6 Düstere Vorzeichen

Die Tür des Bauernhauses wurde durch wütende Schläge von außen erschüttert. Der schwere Riegel auf der Innenseite hüpfte in seinen Lagern auf und ab. Hinter dem der Tür am nächsten gelegenen Fenster bewegte sich die Gestalt eines Trollocs mit schwerer Tierschnauze. Überall waren Fenster, und draußen befanden sich weitere schattenhafte Gestalten. Aber nicht schattenhaft genug für Rand. Er konnte sie trotzdem erkennen.

Die Fenster, dachte er verzweifelt. Er schob sich von der Tür weg und klammerte sich mit beiden Händen an sein Schwert. Selbst wenn die Tür hält, können sie durch die Fenster einbrechen. Warum versuchen sie es nicht mit den Fenstern?

Mit betäubendem metallischen Kreischen brach eine der Halterungen teilweise aus dem Türrahmen. Sie hing nur noch lose an Nägeln, die fingerbreit aus dem Holz gezogen waren. Der Riegel erzitterte unter einem weiteren Schlag, und wieder quietschten die Nägel.

»Wir müssen sie aufhalten!« schrie Rand. Aber wir können nicht. Wir können sie nicht aufhalten. Er sah sich nach einem Fluchtweg um, aber es gab nur die eine Tür. Der Raum war wie eine Falle. Nur eine Tür und eine Anzahl Fenster. »Wir müssen etwas tun. Irgend etwas!«

»Es ist zu spät«, sagte Mat. »Verstehst du nicht?« Sein Grinsen wirkte auf dem bleichen Gesicht eigenartig, und aus seiner Brust ragte der Griff eines Dolches. Der Rubin obenauf schimmerte, als brenne ein Feuer in ihm. Der Stein strahlte mehr Leben aus als sein Gesicht. »Es ist zu spät für uns. Wir können nichts mehr ändern.«

»Ich bin sie endlich losgeworden«, sagte Perrin lachend. Blut strömte wie eine Tränenflut aus den leeren Augenhöhlen über sein Gesicht. Er streckte die roten Hände aus und bemühte sich, Rand auf das aufmerksam zu machen, was in ihnen lag. »Jetzt bin ich frei. Es ist vorbei.«

»Es wird nie vorbei sein, al'Thor«, rief Padan Fain, der mitten im Raum herumhüpfte. »Die Schlacht ist niemals zu Ende.«

Die Tür zerbarst zu Splittern, und Rand duckte sich vor den herumfliegenden Holzstücken. Zwei rotgekleidete Aes Sedai traten ein und verbeugten sich, als ihr Herr nachkam. Eine Maske von der Farbe getrockneten Blutes bedeckte Ba'alzamons Gesicht, aber Rand konnte die Flammen seiner Augen durch die Augenschlitze hindurch sehen. Er konnte die tosenden Flammen in Ba'alzamons Mund hören.

»Zwischen uns ist es noch nicht vorbei, al'Thor«, sagte Ba'alzamon, und er und Fain sprachen aus einem Munde: »Für dich wird die Schlacht niemals enden.«

Rand schnappte röchelnd nach Luft und richtete sich vom Fußboden auf. Er rieb sich die Augen. Es schien, als könne er noch immer Fains Stimme hören, so klar, als stünde der Händler neben ihm. Es wird nie vorbei sein. Die Schlacht endet nie.

Mit verschwollenen Augen blickte er sich um, um sich davon zu überzeugen, daß er noch dort versteckt war, wo ihn Egwene zurückgelassen hatte: auf einem Strohsack in einer Ecke ihres Zimmers. Das trübe Licht einer einzigen Lampe erleuchtete den Raum nur unzureichend. Er war überrascht, als er Nynaeve entdeckte, die auf einem Schaukelstuhl auf der gegenüberliegenden Seite des einzigen Bettes saß und strickte. Das Bett war unberührt. Draußen war Nacht.

Nynaeve war schlank und hatte dunkle Augen. Die Haare trug sie zu einem dicken Zopf zusammengeflochten, den sie über eine Schulter gelegt hatte und der ihr fast bis zur Hüfte reichte. Ihr Gesicht war ruhig, und sie schien sich ganz auf das Stricken zu konzentrieren, während sie sanft schaukelte. Der einzige Laut, den man hörte, war das stetige Klick-Klick-Klick ihrer Stricknadeln. Der Teppich dämpfte das Geräusch des Schaukelstuhls.

Es hatte in letzter Zeit Nächte gegeben, da hatte er sich einen Teppich auf dem kalten Steinboden seines Zimmers gewünscht, aber in Schienar waren die Zimmer der Männer immer kahl und sparsam eingerichtet. Hier hingen zwei Gobelins an der Wand, Bergszenen mit Wasserfällen, und neben den Schießscharten hingen Vorhänge. Schnittblumen — weiße Morgensternchen — standen in einer niedrigen, runden Vase auf dem Nachttisch, und weitere schmückten die weiß glasierten, zweckentfremdeten Kerzenhalter an den Wänden. In einer Ecke stand ein hoher Spiegel, und ein weiterer hing über dem Waschgestell mit seiner blaugestreiften Kanne und der Schüssel. Er fragte sich, wozu Egwene zwei Spiegel brauchte; in seinem Raum war keiner, und er vermißte auch keinen. Nur eine Lampe war entzündet, aber es standen noch vier weitere im Zimmer. Der Raum war beinahe so groß wie der, den er mit Mat und Perrin teilte. Egwene hatte ihn allein für sich.

Ohne aufzublicken, sagte Nynaeve: »Wenn du am Nachmittag schon schläfst, kannst du nicht erwarten daß du in der Nacht noch schlafen kannst.«

Er runzelte die Stirn, aber sie konnte das ja nicht sehen.

Zumindest glaubte er das. Sie war nur wenige Jahre älter als er, aber die Tatsache, daß sie Seherin war, fügte dem fünfzig Jahre an Autorität hinzu. »Ich brauchte ein Versteck, und ich war müde«, sagte er und fügte dann schnell hinzu: »Ich bin nicht so einfach hier hereingekommen. Egwene hat mich in die Frauenquartiere eingeladen.«

Nynaeve senkte ihr Strickzeug und lächelte ihn belustigt an. Sie war eine hübsche Frau. Das war etwas, was er daheim nie bemerkt hätte; man betrachtete einfach eine Seherin nicht wie eine normale Frau. »Licht, hilf mir, aber du wirst jeden Tag den Schienarern ähnlicher, Rand. In die Frauenquartiere eingeladen — ha!« Sie schnaubte »Jeden Tag kann man erwarten, daß du anfängst, über deine Ehre zu quatschen und zu bitten, daß der Friede dein Schwert segnen möge.« Er lief rot an und hoffte, daß sie es bei der trüben Beleuchtung nicht bemerken würde. Sie beäugte sein Schwert, dessen Griff aus dem langen Bündel auf dem Boden neben ihm herausragte. Er wußte, daß sie etwas gegen das Schwert hatte, gegen jedes Schwert, aber ausnahmsweise erwähnte sie einmal nichts davon. »Egwene sagte mir, warum du ein Versteck brauchst. Mach dir keine Sorgen. Wir werden dich vor der Amyrlin oder jeder anderen Aes Sedai verstecken, wenn du das willst.«

Sie sah ihm in die Augen, und ihr Blick zuckte gleich wieder weg, aber er hatte ihre Unsicherheit bemerkt. Ihre Zweifel. Es stimmt, ich kann die Macht beherrschen. Ein Mann, der die Eine Macht lenkt! Du solltest den Aes Sedai helfen, mich zu fangen und einer Dämpfung zu unterziehen.

Mit finsterem Gesicht zog er das Lederwams gerade, das ihm Egwene besorgt hatte, und drehte sich so, daß er sich an die Wand lehnen konnte. »Sobald ich kann, werde ich mich in einem Karren verbergen oder hinausschleichen. Ihr müßt mich nicht lange verstecken.« Nynaeve sagte nichts; sie strickte weiter und gab einen verärgerten Laut von sich, als sie eine Masche fallenließ. »Wo ist Egwene?«

Sie ließ das Strickzeug in den Schoß sinken. »Ich weiß nicht, warum ich es heute abend überhaupt noch probiere. Aus irgendeinem Grund kann ich mir die Zahl der Maschen einfach nicht merken. Sie ist zu Padan Fain hinuntergegangen. Sie glaubt, es könne ihm helfen, wenn er bekannte Gesichter sieht.«

»Meines hat ihm gewiß nicht geholfen. Sie sollte sich von ihm fernhalten. Er ist gefährlich.«

»Sie will ihm helfen«, sagte Nynaeve ruhig. »Denk daran, sie war auf dem Weg, meine Helferin zu werden, und die Arbeit einer Seherin besteht nicht nur darin, das Wetter vorherzusagen. Auch Menschen zu heilen gehört dazu. Egwene hat den Drang zum Heilen. Sie muß es einfach. Und wenn Padan Fain wirklich so gefährlich wäre, hätte Moiraine etwas erwähnt.«

Er lachte kurz auf. »Du hast sie nicht gefragt. Egwene hat es zugegeben, und ich kann mir nicht vorstellen, daß du irgend jemanden um Erlaubnis fragst.« Ihre hochgezogenen Augenbrauen vertrieben ihm das Lachen. Er weigerte sich allerdings, sich zu entschuldigen. Sie waren weit von zu Hause entfernt, und er sah nicht ein, daß sie noch weiterhin die Seherin von Emondsfeld sein konnte, wenn sie nach Tar Valon ging. »Haben sie schon mit der Suche nach mir begonnen? Egwene ist nicht sicher, daß sie es tun werden, aber Lan meint, die Amyrlin sei meinetwegen hier, und ich glaube, ich schließe mich eher seiner Meinung an als ihrer.«

Einen Augenblick lang zögerte Nynaeve mit ihrer Antwort. Statt dessen beschäftigte sie sich mit ihren Wollknäueln. Schließlich sagte sie: »Ich bin nicht sicher. Vor einer Weile kam eine der Dienerinnen vorbei. Um das Bett zu machen, behauptete sie. Als ob Egwene schon ins Bett ginge, da doch heute abend das Fest für die Amyrlin stattfindet. Ich habe sie weggeschickt; sie hat dich nicht gesehen.«

»In den Männerquartieren macht einem niemand das Bett.« Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn noch vor einem Jahr zum Stottern gebracht hätte. Er schüttelte den Kopf. »Sie würden doch nicht ihre Mägde schicken, um mich zu suchen, Nynaeve.«

»Als ich vorhin in die Kühlkammer ging, um mir einen Becher Milch zu holen, waren zu viele Frauen in den Gängen. Diejenigen, die zum Fest geladen sind, sollten dabei sein, sich dafür anzukleiden, und die anderen sollten entweder dabei helfen oder die Speisen und Getränke vorbereiten, oder... « Sie zog besorgt die Stirn in Falten. »Es gibt für jeden hier mehr als genug Arbeit, seit die Amyrlin eingetroffen ist. Und sie waren nicht nur hier in den Frauenquartieren. Ich sah Lady Amalisa selbst in der Nähe des Kühlraums aus einem Lagerraum kommen, und sie hatte das Gesicht voller Staub.«

»Das ist doch lächerlich. Warum sollte sie sich an der Suche beteiligen? Oder auch die anderen Frauen, was das betrifft. Sie würden Lord Agelmars Soldaten und die Behüter dafür einsetzen. Und die Aes Sedai. Sie müssen irgend etwas für das Fest vorbereitet haben. Licht noch mal, ich weiß noch nicht einmal, wie die Schienarer ein Fest feiern.«

»Du bist manchmal auch ein rechter Wollkopf, Rand. Die Männer, die ich sah, wußten auch nicht, was die Frauen dort trieben. Ich hörte, wie sich welche beklagten, daß sie die ganze Arbeit am Hals hätten. Ich weiß, daß es eigentlich keinen Sinn ergibt, wenn sie nach dir suchen. Keine der Aes Sedai schien sich dafür zu interessieren. Aber Amalisa hat sich nicht auf das Fest vorbereitet, indem sie in einem Lagerraum ihr Kleid beschmutzte. Sie suchten nach etwas, etwas Wichtigem. Selbst wenn sie gleich begonnen hätte, nachdem ich sie traf, hätte sie kaum noch Zeit zu baden und sich zu richten. Und weil ich gerade dabei bin: Wenn Egwene nicht gleich zurückkommt, muß sie überlegen, ob sie sich noch umzieht und dafür zu spät kommt.«

Zum ersten Mal wurde ihm bewußt, daß Nynaeve nicht die typische Zwei-Flüsse-Wollkleidung trug, an die er gewöhnt war. Ihr Kleid bestand aus blaßblauer Seide und war um den Hals und an den Ärmeln mit Schneeflockenblüten bestickt. Im Mittelpunkt jeder Blüte befand sich eine kleine Perle, und ihr Gürtel war mit Silber beschlagen und hatte eine Silberschnalle, die mit Perlen besetzt war. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Selbst die Festkleidung zu Hause konnte sich nicht damit vergleichen.

»Du gehst zum Fest?«

»Natürlich. Auch wenn Moiraine nicht gesagt hätte, daß ich kommen solle, wäre ich trotzdem... « Ihre Augen blitzten einen Moment lang feurig, und er wußte, was sie meinte. Nynaeve ließ niemanden in dem Glauben, sie fürchte sich vor etwas, selbst wenn es stimmte. Ganz sicher nicht Moiraine und schon gar nicht Lan. Er hoffte, sie wisse nicht, daß er sich über ihre Gefühle dem Behüter gegenüber im klaren war.

Einen Augenblick später wurde ihr Blick wieder weicher, als er auf den Ärmel ihres Kleides fiel. »Lady Amalisa hat mir das gegeben«, sagte sie so leise, daß er sich fragte, ob sie ein Selbstgespräch führe. Sie streichelte über die Seide und fuhr gedankenverloren lächelnd der Blumenstickerei nach.

»Es steht dir sehr gut, Nynaeve. Du siehst heute sehr hübsch aus.« Er duckte sich, kaum daß er das ausgesprochen hatte. Jede Seherin war empfindlich, was ihre Autorität betraf, und Nynaeve war noch empfindlicher als die meisten. Der Frauenzirkel zu Hause hatte ihr immer über die Schulter geguckt, weil sie so jung war, und vielleicht auch, weil sie hübsch war, und ihre Streitigkeiten mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat waren bereits der Stoff von Legenden.

Ihre Hand zuckte von den Stickereien zurück, und sie funkelte ihn an. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Er sprach ganz schnell, um ihr zuvorzukommen.

»Sie können die Tore nicht die ganze Zeit über geschlossen halten. Sobald sie wieder geöffnet sind, bin ich weg, und die Aes Sedai werden mich nie finden. Perrin sagt, in den Schwarzen Hügeln und auf der Caralain-Steppe gibt es Gegenden, da kann man tagelang laufen, ohne einen einzigen Menschen zu sehen. Vielleicht... vielleicht komme ich noch darauf, was ich tun kann, um... « Er zuckte unsicher die Achseln. Er brauchte ihr das gar nicht erst zu sagen, ihr nicht. »Und wenn ich das nicht schaffe, so gibt es dort wenigstens niemanden, den ich verletzen kann.«

Nynaeve schwieg einen Augenblick lang und sagte dann bedächtig: »Ich bin da nicht so sicher, Rand. Ich kann nicht behaupten, daß du anders als irgendein Dorfjunge auf mich wirkst, aber Moiraine besteht darauf, daß du ta'veren bist. Ich bin der Meinung, sie glaubt, daß das Rad mit dir noch lange nicht fertig ist. Der Dunkle König scheint... «

»Shai'tan ist tot«, sagte er rauh, und plötzlich schien der Raum zu schwanken. Er griff sich an den Kopf, als ihn ein Schwindelanfall nach dem anderen überfiel.

»Du Narr! Du reiner, blinder, idiotischer Narr! Den Dunklen König nennen und seine Aufmerksamkeit erregen! Hast du noch nicht genug Schwierigkeiten?«

»Er ist tot«, murmelte Rand und rieb sich den Kopf. Er schluckte. Das Schwindelgefühl wurde bereits schwächer. »Ist schon gut. In Ordnung. Ba'alzamon, wenn du so willst. Aber er ist tot. Ich sah ihn sterben, sah ihn brennen.«

»Und ich soll dich etwa nicht beobachtet haben, als der Blick des Dunklen Königs gerade eben auf dich fiel? Erzähle mir nicht, du hättest nichts gefühlt, oder ich haue dir mein Strickzeug um die Ohren; ich habe dein Gesicht gesehen.«

»Er ist tot.« Rand bestand darauf. Der unsichtbare Beobachter und der Wind auf der Turmspitze ging ihm durch den Kopf. Er schauderte. »Seltsame Dinge geschehen so nahe an der Fäule.«

»Du bist ein Narr, Rand al'Thor.« Sie schwenkte eine Faust in seine Richtung. »Ich würde dir eine Ohrfeige geben, wenn ich glaubte, dein Verstand würde dann... «

Der Rest ihrer Worte wurde verschluckt, als überall in der Festung mit einem Schlag die Glocken zu läuten begannen.

Er sprang auf die Beine. »Das bedeutet Alarm! Sie suchen...« Nenne den Dunklen König, und das Böse kommt über dich.

Nynaeve stand langsamer auf und schüttelte unsicher den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Falls sie dich suchen, wäre alles, was sie damit erreichen, daß dich die Glocken warnen. Nein, falls es Alarm bedeutet, hat es nichts mit dir zu tun.«

»Was dann?« Er eilte zur nächsten Schießscharte und spähte hinaus.

Wie Glühwürmchen bewegten sich Lichter durch die in Nacht gehüllte Festung. Lampen und Fackeln wurden hin und her getragen. Einige rannten zur Außenmauer und den Türmen hin, aber die meisten, die er beobachten konnte, eilten durch den Garten darunter und auf den einzigen Hof, den er teilweise einsehen konnte. Was auch immer den Alarm ausgelöst haben mochte, es befand sich innerhalb der Festung. Die Glocken schwiegen wieder und ließen die Rufe von Männern zu ihm dringen, aber er wurde nicht schlau daraus, was sie riefen.

Wenn es nicht meinetwegen ist... »Egwene«, sagte er plötzlich. Wenn er noch am Leben ist und irgend etwas Böses geschieht, dann wird es wohl mich treffen.

Nynaeve drehte sich um. Sie hatte gerade durch eine andere Schießscharte blicken wollen. »Was?«

»Egwene.« Er durchquerte mit schnellen Schritten das Zimmer und zog mit einem Ruck Schwert und Scheide aus dem Bündel. Licht, mich soll es doch treffen und nicht sie. »Sie ist im Kerker bei Fain. Was ist, wenn er sich irgendwie befreit hat?«

Sie fing ihn an der Tür ab und packte ihn am Arm. Sie reichte ihm nicht einmal bis zur Schulter, aber ihr Griff war eisern. »Sei nicht ein noch größerer Narr als zuvor, Rand al'Thor. Selbst wenn das nichts mit dir zu tun haben sollte, suchen immer noch die Frauen nach irgend etwas. Licht, Mann, das hier sind die Frauenquartiere! Draußen auf dem Flur werden sich höchstwahrscheinlich Aes Sedai aufhalten. Egwene wird schon zurechtkommen. Sie wollte Mat und Perrin mitnehmen. Auch wenn es Schwierigkeiten gegeben haben sollte, werden die beiden sie schon beschützen.«

»Und was ist, wenn sie die beiden nicht finden konnte, Nynaeve? Egwene würde sich davon doch nicht aufhalten lassen. Sie würde dann eben alleine gehen, genau wie du, und das weißt du auch. Licht, ich habe ihr gesagt, daß Fain gefährlich ist! Licht noch mal, ich hab's ihr doch gesagt!« Er riß sich los, zog die Tür auf und rannte los. Licht, verseng mich, es soll doch mich verletzen!

Eine Frau schrie auf, als sie ihn im Arbeiterwams und Hemd und mit einem Schwert in der Hand sah. Selbst eingeladen trugen Männer in den Frauenquartieren keine Waffe, außer die Festung wurde angegriffen. Frauen standen in den Korridoren herum, Dienerinnen in Schwarz und Gold, Hofdamen in Seide und Spitzen, Frauen mit bestickten Schals mit langen Fransen daran, und alle redeten gleichzeitig laut aufeinander ein, alle wollten wissen, was geschehen sei. Überall hielten sich weinende Kinder an den Rockzipfeln fest. Er stürmte zwischen ihnen durch, wich aus, wo es ging, und murmelte Entschuldigungen, wenn er einige anrempelte. Er bemühte sich, ihre überraschten Blicke zu ignorieren.

Eine der Frauen mit einer Stola um die Schultern wandte sich ab, um in ihr Zimmer zurückzugehen, und dabei sah er auf dem Rückenteil der Stola die schimmernde weiße Träne. Nun erkannte er auch Gesichter, die er im Außenhof gesehen hatte. Aes Sedai, die ihn erschreckt anblickten.

»Wer bist du? Was machst du hier?«

»Wird die Festung angegriffen? Antworte mir, Mann!«

»Das ist kein Soldat. Wer ist das? Was geschieht hier eigentlich?«

»Das ist der junge Lord aus dem Süden!«

»Irgend jemand muß ihn aufhalten!«

Die Angst ließ ihn die Lippen hochziehen und die Zähne fletschen, aber er rannte weiter und bemühte sich, noch schneller zu laufen.

Dann trat eine Frau in den Flur und stand ihm plötzlich gegenüber. Trotz seiner Eile blieb er stehen. Er erkannte dieses Gesicht; er würde es wohl immer erkennen, auch wenn er ewig lebte. Die Amyrlin. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihn erblickte, und sie erwiderte seinen Blick. Eine andere Aes Sedai, die große Frau mit dem Stab, trat zwischen ihn und die Amyrlin und schrie ihm etwas zu, das er bei dem immer stärker werdenden Stimmengewirr nicht verstehen konnte.

Sie weiß Bescheid. Licht hilf mir, sie weiß Bescheid. Moiraine hat es ihr gesagt. Mit einem Knurren rannte er weiter. Licht, ich muß sichergehen, daß Egwene nichts passiert ist, bevor sie... Hinter ihm erklangen Schreie, doch er hörte nicht hin.

Draußen in der Festung herrschte ein vollkommenes Durcheinander. Männer mit Schwertern in der Händen rannten zu den Höfen und sahen ihn überhaupt nicht an. Durch das Lärmen der Alarmglocken konnte er jetzt auch andere Geräusche vernehmen. Rufe. Schreie. Metall, das auf Metall auftraf. Er hatte gerade genug Zeit, um zu erkennen, daß es sich um Kampfgeräusche handelte —Kampf? Mitten in Fal Dara? —, als drei Trollocs vor ihm um die Ecke rannten.

Behaarte Schnauzen verunstalteten ansonsten menschliche Gesichter, und einer von ihnen trug die Hörner eines Hammels. Sie fauchten und hoben sichelähnliche Schwerter, als sie auf ihn zu rannten.

Der Gang, der nur einen Moment zuvor noch von rennenden Männern gefüllt gewesen war, war nun bis auf die drei Trollocs und ihn selbst leer. Überrascht von ihrem Erscheinen zog er ungeschickt sein Schwert und versuchte ›Die Hummel küßt eine Rose‹. Erschüttert darüber, daß sich Trollocs im Herzen der Festung von Fal Dara befanden, führte er den Angriff so ungeschickt aus, daß sich Lan vor Verachtung abgewandt hätte. Ein Trolloc mit Bärenschnauze wich ihm problemlos aus, prallte aber gegen die beiden anderen und brachte sie einen Moment lang außer Tritt.

Plötzlich war da ein Dutzend Schienarer und raste an ihm vorbei auf die Trollocs zu. Die Männer waren halb angezogen — in bester Kleidung für das Fest —, hatten aber Schwerter in den Händen. Der Trolloc mit der Bärenschnauze röchelte wild, als er starb, und seine Begleiter rannten weg, von schwertschwingenden, schreienden Männern verfolgt. Überall erklangen Rufe und Schreie.

Egwene!

Rand wandte sich dem Inneren der Festung zu, rannte durch menschenleere Gänge, in denen hier und da tote Trollocs am Boden lagen. Oder auch tote Männer.

Dann kam er an eine Kreuzung von Korridoren, und zu seiner linken war gerade ein Kampf zu Ende gegangen. Sechs Männer mit Haarknoten lagen blutend und leblos am Boden, und ein siebter verschied soeben. Der Myrddraal drehte beim Herausziehen sein Schwert absichtlich noch einmal im Bauch des Mannes, und der Soldat schrie, während er sein Schwert fallen ließ und stürzte. Der Blasse bewegte sich mit der Eleganz einer Schlange, wobei der schlangenartige Eindruck noch dadurch verstärkt wurde, daß er einen Brustpanzer aus schwarzen, sich überlappenden Schuppen trug. Er drehte sich um, und das bleiche, augenlose Gesicht musterte Rand. Er setzte sich in Rands Richtung in Bewegung, ohne Eile, und lächelte blutleer. Bei einem einzelnen Mann mußte er sich nicht beeilen.

Er blieb wie angewurzelt stehen. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Der Blick der Augenlosen bedeutet Angst. Das war es, was man in den Grenzlanden sagte. Seine Hand zitterte, als er das Schwert hob. Er dachte überhaupt nicht daran, das Nichts heraufzubeschwören. Licht, er hat gerade sieben bewaffnete Soldaten auf einmal getötet. Licht, was mache ich nur? Licht!

Plötzlich blieb der Myrddraal stehen. Sein Lächeln war verschwunden. »Der gehört mir, Rand.« Rand fuhr zusammen, als Ingtar neben ihn trat, dunkel und stämmig, mit einem festlichen gelben Mantel bekleidet, das Schwert in beiden Händen. Ingtars dunkle Augen blickten unverwandt den Blassen an. Falls der Schienarer die Angst fühlte, die dieser Blick auslöste, ließ er sich nichts anmerken. »Probier deine Kräfte erstmal an ein oder zwei Trollocs aus«, sagte er leise, »bevor du einem von diesen gegenübertrittst.«

»Ich bin heruntergekommen, um nachzusehen, ob Egwene in Sicherheit ist. Sie war in den Kerker gegangen, um Fain zu besuchen, und... «

»Dann geh und kümmere dich um sie.«

Rand schluckte. »Wir kämpfen Seite an Seite, Ingtar.«

»Du bist noch nicht soweit. Geh und schau nach deinem Mädchen. Geh! Willst du, daß die Trollocs sie ungeschützt vorfinden?«

Einen Moment lang stand Rand unentschlossen da. Der Blasse hatte sein Schwert gegen Ingtar erhoben. Ein lautloses Knurren umspielte Ingtars Mund, aber Rand wußte, daß es kein Zeichen der Angst war. Und Egwene war vielleicht allein mit Fain im Kerker. Trotzdem schämte er sich, als er in Richtung der Treppen losrannte, die nach unten führten. Er wußte, daß ein Blasser jedem Mann mit seinem Blick Angst einjagen konnte, doch Ingtar hatte den Schrecken überwunden. Er hatte immer noch einen Kloß im Magen.

In den Gängen unter der Festung war es still. Sie waren nur schwach durch flackernde Lampen erleuchtet, die in größeren Abständen an den Wänden hingen. Er verlangsamte seinen Schritt, als er sich dem Kerker näherte. Er schlich auf Zehenspitzen näher heran. Das Scharren seiner Stiefel auf dem nackten Boden hallte laut in seinen Ohren. Die Tür zum Kerker stand eine Handbreit offen. Sie hätte geschlossen und verriegelt sein sollen.

Er sah die Tür an, wollte schlucken und konnte nicht. Er öffnete den Mund, um zu rufen, schloß ihn aber schnell wieder. Falls Egwene dort drinnen und in Schwierigkeiten war, würde ein Ruf denjenigen warnen, der sie gefährdete. Oder dasjenige. Oder was auch immer. Er holte tief Luft und riß sich zusammen.

In einer fließenden Bewegung drückte er die Tür weit auf, die Scheide in der linken Hand, und warf sich in den Kerker hinein. Er nahm im Sprung die Schulter nach unten, rollte sich darüber im den Boden bedeckenden Stroh ab und stand wieder auf den Füßen. Er wirbelte so schnell nach der einen und dann nach der anderen Seite herum, daß er den Raum nicht klar sehen konnte. Er hielt nur verzweifelt Ausschau nach einem möglichen Angreifer und nach Egwene. Es war niemand da.

Sein Blick fiel auf den Tisch, und er blieb wie angewurzelt stehen. Der Atem und selbst die Gedanken stockten ihm. Zu beiden Seiten der immer noch brennenden Lampe, die so zum Mittelpunkt wurde, lagen die Köpfe der Wachen in zwei Blutlachen. Ihre Augen starrten ihn an, vor Furcht weit aufgerissen, und ihre Münder standen zu einem letzten Schrei offen, den niemand mehr hören konnte. Rand würgte und bückte sich schnell. Wieder und wieder übergab er sich ins Stroh hinein. Schließlich schaffte er es, sich wieder aufzurichten. Er wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Im Hals hatte er ein Gefühl, als habe man ihn ausgeschabt.

Langsam sickerte auch der Anblick des restliches Raums in sein Bewußtsein. Vorher hatte er ihn nur halb wahrgenommen, als er hastig nach einem Angreifer gesucht hatte. Blutige Fleischklumpen lagen auf dem Stroh herum. Nichts war mehr als menschlich zu identifizieren, bis auf die beiden Köpfe. Einige der Stücke wirkten angenagt. Das ist also mit dem Rest ihrer Körper passiert. Er war überrascht, daß er sich das so ruhig sagen konnte, beinahe, als habe er das Nichts heraufbeschworen, ohne es auch nur richtig zu versuchen. Es mußte der Schock sein —das wurde ihm so nebenbei klar.

Er erkannte keinen der Köpfe; man hatte die Wachen gewechselt, seit er dagewesen war. Darüber war er froh. Zu wissen, wer sie waren, hätte selbst im Falle von Changu alles noch schlimmer gemacht. Auch die Wände waren mit Blut verschmiert, aber in Form von hingekritzelten Buchstaben, einzelnen Wörtern und ganzen Sätzen, die überall verteilt waren. Einiges davon sah ungelenk und kantig aus. Es war in einer Sprache geschrieben, die er nicht verstand; er erkannte aber die Trolloc-Schrift. Anderes konnte er lesen und wünschte, er verstünde es nicht. Blasphemien und Obszönitäten, die selbst einen Stallburschen oder den Leibwächter eines Kaufmanns hätten erblassen lassen.

»Egwene!« Seine Ruhe verflog augenblicklich. Er schob die Scheide durch seinen Gürtel, schnappte sich die Lampe vom Tisch und bemerkte kaum, wie die Köpfe umfielen. »Egwene! Wo bist du?«

Er wollte zur Innentür gehen, machte auch zwei Schritte in die Richtung und blieb mit aufgerissenen Augen stehen. Die Worte auf der Tür, die im Lichtschein seiner Lampe dunkel und feucht glänzten, waren klar genug:

WIR WERDEN UNS AUF DER TOMANHALBINSEL WIEDERSEHEN.

ES IST NIE ZU ENDE, AL'THOR.

Sein Schwert fiel ihm aus der plötzlich tauben Hand. Er wandte den Blick nicht von der Tür, als er sich bückte, um es aufzuheben. Doch statt des Schwertes griff er sich eine Handvoll Stroh und begann, wild die Worte an der Tür wegzureiben. Schwer atmend schrubbte er, bis nur ein blutiger Schmierer übrig war, doch er konnte nicht aufhören.

»Was machst du da?«

Als die scharfe Stimme hinter ihm erklang, wirbelte er herum und bückte sich dabei, um sein Schwert zu ergreifen.

Eine Frau stand in der Tür. Sie wirkte starr vor Zorn. Ihr Haar war wie blasses Gold; in zahlreichen Lockensträngen hing es ihr auf die Schultern. Ihre Augen waren dunkel und blickten ihn scharf an. Sie sah nicht viel älter aus als er und war auf eine gewisse Art hübsch, aber um ihren Mund lag ein harter Zug, der ihm nicht gefiel. Dann sah er die Stola, die sie eng um sich herum zusammengezogen hatte, mit den langen roten Fransen.

Aes Sedai. Und Licht, hilf mir — sie gehört zu den Roten Ajah. »Ich... ich wollte gerade... Das ist eine schmutzige Sache. Schlimm.«

»Alles muß genauso gelassen werden, damit wir es untersuchen können. Berühre nichts.« Sie trat einen Schritt vor und musterte ihn. Er trat einen Schritt zurück. »Ja. Ja, ich dachte es mir. Einer von denen bei Moiraine. Was hast du damit zu tun?« Ihre Geste umfaßte die Köpfe auf dem Tisch und die blutigen Schmierereien an den Wänden.

Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Ich? Nichts! Ich kam hier herunter, um jemanden zu suchen... Egwene!«

Er wandte sich der Innentür zu, um sie zu öffnen, da schrie ihn die Aes Sedai an: »Nein! Du wirst mir jetzt antworten!«

Plötzlich war alles, was er noch fertigbringen konnte, aufzustehen und Lampe und Schwert festzuhalten. Von allen Seiten drückte eisige Kälte gegen ihn. Sein Kopf war wie in einer gefrorenen Klammer gefangen. Er konnte kaum atmen, so stark war der Druck auf seine Brust.

»Antworte mir, Junge! Sag mir deinen Namen!«

Gegen seinen Willen entwich ihm ein Laut. Er versuchte, gegen die Kälte anzukämpfen, die sein Gesicht in den Schädel hineindrücken wollte und seinen Brustkorb wie mit Eisenklammern zusammenschnürte. Er biß die Zähne zusammen, um nicht sprechen zu können. Unter Schmerzen rollte er mit den Augen und funkelte sie durch einen Tränenvorhang hindurch an. Das Licht soll dich versengen, Aes Sedai! Ich sage kein Wort. Der Schatten soll dich verschlingen!

»Antworte mir, Junge! Sofort!«

Eisnadeln durchdrangen schmerzhaft sein Gehirn und knirschten in seine Knochen hinein. Das Nichts formte sich in ihm, bevor ihm auch nur bewußt wurde, daß er daran dachte, aber es konnte den Schmerz nicht abhalten. Verschwommen spürte er Licht und Wärme irgendwo in einiger Entfernung. Es flackerte bedenklich, doch das Licht war warm, und ihm war kalt. Unendlich fern und doch gerade an der Grenze seiner Reichweite. Licht, es ist so kalt. Ich muß... das... erreichen. Sie bringt mich um. Ich muß es erreichen, oder sie bringt mich um. Verzweifelt streckte er sich nach dem Licht. »Was geht hier vor?«

Mit einem Schlag verschwanden Kälte und Druck und die Nadeln. Seine Knie wurden weich, aber er drückte sie mit Gewalt durch. Er würde nicht auf die Knie fallen —die Befriedigung würde er ihr nicht gönnen. Das Nichts war auch weg, so schnell es sich gebildet hatte. Sie hat versucht, mich zu töten. Schwer atmend hob er den Kopf. Moiraine stand in der Tür.

»Ich fragte, was hier vorgeht, Liandrin«, sagte sie.

»Ich fand diesen Jungen hier«, antwortete die Aes Sedai gelassen. »Die Wachen wurden ermordet, und er ist hier. Einer von deinen. Und was machst du hier, Moiraine? Der Kampf findet oben statt und nicht hier.«

»Dasselbe könnte ich dich fragen, Liandrin.« Moiraine sah sich im Raum um, und ihr Mund verzog sich lediglich etwas beim Anblick des Blutbads. »Warum bist du hier?«

Rand wandte sich von ihnen ab, schob ungeschickt die Riegel an der Innentür auf und öffnete die Tür. »Egwene ist hier heruntergekommen«, eröffnete er jedem, den es interessierte, und dann ging er mit hoch erhobener Lampe hinein. Seine Knie wollten immer noch nachgeben, und er war nicht sicher, wie er sich überhaupt auf den Beinen hielt, er wußte nur, daß er Egwene finden mußte.

»Egwene!«

Ein hohles Gurgeln und ein Geräusch, als schlage jemand um sich, erklangen zu seiner rechten Seite, und er hob die Lampe in dieser Richtung. Der Gefangene in dem Festtagsmantel sackte gegen das Eisengitter seiner Zelle. Sein Gürtel war um die Gitterstäbe und um seinen Hals gewickelt. Während Rand hinblickte, zuckte er ein letztes Mal. Seine Füße schabten über den mit Stroh bedeckten Boden und lagen still. Zunge und Augen quollen aus seinem dunkel angelaufenen Gesicht. Seine Knie berührten beinahe den Boden; er hätte jederzeit aufstehen können.

Schaudernd spähte Rand in die nächste Zelle. Der große Mann mit dem in Muskeln versinkenden Gelenken kauerte ganz hinten in seiner Zelle und hatte die Augen so weit wie möglich aufgerissen. Bei Rands Anblick schrie er und wand sich und kratzte verzweifelt an der Zellenwand.

»Ich will dir nichts tun«, rief Rand. Der Mann schrie weiter und versuchte, sich einen Weg durch die Wand zu kratzen. Seine Hände waren blutig und hinterließen Schmierer über älteren Schmierern geronnenen Blutes. Dies war offenbar nicht der erste Versuch, mit bloßen Händen die Wand zu durchbrechen.

Rand wandte sich ab und war froh, daß sein Magen bereits leer war. Es gab nichts, was er für einen der beiden hätte tun können. »Egwene!«

Sein Laternenschein erreichte endlich das hintere Ende des Zellenganges. Die Tür zu Fains Zelle stand offen, und die Zelle war leer. Doch auf dem Steinboden vor der Zelle lagen zwei Gestalten, deren Anblick Rand vorwärtsspringen ließ. Er fiel zwischen ihnen auf die Knie.

Egwene und Mat lagen verkrümmt dort, bewußtlos... oder tot. Mit tiefer Erleichterung sah er, daß sich ihre Brustkörbe hoben und senkten. Keiner von beiden wies irgendeine Verwundung auf.

»Egwene? Mat?« Er legte das Schwert hin und rüttelte sanft an Egwene. »Egwene?« Sie öffnete die Augen nicht. »Moiraine! Egwene ist verwundet! Und Mat!« Mat atmete schwer, und sein Gesicht war totenblaß. Rand hätte am liebsten geweint. Es hätte doch mich treffen müssen! Ich habe den Dunklen König beim Namen genannt. Ich!

»Rühre sie nicht an!« Moiraine klang überhaupt nicht aufgewühlt oder überrascht.

Die Zelle wurde plötzlich von einer Lichtflut erleuchtet, als die beiden Aes Sedai eintraten. Jede balancierte einen glühenden Ball kühlen Lichts, der in der Luft über ihrer Hand schwebte.

Liandrin marschierte geradewegs in der Mitte des breiten Gangs und raffte ihren Rock mit der freien Hand hoch, damit er nicht im Stroh schleifen konnte. Moiraine jedoch sah zuerst nach den beiden Gefangenen, bevor sie ihr folgte. »Für den einen kann man nichts tun«, sagte sie, »und der andere kann warten.«

Liandrin erreichte Rand zuerst und wollte sich schon zu Egwene hinunterbeugen, doch da eilte Moiraine hinzu und legte ihre freie Hand auf Egwenes Stirn. Liandrin richtete sich mit einer Grimasse wieder auf.

»Sie ist nicht schwer verletzt«, sagte Moiraine nach einem Moment. »Sie wurde hier getroffen.« Sie fuhr mit dem Finger über eine Zone an der Seite von Egwenes Kopf, die von ihrem Haar bedeckt war. Rand konnte daran nichts Besonderes entdecken. »Das ist ihre einzige Verletzung. Sie wird bald wieder in Ordnung sein.«

Rand blickte von einer Aes Sedai zur anderen. »Und was ist mit Mat?« Liandrin hob eine Augenbraue und beobachtete dann mit spöttischer Miene Moiraine. »Sei ruhig«, sagte Moiraine. Ihre Finger lagen immer noch auf Egwenes Kopf an der Stelle, wo sie getroffen worden war. Sie schloß die Augen. Egwene murmelte etwas und bewegte sich, doch dann lag sie wieder still. »Ist sie...?«

»Sie schläft, Rand. Es wird ihr bald wieder gutgehen, aber sie muß schlafen.« Moiraine wandte sich Mat zu, aber in seinem Fall berührte sie ihn nur einen Augenblick lang, bevor sie die Hand zurückzog. »Das ist schon ernster«, sagte sie leise. Sie tastete an Mats Hüfte herum, öffnete endlich seinen Mantel und gab einen zornigen Laut von sich. »Der Dolch ist weg.«

»Was für ein Dolch?« fragte Liandrin.

Plötzlich erklangen im Vorraum Stimmen. Männer machten ihrem Ekel und ihrem Zorn Luft.

»Hier herein«, rief Moiraine. »Bringt zwei Bahren mit. Schnell.« Irgend jemand im Vorraum rief nach Bahren.

»Fain ist weg«, sagte Rand. Die beiden Aes Sedai sahen ihn an. Er konnte von ihren Gesichtern nichts ablesen. Ihre Augen glitzerten im Lichtschein.

»Ich habe es gemerkt«, sagte Moiraine mit ausdrucksloser Stimme.

»Ich sagte ihr, sie solle nicht hierher gehen. Ich sagte ihr, es sei gefährlich.«

»Als ich kam«, sagte Liandrin mit kalter Stimme, »hat er gerade das Geschriebene im Vorraum verwischt.«

Er rutschte unsicher auf den Knien herum. Im Moment erschienen ihm die Augen der beiden Aes Sedai gleich. Sie wägten ab, musterten ihn kühl und schrecklich.

»Es... es war Schmutz«, sagte er. »Nur Schmutz.« Sie sahen ihn immer noch schweigend an. »Ihr glaubt doch nicht, daß ich... Moiraine, Ihr könnt doch nicht glauben, ich hätte irgend etwas mit... dem zu tun, was da draußen geschah.« Licht, wirklich nicht? Ich habe den Dunklen

König beim Namen genannt.

Sie antwortete nicht, und ein eiskalter Schauder überlief ihn. Das Gefühl wurde durch die mit Fackeln und Lampen hereinstürmenden Männer nicht gemindert. Moiraine und Liandrin ließen ihre glühenden Bälle erlöschen. Die Lampen und Fackeln warfen kein so helles Licht; in den Tiefen der Zellen entstanden Schatten. Männer mit Bahren eilten zu den am Boden liegenden Gestalten. Ingtar führte sie an. Sein Haarknoten zitterte fast vor Zorn, und er wirkte versessen darauf, jemanden zu finden, auf den er mit seinem Schwert losgehen konnte.

»Also ist der Schattenfreund auch weg«, grollte er. »Na ja, das ist noch das geringste von dem, was heute abend geschehen ist.«

»Das geringste selbst hier«, sagte Moiraine scharf. Sie gab den Männern Anweisungen, die Egwene und Mat auf die Bahren legten. »Das Mädchen wird in sein Zimmer gebracht. Sie braucht eine Frau, die bei ihr wacht, falls sie in der Nacht erwacht. Sie mag verängstigt sein, aber mehr als alles andere braucht sie jetzt Schlaf. Der Junge... « Sie berührte Mat, als zwei Männer seine Bahre aufhoben, und ihre Hand zuckte schnell zurück. »Bringt ihn zu den Gemächern der Amyrlin. Sucht die Amyrlin, wo immer sie auch sein mag, und sagt ihr, daß er dort ist. Sagt ihr, sein Name sei Matrim Cauthon. Ich werde zu ihr kommen, sobald ich kann.«

»Die Amyrlin!« rief Liandrin. »Du willst die Amyrlin als Heilerin für deinen... deinen zahmen Bauernburschen einsetzen? Du bist ja verrückt, Moiraine!«

»Die Amyrlin teilt die Vorurteile der Roten Ajah nicht, Liandrin«, sagte Moiraine gelassen. »Sie heilt einen Menschen auch, wenn er ihr nicht irgendwie von Nutzen ist. Geht los!« sagte sie zu den Bahrenträgern.

Liandrin sah zu, wie sie hinausgingen, Moiraine und die Männer, die Mat und Egwene trugen, und dann wandte sie sich Rand zu und blickte ihn an. Er bemühte sich, sie nicht zu beachten. Er konzentrierte sich darauf, sein Schwert in die Scheide zurückzustecken und sich das Stroh abzuklopfen, das ihm an Hemd und Hose klebte. Als er den Kopf schließlich hob, musterte sie ihn immer noch mit eisiger Miene. Schweigend und nachdenklich wandte sie sich dann den anderen Männern zu. Einer hielt den Körper des erhängten Mannes hoch, während der andere den Gürtel zu lösen versuchte. Ingtar und die anderen warteten respektvoll. Mit einem letzten Blick auf Rand ging sie, den Kopf wie eine Königin hoch erhoben.

»Eine harte Frau«, murmelte Ingtar und schien dann selbst überrascht, daß er es ausgesprochen hatte. »Was ist hier geschehen, Rand al'Thor?«

Rand schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, außer, daß Fain irgendwie entkommen ist und dabei Mat und Egwene verletzt hat. Ich habe den Wachraum gesehen« —er schauderte — »aber hier drinnen... Was es auch gewesen sein mag, Ingtar, es hat diesem Burschen derart Angst eingejagt, daß er sich selbst aufgehängt hat. Ich glaube, der andere ist verrückt geworden, als er es sah.«

»Heute abend drehen wir wohl alle durch.«

»Der Blasse... hast du ihn getötet?«

»Nein!« Ingtar rammte sein Schwert in die Scheide hinein; der Griff ragte über seine rechte Schulter hinaus. Er schien gleichzeitig zornig zu sein und sich zu schämen. »Er ist jetzt außerhalb der Festung, zusammen mit den anderen, die wir nicht töten konnten.«

»Wenigstens bist du am Leben, Ingtar. Dieser Blasse hat sieben Männer getötet!«

»Am Leben? Ist das so wichtig?« Plötzlich wirkte Ingtars Gesicht nicht mehr zornig, sondern müde und von Schmerz erfüllt. »Wir hielten es in unseren Händen. In unseren Händen! Und wir verloren es, Rand. Verloren es!« Er hörte sich an, als könne er selbst nicht glauben, was er da sagte.

»Was haben wir verloren?« fragte Rand.

»Das Horn! Das Horn von Valere. Es ist weg, die Truhe, alles.«

»Aber es war in der Schatzkammer!«

»Die Schatzkammer wurde ausgeraubt«, sagte Ingtar müde. »Sie haben aber nicht viel mitgenommen, bis auf das Horn natürlich. Nur, was sie in die Taschen stecken konnten. Ich wünschte, sie hätten alles andere mitgenommen und das dagelassen. Ronan ist tot und auch die Wächter, die er vor die Schatzkammer gestellt hatte.« Seine Stimme wurde leiser. »Als ich ein Junge war, da hielt Ronan den Turm von Jehaan mit zwanzig Männern gegen tausend Trollocs. Aber wenigstens ist er nicht so leicht untergegangen. Der alte Mann hatte Blut an seinem Dolch. Keiner könnte wohl mehr erwarten.« Er schwieg einen Moment lang. »Sie sind durch das Hundetor hereingekommen und auch auf dem gleichen Weg verschwunden. Wir haben fünfzig oder mehr erledigt, aber zu viele entkamen. Trollocs! Wir hatten noch nie zuvor Trollocs in der Festung. Nie!«

»Wie konnten sie denn durch das Hundetor hereinkommen, Ingtar? Ein Mann allein könnte dort hundert aufhalten. Und alle Tore waren verrammelt.« Er trat unsicher von einem Fuß auf den anderen, weil er daran denken mußte, warum. »Die Wachen hätten es nicht geöffnet, um irgend jemand hereinzulassen.«

»Ihnen hat man den Hals durchgeschnitten«, sagte Ingtar. »Beides gute Männer, und doch wurden sie geschlachtet wie die Schweine. Der Angriff erfolgte von innen. Irgend jemand tötete sie und öffnete dann das Tor. Jemand, der ihnen nahe kommen konnte, ohne Verdacht zu erregen. Jemand, den sie kannten.«

Rand sah die leere Zelle an, in der sich Fain befunden hatte. »Aber das bedeutet... «

»Ja. Es sind Schattenfreunde in Fal Dara. Oder waren. Wir werden bald wissen, was los ist. Kajin überprüft gerade, ob jemand fehlt. Friede! Verrat in der Festung von Fal Dara!« Mit finsterer Miene sah er sich im Kerker um und die Männer an, die auf ihn warteten. Alle hatten Schwerter und trugen sie über ihren Festgewändern. Ein paar hatten auch Helme auf. »Wir können hier nichts weiter tun. Raus! Alle!« Rand schloß sich dem Rückzug an. Ingtar tippte mit dem Finger an Rands Wams. »Was ist das? Hast du dich entschlossen, Stallbursche zu werden?«

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Rand. »Zu lang, um sie hier zu erzählen. Vielleicht ein andermal.« Vielleicht auch nie, wenn ich Glück habe. Vielleicht kann ich in all diesem Durcheinander fliehen. Nein, kann ich nicht. Nicht, bevor ich nicht weiß, daß es Egwene gutgeht. Und Mat. Licht, was wird aus ihm ohne den Dolch? »Ich schätze, Lord Agelmar hat die Wachen an allen Toren verdoppelt.«

»Verdreifacht«, sagte Ingtar in befriedigtem Tonfall. »Keiner wird durch diese Tore kommen, weder von innen noch von außen. Sobald Lord Agelmar hörte, was geschehen war, ordnete er an, daß keiner ohne seine persönliche Erlaubnis die Festung verlassen dürfe.«

Sobald er hörte...? »Ingtar, was war denn vorher los? Was war mit dem früheren Befehl, jeden in der Festung festzuhalten?«

»Früherer Befehl? Was für ein früherer Befehl? Rand, die Festung wurde nicht geschlossen, bevor Lord Agelmar von dieser Sache hörte. Jemand hat dir etwas Falsches erzählt.«

Rand schüttelte langsam den Kopf. Weder Ragan noch Tema hätten so etwas erfunden. Und selbst wenn die Amyrlin den Befehl gegeben hätte, würde Ingtar das wissen. Aber wer dann? Und wie? Er sah Ingtar aus den Augenwinkeln an und überlegte, ob der Schienarer vielleicht log. Du wirst wirklich langsam verrückt, wenn du ausgerechnet Ingtar verdächtigst.

Jetzt befanden sie sich im Wachraum des Kerkers. Die abgeschlagenen Köpfe und die Teile der Wachen waren entfernt worden, nur auf dem Tisch zeigten sich noch rote Schmierer, und im Stroh waren feuchte Flecke, die zeigten, wo sie gelegen hatten. Zwei Aes Sedai waren dort, ruhig wirkende Frauen mit braunen Fransen an ihren Stolen, die die Kritzeleien an den Wänden betrachteten und dabei nicht darauf achteten, daß ihre Röcke durch das Stroh schleiften. An beider Gürtel hing je ein Schreibkasten mit einem Tintenfaß, und sie machten sich mit einer Feder Notizen in kleine Bücher. Sie sahen die Männer nicht einmal an, die durch den Raum trampelten.

»Schau hierher, Verin«, sagte eine von ihnen und deutete auf einen Abschnitt der Steinwand, der mit Trolloc-Schrift bedeckt war. »Das sieht interessant aus.«

Die andere eilte herbei, und ihr Rock bekam dabei einige rötliche Flecke ab. »Ja, ich sehe, was du meinst. Eine viel bessere Schrift als der Rest. Kein Trolloc. Sehr interessant.« Sie schrieb etwas in ihr Buch und blickte dazwischen immer wieder auf, um die eckigen Buchstaben auf der Wand zu lesen.

Rand eilte hinaus. Selbst wenn es keine Aes Sedai gewesen wären, würde er nicht in einem Raum mit jemand bleiben, der Trolloc-Schrift, in menschlichem Blut geschrieben, für ›interessant‹ hielt.

Ingtar und seine Männer stolzierten vornweg, auf ihre Pflichten bedacht. Rand trödelte und fragte sich, wohin er nun gehen könne. In die Frauenquartiere zurückzukehren, würde ohne Egwenes Hilfe nicht leicht sein. Licht, laß sie wieder gesund werden! Moiraine sagte doch, sie werde wieder genesen.

Lan fand ihn, bevor er die erste Treppe nach oben erreichte. »Du kannst in dein Zimmer zurückgehen, wenn du willst, Schafhirte. Moiraine ließ deine Sachen aus Egwenes Zimmer holen und in deines bringen.«

»Woher wußte sie...?«

»Moiraine weiß eine ganze Menge, Schafhirte. Das solltest du jetzt allmählich wissen. Du solltest auch auf dich aufpassen. Die Frauen klatschen alle darüber, daß du durch die Gänge gerannt bist und mit deinem Schwert herumgefuchtelt hast. Der Amyrlin Auge in Auge gegenübergestanden, sagen sie.«

»Licht, es tut mir leid, daß sie wütend sind, Lan, aber ich war in die Frauenquartiere eingeladen. Und als ich den Alarm hörte... Licht noch mal, Egwene war dort unten!«

Lan spitzte nachdenklich die Lippen; das war der einzige von seinem Gesicht ablesbare Ausdruck. »Ach, sie sind eigentlich nicht wütend. Die meisten sind allerdings der Meinung, daß du eine starke Hand brauchst, um ein wenig ruhiger zu werden. Fasziniert wäre ein besserer Ausdruck. Selbst Lady Amalisa kann nicht damit aufhören, alle über dich auszufragen. Einige beginnen, den Klatsch der Diener zu glauben. Sie glauben, du wärst ein verkleideter Prinz, Schafhirte. Keine schlechte Sache. Es gibt eine alte Redensart hier in den Grenzlanden: ›Es ist besser, eine Frau auf deiner Seite zu haben als zehn Männer.‹ So, wie sie untereinander über dich reden, versuchen sie, sich zu entscheiden, wessen Tochter stark genug sei, um mit dir umzugehen. Wenn du nicht aufpaßt, Schafhirte, dann hast du in ein schienarisches Adelshaus eingeheiratet, bevor es dir überhaupt selbst klar wird.« Plötzlich lachte er schallend los. Es wirkte eigenartig; als lache ein Fels. »Mitten in der Nacht durch die Frauenquartiere rennen — im Wams eines Arbeiters und mit einem Schwert in der Hand. Falls sie dich nicht auspeitschen, werden sie zumindest die nächsten zehn Jahre darüber sprechen. Sie haben noch nie einen Mann gesehen, der sich so eigenartig wie du benimmt. Welche Frau sie auch für dich auswählen, sie brächte dich vermutlich in zehn Jahren an die Spitze eines Hauses und ließe dich außerdem im Glauben, du hättest das aus eigenen Kräften erreicht. Zu schade, daß du weg mußt.«

Rand hatte den Behüter mit offenem Mund angestarrt, doch nun grollte er: »Ich hab's versucht. Die Tore werden bewacht, und keiner kann hinaus. Ich habe es bereits bei Tageslicht probiert. Ich konnte noch nicht einmal mein Pferd aus dem Stall holen.«

»Das spielt jetzt keine Rolle. Moiraine hat mich geschickt, um dir Bescheid zu sagen. Du kannst jederzeit weg. Selbst jetzt. Moiraine sorgte dafür, daß Agelmar dich von seinem Befehl ausnahm.«

»Warum erst jetzt und nicht schon früher? Warum konnte ich vorher nicht gehen? War sie diejenige, die die Tore verschließen ließ? Ingtar sagte, er wisse nichts von einem Befehl, die Leute in der Festung zu halten —jedenfalls bis heute nacht.«

Rand glaubte, einen besorgten Ausdruck bei dem Behüter zu entdecken, doch alles, was er sagte, war:

»Wenn dir jemand ein Pferd schenkt, Schafhirte, dann beklagst du dich nicht, daß es nicht so schnell ist, wie du möchtest.«

»Was ist mit Egwene? Und Mat? Sind sie wirklich in Ordnung? Ich kann nicht weg, bevor ich weiß, daß es ihnen gutgeht.«

»Dem Mädchen geht es gut. Sie wird am Morgen aufwachen und sich vielleicht noch nicht einmal daran erinnern, was geschehen ist. Schläge auf den Kopf haben manchmal solche Auswirkungen.«

»Und wie steht's mit Mat?«

»Du hast die Wahl, Schafhirte. Du kannst heute gehen oder morgen oder nächste Woche. Es hängt von dir ab.« Er ging fort und ließ Rand dort in dem Korridor unter der Festung von Fal Dara stehen.

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