FLUGBERICHT

Fahrzeug 3-104, Flug 031D18. Besatzung N. Ahoya,


Ts. Zachartschenko, L. Marks.

Transitzeit 119 Tage, 4 Stunden. Position nicht bestimmt. Anscheinend vor galaktischem Sternhaufen in Staubwolke. Identifizierung der äußeren Galaxien zweifelhaft.

Zusammenfassung: ›Wir fanden keine Spur von einem Planeten, Artefakt oder landefähigem Asteroiden im Ortungsbereich. Nächster Stern ca. 1,7 Lj. Mutmaßung, dass zerstört ist, was früher dort war. Lebenssysteme beim Rückflug Teildefekte, Larry Marks gestorben.‹

Das Adrenalin begann zu fließen. Ich beugte mich über das Analysegerät, als das Objekt verschwand. Alle Träume schienen wahr werden zu wollen. Ich stolperte und schürfte mir die Knöchel an der golden glühenden Spirale auf. Ich saugte das Blut ab und begriff, dass das Schiff sich bewegte.

Es hätte sich nicht bewegen dürfen! Darauf war es nicht programmiert. Es sollte in der Umlaufbahn hängen und dort bleiben, bis ich mich umgesehen und meine Entscheidungen getroffen hatte.

Ich schaute mich verwirrt um. Das leuchtende Objekt befand sich genau in der Schirmmitte und blieb dort; die Rundumabtastung hatte aufgehört. Verspätet hörte ich das hohe Schrillen der Landefahrzeugmotoren. An ihnen lag es, dass ich mich bewegte; das Schiff steuerte das Objekt an.

Und über dem Pilotensitz leuchtete ein grünes Licht.

Das durfte nicht sein. Das grüne Licht war auf Gateway von Menschen eingebaut worden. Es hatte mit den Hitschi nichts zu tun, es war ein ganz schlichter Funkschaltkreis, der anzeigte, dass mich jemand rief. Wer? Wer konnte in der Nähe meiner nagelneuen Entdeckung sein?

Ich schaltete das Funkgerät ein und schrie: »Hallo?«

Es kam Antwort. Ich verstand sie nicht; es schien eine fremde Sprache zu sein, vielleicht Chinesisch. Aber menschlich war sie.

»Sprecht Englisch!«, brüllte ich. »Wer, zum Teufel, seid ihr?«

Pause. Dann eine andere Stimme.

»Wer sind Sie?«

»Mein Name ist Bob Broadhead«, fauchte ich.

»Broadhead?« Verwirrtes Stimmengemurmel. Dann wieder die englischsprechende Stimme: »Wir wissen nichts von einem Prospektor namens Broadhead. Sind Sie von Aphrodite?«

»Was ist Aphrodite?«

»O Gott! Wer sind Sie? Hören Sie, hier ist die Leitstelle von Gateway II, und wir haben keine Zeit für Faxen. Identifizieren Sie sich!«

Gateway II!

Ich schaltete das Funkgerät ab, legte mich zurück und sah das Objekt näher kommen. Auf das grüne Licht achtete ich nicht mehr. Gateway II? Wie lächerlich! Wenn ich nach Gateway II gewollt hätte, wäre ich einfach mitgeflogen und hätte mich damit abgefunden, für alle Entdeckungen Tantiemen abzuführen. Ich wäre als Tourist geflogen, auf einem hundertmal erprobten Kurs. Das hatte ich nicht getan. Ich hatte eine Einstellung gewählt, die noch keiner versucht hatte, und meine Risiken akzeptiert. Und fünfundfünfzig Tage lang war ich voller Angst gewesen.

Es war einfach nicht fair!

Ich verlor den Kopf, stürzte mich auf den Hitschi-Kurssetzer und drehte verbissen an den Rädern.

Es war ein Scheitern, das ich nicht hinnehmen konnte. Ich war darauf gefasst gewesen, nichts zu finden. Ich war nicht darauf gefasst, etwas ganz Leichtes getan zu haben, ohne jede Aussicht auf Gewinn.

Aber was ich hervorbrachte, war ein noch größerer Misserfolg. Der Kurssetzer blitzte gelblich auf, dann wurden alle Lichter schwarz.

Das Kreischen der Motoren verstummte.

Das Gefühl der Bewegung war verschwunden. Das Schiff war tot.

Nichts rührte sich. Nichts funktionierte im Hitschi-Komplex, nicht einmal die Kühlanlage.

Bis Gateway II ein Schiff hinausschickte, um mich hereinzuholen, befand ich mich im Hitzedelirium, bei einer Kabinentemperatur von 75 Grad Celsius.


Gateway war heiß und muffig. Gateway II war so kalt, dass ich Jacke, Handschuhe und dicke Unterwäsche ausleihen musste. Gateway stank nach Schweiß und Abwässern. Gateway II roch nach rostigem Stahl. Auf Gateway II gab es fast keinen Laut und nur sieben Menschen, mich nicht mitgezählt, die einen Laut hervorbringen konnten. Der Luftdruck lag unter 150 Millibar, der Rest der Atmosphäre bestand aus Stickstoff-Helium, sodass ich die erste Zeit japste.

Der Mann, der mir aus der Landekapsel half und mich gegen die plötzliche Kälte einmummte, war ein dunkelhäutiger, riesengroßer Mars-Japaner namens Norio Ituno. Er legte mich in sein Bett, flößte mir Flüssigkeit ein und ließ mich eine Stunde liegen. Als ich aufwachte, saß er da und betrachtete mich halb belustigt, halb bewundernd. Die Bewunderung galt einem Mann, der ein 500-Millionen-Dollar-Schiff demoliert hatte; die Belustigung der Tatsache, dass ich so blöd gewesen war, das zu tun.

»Ich bin wohl in Schwierigkeiten«, sagte ich.

»Das würde ich auch meinen, ja. Das Schiff ist völlig tot. So etwas ist noch nie vorgekommen.«

»Ich wusste gar nicht, dass ein Hitschi-Schiff völlig lahm gelegt werden kann.«

»Sie haben etwas Originelles gemacht, Broadhead. Können Sie sich ein paar Stunden allein zurechtfinden? Ich habe zu tun, aber dann gibt es eine Party.«

»Party!« Daran hatte ich zuletzt gedacht. »Wofür?«

»Jemanden wie Sie lernen wir nicht jeden Tag kennen, Broadhead«, sagte er bewundernd und ließ mich allein.

Ich zog mich nach einer Weile an und machte einen Rundgang. Als ich endlich eine Toilette fand, zerbrach ich mir zehn Minuten lang den Kopf und hätte sie dann schuldbewusst schmutzig hinterlassen, wenn ich vor der Zelle kein Geräusch gehört hätte. Eine dicke, kleine Frau stand da und wartete.

Liebe Stimme von Gateway,

bist du eine vernünftige und aufgeschlossene Person? Dann beweise es, indem du den Brief bis zu Ende liest, bevor du darüber entscheidest, was er enthält. Auf Gateway gibt es dreizehn bewohnte Etagen. In jeder der dreizehn (zählen Sie sie selbst) Unterkunftshallen gibt es dreizehn Wohnungen. Glauben Sie, dass dies nur alberner Aberglaube ist? Dann schauen Sie sich die Indizien an! Die Starts 83-20, 84-1 und 84-10 (wie viel ergibt die Addition der Ziffern?) sind alle in der Liste 86-13 als überfällig erklärt worden! Gateway-Gesellschaft, wach auf! Lasst die Skeptiker und Fanatiker spotten. Menschenleben hängen von Ihrer Bereitschaft ab, sich ein wenig verhöhnen zu lassen. Es würde nichts kosten, die Gefahrenzahlen aus allen Programmen zu streichen – außer Mut!

M. Gloyner, 88-331

»Ich weiß nicht, wie man sie spült«, entschuldigte ich mich.

Sie sah mich von oben bis unten an.

»Sie sind Broadhead«, sagte sie. »Warum gehen Sie nicht nach Aphrodite?«

»Was ist Aphrodite – nein, warten Sie! Wie spült man das Ding da? Dann …«

Sie deutete auf einen Knopf an der Türkante, den ich für einen Lichtschalter gehalten hatte. Als ich ihn berührte, leuchtete der Boden der Schüssel auf, und nach zehn Sekunden war da nur Asche, dann gar nichts mehr.

»Warten Sie auf mich!«, befahl sie und verschwand in der Zelle. Als sie herauskam, sagte sie: »Aphrodite ist da, wo das Geld ist, Broadhead. Sie werden es brauchen.«

Sie zerrte mich mit. Aphrodite war ein Planet, wie ich zu begreifen begann. Ein neuer, den ein Schiff von Gateway II erst vor vierzig Tagen gefunden hatte, und ein großer dazu.

»Sie müssten natürlich Tantiemen abführen«, sagte sie. »Und bis jetzt hat man nichts Großes gefunden, nur das übliche Hitschi-Gerümpel. Aber es gibt tausende von Quadratmeilen zu erforschen, und es wird Monate dauern, bis die ersten Prospektoren von Gateway kommen. Wir haben erst vor vierzig Tagen Bescheid gegeben. Haben Sie Erfahrung mit heißen Planeten?«

»Heißen Planeten?«

»Ich meine, ob Sie je einen Planeten erforscht haben, der heiß ist?«

»Nein. Ich habe überhaupt keine Erfahrung. Ein Flug. Leer. Bin nicht einmal gelandet.«

»Schade. Aber viel zu lernen gibt es nicht. Kennen Sie die Venus? Aphrodite ist nur ein bisschen schlimmer. Der Primärkörper ist ein Fackelstern, und im Freien dürfen Sie sich nicht erwischen lassen. Aber die Hitschi-Anlagen sind alle unter dem Boden. Wenn Sie eine finden, haben Sie’s geschafft.«

Wir schnuppern nach euch im Gras von Orion,

wir graben nach euch mit den Hunden von Procyon,

aus Baltimore, Buffalo, Bonn und Benares

suchen wir euch bei Algol, Arcturus, Antares.

Wir finden euch mit der Zeit.

Kleine, verlor’ne Hitschi, seid bereit!

»Wie groß sind die Aussichten?«, fragte ich.

»Tja, vielleicht nicht so besonders. Bei der Suche nach Schätzen ist man ja im Freien. Auf der Venus benutzt man gepanzerte Luftkörper und kann sich ohne Probleme bewegen. Na, vielleicht nicht ganz ohne Probleme. Aber man verliert nur noch wenig Prospektoren. Vielleicht ein Prozent.«

»Und wie viel Prozent auf Aphrodite?«

»Mehr, ja, gewiss mehr. Sie müssen das Landefahrzeug verwenden, und das ist auf der Oberfläche eines Planeten nicht sehr beweglich. Vor allem auf einem Planeten mit einer Oberfläche wie geschmolzener Schwefel und mit Orkanwinden … wenn sie mild sind.«

»Klingt charmant. Warum fliegen Sie nicht?«

»Ich bin Beipilotin. In zehn Tagen fliege ich nach Gateway zurück, sobald Fracht da ist oder jemand zurückwill.«

»Ich will zurück.«

»Ach, Broadhead! Wissen Sie nicht, in welcher Patsche Sie stecken? Sie haben gegen die Vorschriften verstoßen, als Sie an der Hitschi-Konsole herumgepfuscht haben. Da gibt es keinen Pardon.«

Ich dachte gründlich nach, dann sagte ich: »Danke, aber ich glaube, das Risiko nehme ich auf mich.«

»Begreifen Sie denn nicht? Auf Aphrodite gibt es garantiert Hitschi-Objekte. Sie könnten hundert andere Flüge machen, ohne so etwas zu finden.«

»Schätzchen«, sagte ich, »ich könnte keine hundert Flüge machen, nicht jetzt und nicht später. Ich weiß nicht, ob ich auch nur einen machen kann. Ich glaube, ich habe den Mumm, nach Gateway zurückzufliegen. Mehr weiß ich nicht.«


Ich war insgesamt dreizehn Tage auf Gateway II. Am zwölften Tag kamen zwei Fünfer von Gateway, voll glücklicher, eifriger Prospektoren, alle mit der falschen Ausrüstung, weil die Nachrichten über Aphrodite Gateway noch nicht erreicht hatten. Es gab eine hübsche Abschiedsparty, und ich ging beinahe ungern weg. Ituno bot mir Reiswhisky an und empfahl mir noch einmal, mit gepanzerten Schiffen einen Flug nach Aphrodite zu versuchen.

»Nein«, antwortete ich.

»Banzai«, sagte er und trank. »Hören Sie, kennen Sie den alten Bakin?«

»Shicky? Klar. Mein Nachbar.«

»Grüßen Sie ihn von mir. Er ist ein feiner Kerl, aber Sie erinnern mich an ihn. Ich war dabei, als er seine Beine verlor; er wurde im Landefahrzeug eingeklemmt, als wir es absprengen mussten. Bis wir ihn nach Gateway brachten, war er ganz aufgedunsen und stank grässlich; wir hatten die Beine nach zwei Tagen amputieren müssen. Meine Arbeit.«

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