Die Bruchstücke der Lebensgeschichten aller dieser meiner Freunde – oder Beinahe-Freunde, in manchen Fällen auch Nicht-Freunde – fügten sich allmählich zusammen. Nicht sehr schnell. Ja, nicht viel schneller, als die Fragmente des Universums sich zusammenfügten, auf dieses gewaltige Knirschen zu, das wieder zurück zum zyklischen, ursprünglichen Atomzustand führen sollte (wie Albert mir erzählte). Zu diesem Zeitpunkt verstand ich allerdings die Gründe für dieses Geschehen nicht. (Das machte mir aber nichts aus, weil Albert es damals auch nicht verstand.) Da gab es die Leute an Bord des Segelschiffs, die mit Unbehagen die Folgen, welche die Ausübung ihres Dienstes mit sich brachte, akzeptierten. Dann waren da Dolly und Wan auf dem Weg zu einem neuen Schwarzen Loch. Dolly weinte im Schlaf, während Wan nur wütend vor sich hinmurmelte. Dann gab es noch Walthers und Janie, die verzweifelt in ihrem viel zu teuren Hotelzimmer in Rotterdam saßen. Sie hatten gerade herausfinden müssen, dass ich nicht dort war. Janie hockte auf dem großen anisokinetischen Bett, während Audee mit meiner Sekretärin redete. Janie hatte auf einer Wange einen blauen Fleck – ein Souvenir von diesem Augenblick voll Wut in Lagos. Audees Arm steckte in Gips – ein verstauchtes Handgelenk. Er hatte bis zu diesem Augenblick nicht gewusst, dass Janie einen schwarzen Gürtel in Karate besaß.

Mit einem Stöhnen beendete Walthers das Gespräch und hängte ein. Er ließ seine Hand in den Schoß sinken. »Sie sagt, dass er morgen hier sein wird«, teilte er Janie missgelaunt mit. »Ich bin gespannt, ob sie es ihm ausrichtet.«

»Natürlich macht sie das! Sie ist ja kein Mensch.«

»Wirklich? Du meinst, sie war ein Computerprogramm?« Auf diese Idee war er nicht gekommen. Auf Peggys Planet war so etwas nicht sehr verbreitet. »Na schön«, sagte er etwas getröstet. »In dem Fall wird sie es wenigstens nicht vergessen.« Er goss ihr und sich selbst einen Drink aus der Flasche mit belgischem Apfelschnaps ein, die sie auf dem Weg zum Hotel gekauft hatten. Beim Absetzen der Flasche stöhnte er wieder und rieb sich das Handgelenk. Dann nahm er einen Schluck, ehe er fragte: »Janie? Wie viel Geld haben wir noch?«

Sie beugte sich vor und tippte den Kode in den PV. »Etwa für vier Nächte in diesem Hotel«, meldete sie. »Wir könnten natürlich in ein billigeres umziehen.«

Er schüttelte den Kopf. »Broadhead wird hier wohnen. Ich will hier sein.«

»Auch ein Grund«, meinte Yee-xing lakonisch und wollte damit sagen, dass sie den wahren Grund sehr wohl verstand: Wenn Broadhead keine übertriebene Lust verspürte, Walthers zu sehen, würde es ihm schwerer fallen, ihn abzuwimmeln, wenn er persönlich vor ihm stand, als wenn er nur mit ihm über die P-Leitung redete. »Warum hast du dann wegen des Geldes gefragt?«

Da Robin immer wieder über die Frage der »fehlenden Masse« spricht, sollte ich erklären, worum es sich dabei handelt. Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts standen die Kosmologen vor einem unlösbaren Widerspruch. Sie konnten sehen, dass sich das Universum ausdehnte. Das war wegen der Rotverschiebung ganz sicher. Sie konnten aber auch feststellen, dass zu viel Masse in ihm enthalten war, um diese Expansion möglich zu machen. Bewiesen werden konnte das durch Tatsachen wie die, dass sich die äußeren Ränder der Galaxien zu schnell drehten und dass sich die Haufen der Galaxien zu eng zusammenschlossen. Selbst unsere eigene Galaxis mit ihren Gefährten stürmte auf eine Gruppe von Sternwolken in der Jungfrau viel schneller zu, als es hätte sein sollen. Offensichtlich fehlte gemäß diesen Beobachtungen eine Menge Masse. Wo war diese?


Es gab nur eine intuitiv richtige Erklärung: nämlich, dass das Universum sich früher ausgedehnt hatte, jetzt aber irgendetwas beschlossen hatte, dieses Wachstum umzupolen und das Universum zum Zusammenziehen zu bringen. Keiner glaubte auch nur eine Minute daran – gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts.

»Lass uns die Kosten einer Übernachtung für ein paar Informationen ausgeben«, schlug er vor. »Ich würde gern wissen, wie reich Broadhead ist.«

»Du meinst, einen Finanzbericht kaufen? Willst du herausbekommen, ob er uns eine Million Dollar bezahlen kann?«

Walthers schüttelte den Kopf. »Ich möchte herausfinden«, sagte er, »wie viel mehr als eine Million wir aus ihm herausschlagen können.«


Das waren nun nicht gerade freundliche Absichten. Wenn ich darüber Bescheid gewusst hätte, wäre ich mit meinem alten Freund Audee Walthers härter umgesprungen. Vielleicht aber auch nicht. Wenn man einen Haufen Geld hat, gewöhnt man sich daran, dass die Leute einen als Quelle betrachten, die man anzapfen kann, und nicht als menschliches Wesen. Allerdings macht dieser Gedanke keine Freude.

Aber ich hatte nichts dagegen, dass er herausfand, wie viel ich besaß. Das war natürlich nur die Summe, die ich den Finanzberichtunternehmen zu wissen erlaubte. Es war genug vorhanden. Da waren die beträchtlichen Anteile an dem Charterbetrieb der S. Ya. und einige an den Nahrungsgruben und Fischfarmen. Dann eine Vielzahl an Unternehmen auf Peggys Planet, darunter auch (zu Walthers’ Überraschung) die Gesellschaft, von der er sein Flugzeug gemietet hatte, ferner der Computerdaten-Kundendienst, der den beiden die Informationen verkaufte, und mehrere Dachgesellschaften, Import- und Exportfirmen und Transportunternehmen. Zwei Banken; vierzehn Maklerfirmen zwischen New York und New South Wales verteilt, ein paar auch auf Peggys Planet und der Venus. Ferner noch eine Vielzahl kleinerer Betriebe, darunter eine Fluggesellschaft, eine Imbisskette, ein Unternehmen, das sich »Jetzt und Später« GmbH nannte – und eines, das Peg-Tex Petrospekulationen hieß.

»Mein Gott«, stellte Audee Walthers fest, »das ist ja Mr. Luqmans Gesellschaft! Dann habe ich also die ganze Zeit für diesen Dreckskerl geschuftet!«

»Und ich auch«, erkannte Janie Yee-xing und schaute auf den Teil, der die S. Ya. erwähnte. »Nein, so was! Gehört diesem Broadhead wirklich alles?«


Nein, das nicht. Mir gehörte sehr viel. Aber hätten sie sich die Aufstellung meines Besitzes mit mehr Verständnis angesehen, wäre ihnen vielleicht ein bestimmtes Muster aufgefallen. Die Banken verliehen das Geld für die Erschließung. Die Makleragenturen halfen den Kolonisten bei der Besiedlung oder übernahmen ihre Hütten gegen Bargeld, um ihnen den Rückflug zu ermöglichen. Die S. Ya. brachte die Kolonisten zu Peggys Planet, und was Luqman anging, der war das Kronjuwel in diesem Reich, was sie aber nicht erkannten! Ich hatte Luqman nie kennen gelernt, hätte auch nicht gewusst, wie er aussah, wäre ich ihm begegnet. Er hatte seine Befehle, und diese Befehle kamen quasi direkt von mir: Finde ein gutes Ölfeld irgendwo in der Nähe des Äquators auf Peggys Planet. Warum der Äquator? Weil die Lofstromschlaufe, die wir dort bauen wollen, den Vorteil der Rotationsgeschwindigkeit des Planeten ausnutzen würde. Warum eine Stapelschlaufe? Das war die billigste und beste Möglichkeit, Sachen in die Umlaufbahn und wieder aus ihr heraus zu befördern. Das Öl, das wir pumpten, würde die Energie für die Schlaufe liefern. Überschüssiges Öl würde mittels der Schlaufe in die Umlaufbahn geschleust, und zwar in Frachtkapseln. Diese Frachtkapseln würden auf der Rückfahrt an Bord der S. Ya. zur Erde gebracht und verkauft – das bedeutete, dass auf der Hälfte der Reise, die jetzt praktisch ein reines Verlustgeschäft war, eine lohnende Fracht Öl befördert würde; und das bedeutete, dass wir die Flugpreise für die Kolonisten senken konnten!

Ich entschuldige mich nicht für die Tatsache, dass fast alle meine Unternehmungen jedes Jahr Gewinn abwarfen. Nur so konnte ich sie alle am Leben erhalten und expandieren. Aber der Gewinn war Nebensache. Sehen Sie, ich habe meine eigene Weltanschauung über das Geldverdienen: Jeder, der sich halb tot schuftet, um nach den ersten hundert Millionen noch mehr zu verdienen, ist krank und …

Aber das habe ich, glaube ich, bereits gesagt, oder?

Robin ist auf die Startschlaufe sehr stolz, weil sie ihm die Gewissheit gab, dass menschliche Wesen etwas erfinden konnten, was die Hitschi nicht besaßen. Nun, er hat Recht – zumindest, wenn Sie die Details weglassen. Die Schlaufe war auf der Erde von einem Mann namens Keith Lofstrom gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ersonnen worden. Doch niemand baute eine, bis das Verkehrsaufkommen sie erforderlich machte. Robin wusste aber nicht, dass zwar die Hitschi keine Schlaufe erfunden hatten, wohl aber die Segelschiffleute – für sie war es die einzige Möglichkeit, aus ihrer dichten und undurchsichtigen Atmosphäre herauszukommen.

Ich befürchte, ich schweife ab. Mir gehen so viele Dinge im Kopf herum, dass ich ein bisschen durcheinander bringe, was bereits Tatsachen geworden, was noch nicht passiert ist und was niemals geschehen wird, außer in diesem Kopf.

Ich möchte damit nur sagen, dass es sich bei meinen lukrativen Geschäften auch um sehr nützliche Unternehmungen handelte, die der Eroberung der Galaxis dienten und den menschlichen Wesen Erleichterungen verschafften. Und das ist eine Tatsache! Und aus diesem Grunde fügen sich alle diese Bruchstücke der Lebensläufe schließlich zusammen. Es sieht zwar nicht so aus, aber sie tun es. Alle. Sogar die Geschichten meines Halbfreundes Kapitän, des Hitschis, den ich schließlich recht gut kennen lernte. Auch die seiner Geliebten und Stellvertreterin an Bord, des weiblichen Hitschis namens Twice, die ich – wie Sie feststellen werden – am Ende noch viel besser kennen lernte.

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