29 Seanchan

Geofram Bornhald beachtete den Gestank brennender Häuser und die Leichen nicht, die im Schmutz der Straße lagen. Byar und eine weißgekleidete Hundertschaft Soldaten ritten direkt hinter ihm in das Dorf hinein. Das war die Hälfte der Männer, die er bei sich hatte. Seine Legion war für seinen Geschmack zu weit verstreut, und zu viele der Offiziersposten waren von Zweiflern besetzt, aber seine Befehle waren ganz eindeutig gewesen: Gehorcht den Zweiflern.

Hier hatte es nur vereinzelt Widerstand gegeben; nur über einem halben Dutzend Behausungen standen Rauchwolken. Wie er sah, stand die Schenke noch: weiß verputzte Steinmauern wie bei den meisten Gebäuden auf der Ebene von Almoth.

Er hielt sein Pferd vor der Schenke an. Sein Blick streifte die Gefangenen, die von seinen Soldaten beim Dorfbrunnen aufgestellt worden waren, und blieb dann an dem langen Quergalgen hängen, der das Dorfgrün verunzierte. Er war offensichtlich hastig zusammengezimmert worden: nur ein langer Querbalken auf hohen Stützen. Daran hingen dreißig Leichen, deren Kleidung im leichten Wind flatterte. Zwischen den Leichen von Erwachsenen hingen auch kleine Körper. Selbst Byar betrachtete sie ungläubig.

»Muadh!« brüllte er. Ein grauhaariger Mann löste sich aus der Gruppe, die die Gefangenen bewachte. Muadh war einst in die Hände von Schattenfreunden gefallen. Sein vernarbtes Gesicht schreckte auch die Abgebrühtesten noch ab. »Ist das dein Werk, Muadh, oder das der Seanchan?«

»Weder noch, Lordhauptmann.« Muadhs Stimme klang heiser, wie ein geflüstertes Grollen. Auch eine Erinnerung an die Schattenfreunde. Er sagte nicht mehr.

Bornhald runzelte die Stirn. »Na, die dort haben es sicher nicht getan«, sagte er und deutete auf die Gefangenen. Die Kinder sahen nicht mehr so gepflegt aus wie bei ihrem Aufbruch, als er sie über den Tarabon geführt hatte, aber verglichen mit dem zerlumpten Pack, das unter ihren wachsamen Blicken am Dorfbrunnen kauerte, wirkten sie noch hübsch genug für eine Parade. Männer in Lumpen und Resten von Rüstungen. Männer mit enttäuschten, müden Gesichtern. Die Überreste der Armee, die Tarabon gegen die Invasoren von der TomanHalbinsel ausgesandt hatte.

Muadh zögerte und sagte dann bedächtig: »Die Dorfbewohner sagen, sie hätten Waffenröcke der Armee von Tarabon getragen, Lordhauptmann. Es war ein großer Mann dabei mit grauen Augen und einem langen Schnurrbart, dessen Beschreibung sich anhört wie die Kind Earwins, und ein junger Bursche, der versuchte, ein hübsches Gesicht hinter einem blonden Bart zu verstecken, und mit der linken Hand kämpfte. Das klingt beinahe wie Kind Wuan, Lordhauptmann.«

»Zweifler!« Bornhald spuckte förmlich das Wort aus. Earwin und Wuan waren unter denen, die er dem Befehl der Zweifler hatte unterstellen müssen. Er hatte die Taktik der Zweifler schon früher kennengelernt, aber es war das erste Mal, daß er vor den Leichen von Kindern stand.

»Wenn Lordhauptmann meinen.« Bei Muadh klangen die nüchternen Worte wie begeisterte Zustimmung.

»Schneidet sie ab«, sagte Bornhald müde. »Schneidet sie ab und bringt den Dorfbewohnern bei, daß es kein weiteres Töten geben wird.« Wenn nicht irgendein Narr meint, er müsse seiner Frau oder wem beweisen, wie mutig er ist, und ich muß dann ein Exempel statuieren. Er stieg ab und musterte die Gefangenen wieder, während Muadh loslief und nach Leitern und Messer verlangte. Er mußte sich über einiges mehr Gedanken machen als über den Übereifer der Zweifler. Er wünschte, er bräuchte sich überhaupt über die Zweifler keine Gedanken mehr machen.

»Sie wehren sich nicht heftig, Lordhauptmann«, sagte Byar. »Weder diese Taraboner, noch was von den Domani übriggeblieben ist. Sie schnappen wie in die Enge getriebene Ratten, aber sie rennen weg, sobald jemand zurückschnappt.«

»Wir werden ja sehen, was wir gegen diese Invasoren ausrichten können, Byar, und dann beurteilen wir diese Männer hier vielleicht anders, ja?« Die Gesichter der Gefangenen zeigten einen Ausdruck von Hoffnungslosigkeit, und der war schon vorhanden gewesen, bevor seine Männer kamen. »Laß Muadh einen für mich aussuchen.« Muadhs Gesicht allein brachte die meisten Männer schon dazu, keinen Widerstand mehr zu leisten. »Wenn möglich einen Offizier. Einen, der intelligent genug wirkt, um zu berichten, was er gesehen hat, ohne es unnötig auszuschmücken, aber jung genug, um noch nicht halsstarrig zu sein. Sag Muadh, er braucht nicht unbedingt sanft mit ihm umzugehen, ja? Der Bursche soll glauben, ihm werde bei mir Schlimmeres geschehen, als er sich je erträumt hat, außer er stimmt mich sanftmütig.« Er warf seine Zügel einem der Kinder des Lichts zu und ging in die Schenke.

Erstaunlicherweise war der Wirt da, ein schwitzender, unterwürfiger Mann, dessen schmutziges Hemd sich so über seinem Bauch spannte, daß die roten Stickereien darauf abzuplatzen drohten. Bornhald bedeutete dem Mann, zu gehen. Er war sich undeutlich der Anwesenheit einer Frau und einiger Kinder bewußt, die sich an eine Tür drückten, aber der fette Wirt trieb sie nach draußen.

Bornhald zog die Handschuhe aus und setzte sich an einen Tisch. Er wußte einfach zuwenig über die Invasoren, diese Fremden. So nannte sie mittlerweile beinahe jeder, jedenfalls diejenigen, die nicht pausenlos von Artur Falkenflügel plapperten. Er wußte, daß sie sich Seanchan und Hailene nannten. Er kannte die Alte Sprache gut genug, um zu verstehen, daß letzteres ›Die vorher kommen‹ hieß, oder einfach Vorfahren. Sie nannten sich manchmal ebenfalls Rhyagelle, ›Die Heimkehren, und sprachen von Corenne, der Rückkehr. Es reichte wirklich beinahe, um ihn an die Märchen glauben zu lassen, daß Falkenflügels Armee zurückgekehrt sei. Niemand wußte, woher die Seanchan kamen, außer daß sie in Schiffen gekommen waren. Bornhalds Anfragen beim Meervolk, ihm weitere Informationen zukommen zu lassen, waren auf Schweigen gestoßen. In Amador waren die Atha'an Miere nicht gerade hoch angesehen, und sie erwiderten diese Haltung doppelt und dreifach. Alles, was er von den Seanchan wußte, hatte er von Männern wie denen draußen erfahren. Gebrochenes, geschlagenes Pack, das mit weit aufgerissenen Augen und schwitzend von Männern erzählten, die auf Pferden wie auch auf Ungeheuern in den Kampf ritten, die Seite an Seite mit Monstern kämpften und Aes Sedai mit sich führten, die den Boden unter den Füßen ihrer Feinde zerfetzten.

Beim Geräusch von Stiefelschritten an der Tür setzte er sein gemeinstes Grinsen auf, aber Byar wurde noch nicht von Muadh begleitet. Das Kind des Lichts, das jetzt mit steifem Kreuz und unter den Arm geklemmtem Helm neben ihm stand, war Jeral, den Bornhald hundert Meilen weit entfernt glaubte. Über seiner Rüstung trug der junge Mann einen Umhang von typischem Domani-Schnitt, mit Blau besetzt, und nicht den weißen Umhang der Kinder.

»Muadh spricht jetzt mit einem jungen Burschen, Lordhauptmann«, sagte Byar. »Kind Jeral ist gerade mit einer Botschaft angekommen.«

Bornhald gab Jeral einen Wink, zu beginnen.

Der junge Mann blieb genauso steif stehen. »Grüße von Jaichim Carridin«, begann er, wobei er stur geradeaus blickte, »der die Hand des Lichts in... «

»Ich brauche keine Grüße von einem Zweifler«, grollte Bornhald und bemerkte den erschreckten Blick des jungen Mannes. Jeral war noch sehr jung. Aber auch Byar blickte nervös und verlegen drein. »Gib mir die Botschaft, ja? Nicht jedes einzelne Wort, außer ich verlange es von dir. Erzähle mir einfach, was er will.«

Das Kind, auf wörtliches Herunterbeten vorbereitet, schluckte erst einmal, bevor er begann. »Lordhauptmann, er... er sagt, Ihr rückt mit zu vielen Männern zu nahe an die Toman-Halbinsel vor. Er sagt, die Schattenfreunde auf der Ebene von Almoth müssen bekämpft werden, und Ihr sollt — vergebt mir, Lordhauptmann — Ihr sollt sofort kehrtmachen lassen und zum Mittelpunkt der Ebene vorrücken.« Dann stand er steif da und wartete ab.

Bornhald musterte ihn. Jerals Gesicht, Umhang und Stiefel waren vom Staub der Ebene bedeckt. »Geh und besorge dir etwas zum Essen«, sagte Bornhald. »Wenn du es wünschst, wird es in einem dieser Häuser bestimmt Wasser zum Waschen geben. Komme in einer Stunde wieder zu mir zurück. Ich werde dir Botschaften mitgeben.« Er entließ den jungen Mann mit einem Wink. »Die Zweifler könnten recht haben, Lordhauptmann«, sagte Byar, als Jeral weg war. »Auf der Ebene befinden sich viele verstreute Dörfer, und die Schattenfreunde... «

Bornhalds Hand, die auf den Tisch klatschte, schnitt ihm das Wort ab. »Was für Schattenfreunde? Ich habe in keinem Dorf, das ich auf seinen Befehl einnehmen sollte, etwas von ihnen gesehen. Nur Bauern und Handwerker, die Angst hatten, wir würden ihren Lebensunterhalt vernichten, und ein paar alte Frauen, um die Kranken zu pflegen.« Byars Gesicht war ein Muster der Ausdruckslosigkeit. Er war im Gegensatz zu Bornhald immer bereit, Schattenfreunde zu entdecken. »Und Kinder, Byar? Werden hier schon die Kinder zu Schattenfreunden?«

»Die Sünden der Mutter werden gesühnt bis zur fünften Generation«, zitierte Byar, »und die Sünden der Väter bis zur zehnten.« Aber er wirkte unsicher dabei. Selbst Byar hatte noch nie ein Kind getötet.

»Ist dir nie eingefallen, Byar, dich zu fragen, warum Carridin uns unsere Flaggen weggenommen hat und die Umhänge der Männer, die von den Zweiflern kommandiert werden? Selbst die Zweifler haben das Weiß abgelegt. Das deutet doch auf etwas hin, oder?«

»Er muß wohl seine Gründe haben, Lordhauptmann«, sagte Byar bedächtig. »Die Zweifler haben immer ihre guten Gründe, selbst wenn sie uns andere nicht einweihen.«

Bornhald mußte sich selbst daran erinnern, daß Byar trotzdem ein guter Soldat war. »Die Kinder des Lichts im Norden tragen Umhänge aus Tarabon und die im Süden solche der Domani. Mir gefällt nicht, was das bedeuten könnte. Es gibt hier Schattenfreunde, doch die befinden sich in Falme und nicht auf der Ebene. Wenn Jeral zurückreitet, tut er es nicht allein. Botschaften werden an jede Gruppe der Kinder geschickt, von der ich weiß, wo sie zu finden ist. Ich habe vor, die Legion auf die TomanHalbinsel zu führen, Byar, um zu sehen, was die wirklichen Schattenfreunde, diese Seanchan, vorhaben.«

Byar wirkte beunruhigt, aber bevor er etwas sagen konnte, erschien Muadh mit einem der Gefangenen. Der schwitzende junge Mann im zerbeulten, doch reich verzierten Brustpanzer sah immer wieder ängstlich Muadhs entstelltes Gesicht an. Bornhald zog sein Messer und fing an, sich die Fingernägel zu schneiden. Er hatte noch nie verstanden, warum das einige Männer nervös machte, aber er benützte dieses Mittel trotzdem. Selbst sein großväterliches Lächeln ließ das schmutzige Gesicht des Gefangenen erbleichen. »Nun, junger Mann, Ihr werdet uns jetzt alles erzählen, was Ihr über diese Fremden wißt, ja? Falls Ihr erst darüber nachdenken müßt, was Ihr sagen sollt, schicke ich Euch mit Kind Muadh hinaus, damit Ihr Muße zum Nachdenken habt.«

Der Gefangene warf Muadh einen Blick aus weit aufgerissenen Augen zu. Dann sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus.

Die Gischt ritt die lange Dünung des Aryth-Meeres aus, aber Domons gespreizte Beine hielten ihn im Gleichgewicht, während er den langen Zylinder des Fernrohrs ans Auge hielt und das große Schiff betrachtete, das sie verfolgte. Verfolgte und sie ganz langsam überholte. Der Wind, unter dem die Gischt kreuzte, war weder der günstigste noch der stärkste, aber er hätte für das andere Schiff nicht günstiger sein können, das mit seinem breitgebauten Bug die langen Wellen zu Bergen von Gischt zerschlug. Im Osten ragte die Küste der Toman-Halbinsel auf — dunkle Klippen und schmale Sandstreifen. Er hatte die Gischt nicht so weit hinausbringen wollen, doch nun fürchtete er, diese Vorsichtsmaßnahme teuer bezahlen zu müssen.

»Fremde, Käpten?« Yarins Stimme klang nach Schweiß. »Ist es ein Schiff der Fremden?«

Domon senkte das Fernrohr, aber das große, irgendwie viereckig wirkende Schiff mit den eigenartig gerippten Segeln schien immer noch sein Gesichtsfeld zu füllen. »Seanchan«, sagte er und hörte, wie Yarin aufstöhnte. Er trommelte mit den Fingern auf die Reling und sagte dem Rudergänger dann: »Halte näher auf die Küste zu. Dieses Schiff nicht wagen wird, seichtes Wasser zu befahren, wie es die Gischt kann.«

Yarin gab Kommandos aus, und Seeleute rannten und holten Mastbäume ein, während der Rudergänger die Pinne herumzog und den Bug mehr auf die Küste richtete. Die Gischt kam nun langsamer vorwärts, da sie doch fast direkt in den Wind hineinlief, aber Domon war sicher, er könne die Untiefen vor der Küste erreichen, bevor sie von dem anderen Schiff eingeholt würden. Auch wenn Laderäume voll sein, sie doch können befahren seichteres Wasser als dieser große Rumpf. Sein Schiff lag ein wenig höher im Wasser als bei ihrem Ablegen in Tanchico. Ein Drittel der Ladung an Feuerwerkskörpern, die er dort genommen hatte, war weg — in den Fischerdörfern auf der Toman-Halbinsel verkauft. Aber mit dem dafür erhaltenen Silber waren auch beunruhigende Nachrichten eingetroffen. Die Leute erzählten von Besuchern aus den großen, kastenförmigen Schiffen der Invasoren. Wenn Schiffe der Seanchan vor der Küste ankerten und die Dorfbewohner sich sammelten, um ihre Heimat zu verteidigen, wurden sie von Blitzen aus heiterem Himmel zerfetzt. Kleine Boote brachten die Invasoren an Land, und der Erdboden explodierte unter den Füßen der Verteidiger. Domon hatte geglaubt, man wolle ihm einen Bären aufbinden, aber dann hatten sie ihm den geschwärzten Boden gezeigt, und das in so vielen Dörfern, daß er die Geschichten nicht mehr anzweifelte. Neben den Soldaten der Seanchan kämpften Ungeheuer. Nicht, daß es überhaupt noch viel Widerstand gab, sagten die Dorfbewohner. Manche behaupteten sogar, die Seanchan selbst seien Monster mit großen Insektenköpfen.

In Tanchico hatte niemand auch nur gewußt, wie sie sich nannten, und die Bewohner Tarabons hatten zuversichtlich davon gesprochen, daß ihre Truppen die Invasoren ins Meer zurücktreiben würden. Aber es war in jeder Küstenstadt anders. Die Seanchan sagten den erstaunten Leuten, sie müßten Eide erneut schwören, die sie vor langer Zeit gebrochen hätten, erklärten aber nicht, wann sie sie gebrochen oder was sie überhaupt bedeutet hatten. Eine junge Frau nach der anderen wurde weggebracht und untersucht, und manche davon wurden an Bord der Schiffe gebracht und nicht wiedergesehen. Auch ein paar ältere Frauen waren verschwunden, meist Lenker und Heiler. Die Seanchan wählten neue Bürgermeister und neue Gemeinderäte. Jeder, der gegen das Verschwinden der Frauen protestierte, kam zumindest nicht mehr für eines der Ämter in Frage oder wurde möglicherweise gehängt oder brannte plötzlich bei lebendigem Leib oder wurde einfach wie ein kläffender Köter beiseitegeschoben. Man konnte nicht vorhersagen, was einem passierte, bis es zu spät war.

Und wenn die Menschen gründlich eingeschüchtert waren, wenn man sie hatte niederknien und verwirrt schwören lassen, den Vorfahren zu gehorchen, auf die Rückkehr zu warten und Denen Die Heimkehrten mit ihrem Leben zu dienen, segelten die Seanchan fort und kamen gewöhnlich nicht mehr wieder. Nur in Falme, so sagte man, hatten sie einen festen Brückenkopf.

In einigen der Dörfer, die sie verlassen hatten, näherten sich die Männer und Frauen langsam wieder ihrem vorherigen Lebensstil, sprachen sogar davon, ihre Gemeinderäte neu zu wählen, aber die meisten blickten nur nervös aufs Meer hinaus und protestierten mit blassen Gesichtern, daß sie die Eide, die sie hatten schwören müssen, einzuhalten gedächten, auch wenn sie sie nicht verstanden.

Domon hatte nicht die Absicht, irgendwelche Seanchan kennenzulernen, wenn er es vermeiden konnte.

Er hob gerade wieder das Fernrohr, um zu sehen, ob er etwas auf dem sich nähernden Deck des anderen Schiffes ausmachen konnte, als mit einem Donnerschlag die Meeresoberfläche keine hundert Schritt von der Backbordseite der Gischt entfernt in einer von Flammen durchsetzten Wasserfontäne explodierte. Bevor er auch nur den Mund staunend öffnen konnte, zerriß eine weitere Flammensäule das Meer auf der anderen Seite, und als er herumfuhr, um dorthin zu starren, stieg gerade voraus eine dritte Flammensäule aus dem Meer empor. Die Explosionen erstarben so schnell, wie sie sich ereignet hatten. Tropfen hagelten auf das Deck herunter. Wo sie sich kurz vorher befunden hatten, kochte und dampfte die See nun.

»Wir... wir werden seichtes Wasser erreichen, bevor sie längsseits gehen können«, sagte Yarin bedächtig. Er schien es zu vermeiden, die Stellen anzublicken, wo das Wasser unter Dampfwolken kochte.

Domon schüttelte den Kopf. »Wie sie es auch anstellen mögen, sie uns zerschmettern können, auch wenn ich sie in Brecher lenken.« Er schauderte, als er an die Flammen in den Wasserfontänen dachte und daran, daß sein Laderaum mit Feuerwerkskörpern gefüllt war. »Glück, stech mich, wir vielleicht nicht lange genug leben würden, um zu ertrinken.« Er zupfte an seinem Bart und rieb sich die bartfreie Oberlippe. Er zögerte den Befehl hinaus —das Schiff und seine Ladung waren alles, was er auf der Welt besaß —, doch schließlich zwang er sich dazu: »Geh unter den Wind, Yarin, und laß das Segel einholen. Schnell, Mann, schnell! Bevor sie denken, wir immer noch fliehen wollen.«

Während die Besatzungsmitglieder rannten, um die Dreiecksegel einzuholen, drehte sich Domon wieder um und beobachtete, wie das Schiff der Seanchan näher kam. Die Gischt verlor an Fahrt und dümpelte in der Dünung. Das andere Schiff war ein gutes Stück höher als Domons Frachtkahn. An Bug und Heck hatte es hölzerne turmartige Aufbauten. Auf diesen Türmen standen Gestalten in Rüstungen, und in der Takelage kletterten Männer herum, die die eigenartigen Segel refften. Eine Pinasse wurde heruntergelassen und anschließend flink zur Gischt hinübergerudert. Sie beförderte gerüstete Gestalten und, was Domon überrascht die Stirn runzeln ließ, es kauerten auch zwei Frauen im Heck. Die Pinasse rumpelte gegen den Rumpf der Gischt.

Der erste, der herauskletterte, war einer der Gerüsteten, und Domon sah sofort, warum einige Dorfbewohner behaupteten, die Seanchan selbst seien Ungeheuer. Der Helm sah tatsächlich beinahe so aus wie der Kopf eines riesigen Insekts mit feinen, roten Federn anstelle von Fühlern. Der Träger schien zwischen den Beißzangen herauszulugen. Dazu war er noch angemalt und mit Gold verziert, um diesen Eindruck zu verstärken. Auch die übrige Rüstung des Mannes war bemalt und goldverziert. Sich überlappende schwarze und rote Schuppen mit Goldrändern bedeckten die Brust, die Außenseiten der Arme und die Vorderseiten der Schenkel. Selbst die stahlverstärkten Rücken der Handschuhe waren in Rot und Gold gehalten. Wo er kein Metall am Körper trug, war er in dunkles Leder gekleidet. Das Zweihandschwert auf seinem Rücken mit seiner gekrümmten Klinge steckte in einer schwarzen und roten Lederscheide.

Dann nahm der Gerüstete den Helm ab und Domon riß die Augen auf. Es war eine Frau. Ihr dunkles Haar war kurzgeschnitten, und ihr Gesicht wirkte hart, aber es gab keinen Zweifel. Er hatte noch nie von so etwas gehört, außer natürlich bei den Aiel, aber von den Aiel wußte man sowieso, daß sie verrückt waren. Auch die Tatsache, daß ihr Gesicht keineswegs so fremdartig war, wie er es von den Seanchan erwartet hatte, brachte ihn etwas aus der Fassung. Sicher, ihre Augen waren blau und ihr Teint ausgesprochen hell, aber das hatte er auch schon früher einmal gesehen. Wenn diese Frau ein Kleid trüge, würde niemand ihr Beachtung schenken. Er musterte sie und revidierte sein Urteil: mit diesem kalten Blick und den harten Wangen mit ihren hohen Backenknochen würde sie überall auffallen.

Die anderen Soldaten folgten der Frau an Deck. Domon war erleichtert, als einige von ihnen die eigenartigen Helme abnahmen und er sah, daß zumindest sie Männer waren, Männer mit schwarzen oder braunen Augen, die in Tanchico oder Illian überhaupt nicht aufgefallen wären.

Er hatte sich schon ganze Armeen von blauäugigen Frauen mit Schwertern ausgemalt. Aes Sedai mit Schwertern, dachte er, als er sich an das explodierende Meer erinnerte.

Die Seanchan-Frau musterte hochmütig das ganze Schiff und wählte dann Domon als den möglichen Kapitän aus. Der Kleidung nach konnte es ja nur er oder Yarin sein. Und so, wie Yarin die Augen geschlossen hielt und leise Gebete vor sich hin murmelte, deutete alles auf Domon hin. Sie fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick.

»Gibt es in Eurer Besatzung oder unter Euren Passagieren irgendwelche Frauen?« Sie sprach in einem leicht schleppenden, undeutlichen Tonfall, der es schwer machte, sie zu verstehen. Doch in ihrer Stimme lag eine Schärfe, die vermuten ließ, daß sie gewohnt war, Antworten zu erhalten. »Äußert Euch, Mann, falls Ihr der Kapitän seid! Falls nicht, dann weckt diesen anderen Narren und sagt ihm, er solle sich äußern!«

»Ich sein Kapitän, Lady«, sagte Domon vorsichtig. Er hatte keine Ahnung, wie er sie anreden sollte, und er wollte bloß nichts falsch machen. »Ich haben keine Passagiere, und es sein keine Frau unter meiner Besatzung.« Er dachte an die Mädchen und Frauen, die verschleppt worden waren, und fragte sich nicht zum ersten Mal, was diese Leute mit ihnen wohl anstellten.

Die beiden auch als solche angezogenen Frauen kamen aus der Pinasse herauf an Deck. Domon riß die Augen auf, als er sah, daß die eine die andere an einem silbernen Metallkettchen wie an einer Leine hinter sich her zog. Die Metalleine ging von einem Armband aus, das die vordere Frau trug, und war an einem Metallhalsband bei der hinteren Frau befestigt. Er konnte nicht feststellen, ob sie gewebt oder aus Einzelgliedern gefertigt war — irgendwie schien es beides gleichzeitig zu sein —, aber sie bestand offensichtlich zusammen mit Armband und Halsband aus einem einzigen Stück.

Die vordere Frau raffte die Leine in Schlingen zusammen, als die andere das Deck betrat. Die Frau mit dem Halsband war in einfaches Dunkelgrau gehüllt und stand mit gefalteten Händen und auf die Planken gesenktem Blick da. Die andere hatte an der Brust ihres blauen Kleides und an den Seiten ihres knöchellangen Rocks rote Einsatzstreifen, auf denen silberne, gespaltene Blitze zu sehen waren. Domon musterte die Frauen nervös.

»Sprecht langsam, Mann«, verlangte die blauäugige Frau in ihrem schleppenden Tonfall. Sie kam über das Deck heran und stellte sich vor ihn. Obwohl sie zu ihm hochblicken mußte, schien sie größer als er zu sein. »Ihr seid ja noch schwerer zu verstehen als der Rest in diesem vom Licht verlassenen Land. Und ich behaupte nicht, von edlem Blut zu sein. Noch nicht. Nach der Corenne... Ich bin Kapitän Egeanin.«

Domon wiederholte seine Worte, wobei er sich bemühte, langsam zu sprechen, und fügte hinzu: »Ich sein ein friedlicher Handelsschiffer, Kapitän. Ich nicht Bedrohung für Euch sein, und ich nichts mit Eurem Krieg zu tun haben.« Er konnte nicht anders, als die beiden durch die Leine verbundenen Frauen wieder anzustarren.

»Ein friedlicher Handelsschiffer?« sann Egeanin laut nach. »In diesem Fall seid Ihr frei und könnt weiterfahren, sobald Ihr Euren Gefolgschaftseid wieder abgelegt habt.« Sie bemerkte seinen Blick und lächelte die beiden Frauen voller Besitzerstolz an. »Ihr bewundert meine Damane? Sie hat mich einiges gekostet, aber sie war auch jede Münze wert. Nur wenige außer den Adligen besitzen eine Damane. Die meisten sind Eigentum des Throns. Sie ist stark, Händler. Sie hätte Euer Schiff zu Splittern zerbersten lassen können, wenn ich es gewünscht hätte.«

Domon betrachtete die Frauen und ihre silberne Leine. Er hatte diejenige, die das Abzeichen mit den Blitzen trug, mit den feurigen Fontänen im Meer in Verbindung gebracht und angenommen, sie sei eine Aes Sedai. Egeanin hatte nun seine Vorstellungen durcheinandergewirbelt. Niemand kann so etwas einer... »Sie sein Aes Sedai?« fragte er ungläubig.

Er sah den beiläufig durchgezogenen Schlag mit dem Handrücken nicht kommen. Er taumelte, als ihr stahlverstärkter Handschuh seine Lippe spaltete.

»Diese Bezeichnung wird niemals ausgesprochen«, sagte Egeanin mit gefährlich sanfter Stimme. »Es gibt nur die Damane, die Gekoppelten, und nun dienen sie auch in Wirklichkeit und nicht nur pro forma.« Im Vergleich mit ihrem Blick wäre Eis warm erschienen.

Domon schluckte das Blut herunter und ließ die geballten Fäuste herunterhängen. Und hätte er auch ein Schwert zur Hand gehabt, er hätte doch nicht seine Mannschaft von einem Dutzend gerüsteter Soldaten dahinschlachten lassen. Aber es kostete Mühe, seine Stimme demütig klingen zu lassen. »Ich nicht respektlos sein wollen, Kapitän. Ich nichts wissen von Euch und Euren Sitten. Wenn ich dagegen verstoßen, es nur Ignoranz sein und keine Absicht.«

Sie sah ihn an und sagte dann: »Ihr wißt alle nichts, Kapitän, aber Ihr werdet für die Schuld Eurer Vorfahren zahlen. Dieses Land gehörte uns, und es wird uns wieder gehören. Nach der Rückkehr ist es wieder in unserem Besitz.« Domon wußte nicht, was er sagen sollte. Sie doch wohl nicht sagen wollen, daß dieser ganze Klatsch über Artur Falkenflügel wahr sein? Also hielt er den Mund. »Ihr werdet nach Falme segeln« — er versuchte zu protestieren, aber ihr finsterer Blick ließ ihn innehalten und schweigen — »wo Ihr und Euer Schiff untersucht werdet. Wenn Ihr nur ein friedlicher Händler seid, wie Ihr ja behauptet, wird man Euch erlauben weiterzusegeln, sobald Ihr die Eide abgelegt habt.« »Eide, Kapitän? Welche Eide?«

»Zu gehorchen, zu warten und zu dienen. Eure Vorfahren hätten sich doch eigentlich daran erinnern müssen.«

Sie holte ihre Leute zusammen. Nur einer war ausgenommen: ein Mann in einfacher Rüstung, die seinen niedrigen Rang unterstrich, genau wie seine tiefe Verbeugung Kapitän Egeanin gegenüber. Dann legte ihre Pinasse ab und wurde zu dem größeren Schiff hinübergerudert. Der verbliebene Seanchan gab keine Befehle. Er setzte sich lediglich mit übergeschlagenen Beinen auf das Deck und machten sich daran, die Klinge seines Schwertes zu schleifen, während die Besatzung Segel setzte und das Schiff Fahrt aufnahm. Er schien keine Angst zu haben, obwohl er so allein in ihrer Mitte saß, und Domon hätte auch jeden Matrosen persönlich über Bord geworfen, der eine Hand gegen ihn erhob. Während die Gischt die Küste entlangfuhr, folgte ihnen das Schiff der Seanchan draußen in tieferem Wasser. Zwischen den beiden Schiffen lag etwa eine Meile, aber Domon war klar, daß es trotzdem kein Entkommen gab, und er wollte den Mann so sicher wieder an Kapitän Egeanin übergeben, als hätte seine eigene Mutter ihn auf den Armen geschaukelt.

Es war eine lange Fahrt nach Falme, und Domon überredete den Seanchan schließlich, ein wenig mit ihm zu plaudern. Er war ein dunkeläugiger Mann von mittleren Jahren mit einer alten Narbe über den Augen und einer weiteren an der Kinnspitze. Er hieß Caban und hatte nichts als Verachtung übrig für jeden, der auf dieser Seite des Aryth-Meeres lebte. Das machte Domon dann doch nachdenklich. Vielleicht sie wirklich sein... Nein, das sein doch verrückt! Cabans Tonfall war genauso schleppend wie der Egeanins, aber wo ihre Stimme nach Seide auf Eisen klang, klang seine nach Leder, das über einen Felsen schleift. Meist wollte er nur über Schlachten sprechen, über Trinken und über die Frauen, die er kennengelernt hatte. Die Hälfte der Zeit über war Domon nicht klar, ob er von der jüngsten Vergangenheit berichtete oder von dem Land, von dem er gekommen war. Der Mann konnte ihm nicht viel über das erzählen, was Domon wissen wollte.

Einmal fragte ihn Domon nach den Damane. Caban, der vor dem Rudergänger auf den Planken saß, hob das Schwert und setzte die Spitze an Domons Kehle. »Seid vorsichtig mit dem, was Eure Zunge tut, oder Ihr verliert sie. Das geht nur den Adel an und nicht Euch. Oder mich.« Er grinste dabei, und als er ausgesprochen hatte, fuhr er fort, mit einem Stein die schwere, gekrümmte Schneide zu schleifen.

Domon berührte den Blutstropfen, der über dem Kragen aus seiner Kehle trat, und beschloß, vorläufig wenigstens nicht mehr danach zu fragen.

Je näher die beiden Schiffe Falme kamen, desto häufiger passierten sie hohe, eckig anzuschauende Schiffe der Seanchan, einige unter Segel, die Mehrzahl jedoch vor Anker. Jedes hatte diesen abgeschnittenen Bug und die Türme an Bug und Heck, und sie gehörten zu den größten Schiffe, die Domon selbst bei den Meerleuten jemals gesehen hatte. Ein paar kleine Küstensegler mit ihrem spitzen Bug und den Dreiecksegeln glitten über die grünen Wogen. Ihr Anblick ließ ihn auf Egeanins Versprechen vertrauen, daß er frei weitersegeln könne.

Als sich die Gischt der Landzunge näherte, auf der Falme stand, riß Domon aber dann doch die Augen auf. Eine solche Anzahl von Schiffen der Seanchan vor dem Hafen ankern zu sehen, hatte er nicht erwartet. Er versuchte, sie zu zählen, aber bei hundert gab er auf, und das war noch nicht einmal die Hälfte. Er hatte schon zuvor gelegentlich eine solche Schiffsansammlung gesehen — in Illian oder Tear und sogar im Hafen von Tanchico, aber da waren eben sehr viele kleine Schiffe dabeigewesen. Er murmelte mürrisch einiges in sich hinein und ließ die Gischt in den Hafen einlaufen, von ihrem großen Seanchan-Schäferhund hineingetrieben.

Falme stand auf einer schmalen Landzunge am äußersten Ende der Toman-Halbinsel. Weiter westlich erstreckte sich nur noch das Aryth-Meer. Von beiden Seiten her war die Hafeneinfahrt von hohen Klippen eingerahmt, und auf einer davon, an einem Fleck, den jedes Schiff, das in den Hafen einfahren wollte, passieren mußte, standen die Türme der Wächter der Wogen. Ein Käfig hing an der Seite eines der Türme, und darin saß offensichtlich mutlos ein Mann und ließ die Beine zwischen den Gitterstäben herausbaumeln.

»Wer sein denn das?« fragte Domon.

Caban hatte endlich mit dem Schwertschleifen aufgehört, nachdem Domon sich gefragt hatte, ob er sich damit rasieren wolle. Der Seanchan blickte auf und sah, worauf Domon deutete. »Oh! Das ist der Erste Wächter. Natürlich nicht derjenige, der den Vorsitz hatte, als wir ankamen. Jedesmal wenn einer stirbt, wählen sie einen neuen, und wir stecken ihn in den Käfig.«

»Aber warum?« wollte Domon wissen.

Cabans Grinsen legte viele Zähne frei. »Sie haben auf die falsche Sache gewartet und vergaßen, woran sie sich hätten erinnern müssen.«

Domon riß den Blick von dem Seanchan los. Die Gischt glitt über die letzte höhere Welle in das ruhigere Wasser des Hafens. Ich sein schließlich Händler, und das alles mich nichts angehen. Falme erhob sich in der von der Hafenbucht gebildeten Mulde am Ende der Landzunge. Domon konnte nicht entscheiden, ob die dunklen Steingebäude lediglich ein großes Dorf bildeten oder ob es sich doch um eine kleine Stadt handelte. Auf jeden Fall konnte er kein einziges Gebäude entdecken, das auch nur einem schwachen Vergleich mit dem kleinsten Palast von Illian standhielt.

Er steuerte die Gischt eigenhändig zu einem Liegeplatz an einem der Kais und fragte sich, während seine Matrosen die Leinen festmachten, ob die Seanchan vielleicht einen Teil der Feuerwerkskörper im Laderaum kaufen würden. Ach, mich nichts angehen.

Zu seiner Überraschung ließ sich Egeanin mit ihrer Damane an Land rudern. Diesmal trug eine andere Frau das Armband und die roten Einsatzstreifen mit dem gespaltenen Blitz am Kleid, aber die Damane war die gleiche Frau mit dem traurigen Gesicht, die nie aufblickte, außer die andere sprach sie an. Egeanin ließ Domon und die anderen vom Schiff treiben und befahl ihnen, sich unter den Augen von zweien ihrer Soldaten auf die Kaimauer zu setzen. Sie schien zu glauben, daß eine stärkere Bewachung überflüssig sei, und Domon widersprach ihr gewiß nicht. Andere durchsuchten derweil nach ihren Anweisungen die Gischt. Die Damane nahm auch an der Suche teil.

Weiter unten am Kai erschien ein Ding. Domon wußte nicht, wie er es hätte bezeichnen sollen. Es war eine mächtige geduckte Gestalt mit ledriger, graugrüner Haut und einem Schnabel anstelle des Mauls in seinem keilförmigen Kopf. Und mit drei Augen. Es trottete neben einem Mann her, dessen Rüstung mit drei aufgemalten Augen markiert war, genau wie die Augen dieses Geschöpfes. Die einheimischen Hafenarbeiter und Matrosen in grob bestickten Hemden und knielangen Westen wichen vor ihnen zurück, als sie vorbeikamen, doch kein Seanchan schenkte ihnen besondere Beachtung. Der Mann, der die Kreatur begleitete, schien sie mit Gesten zu dirigieren.

Mann und Monster verschwanden zwischen den Gebäuden, während Domon und seine Männer ihnen hinterherstarrten und in sich hineinfluchten. Die beiden Seanchan-Wächter grinsten sie schweigend und höhnisch an. Mich nichts angehen, ermahnte sich Domon nachdrücklich. Ihn ging nur sein Schiff etwas an.

In der Luft lag der vertraute Geruch nach Salzwasser und Pech. Er rutschte nervös auf dem von der Sonne erhitzten Stein umher und fragte sich, wonach die Seanchan wohl suchen mochten. Wonach vor allem die Damane suchte. Fragte sich auch, was das für ein Geschöpf gewesen war. Möwen schrien und kreisten über dem Hafen. Er dachte daran, welche Schreie wohl ein Mann in einem Käfig ausstieß. Es mich nichts gehen an. Schließlich führte Egeanin ihre Leute auf den Kai zurück. Domon bemerkte mißtrauisch, daß der Seanchan-Kapitän ein in gelbe Seide gehülltes Päckchen in der Hand trug. Klein genug, um es in einer Hand zu tragen, aber sie hielt es vorsichtig in beiden Händen.

Er stand auf — der Soldaten wegen nur sehr langsam, obwohl in ihren Augen die gleiche Verachtung stand wie bei Caban. »Seht Ihr, Kapitän? Ich nur sein friedlicher Händler. Vielleicht Eure Leute wollen kaufen ein wenig von meinem Feuerwerk?«

»Möglich, Händler.« Sie machte den Eindruck unterdrückter Erregung und das machte ihn wiederum nervös. Ihre nächsten Worte verstärkten seine Nervosität noch. »Ihr kommt mit mir.«

Sie befahl zwei Soldaten mitzukommen, und einer von ihnen gab Domon einen Schubs, damit er loslief. Es war kein starker Schubs; Domon hatte oft gesehen, wie Bauern ihre Kühe auf die gleiche Art anschoben, um sie in Bewegung zu setzen. Er knirschte mit den Zähnen, folgte aber Egeanin.

Die mit Kopfstein gepflasterte Straße zog sich den Abhang hinauf und ließ den Geruch des Hafens hinter sich zurück. Weiter oben wurden die ziegelgedeckten Häuser größer und gepflegter. Überraschend für eine besetzte Stadt, befanden sich mehr Einwohner auf der Straße als Seanchan-Soldaten, und hier und da wurde sogar eine Sänfte mit vorgezogenen Vorhängen von Männern mit nacktem Oberkörper einhergetragen. Die Falmer schienen ihren Geschäften nachzugehen, als gebe es die Seanchan gar nicht. Oder fast nicht. Wenn allerdings eine Sänfte oder ein Soldat vorbeikam, dann verbeugten sich sowohl die ärmeren als auch die reicheren Leute tief und verblieben in dieser Haltung, bis die Seanchan verschwunden waren. Die Ärmeren hatten ihre schmutzige Kleidung nur mit einem oder zwei Streifen verziert, während die Reichen Hemden, Westen und Kleider trugen, die von der Schulter bis an die Hüfte mit den kompliziertesten Mustern bestickt waren. Alle verbeugten sich nun auch vor Domon und seiner Wache. Doch weder Egeanin noch ihre Soldaten würdigten sie eines Blickes. Domon bemerkte erschrocken, daß einige der Einwohner Falmes an ihren Gürteln Dolche trugen und ein paar sogar Schwerter. Das überraschte ihn, und er platzte heraus: »Einige von ihnen sein auf Eurer Seite?«

Egeanin runzelte die Stirn, als sie zu ihm nach hinten sah. Sie war offensichtlich verblüfft über seine Frage. Doch dann betrachtete sie die Leute näher, ohne deswegen langsamer zu gehen, und nickte. »Ihr meint, wegen der Schwerter. Sie gehören jetzt zu uns, Händler; sie haben die Eide abgelegt.« Sie blieb plötzlich stehen und deutete auf einen hochgewachsenen, breitschultrigen Mann mit einer reich verzierten Weste und einem Schwert, das an einem einfachen Ledergehenk baumelte. »Ihr da!«

Der Mann blieb mitten im Schritt stehen, einen Fuß in der Luft, und auf seinem Gesicht zeigte sich plötzlich Angst.

Es war ein hartes Gesicht, und doch wirkte er, als wolle er am liebsten weglaufen. Statt dessen wandte er sich ihr zu und verbeugte sich, die Hände auf den Knien und den Blick auf ihre Stiefel gesenkt. »Wie kann dieser Unwürdige dem Kapitän dienen?« fragte er mit angespannter Stimme. »Ihr seid Händler?« fragte Egeanin. »Ihr habt die Eide abgelegt?«

»Ja, Kapitän. Ja.« Er hob den Blick noch immer nicht von ihren Füßen. »Was sagt Ihr den Leuten, wenn Ihr mit Euren Wagen ins Landesinnere fahrt?«

»Daß sie den Vorfahren gehorchen müssen, Kapitän, die Rückkehr erwarten und denen dienen, die heimkehren werden.«

»Und denkt Ihr niemals daran, dieses Schwert gegen uns zu erheben?«

Die Knöchel des Mannes wurden weiß vor Anspannung — die Hände lagen immer noch auf den Knien —, und in seiner Stimme lag nun irgendwie der Eindruck von Schweiß. »Ich habe die Eide abgelegt, Kapitän. Ich gehorche, warte und diene.«

»Seht Ihr?« sagte Egeanin, wobei sie sich wieder Domon zuwandte. »Es gibt keinen Grund, ihnen das Tragen von Waffen zu verbieten. Es muß Handel geben, und Händler müssen sich gegen Banditen schützen. Wir erlauben den Leuten, nach Gutdünken zu kommen und zu gehen, solange sie gehorchen, warten und dienen. Ihre Vorfahren haben die Eide gebrochen, aber die hier haben dazugelernt.« Sie ging weiter den Hügel hinauf, und die Soldaten schubsten Domon hinter ihr her.

Er blickte zu dem Händler zurück. Der Mann blieb so gebückt stehen, bis Egeanin sich zehn Schritte von ihm entfernt hatte. Dann richtete er sich auf und eilte in entgegengesetzter Richtung mit langen Schritten zum Hafen hinunter.

Egeanin und seine Bewacher sahen sich auch nicht um, als eine Gruppe berittener Seanchan-Soldaten an ihnen vorbeikam und weiter die Straße hochritt. Die Soldaten ritten auf Geschöpfen, die wie pferdegroße Katzen aussahen, aber unter ihren Sätteln schimmerten bronzefarben die Schuppen einer Eidechse. Klauenbewehrte Füße packten beim Vorwärtsspringen die Pflastersteine. Ein Kopf mit drei Augen wandte sich nach Domon um, während der Trupp sie überholte. Von allem anderen abgesehen, blickten die Augen für Domons Geschmack zu — weise. Er stolperte und wäre beinahe gestürzt. Die ganze Straße entlang drückten sich die Falmer an die Häuserfronten, und manche schlossen sogar die Augen. Die Seanchan beachteten das nicht.

Domon verstand gut, warum die Seanchan den Leuten hier so viele Freiheiten lassen konnten. Er fragte sich, ob er selbst den Mut aufbringen könne, ihnen Widerstand zu leisten. Damane. Ungeheuer. Gäbe es überhaupt irgend etwas, das die Seanchan davon abhalten könnte, geradewegs bis zum Rückgrat der Welt zu marschieren? Gehen mich nichts an, dachte er grimmig und überlegte, ob es irgendeine Möglichkeit gebe, die Seanchan bei seinen künftigen Handelsreisen zu meiden.

Sie erreichten den oberen Rand des Einschnitts, wo die Stadt endete und das Hügelland begann. Es gab keine Stadtmauer. Vor ihnen lagen die Schenken, wo die Kaufleute übernachteten, die ins Landesinnere fuhren, und dazu die Wagenstellplätze und Ställe. Die Häuser hier wären auch in Illian respektable Herrenhäuser der niedrigeren Adligen gewesen. Vor dem größten stand eine Ehrenwache von Soldaten der Seanchan, und obenauf flatterte eine Flagge mit einem goldenen Falken mit ausgebreiteten Schwingen auf blauem Grund. Egeanin gab Schwert und Dolch ab, bevor sie Domon mit hineinbrachte. Ihre beiden Soldaten verblieben auf der Straße. Domon kam ins Schwitzen. Das roch nach der Anwesenheit eines hohen Adligen, und es war nicht gut, mit einem Lord in dessen eigenem Haus verhandeln zu müssen.

In der Eingangshalle ließ Egeanin Domon an der Tür stehen und sprach mit einem Diener. Er war wohl aus Falme, wie Domon aus den langen Ärmeln seines Hemdes und den spiralförmigen Stickereien auf der Brust schloß. Domon glaubte, aus ihrer Unterhaltung die Worte ›hoher Herr‹ herauszuhören. Der Diener eilte fort und kehrte nach einer Weile zurück. Er führte sie in das unzweifelhaft größte Zimmer des Hauses. Jedes noch so kleine Möbelstück war daraus entfernt worden, selbst die Teppiche, und der Steinboden war blitzblank geputzt. Mit fremdartigen Vögeln bemalte Stellwände verdeckten Wände und Fenster.

Egeanin trat ein kurzes Stück in den Raum hinein und blieb dann stehen. Als Domon sie fragen wollte, wo sie sich befanden und warum, brachte sie ihn mit einem wilden Blick und einem wortlosen Grollen zum Schweigen. Sie rührte sich nicht, schien aber irgendwie auf Zehenspitzen zu stehen. Sie hielt das, was sie von seinem Schiff mitgenommen hatte, wie etwas Wertvolles in den Händen. Er versuchte sich vorzustellen, was es wohl sei.

Plötzlich erklang leise ein Gong, und die Seanchan-Frau sank auf die Knie nieder, wobei sie den in Seide gehüllten Gegenstand vorsichtig neben sich stellte. Auf einen Blick von ihr hin ließ sich auch Domon auf die Knie nieder. Adlige erließen manchmal eigenartige Vorschriften, und er vermutete, die der Seanchan könnten noch etwas eigenartiger sein als alles, was er bisher kennengelernt hatte.

Zwei Männer erschienen im Eingang auf der entfernten Seite des Raumes. Der eine hatte die linke Kopfseite kahlgeschoren. Das verbliebene blaßgoldene Haar hing zu einem Zopf geflochten auf seine Schulter herunter. Sein sattgelbes Gewand war gerade lang genug, daß die Spitzen seiner gelben Pantoletten beim Gehen herauslugten. Der andere trug ein blaues Seidengewand, mit Vogelbildern umsäumt und so lang, daß er es auf dem Boden hinter sich herschleifen mußte. Sein Kopf war völlig kahlgeschoren und die Fingernägel waren dreimal so lang wie normal. Die an den Zeige- und Mittelfingern beider Hände waren blau angemalt. Domon bekam vor Staunen den Mund nicht zu.

»Ihr befindet Euch in der Gegenwart des Hohen Herrn Turak«, verkündete der gelbhaarige Mann in singendem Tonfall, »der die Vorfahren befehligt und die Rückkehr vorbereitet.«

Egeanin warf sich mit seitlich angelegten Händen zu Boden. Domon machte es ihr übereifrig nach. Selbst die Hochlords von Tear so was nicht verlangen würden, dachte er. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Egeanin den Boden küßte. Er verzog das Gesicht und entschloß sich, das Nachahmen an diesem Punkt abzubrechen. Sie nicht sehen können sowieso, ob ich das tun oder nein.

Egeanin stand plötzlich wieder auf. Er begann ebenfalls, sich zu erheben, und kniete auch bereits mit einem Bein wieder, als ein Grollen aus ihrer Kehle und ein entsetzter Blick des Mannes mit dem Zopf ihn wieder zurücksinken ließ. Er lag mit dem Gesicht am Boden und fluchte leise vor sich hin. Ich das nicht machen würde für den König von Illian und den Rat der Neun zusammen. »Ihr heißt Egeanin?« Das mußte die Stimme des Mannes in dem blauen Gewand sein. Der Rhythmus seiner Stimme klang beinahe nach Gesang.

»Man gab mir diesen Namen an meinem Schwert-Tag, Hoher Herr«, antwortete sie demütig.

»Das ist ein schönes Stück, Egeanin. Recht selten. Wünscht Ihr eine Bezahlung?«

»Es ist mir Bezahlung genug, dem Hohen Herrn Freude bereitet zu haben. Ich lebe, um zu dienen, Hoher Herr.«

»Ich werde Euren Namen der Kaiserin gegenüber erwähnen, Egeanin. Nach der Rückkehr werden neue Namen zum Adel berufen werden. Erweist Euch als würdig, und vielleicht legt Ihr dann den Namen Egeanin ab, zugunsten eines höheren.«

»Der Hohe Herr ehrt mich.«

»Ja. Ihr könnt mich nun verlassen.«

Domon konnte nur sehen, wie ihre Stiefel sich aus dem Raum schoben, wobei sie in Abständen stehenblieben, wenn sie sich verbeugte. Die Tür schloß sich hinter ihr. Langes Schweigen folgte. Er beobachtete, wie die Schweißtropfen von seiner Stirn auf den Boden klatschten. Dann sprach Turak wieder.

»Ihr mögt Euch erheben, Händler.«

Domon stand auf und sah, was Turak in den Händen mit den langen Fingernägeln hielt: Die Scheibe aus Cuendillar, die das uralte Symbol der Aes Sedai darstellte.

Da er sich noch zu gut an Egeanins Reaktion bei seiner Erwähnung der Aes Sedai erinnerte, kam Domon nun wirklich ins Schwitzen. Im Blick aus den dunklen Augen des Hohen Herrn lag allerdings keine Feindseligkeit, nur leichte Neugier, aber Domon traute solchen Adligen nicht.

»Wißt Ihr, was das ist, Händler?«

»Nein, Hoher Herr.« Domons Antwort klang felsenfest überzeugend. Kein fahrender Händler überlebte lang, wenn er nicht mit Unschuldsmiene und fester Stimme lügen konnte.

»Und doch habt Ihr es an einem geheimen Ort versteckt.«

»Ich sammeln alte Sachen, Hoher Herr, Sachen aus vergangenen Zeiten. Es geben solche, die das stehlen würden, wenn es leicht erreichbar sein.«

Turak betrachtete die schwarz weiße Scheibe einen Augenblick lang. »Das ist Cuendillar, Händler — kennt Ihr diese Bezeichnung? —, und es ist älter, als Euch vielleicht klar ist. Kommt mit!«

Domon folgte dem Mann mißtrauisch. Er fühlte sich nun allerdings etwas sicherer. Bei jedem Lord in einem der Länder, die er kannte, wäre es jetzt bereits geschehen, daß er die Wachen gerufen hätte, falls er das wollte. Aber das wenige, das er bisher bei den Seanchan beobachten konnte, sagte ihm nur, daß sie die Dinge anders anpackten als andere Leute. Er bemühte sich, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen.

Er wurde in einen anderen Raum geführt. Er war der Überzeugung, daß Turak das Mobiliar hier mitgebracht haben mußte. Es schien ganz aus Rundungen zu bestehen. Es gab überhaupt keine harten, geraden Linien. Das hochglänzende Holz zeigte eine fremdartige Maserung. Ein Stuhl stand im Raum, und zwar auf einem seidenen Teppich, der Vögel und Blumen zeigte; dazu eine große, runde Kommode. Stellwände ließen auch diesen Raum kleiner erscheinen.

Der Mann mit dem Zopf öffnete die Tür der Kommode, und in ihrem Inneren sah Domon eine eigenartige Sammlung von Skulpturen, Pokalen, Schüsseln, Vasen, fünfzig verschiedene Dinge, von denen sich keine zwei in Größe oder Form glichen. Domon stockte der Atem, als Turak vorsichtig die Scheibe neben einen perfekten Zwilling legte.

»Cuendillar«, sagte Turak. »Das ist es, was ich sammle, Händler. Nur die Kaiserin selbst hat eine schönere Sammlung.«

Domon fielen fast die Augen aus dem Kopf. Wenn alles in dieser Kommode wirklich aus Cuendillar bestand, dann reichte es aus, ein Königreich damit zu kaufen, oder um wenigstens ein großes Adelshaus zu begründen.

Selbst ein König würde arm werden, wenn er soviel erwarb — falls er überhaupt wußte, wo man soviel finden konnte. Er setzte ein Lächeln auf. »Hoher Herr, bitte nehmt dieses Stück als Geschenk an.« Er wollte es nicht aufgeben, aber das war immer noch besser, als diesen Seanchan zu ärgern. Vielleicht werden nun die Schattenfreunde ihn verfolgen? »Ich nur sein ein einfacher Kauffahrer. Ich nur wollen handeln. Laßt mich segeln, und ich verspreche Euch... «

Turaks Gesichtsausdruck änderte sich nicht, aber der Mann mit dem Zopf schnitt Domon wütend das Wort ab: »Unrasierter Hund! Ihr sprecht davon, dem Hohen Herrn zu geben, was ihm Kapitän Egeanin bereits gegeben hat! Ihr handelt, als sei der Hohe Herr ein — ein Kaufmann! Ihr werdet neun Tage lang ausgepeitscht, und...« Eine kaum sichtbare Bewegung von Turaks Finger brachte ihn zum Schweigen.

»Ich kann Euch nicht gestatten, mich zu verlassen, Händler«, sagte der Hohe Herr. »In diesem von gebrochenen Eiden überschatteten Land kann ich niemanden finden, mit dem ich mich über gewisse Dinge unterhalten könnte. Doch Ihr seid ein Sammler. Vielleicht wird die Unterhaltung mit Euch interessant.« Er setzte sich auf den Stuhl, lehnte sich bequem zurück und betrachtete Domon.

Domon setzte ein — wie er glaubte — dankbares Lächeln auf. »Hoher Herr, ich wirklich sein ein einfacher Händler, ein einfacher Mann. Ich weiß nicht, wie ich mit Hohen Herrn sprechen sollen.«

Der Mann mit dem Zopf funkelte ihn an, doch Turak schien ihm gar nicht zugehört zu haben. Hinter einer der Stellwände trat eine hübsche junge Frau hervor und kniete neben dem Hohen Herrn nieder. Sie bot ihm ein bemaltes Tablett an, auf dem eine einzelne feine, henkellose Tasse mit einer dampfenden, schwarzen Flüssigkeit stand. Ihr dunkles, rundes Gesicht erinnerte entfernt an das Meervolk. Turak nahm die Tasse vorsichtig zwischen die Finger mit den langen Nägeln, wobei er die junge Frau überhaupt nicht ansah, und atmete die Dämpfe ein. Domon warf dem Mädchen einen Blick zu und riß dann den Blick mit einem abgewürgten Keuchen von ihr los. Ihr weißes Seidengewand war mit Blumen bestickt, aber so durchscheinend, daß er praktisch hindurchblicken konnte. Darunter trug sie nichts als ihre Schlankheit.

»Der Duft von Kaf«, sagte Turak, »ist fast genauso gut wie sein Geschmack. Also, Händler. Ich habe erfahren, daß Cuendillar hier sogar noch seltener ist als in Seanchan. Erzählt mir, wie ein einfacher Händler an ein solches Stück kommen konnte.« Er schlürfte seinen Kaf und wartete.

Domon holte tief Luft und bemühte sich, seinen Weg aus Falme hinauszulügen.

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