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Auf den Krevensfeldern, südliches Bethania

Der heilige Mann hatte das Gesicht zur Sonne gerichtet und stand am Rande des Winters und der Krevensfelder. Die Berge von Sorbold hatten sie in die südöstliche Ferne wie in einen Albtraum zurückgezogen. Nun lag die endlose, frostige Ebene vor ihm, und der Himmel dehnte sich an allen Seiten bis zum blauen Rand des Horizonts, der nicht mehr von klauenähnlichen Erdhügeln unterbrochen wurde.

In der Jahreszeit des Mondes brach die Nacht schneller herein; eine rote Sonne brannte am Rande der Welt und tauchte die Weiden in blutiges Licht, das sich immer weiter ostwärts erstreckte. Er lächelte. Wie prophetisch.

Seine Gardisten lagerten in einiger Entfernung um ein kleines Feuer im gefrorenen Gras und bereiteten ihr Abendessen vor. Er hatte sie um Nachsicht gebeten und ging langsam zum Rand eines tiefen Tales, angeblich um Luft zu schöpfen. Nun stand er allein und ungestört da und beobachtete, wie der westliche Horizont unter der herannahenden Nacht ein immer dunkleres Rot annahm.

Seit beinahe dreihundert Jahren lagen diese Ländereien brach. Es waren weite, fruchtbare Weidegebiete, in denen sich in späteren Jahrhunderten hier und da Bauern niedergelassen hatten. Diese unerschrockenen Siedler waren in Gruppen von vier bis sechs Familien gekommen, trotzten den bitterkalten Winterwinden sowie den sommerlichen Buschfeuern und lebten unter dem endlosen Himmel. Ohne Ausnahme waren diese Siedler Neuländler, Einwanderer aus dem Süden oder Westen, die keinen Tropfen cymrisches Blut in den Adern hatten. Wenn sie es gehabt hätten, wäre ihnen nicht einmal der Gedanke gekommen, sich hier niederzulassen oder gar Häuser zu bauen und ihre Kinder auf dieser verfluchten Erde großzuziehen.

Die Zeit hatte die meisten Wunden aus dem cymrischen Krieg verwischt. In Tyrian und Sorbold waren die großen Schlachten zu scheußlichem Gemetzel und rücksichtslosen Blutbädern ausgeartet und hatten die Erde unter den unzähligen Gefallenen rot gefärbt. In den nachfolgenden Jahrhunderten jedoch hatte der Wald in Tyrian jene Orte zurückerobert, an denen sich keine lirinsche Seele zum Schlaf niedergelegt hätte. Außer in stürmischen Nächten hatte der Gesang des Windes in den Blättern der neuen Bäume das Gewisper der Schlachtfeldgeister übertönt. Doch bei Sturm versammelten die Lirin-Väter ihre Nachkommen um die warmen Herde ihrer Langhäuser und erzählten ihnen Geschichten von Kriegshexen Gespenster von Witwen, die auf ewig über den Boden des Gemetzels schwebten und ihre Soldatenmänner beweinten, welche noch länger tot waren als sie selbst. Im Süden, in Sorbold, hatten die Berge die Kriegspässe wieder für sich beansprucht. Im Norden, so hieß es, hatte das Blut der Toten Yarims Lehm seine rubingleiche Tönung gegeben; die rote Farbe des Flusses rührte angeblich vom Blut her. Jeder Überlebende aus der Ersten Generation wusste, dass dies eine Legende war. Yarims Boden und Fluss waren seit unvordenklichen Zeiten rot gewesen; der Grund dafür waren die Ablagerungen von Mangan und Kupfer im Vorgebirge der nördlichen Zahnfelsen. In allen Ländern rings um Roland waren es weder Anwyn noch Gwylliam, sondern die Zeit, die den Sieg davongetragen hatte. Die Zeit hatte zuletzt die Erinnerungen an das große Sterben verwischt, auch wenn andere Narben, die Wunden an Seele und Erinnerung, geblieben waren.

Doch hier, in der Senke des Kontinents, im Land zwischen dem Meer und den Bergen, war das Blut der vielen zusammengeflossen, die in jenem glorreichen Krieg gefallen waren. Es war in den Boden eingesickert und hatte ihn fruchtbar und die Luft schwer von Tod gemacht so schwer, dass selbst der stärkste Wind und der heftigste Regen ihn nicht fortwischen konnten. Das war wirklich das Reich der Geister, auch wenn die Bolg diese Bezeichnung für Kraldurge, ihren eigenen Ort der rastlosen Gespenster mitten im Gebirge, gestohlen hatten.

Es war beinahe so weit. Noch ein paar Sonnenuntergänge, ein paar Tage, eine Jahreszeit, vielleicht zwei, und die Zeit war gekommen. Nach all den Jahrhunderten, die er gewartet hatte, würde seine Geduld bald belohnt werden.

Bald hätte er sein Heer beisammen. Dann würde er den Berg einnehmen. Das Kind haben. Sobald er es besaß, war ihm das letzte Ziel sicher. Die Rippe des Kindes, gebildet aus dem Lebendigen Gestein, öffnete die Gruft tief in der Erde, die seit der Vorzeit das Gefängnis für seine Rasse war. Die Gedanken der Vernichtung, die ihn durchrasten, musste er zurückhalten, denn er durfte seine Erregung nicht verraten.

Bald kam der Tag. Alles zu seiner Zeit.

Er warf einen Blick über die Schulter auf die Wachen, die lachten und die Flasche kreisen ließen, dann wandte er sich mit einem Lächeln wieder nach Westen.

In einer plötzlichen Aufwallung von Gewalt biss er sich auf die Zunge und sog das Blut in sich. Dann öffnete der den Mund ganz leicht.

Der heilige Mann atmete die Abendluft ein, füllte sich die Nase mit der stechenden Kälte und dem Geruch trockenen, brennenden Grases. Leise sang er in den Wind so leise, dass es die betrunkenen Lümmel, die sich stolz seine Eskorte nannten, nicht hören konnten.

Wenn sein Gefolge aufmerksam gewesen wäre, hätte es gehört, wie der Geistliche die Namen alter Schlachten flüsterte Augenblicke des Gemetzels, erstarrt in der Zeit. Er atmete ihre Namen ein und wieder aus, umhüllt vom Geschmack und der Schwingung des Blutes. Doch der Tag war lang und ereignislos gewesen, wie die ganze Reise bisher, und die Soldaten waren zu sehr mit ihren Scherzen beschäftigt, zu vertieft in ihre Würfel und Pfeilspiele, um es zu bemerken.

Doch um den Wachen kein Unrecht zu tun, musste der heilige Mann sich eingestehen, dass sie sich hier recht sicher fühlten. Schließlich war nicht zu befürchten, dass sie inmitten dieser endlosen Wiesen und einer Ebene angegriffen wurden, die sich meilenweit in den Horizont erstreckte. Nirgendwo konnte sich ein Feind verstecken; es gab keine Möglichkeit für einen Hinterhalt. Er kicherte beim Gedanken an die Falschheit dieser Unterstellung.

Der Wind wurde kälter. Seine Worte bildeten flüchtige Wolken aus frierendem Dampf und schwebten vor ihm im karmesinroten Himmel, als ob sie zu kummerschwer wären, um auf der Brise Fortzureiten.

Der Überfall auf die Niederung von Farrow, flüsterte er. Die Belagerung von Sethe Corbair.

Der Todesmarsch der cymrischen Nain, die Verbrennung der westlichen Dörfer. Kesel tat, Tomingorllo, Lingental. Eines nach dem anderen, eine Litanei aus Tod und Schande, sanft in den Wind gesprochen. Die Schlacht bei der Festung von Wynnarth, der Überfall auf das Wasserlager von Yarim. Der Anschlag auf das Gesicht des Südostens. Die Verstümmelung der vierten Kolonne. Die Massenexekution der Bauerngehöfte der Ersten Flotte.

Nur der Schnee antwortete ihm, und selbst dieser schien nicht zuzuhören. Eisflocken umwirbelten ihn in der steifen Brise und umhüllten seine Worte und den frostigen Atem, der sie ausgestoßen hatte.

Er spürte, wie die Erregung ihn überkam. Sie begann in den Eingeweiden und strahlte mit jedem Schlag seines schwächer werdenden Herzens weiter nach außen. Die Geister der Toten riefen im Wind, wie sie es seit Jahrhunderten taten; die Qualen in ihren Schreien zitterten in köstlicher Verzückung über seine Haut. Es war der Klang oder genauer das Gefühl des grausamen Leidens und der Gewalt, das in Erde und Luft verblieben war und bei den andauernden Erinnerungen über die Jahre nur langsam versickerte, wie Blut am Boden einer tiefen Schüssel. Selbst diejenigen, die seine einzigartigen Fähigkeiten nicht besaßen, hörten den Lärm und eilten rasch fort von hier. Er konnte ihn natürlich nicht nur spüren; in gewisser Weise durfte er ihn sich sogar zum Verdienst anrechnen.

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Der heilige Mann sog die Schwingungen des Leidens im Wind auf, schmeckte den Tod in seinem Mund und fand ihn köstlich. Sein innerer Dämon schrie vor Entzücken auf, erging sich in orgiastischen Vergnügungen der Vernichtung, die hier stattgefunden hatte und bald wieder stattfinden würde. Es war schwer, nicht von der Ekstase blutiger Erinnerung fortgetragen zu werden.

Nun, Mildiv Jephaston, flüsterte er in den Wind.

»Euer Gnaden?« Der Leutnant stand unmittelbar hinter ihm.

Er drehte sich rasch um und versuchte seine Verärgerung zu verbergen. »Ja, mein Sohn?«

»Ist alles in Ordnung, Euer Gnaden?«

Er bemühte sich, ein Lächeln aufzusetzen. »Ja, natürlich, mein Sohn«, sagte er und steckte die Hände in die Ärmel seiner Robe. »Wie nett von dir, dass du dich um mich sorgst. Brennt das Feuer gut?«

»Recht gut, Euer Gnaden«, sagte der junge Soldat, als sie zusammen zurückgingen. »Das Holz ist ein wenig feucht und fängt schlecht Feuer.«

Der heilige Mann lächelte, als er mit dem jungen Soldaten im Lager ankam. »Vielleicht kann ich behilflich sein«, sagte er. »Ich hatte schon immer eine gute Hand für Feuer.«

Als sie die felsigen Täler östlich der Stadt Yarim Paar erreicht hatten, war es Achmed klar, dass die Leben der Sklavenkinder mit dem Auflesen mindestens eines weiteren Dämonenkindes erkauft waren. Angesichts seiner Abneigung gegen Menschen im Allgemeinen und Kinder im Besonderen war er nicht sonderlich betrübt über diese Entwicklung, aber er vermutete, dass Rhapsody es war.

Neun lebende Bälger des Rakshas und noch eines, das geboren werden musste, über den ganzen Kontinent verstreut es wäre bereits eine entmutigende Aufgabe in einer schneelosen Jahreszeit und wenn die Zeit nicht gegen einen arbeitete. Doch nun, am Beginn des Winters, nur neun Wochen vor der Geburt des letzten Kindes und mit diesem neuen Problem zweifelte er an Rhapsodys Plan, sie alle zu retten.

Er wusste nicht, wie vieler verdorbener Kinder es bedurfte, um die nötige Menge Blut für die Auffindung des F’dor zusammen zu bekommen, und ob diese verrückte Suche wirklich zum Erfolg führen würde. Denn Blut wird das Mittel sein, um zu finden, was sich verbirgt vor dem Wind, lautete die alte dhrakische Prophezeiung. Rhapsody hatte sie gedeutet, den Plan aufgestellt und mit Oelendra, ihrer lirinschen Lehrerin vereinbart, die Kinder nacheinander aufzuspüren und sie zu bewachen, bis alle gefunden waren. Wenn das gelungen war, wollte Rhapsody sie zum Schleier des Hoen bringen, einem Ort, der ihrer Angabe nach berühmt für seine Heilkräfte war.

Mit jedem weiteren Tag war Achmed ungeduldiger und unsicherer geworden, sowohl was den Erfolg dieses Planes als auch die Wahrscheinlichkeit ihres eigenen Überlebens anging. Rhapsody war sicher, dass das Herrscherpaar Rowan, jene rätselhaften Gestalten, die hinter dem Schleier des Hoen lebten, das Blut entnehmen würden, ohne die Kinder zu töten. Sie haben Ashe geheilt, als seine Seele entzweigerissen war, hatte sie behauptet. Die Fürstin ist Hüterin der Träume, Wächterin des Schlafes, Yl Breudivyr. Der Fürst ist die Hand der Sterblichkeit, der Friedliche Tod, Yl Angaulor. Sie sind die Einzigen, die das Blut des Dämons herausziehen können, ohne die Kinder zu töten. Ich weiß, dass das der richtige Ort ist. Wenn ich es bloß rechtzeitig bis dorthin schaffe die Zeit vergeht dort anders. Das weiß ich, weil Oelendra es mir gesagt hat. Wenn uns jemand helfen kann, dann sind sie es.

Er hatte keine Zeit gehabt, mit ihr über eine Abänderung des Plans zu reden; es war eine verzweifelte Flucht aus Yarim Paar gewesen, bevor die Dämmerung anbrach. In der Ferne hinter ihnen hörten sie schwach das Schlagen der Alarmglocken, oder zumindest erschien es ihm so. Vielleicht war es auch bloß Einbildung und Angst. Schließlich hatten sie nur Sklavenkinder gestohlen, die ungesetzliche Arbeit geleistet hatten. Und welcher Dieb zeigt den Diebstahl seines Diebesgutes an?

Diejenigen der rattengleichen Kinder, die bereit waren, menschlichen Kontakt zu ertragen, hatten sich auf der Flucht um Rhapsody versammelt; die anderen versuchten, so weit wie möglich von den beiden fern zu bleiben. Insgesamt waren es zweiundzwanzig. Einige von ihnen ritten abwechselnd paarweise auf den Pferden mit, während andere es vorzogen, die ganze Reise zu Fuß zu machen. Vier hatte man zu je zweien zusammenbinden müssen, damit sie zwar bei der Gruppe, aber fern von den schwächeren Kindern und den Lehrlingen blieben, denen sie ihre schlechte Behandlung während der Gefangenschaft zutiefst verübelten. Das führte zu einer quälend langsamen Reise, aber Rhapsody schien es gleichgültig zu sein.

Auf dem Marsch verbrachte sie viel Zeit mit dem kahlen Lehrling namens Omet, und während der Ruhepause tröstete sie das gelbhaarige Kind, dessen Mutter eine Liringlas gewesen war. Sein Bein war entzündet und würde bald eitern. Sie sang ihre Heillieder und anderes, was die Kinder willfährig machte, und setzte ihre Heilkräuter ein. Als sie nun bei Sonnenuntergang das Lager aufschlugen und für die vielen hungrigen Mäuler die Rationen anbrachen, die eigentlich für eine viel längere Reise gedacht waren, schaute Achmed nach Osten und dachte schweigend nach.

Bis zum Bakhran-Pass, dem zweitnördlichsten Außenposten der Firbolg in den Zahnfelsen, war es eine Reise von weiteren zwei Tagen. Sie waren übereingekommen, alle Kinder mit Ausnahme der beiden Dämonensprösslinge dort in den Händen der bolgischen Garnison zu lassen. Außer Omet waren alle Kinder, die sie gerettet hatten, Waisen, und der Lehrling versicherte Rhapsody, dass auch er nichts in Yarim Paar zurückgelassen hatte.

Achmed verspürte einen Schauer beim Anblick von Rhapsody, die vor dem knisternden Lagerfeuer saß und den Jungen namens Arie im Schoß hielt. Wie Rhapsody selbst, so hatte auch das Kind eine rosige Haut und goldenes Haar; sie waren eindeutig von gleicher Abstammung. Aber an Arie war etwas, das ihn fremdartig machte; es war etwas Wildes, das Achmed beunruhigte. Beinahe schien es ihm, als ob Rhapsody einen in Laken gewickelten Dachs im Schoß wiegte und ihn behandelte, als wäre er ein Liringlas-Kind. Sie schien seine tiefere, gefährliche Natur nicht zu bemerken. Das verhieß nichts Gutes für die Zukunft.

Viele Meilen weiter im Süden, am nördlichsten Rand der Berge von Sorbold, hatte soeben die Wache gewechselt. Die dritte westliche Kolonne war erst vor einer halben Sonnenspanne von den Manövern in Otar zurückgekehrt, einem fernen Stadtstaat, der vor allem wegen des Leinens von Otar’sid, der Hauptstadt, berühmt war.

Es war ein recht leichter Dienst gewesen, die Untersegner zu beschützen, die ihre jährliche Pilgerreise nach Sepulvarta unternahmen, um dem Patriarchen neue weiße Roben für die Zeremonie der Jahressegnung zu bringen, welche in einem halben Jahr zum Frühlingsäquinoktium stattfinden würde.

Die Mission war ohne Zwischenfall beendet worden, und nun lagerten die Soldaten an der westlichen Windschattenseite. Ihre Feuer loderten in der dünnen, kalten Luft auf und bildeten einen hellen See aus Fackeln in der wachsenden Dunkelheit. Am Morgen würden sie nach einem kurzen Marsch wieder im Basislager von Keltar’sid sein. Die Bodentruppen hatten es besonders eilig, in den Stadtstaat der Soldaten zurückzukehren und weiter mit den seltsamen Waffen aus der Produktion der Bolg zu üben, mit denen sie vor ihrer Abreise nach Otar ausgerüstet worden waren. Mildiv Jephaston, der Kolonnenführer, kam von der Wache zurück und bereitete sich gerade auf ein Abendessen und den Schlaf vor, als eine Stimme, die warm auf dem Winterwind ritt, in seinen Ohren prickelte.

Nun, Mildiv Jephaston.

Der Soldat schüttelte den Kopf. Er war es gewöhnt, seltsame Dinge im Wind zu hören, besonders nach einem langen Marsch, doch nie zuvor hatte die Brise so deutlich zu ihm gesprochen.

Und nie zuvor hatte sie ihn beim Namen genannt.

Er hielt inne, rieb sich die Ohren, schüttelte erneut den Kopf, wischte den eingebildeten Ruf beiseite und setzte sich vor das größere der beiden Lagerfeuer, nachdem er sich bei dem Kolonnenkoch seinen Eintopf abgeholt hatte. Er hatte es sich bequem gemacht und wollte essen, als er es wieder hörte diesmal sanfter.

Nun, Mildiv Jephaston.

Wärmer und sanfter, als er es sich selbst hätte zuflüstern können.

Jephaston blickte sich um zu der lagernden Kolonne fünfhundert schliefen, dreihundert hielten Wache, und die hundertzwanzig Kavalleristen befanden sich auf der Weide bei ihren Pferden. »Wer ruft mich?«, fragte er den anderen Kommandanten, der neben ihm saß. Der Mann sah von seinem Eintopf auf, schaute umher und schüttelte dann den Kopf.

Der Kolonnenführer lauschte abermals, hörte aber nichts mehr. Er entschied sich, den Ruf nicht zu beachten, und wandte sich wieder dem Essen zu.

Vielleicht war es das Geräusch seines eigenen Kauens gewesen, das Mahlen der Zähne, das Klappern des Löffels gegen den Metallnapf, das Knistern des Feuers, das Gespräch der Männer, das Lärmen, Johlen, Fluchen, das bei jedem Würfelwurf durch die Nacht gellte. Vielleicht waren eins oder mehrere dieser Geräusche für die Veränderung verantwortlich und verschleierten die stillen Worte, die durch das Ohr in sein Gehirn krochen und eine Verbindung herstellten, schlummernd dort lagen, erst vor kurzem eingepflanzt, und auf die Ankunft des Dämonenbefehls warteten.

Obwohl die Verwandlung kaum merklich war, spürte er sie doch, auch wenn ihm nicht bewusst war, was vor sich ging. Wie Wellen überkam es ihn, endlose Meereswellen, Hitzewellen von einem pulsierenden Feuer, Wellen aus dem warmen Blut eines schlagenden Herzens, die ihn einschläferten, in ihn einsanken, nur in die Oberfläche seiner Seele eindrangen, da kein Blutpakt geschlossen und kein andauerndes Band geschmiedet worden war. Er war nicht auf ewig an den Dämon gebunden.

Aber im Gegensatz zu den anderen, die bei ihren eigenen Feuern lagen und sich ihren eigenen Hitzewellen und Rufen ergaben, hatte Mildiv Jephaston dem F’dor seinen Namen gegeben.

Er war ganz und gar einverstanden mit der neuen Vergrößerung seines Blickfeldes. Alle Gegenstände, ob nah oder fern, konnte er gleichermaßen deutlich erkennen, als ob die Welt ganz flach geworden wäre. Seine eigenen Arme und Beine schienen angenehm weit entfernt zu sein, und die Schmerzen in seinem Rücken ließen nach und verschwanden. Er fühlte sich sehr leicht und stark, als ob er Luft, Wärme und unaussprechliche Ruhe aus der Luft und Wärme um ihn herum zöge.

Und während der Befehl in sein Bewusstsein eindrang und es umgarnte, breitete er sich auch bei jenen aus, die ihm den Treueid geleistet hatten und ohne Zögern seinem Kommando folgten.

Als er schließlich entschlossen aufstand, seine Ausrüstung zusammenpackte, auf sein Kriegspferd stieg und der Kolonne den Befehl zum Ausfall gab, zog niemand auch nur eine Augenbraue hoch, und niemand stellte eine Frage. Die Kolonne marschierte los und folgte ihm in zwei Divisionen, vier Fünftel der Soldaten in der Front, die restlichen kriegsbereit im Abstand von einem Tagesritt vom Gebirge herab auf die Krevensfelder.

Und auf dem Weg nach Navarne.

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