Es dauerte drei Tage, den Weg im Nordwesten Navarnes außerhalb des Gwynwaldes hinter sich zu bringen, denn es handelte sich größtenteils um raues Gelände. Rhapsody bemerkte, wie sehr die Reise Llauron anstrengte. Er hatte in der Nacht neben dem Feuer nicht gut geschlafen und schien sehr anfällig für Kälte zu sein.
Ein leichter Husten hatte sich in seiner Brust festgesetzt, und obwohl Rhapsody ihm alle Kräuter und Tränke gegeben hatte, die sie bei sich führte, schienen sie kaum zu helfen. In jeder der Nächte auf dem Weg hatte sie ihm ein Heillied gesungen, woraufhin sein Zustand sich jedes Mal ein wenig gebessert hatte, doch sobald die Sonne aufging, verfiel er wieder in schwindsüchtiges Husten. Schließlich sprach sie ein Machtwort.
»Llauron, das ist verrückt. Es macht dich krank. Wir müssen uns auf den Heimweg machen. Ich werde im Frühling zurückkommen und mich um die ganzen Tafeln und Zeichen auf dem Weg kümmern; man muss sie sowieso immer wieder säubern.«
»Es gibt nur noch drei in diesem Teil von Navarne, meine Liebe, und sie sind in unserer Nähe. Wir sollten versuchen, bis Mittag mit ihnen fertig zu sein, dann können wir Stephen einen Besuch abstatten. Seine Festung ist mit dem Pferd von hier aus gut zu erreichen, und ich bin sicher, dass er dich gern wieder sehen würde.«
Rhapsody dachte nach und kam zu dem Schluss, dass Llaurons Vorschlag vernünftig war. Er war zu erschöpft, um es bis nach Gwynwald zu schaffen, und Stephen würde sich zweifellos um ihn kümmern und es ihm in Haguefort, seinem Schloss aus rosigbraunem Stein, gemütlich machen.
»In Ordnung«, stimmte sie zu und küsste ihn auf die Wange. »Aber versuch nicht, mich auf dem Weg zu etwas anderem zu überreden. Noch drei, dann ist Schluss. Ich will nicht in den nächsten Sturm kommen, so wie die armen Waldläufer, die du mir zur Hilfe nach Sorbold geschickt hast. Ich will nicht auch noch dich auf dem Gewissen haben.«
»Einverstanden«, sagte der alte Mann, und seine Augen funkelten im Morgenlicht. Sie waren gerade dabei, eine Steintafel mit den Namen der ersten Siedler des westlichen Navarne zu säubern, als Rhapsody einen kalten Schauer aus der Lichtung heranwehen spürte. Llauron hatte hinter ihr gestanden und sie beobachtet, während sie den Stein freigelegt und die Brombeeren zur Seite gebogen hatte. Als sie sich umdrehte, sah sie Khaddyr hinter ihnen auftauchen. Rhapsody erhob sich und stellte sich neben den Fürbitter, als vier Männer und eine Frau hinter Llaurons oberstem Ratgeber die Lichtung betraten. Sie warf Llauron einen raschen Blick zu. Bei der Frau handelte es sich um Lark, Llaurons Kräuterkundige und eine der Hauptpriesterinnen, die Rhapsody unterrichtet hatte.
Der alte Mann zog die Brauen zusammen.
»Khaddyr. Ich war der Meinung, du bist mit den Vorbereitungen der Frühlingssonnenwende beschäftigt.«
Khaddyr nickte, während die Priester den Kreis enger zogen. »Das bin ich, Euer Ehren. Ich kümmere mich darum, dass sie unter der Führung eines neuen Fürbitters gefeiert wird.«
Rhapsody Magen wurde plötzlich so eiskalt wie der Boden unter ihren Stiefeln. »Was soll das heißen?«
»Es heißt, dass er ein altes Ritual des Übergangs vollziehen will, meine Liebe«, sagte Llauron ruhig. »Er fordert mich nach dem Gesetz des Buda Kai heraus.«
Rhapsodys Hand stahl sich zum Griff der Tagessternfanfare. Buda Kai war der filidische Kampf um die Oberherrschaft ein Ritus, der seit den Tagen des cymrischen Krieges nicht mehr vollführt worden war. Llauron war genauso wenig wie sein Vorgänger auf diese Weise zu seiner Stellung gekommen. Das hatte ihr Khaddyr selbst gesagt, als er ihr Lehrer gewesen war. Der Sieger würde der neue Fürbitter sein. Es war ein Kampf auf Leben und Tod.
»Mach dich nicht lächerlich«, sagte sie zu Khaddyr. »Du hast selbst gesagt, es sei ein barbarisches und überholtes Ritual, das niemand mehr begeht.«
Khaddyr lächelte, und Rhapsody erzitterte unwillkürlich. In seinen Augen und hinter der angenehmen Stimme lagen Härte und Grausamkeit.
»Ich sehe, wir beide sind eines Geistes. Du stellst die Monumente der verblassten Glorie eines entehrten Volkes wieder her, während ich einen alten Ritus wieder belebe, weil ich die Ehre einer religiösen Sekte erneuern will, die von einer zerfallenden Bastion derselben Abstammung geführt wird. Wie ironisch. Lark wird meine Sekundantin sein. Es scheint, Llauron hat niemand anderen als dich. Es tut mir Leid, dass du Zeuge dieses Schauspiels bist, meine Liebe. Ich hätte es dir gern erspart.«
»O nein, Khaddyr, ich will es nicht anders«, sagte Rhapsody mit brodelnder Wut in der Stimme. »So kann ich ihm wenigstens beistehen. Du musst zuerst mich besiegen.«
»Entschuldige uns bitte für einen Moment«, sagte Llauron zu Khaddyr, der daraufhin nickte. Der Fürbitter nahm Rhapsody beim Arm und führte sie zwanzig Fuß fort hinter einen Wall aus Birken.
»Rhapsody, es tut mir Leid, dass das gerade jetzt geschieht, wo wir noch ein wenig Zeit miteinander verbringen wollten. Ich fürchte, ich muss mich ihm stellen. Ich bin verpflichtet, diese Herausforderung anzunehmen.«
»Das ist absurd«, meinte Rhapsody und warf einen Blick über die Schulter auf Khaddyr und seine Sekundantin. »Diese Narren. Erlaube mir, dass ich ihm das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht prügele. Das wäre eine gute Gelegenheit, ihm seine Übergriffe heimzuzahlen, als er mich zum ersten Mal zu dir führte.«
Llaurons Griff war sanft, als er sie bei den Schultern nahm und ihr ins Gesicht lächelte. »Nein, meine Liebe, das werde ich dir nicht erlauben. Aber ich freue mich natürlich über dein Angebot.«
Rhapsody war erstaunt. »Was willst du denn damit sagen? Kommt sonst noch jemand? Ist Ashe in der Nähe? Oder Anborn?«
»Nein, ich fürchte nicht. Das ist eine Schlacht, die ich allein zu schlagen habe. Sie ist ein Teil meines Amtes.«
Rhapsodys Stimme klang sanft, aber der Unterton der Besorgnis war nicht zu überhören.
»Llauron, das ist lächerlich. Deine Stärke ist dein Geist, deine Weisheit, aber nicht dein Körper. Außerdem ist es meine Pflicht, in solchen Fällen Beistand zu leisten. Aus diesem Grund habe ich schließlich mein Schwert. Geh einfach zu Khaddyr und sage ihm, dass ich gegen ihn oder Lark kämpfen werde. Ich hoffe, es wird der Bastard persönlich sein, denn ich habe noch eine Schuld mit ihm zu begleichen mit Zins und Zinseszins. Darauf freue ich mich wirklich.«
»Hör mir zu, Rhapsody«, sagte Llauron mit befehlendem Ton in der Stimme. »Ich werde nicht um deinen Beistand bitten. Du begreifst nicht die Feinheiten meines Amtes. Das ist ein Kampf, den ich allein auszufechten habe. Ich will trotzdem, dass du etwas für mich tust.«
»Sag, was es ist, Llauron.«
»Du musst meine Zeugin sein und als Botin dienen, wenn es vorbei ist. Was immer du siehst, musst du in allen Einzelheiten berichten. Davon hängt das Schicksal des filidischen Ordens ab. Als Benennerin garantierst du dafür, dass du die Wahrheit sagst.«
»Natürlich, aber...«
»Du musst auf dein Schwert einen heiligen Eid schwören, dass du dich hier nicht einmischen wirst, egal was geschieht. Halte dich von dem Kampf fern.«
»Bist du verrückt geworden?«, keuchte Rhapsody, bevor sie ihre Worte oder ihren Zorn mäßigen konnte. »Llauron, ich bin für solche Situationen ausgebildet worden, und zwar von dir selbst. Diese ganze Sache ist verrückt; du bist erschöpft und krank. Bitte, geh einfach fort und lass mich die Dinge in die Hand nehmen.«
»Rhapsody, die Zeit wird knapp. Hör mir zu. Entweder schwörst du jeglicher Einmischung ab und bist meine Zeugin, oder ich bin gezwungen, dich von dem Kampf zu verbannen. Hier sind meine Kräfte stärker als deine, meine Liebe. Ich kann dich aus diesem Wald verbannen, aber dann verdammst du mich dazu, die Sache allein und ohne Herold oder Freund durchzustehen. Ich glaube nicht, dass du das willst, oder? Würdest du, eine Benennerin und lirinsche Sängerin, mir im Angesicht des Todes die Freundschaft verweigern?«
Rhapsody erzitterte. »Nein.«
»Das hatte ich mir gedacht.« Llaurons Gesicht und Stimme wurden wieder sanft. »Ich erkenne deine selbstlosen Absichten an, meine Liebe, aber das hier ist eine vorherbestimmte Angelegenheit, und du kannst kein Teil davon sein. Du würdest alles entehren, was mir heilig ist, wenn du deinen Eid brächest und in irgendeiner Weise an dem Kampf teilnähmest. Hast du das verstanden?«
Sie senkte den Blick; ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ja.«
»Gut, gut. In Ordnung, wir nehmen die Herausforderung an.«
Rhapsody versuchte es ein letztes Mal. »Zögere doch wenigstens ein bisschen«, sagte sie mit einem erstickten Flüstern. »Bitte, Llauron, verlange einen kleinen Aufschub. Stell dich erst, wenn du frisch, ausgeruht und auf dem Höhepunkt deiner Kraft bist.«
Llauron lachte. Er streckte eine faltige Hand aus und streichelte Rhapsody sanft über die Wange. »Du bist so gut, meine Liebe«, sagte er, während ihm die Tränen aus den Augen rannen.
»Bitte, Llauron, bitte.« Der Schmerz und die Tränen in ihren Augen ließen Llauron an einen Regenschauer im Wald denken, bei dem man hoch zum Blätterdach schaute. Er lächelte sie wieder an.
»Mein Sohn ist ein glücklicher Mann«, sagte er sanft. Seine Stimme klang ernst. Ihr Gesicht verzerrte sich in Qual. »Ich werde deinen Sohn nicht mehr sehen, Llauron«, meinte sie traurig. »Ich habe getan, was du von mir verlangt hast. Wir haben uns getrennt.«
Llauron wirkte überrascht. »Wie schade«, sagte er wie zu sich selbst. »Und das, nachdem ich ihm meinen Segen gegeben habe. Eine Schande. Es tut mir Leid, meine Liebe.«
Rhapsodys Magen verwandelte sich in einen Eisklumpen. Llaurons Worte mochten gut gemeint sein, doch sie rissen eine weitere Wunde in ihre Seele. Wenn er seine Bedenken aufgegeben hatte, bedeutete das, dass Ashe selbst sie als unwürdig erachtet hatte. Sie schluckte die Galle herunter, die in ihrer Kehle aufstieg, und zog ihr Schwert.
»Bitte überlege es dir noch einmal«, bat sie ihn erneut. »Ich habe Angst, bald deinen Tod beobachten zu müssen, und ich habe geschworen, das unter Einsatz meines Lebens zu verhindern. Ich werde dafür verantwortlich sein.«
»Ich entbinde dich hiermit von allen Pflichten«, sagte Llauron feierlich. »Ich bitte dich nur um eines, Rhapsody.« Sie nickte. »Wenn ich hier sterben sollte, will ich, dass du meinen Körper unverzüglich den Sternen und dem Feuer übergibst. Errichte einen Scheiterhaufen; es hat keinen Sinn, mich zurück zum Baum zu bringen. Befreie meine Seele mit dem Sternenfeuer der Tagessternfanfare. Und wenn du mir das Lied des Übergangs singst, werde ich dich anlächeln, wo immer ich mich befinden mag.« Er fuhr mit der Hand an einer goldenen Locke herab, die sich aus dem schwarzen Band gelöst hatte.
Rhapsody brach in Tränen aus. »Bitte, tu es nicht.«
»Rhapsody, es reicht. Reiß dich zusammen, mein Kleines.« Llauron stützte sich auf den weißen Eichenstab; das goldene Eichenblatt blitzte in der Sonne auf. »Knie nieder und lege deine Waffe vor mich.«
Sie schluckte ihre Tränen herunter. Angst stieg in ihr auf. Sie fiel auf ein Knie und streckte ihr Schwert nach vorn.
»Jetzt musst du bei allem schwören, was dir heilig ist, bei deinem Leben und auf dein Schwert, dass du meinem Befehl, dich nicht einzumischen, Folge leistest«, sagte er. Seine Augen glommen schwach in dem Licht, das auf sie fiel, als der Wind die dicksten Zweige zur Seite peitschte. Er wartete auf ihre Antwort.
Nach einem Augenblick sagte sie: »Ich schwöre es.«
Ein triumphierendes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, doch Rhapsody, die noch immer den Blick gesenkt hielt, sah es nicht. »Gut, gut. Und du wirst den Scheiterhaufen mit dem Schwert entzünden?«
Sie hob den Blick. »Du erwartest nicht zu gewinnen, oder?« Die Traurigkeit in ihrer Stimme berührte ihn tief.
»Im Gegenteil, meine Liebe«, sagte er beruhigend, »das ist das Einzige, was ich erwarte.«
Aus der Ferne sah Ashe zu. Sein Mund wurde immer trockener, und seine Hände zitterten vor Wut. Er musste sich mit Gewalt davon abhalten, herbeizueilen, sein Schwert zu schwingen und alle zu töten. Selbst aus dieser Entfernung spürte er die Qualen, die seine Frau ausstand. Ihm wurde so übel, dass er sich übergeben wollte. Er tastete tief in sich selbst hinein, wo er den Teil seiner Seele spürte, der mit der ihren verbunden war, und versuchte mit aller Macht, sie zu beruhigen; doch er wusste, dass er sie nicht erreichen konnte.
Der Drache in seinem Blut regte sich; er war unruhig, seit Ashe hier angekommen war. Die Drachenworte wisperten in seinem Kopf; hinter seinen Augen brannte es mit sengender Wut.
Sie hat Schmerzen, flüsterte es zornig. Unser Schatz leidet Qualen; er weint. Wenn sich seine Wut entzündete, würde er vielleicht nicht mehr in der Lage sein, sich zurückzuhalten. Ashe zwang sich zu anderen Gedanken, aber es gelang ihm nicht. Als sein Zorn allmählich Feuer fing, spürte er, wie ein neuer Schrecken und eine neue Panik ihn durchströmten. Er rannte bis zum Rand der Lichtung. Das Grauen schnürte ihm die Luft ab.
In der Ferne sah er eine weiße Rauchsäule über die Baumkronen in einen zornigen Himmel steigen in einen aufgewühlten Himmel, schwarz vor Widerwillen.
Der Baum war in Gefahr.
Nun explodierte seine brodelnde Wut zu einem Inferno aus scheußlicher Raserei. Er wusste, dass dieses Ablenkungsmanöver seine Aufmerksamkeit fesseln und ihn davon abhalten sollte, Llauron beizustehen. Die Dummheit dieses Plans fachte die Flammen seiner Wut nur noch stärker an.
Wenn er nun seinem Zorn Luft machte, würden ihn alle auf der Lichtung sofort bemerken. Also schluckte er ein aufquellendes Brüllen herunter, doch die Erde hatte es bereits gehört und leitete es mit einem heftigen Beben durch den Wald. Er wusste, dass Rhapsody es spüren konnte, und er bedauerte, dass er ihr auf diese Weise noch mehr Unbehagen verschaffte. Er bahnte sich mit dem Schwert einen Weg durch das Unterholz, wie eine Lawine, wie der Wind, zog Kraft aus der Luft und der Erde, sammelte sie, wurde stärker, rannte mit der Schnelligkeit einer Windbö und der alles zermalmenden Kraft einer Meereswelle. Wenn er sein Ziel erreichte, würde er Verdammnis bringen. Khaddyrs Mitverschwörer würden den Lohn, den er ihnen versprochen hatte, nicht mehr erhalten.
Llauron gab Rhapsody einen Augenblick Zeit, um sich zu fangen, dann kehrten sie auf die Lichtung zurück, wo Khaddyr wartete. Sie betrachtete ihn mit schlecht verhohlener Verachtung, doch sie begriff, dass sie unbedingt ein gelassenes Gesicht aufsetzen musste, was auch immer geschehen mochte.
»Also gut, Khaddyr, Rhapsody hat versprochen, sich zurückzuhalten.«
»Es freut mich, das zu hören. Ich habe nichts gegen dich, Rhapsody.«
»Heute nicht«, antwortete sie mit ruhiger Stimme, die aber vor gefährlichen Untertönen brodelte. »Unser Tag wird noch kommen.«
»Möchtest du jetzt dein Vorbereitungsritual ausführen?«, fragte Khaddyr Llauron. »Ich habe das meine abgehalten, während ich auf dich gewartet habe.«
»Ja«, antwortete Llauron ohne eine Spur von Feindseligkeit. »Wenn du mich bitte entschuldigst, ich bin gleich zurück.«
Während der ältliche Priester die Lichtung verließ, betrachtete Khaddyr Rhapsody von oben bis unten. Als er zufrieden feststellte, dass sie ihren Zorn im Griff hatte, trat er auf sie zu. Dabei senkte sie den Blick. Diese Geste bezauberte ihn. Sie war ein Zeichen der Ehrerbietung, und nach dem heutigen Tag erwartete er, sie regelmäßig zu sehen.
Das Aufblitzen der Klinge war die einzige Warnung, stehen zu bleiben. Die Spitze ihres Schwertes durchbohrte den Boden nur eine Haaresbreite von seinen Zehen entfernt. Khaddyr hielt entsetzt inne. Wellen aus Übelkeit erregender Kälte durchströmten ihn; sie nahmen ihren Ausgang am Hals und strahlten von dort aus in seinen ganzen Körper aus. Als er darauf wartete, dass sich sein Körper erholte, begriff er, dass er nicht die geringste Bewegung gesehen hatte, mit der das Schwert in den Boden gerammt worden war.
Rhapsodys Augen blieben weiterhin auf den Untergrund gerichtet. »Ich habe dir nichts zu sagen.«
Khaddyr schluckte. Er bemühte sich, eine ruhige Stimme zu behalten; es wäre nicht gut, wenn ihn eine spätere Untergebene krächzen hörte.
»Welche Feindseligkeit«, sagte er und versuchte es mit einem milden, aber maßregelnden Tonfall. »Warum bist du so voller Hass, meine Liebe? Dieser Kampf hat nichts mit uns beiden zu tun; es handelt sich um ein altes Ritual des Übergangs. Sicherlich hat Llauron es dir erklärt. Es ist nicht einmal ein Zeichen von Feindschaft zwischen Llauron und mir. Auf diese Weise wählt unsere Sekte den neuen Führer und frisches Blut.«
»Wie ironisch«, entgegnete sie, während sie immer noch den Blick gesenkt hielt. »Welchen Ritus würdest du vollziehen, wenn du ihm deine Treue erweisen wolltest, Khaddyr ein zeremonielles Verbrennen seines Hauses, während er schläft?«
Der Blick in Khaddyrs Augen wurde kalt. »Das ist ein beleidigender Vergleich.«
Schließlich sah Rhapsody ihn an, und Khaddyr machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Ihre Augen brannten grün wie die frischen Triebe im Frühling, doch das Feuer in ihnen war heiß und weiß.
»Das war noch geschmeichelt im Vergleich zu dem, was ich dir eigentlich sagen will, aber ich weigere mich, Llauron noch mehr zu entehren, als du es schon getan hast. Du bist gerade der Richtige, um sich über Beleidigungen zu beschweren. Du beleidigst meinen Verstand mit deinen schmierigen Lügen über die Riten des Übergangs. Glaubst du, ich kenne die gebräuchlichen Riten des Übergangs nicht? Llauron wurde durch die Rituale der Tanisten zum Fürbitter bestimmt, so wie du selbst zu seinem Tanisten wurdest. Es gibt niemanden in deiner Sekte mit einem Funken Selbstachtung, der glauben würde, die Herausforderung eines alten Mannes am Ende einer langen Reise könnte ein geeignetes Mittel zu Regelung der Nachfolge darstellen. Ich hatte geglaubt, die Filiden schätzen Weisheit und Ehre höher ein als körperliche Überlegenheit. Wie abscheulich.«
Khaddyr schluckte seine Wut herunter. »Es tut mir Leid, dass du es so siehst, Rhapsody. Ich glaube, während unserer kurzen Bekanntschaft habe ich dir keinen Grund gegeben, so feindselig gegen mich zu sein. Ich habe dich aufgenommen, als du kaum mehr ein Mensch warst; ich habe dich Medizin gelehrt. Was habe ich getan, das in dir eine so große Bosheit gegen mich erzeugt hat?«
Ihre glimmenden Augen verengten sich. »Zum Beispiel, dass du mich in Sorbold allein gelassen hast. Du wolltest, dass ich im Schnee sterbe. Hast du das schon vergessen? Es ist doch noch gar nicht so lange her.«
Khaddyrs Gesicht erschlaffte; die Wut ebbte ab. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
Rhapsody lauschte auf die Rhythmen und Töne seiner Stimme. Es war klar, dass er die Wahrheit sagte oder es für dieselbe hielt. Der Zorn in ihrem Blick verringerte sich, als sie Llauron näher kommen sah. Sie schaute Khaddyr wieder an.
»Tu es nicht«, sagte sie schnell. »Bitte.«
Khaddyr starrte sie wie versteinert an. Sie spürte, wie in ihm die Erregung stieg, als er den Blick über ihren Körper gleiten ließ. Vielleicht würde er eine fleischliche Bedingung stellen. Rhapsody hoffte es, denn das würde ihr einen guten Grund geben, ihn an Ort und Stelle zu töten. Doch als würde er von einer unsichtbaren Kette zurückgerissen, klarte sein Blick plötzlich auf und sein Gesicht verhärtete sich. Er wandte sich an den Fürbitter, der soeben wieder die Lichtung betreten hatte.
»Bereit, Euer Gnaden?«
Llauron stützte sich auf seinen Stab; das goldene Eichenblatt an der Spitze warf ein schimmerndes Nachmittagslicht auf den Schnee.
»Ja, Khaddyr, ich bin bereit.«