte dann erst: »Hallo.«

Ich zögerte. »Ich möchte mich von meinen Freunden verabschieden …«

»Ihr seid alle im gleichen Bereich«, knurrte er. »Los!«

So hatte ich zwei Stunden nach meiner Ankunft auf Gateway ein Zimmer, einen Proktor und einen Vertrag. Die Vereinbarung unterschrieb ich sofort. Ich las sie nicht einmal durch. Metschnikow sah mich erstaunt an.

»Wollen Sie denn nicht wissen, was da steht?«

»Jetzt nicht.« Ich meine, wo war der Vorteil? Wenn mir nicht gefallen hätte, was da stand, hätte ich es mir vielleicht anders überlegt, und welche Wahl blieb mir eigentlich noch? Ein Prospektor zu sein, ist ziemlich unheimlich. Ich hasse den Gedanken, getötet zu werden. Ich hasse den Gedanken, überhaupt jemals sterben zu müssen, nicht mehr am Leben zu sein, zu wissen, dass alles aufhört, dass all die anderen Menschen weiterleben und Sex und Spaß haben, während ich nicht mehr dabei bin. Aber ich hasste das nicht so sehr wie die Vorstellung, in die Nahrungsgruben zurückzukehren.

Metschnikow hängte sich mit dem Kragen an einen Wandhaken, um mir nicht im Weg zu sein, während ich meine Sachen verstaute. Er war ein gedrungener, blasser Mann, nicht sehr gesprächig. Er schien nicht sehr sympathisch zu sein, aber wenigstens lachte er mich nicht aus, weil ich ein ungeschickter junger Fisch war. Auf Gateway herrscht nahezu Schwerelosigkeit. Ich hatte nie zuvor niedrige Schwerkraft erlebt; in Wyoming gibt es nicht viel davon, und so verschätzte ich mich immer wieder. Als ich ihm das sagte, meinte Metschnikow: »Sie gewöhnen sich daran. Haben Sie was zu essen?«

»Leider nicht.«

Er seufzte und sah ein wenig aus wie ein an die Wand gehängter Buddha, die Beine angezogen. Er blickte auf seine Zeitskala und sagte: »Später führe ich Sie auf einen Drink aus. Das ist der Brauch. Nur wird es vor zweiundzwanzig Uhr nicht sehr interessant. Die ›Blaue Hölle‹ ist erst dann voller Leute, und ich werde Sie mit einigen bekannt machen. Sehen Sie selbst, was Sie finden können. Was sind Sie, normal, homo, was?«

»Ziemlich normal.«

»Auch gut. Aber darum müssen Sie sich selber kümmern. Ich stelle Sie den Leuten vor, die ich kenne, alles Weitere müssen Sie selber machen. Daran sollten Sie sich gleich gewöhnen. Haben Sie Ihre Karte?«

»Karte?«

Vereinbarung

1. Ich, ______________________, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, übertrage hiermit alle Rechte an sämtlichen Entdeckungen, Artefakten, Objekten und Wertgegenständen jeder Art, die ich während oder als Folge von Forschungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen oder Informationen, die mir von der Gateway-Behörde überlassen wurden, beschaffe, unwiderruflich an die besagte Gateway-Behörde.

2. Die Gateway-Behörde kann nach eigenem Ermessen alle Artefakte, Objekte oder andere Wertgegenstände, die durch meine Aktivitäten beschafft worden sind, nach diesem Vertrag verkaufen, verleihen oder auf andere Weise darüber verfügen. In diesem Fall erklärt sie sich bereit, mir 50% (fünfzig Prozent) aller aus derartigen Verkäufen, Vermietungen oder anderweitigen Verfügungen erlösten Beträge zu überlassen, bis zur Höhe der Kosten des Forschungsfluges selbst (einschließlich meiner eigenen Kosten für den Flug nach Gateway und meiner dort angefallenen Lebenshaltungskosten), und 10 % (zehn Prozent) aller weiteren Erlöse, sobald die vorgenannten Kosten getilgt sind. Ich akzeptiere diese Zuweisung als vollständige Bezahlung aller Verpflichtungen der Gateway-Behörde mir gegenüber und erkläre verbindlich, dass ich zu keiner Zeit aus irgendeinem Grund weitere Ansprüche stellen werde.

3. Ich gestehe der Gateway-Behörde unwiderruflich das volle Verfügungsrecht darüber zu, Entscheidungen jeglicher Art im Hinblick auf Auswertung, Verkauf oder Vermietung von Rechten an allen solchen Entdeckungen zu treffen, einschließlich des Rechts, meine Entdeckungen oder andere Gegenstände von Wert, die sich aus diesem Vertrag ergeben, nach alleinigem Ermessen der Gateway-Behörde zum Zweck der Auswertung, Vermietung oder des Verkaufs mit anderen zusammenzulegen, in welchem Fall mein Anteil den Umfang haben soll, den die Gateway-Behörde aus anteilmäßigen Erlösen für angemessen hält; und ich gestehe der Gateway-Behörde ferner das Recht zu, nach alleinigem Ermessen auf die Auswertung einzelner oder aller solcher Entdeckungen und Wertgegenstände zu verzichten.

4. Ich entbinde die Gateway-Behörde von sämtlichen Ansprüchen durch mich oder in meinem Namen, die sich aus Verletzungen, Unfällen oder Verlusten irgendwelcher Art meinerseits im Zusammenhang mit meinen Aktivitäten im Rahmen dieses Vertrages ergeben.

5. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten im Rahmen dieses Vertrages bin ich damit einverstanden, dass die Klauseln nach den Gesetzen und Präzedenzfällen von Gateway ausgelegt und keine Gesetze oder Präzedenzfälle irgendeiner anderen Jurisdiktion in irgendeiner Weise als hierfür gültig anerkannt werden.

»Menschenskind! Bei dem Zeug, das Sie bekommen haben.«

Ich öffnete wahllos die Fächer, bis ich das fand, in das ich den Umschlag gelegt hatte. Darin befanden sich meine Vertragskopie, eine Broschüre mit dem Titel ›Willkommen auf Gateway‹, meine Zimmerzuteilung, mein Gesundheitsfragebogen, den ich vor 08.00 des nächsten Morgens würde ausfüllen müssen … und ein zusammengefaltetes Blatt, das wie ein Schaltplan mit Namen aussah.

»Das ist sie. Können Sie erkennen, wo Sie sind? Merken Sie sich Ihre Zimmernummer: Etage Babe, Quadrant Ost, Tunnel Acht, Zimmer Einundfünfzig. Schreiben Sie sich das auf.«

»Da steht es schon, Dane, auf meiner Zimmerzuweisung.«

»Verlieren Sie sie aber nicht.« Dane griff nach hinten und hakte sich aus, dann schwebte er sanft auf den Boden hinab. »Warum sehen Sie sich nicht eine Weile allein um? Ich hole Sie hier ab. Müssen Sie im Augenblick sonst noch etwas wissen?«

Ich dachte nach, während er ein ungeduldiges Gesicht machte.

»Hm … stört es Sie, wenn ich eine persönliche Frage stelle, Dane? Sind Sie schon draußen gewesen?«

»Sechsmal. Gut, wir sehen uns um zweiundzwanzig.« Dann stieß er die biegsame Tür auf, schlüpfte hinaus in das Dschungelgrün des Korridors und war verschwunden.

Ich ließ mich – so sanft, so langsam – in meinen einen richtigen Sessel sinken und versuchte mir begreiflich zu machen, dass ich an der Schwelle des Universums stand.


Ich weiß nicht, ob ich Sie dazu bringen kann nachzuempfinden, wie sich mir das Universum von Gateway aus darstellte: So, als sei man jung und besitze medizinischen Vollschutz. Wie eine Speisekarte im besten Restaurant der Welt, wenn ein anderer die Rechnung bezahlt. Wie ein Mädchen, das man eben kennen gelernt hat, und das einen mag. Wie ein ungeöffnetes Geschenk.

Was einem auf Gateway als Erstes auffällt, ist die Winzigkeit der Tunnels, die noch winziger wirken, als sie sind, weil sie mit blumenkastenähnlichen Pflanzenboxen ausgekleidet sind; dazu kommen das Schwindelgefühl aufgrund der niedrigen Schwerkraft und der Gestank. Gateway lernt man stufenweise kennen. Es gibt keine Möglichkeit, alles mit einem Blick zu erfassen; es ist nichts als ein Tunnellabyrinth im Gestein. Ich bin nicht einmal sicher, ob man schon alles erforscht hat. Ganz gewiss gibt es meilenlange Gänge, in die nie oder nur sehr selten jemand kommt. Die Hitschi waren so. Sie nahmen sich den Asteroiden, umkleideten ihn mit Metall, trieben Tunnels hinein, füllten sie mit den Dingen, die ihnen gehörten; die meisten waren allerdings leer, als wir eintrafen, wie praktisch alles, was den Hitschi je gehört hat, im ganzen Universum. Und dann verließen sie den Asteroiden, aus irgendeinem Grund.

Das, was einem Mittelpunkt in Gateway am nächsten kommt, ist Hitschi-Stadt: eine spindelförmige Höhle in der Nähe des geometrischen Zentrums des Asteroiden. Es heißt, die Hitschi hätten dort gelebt, als sie Gateway bauten. Wir lebten zuerst auch dort, oder in der Nähe, wir neuen Leute von der Erde. (Und von anderswo. Kurz vor unserem Schiff war eines von der Venus eingetroffen.) Dort ist die Gesellschaft untergebracht. Und wer nach einem Forschungsflug reich werden sollte, konnte weiter hinaus zur Oberfläche ziehen, wo etwas mehr Schwerkraft und weniger Lärm herrschten. Und vor allem stank es da weniger. An die zweitausend Leute hatten die Luft, die ich atmete, zu irgendeiner Zeit geatmet, das Wasser abgegeben, das ich trank, und ihre Gerüche der Luft mitgeteilt. Die Leute blieben nicht sehr lang, jedenfalls die meisten nicht; aber die Gerüche waren alle noch da.

Der Geruch machte mir nichts aus. Nichts machte mir etwas aus. Gateway war mein großer, fetter Lotterieschein zum medizinischen Vollschutz, zu einem Haus mit neun Zimmern, zwei Kindern und viel Freude. Eine Lotterie hatte ich schon gewonnen. Das verlieh mir große Zuversicht, eine zweite gewinnen zu können.

Es war alles sehr aufregend, obschon auf der anderen Seite auch schäbig genug. Luxus gab es nur wenig. Für $ 238 575 bekommst du den Flug nach Gateway, zehn Tage Essen, Unterkunft und Luft, einen Schnellkurs im Umgang mit Schiffen und eine Einladung, sich für den nächsten Start zu melden. Oder für irgendein Schiff, das einem gefällt. Man zwingt dich nicht, irgendein bestimmtes Schiff oder überhaupt ein Schiff zu nehmen.

Die Gesellschaft verdient bei alledem nichts. Sämtliche Preise decken in etwa die Kosten. Das heißt nicht, dass sie billig waren, und ganz gewiss nicht, dass gut gewesen wäre, was man bekam. Das Essen entsprach ungefähr dem, was ich mein ganzes Leben lang ausgegraben und gegessen hatte. Die Unterkunft hatte etwa die Größe eines großen Schiffskoffers, ein Stuhl, ein paar Spindfächer, ein Klapptisch und eine Hängematte, die man von einer Ecke zur anderen aufhängen konnte, wenn man schlafen wollte.

Meine direkten Nachbarn waren die Mitglieder einer Familie von der Venus. Ich erhaschte einen Blick durch die halb offene Tür. Man stelle sich das vor! Vier Leute, die in einer von diesen Zellen schliefen. Je zwei schienen in Hängematten zu schlafen, die über Kreuz aufgespannt waren. Auf der anderen Seite befand sich Sheris Zimmer. Ich kratzte an ihrer Tür, aber sie meldete sich nicht. Die Tür war nicht abgesperrt. Auf Gateway werden Türen kaum abgesperrt, unter anderem deshalb, weil es nicht viel zu stehlen gibt. Sheri war nicht da. Die Kleidung, die sie im Schiff getragen hatte, lag überall verstreut.

Ich vermutete, dass sie einen Besichtigungsrundgang unternahm, und wünschte mir, ein bisschen früher gekommen zu sein. Ich hätte bei der Besichtigung gern jemanden dabeigehabt. Ich lehnte mich an den Efeu, der aus einer Tunnelwand wuchs, und zog meine Karte heraus.

Sie verschaffte mir wirklich eine Vorstellung davon, wonach ich suchen musste. Es gab Hinweise wie ›Central Park‹ und ›Superior-See‹. Was konnte das sein? Ich machte mir Gedanken über das ›Gateway-Museum‹, was interessant klang, und das ›Terminal-Hospital‹, was sehr schlimm klang – später kam ich dahinter, dass ›Terminal‹ hier so viel hieß wie ›am Ende der Strecke‹, bei der Rückkehr von einem Flug. Die Gesellschaft musste gewusst haben, dass man das auch anders verstehen konnte, aber die Gesellschaft machte sich nie große Mühe, die Gefühle eines Prospektors zu schonen.

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