»Ich verstehe das nicht«, sagte Loial. »Ich hatte die meiste Zeit über eine Gewinnsträhne. Und dann kam Dena und spielte mit — und sie gewann alles zurück. Jeden Wurf. Sie sprach von einer kleinen Lektion. Was hat sie damit gemeint?«
Rand und der Ogier schritten durch die Straßen von Vortor. Die Traube lag ein gutes Stück hinter ihnen. Die Sonne stand tief am westlichen Himmel. Die Hälfte der roten Kugel befand sich schon unterhalb des Horizonts, und die sichtbare Hälfte warf lange Schatten über sie. Die Straße war leer bis auf eine der großen Puppen, einen gehörnten Trolloc mit einem Schwert am Gürtel, der auf sie zukam. Fünf Männer hielten die Stangen. Aus anderen Teilen Vortors konnten sie immer noch den fröhlichen Lärm von Feiern hören. Dort standen die Festhallen und Tavernen. Hier waren die Türen bereits verrammelt und die Läden vor den Fenstern verriegelt.
Rand hörte auf, den hölzernen Flötenkasten zu streicheln, und hängte ihn sich wieder auf den Rücken. Ich konnte wohl kaum von ihm erwarten, daß er alles über Bord wirft und mit mir kommt, aber reden könnte er ja wenigstens mit mir. Licht, ich wünschte, Ingtar tauchte endlich auf. Er steckte die Hände in die Taschen und fühlte nach Selenes Zettel.
»Du glaubst doch nicht, daß sie...« Loial schwieg bedrückt. »Du glaubst doch nicht, daß sie gemogelt hat, oder? Alle haben gegrinst, als mache sie etwas sehr Schlaues.«
Rand zuckte die Achseln unter seinem Umhang. Ich muß das Horn nehmen und gehen. Wenn wir auf Ingtar warten, kann alles mögliche passieren. Fain kommt früher oder später auch hierher. Ich muß einen Vorsprung vor ihm haben. Die Männer mit der Puppe befanden sich unmittelbar vor ihnen.
»Rand«, sagte Loial plötzlich. »Ich glaube nicht, daß das eine... «
Plötzlich ließen die Männer ihre Stangen auf die festgetretene Straße fallen, und statt zusammenzubrechen, sprang der Trolloc mit ausgestreckten Händen auf Rand zu.
Er hatte keine Zeit zum Überlegen. Der Instinkt brachte das Schwert in einem lichtschimmernden Bogen aus der Scheide heraus. ›Der Mond geht über den Seen auf‹. Der Trolloc taumelte mit einem gurgelnden Schrei zurück und fauchte noch, als er bereits stürzte.
Einen Moment lang standen alle wie erfroren da. Dann blickten die Männer — sie mußten ja wohl Schattenfreunde sein — von dem auf der Straße liegenden Trolloc zu Rand auf, der mit dem Schwert in der Hand und Loial an der Seite vor ihnen stand. Sie drehten sich um und rannten weg.
Auch Rand starrte den Trolloc an. Das Nichts hatte ihn umgeben, bevor er auch nur den Griff des Schwertes berührte. Saidin leuchtete in seinem Verstand, lockte auf seine kranke Art. Mit Mühe ließ er das Nichts wieder verschwinden und leckte sich die Lippen. Ohne die Leere hatte er vor Angst eine Gänsehaut. »Loial, wir müssen zurück zur Schenke. Hurin ist allein, und sie... « Er keuchte auf, als ihn ein kräftiger Arm in die Luft hob. Der Arm war lang genug, um seine beiden Arme wehrlos an seiner Brust festzuhalten. Eine haarige Hand ergriff seine Kehle. Er sah eine mit Hauern bewehrte Schnauze über seinem Kopf auftauchen. Ein fauliger Gestank stieg ihm in die Nase — teils saurer Schweiß, teils Schweinestall.
Genauso schnell, wie sie ihn gepackt hatte, wurde die Hand an seiner Kehle weggerissen. Wie betäubt sah Rand, daß die dicken Finger des Ogiers das Handgelenk des Trollocs umklammerten.
»Halt durch, Rand!« Loials Stimme klang gequält. Die andere Hand des Ogiers kam in Sicht und packte den Arm, der Rand immer noch ein Stück über dem Boden hielt. »Halt dich fest!«
Rand wurde kräftig durchgeschüttelt, als Ogier und Trolloc so miteinander rangen. Plötzlich war er frei und fiel ein Stück herunter. Taumelnd machte er zwei Schritte, um aus der Reichweite des Trollocs zu kommen, und drehte sich dann mit erhobenem Schwert um. Loial stand hinter dem Trolloc mit der Keilerschnauze und hielt ihm mit festem Griff an Handgelenk und Unterarm die Arme weit gespreizt auseinander. Er atmete schwer vor Anstrengung. Der Trolloc knurrte kehlig klingende Worte in der harten Trollocsprache und warf den Kopf hin und her in der Absicht, Loial mit einem der Hauer zu erwischen. Ihre Stiefel rutschten durch den Staub der Straße.
Rand versuchte, einen Fleck zu finden, wo er den Trolloc mit seinem Schwert durchbohren konnte, ohne Loial zu treffen, aber Ogier und Trolloc taumelten in ihrem tödlichen Tanz so umher, daß er keine Stelle finden konnte.
Mit einem Aufgrunzen riß der Trolloc seinen linken Arm aus der Umklammerung, aber bevor er sich vollends befreien konnte, hatte Loial von hinten seinen Hals umklammert und preßte die Kreatur fest an sich. Der Trolloc griff nach seinem Schwert. Die sichelförmige Klinge hing jedoch an der falschen Seite, um sie mit der linken Hand zu ziehen. Doch ganz, ganz langsam brachte er es fertig, die Klinge Stück für Stück aus der Scheide zu ziehen. Und immer noch taumelten sie so umher, daß Rand nicht zustechen konnte, ohne Loial zu gefährden.
Die Macht. Die könnte helfen. Er wußte nicht wie, aber es schien ihm der einzige Weg. Der Trolloc hatte sein Schwert schon halb aus der Scheide. Wenn die gekrümmte Klinge frei war, würde sie Loial töten.
Zögernd bildete Rand das Nichts. Saidin schimmerte ihm entgegen, zog ihn in sich hinein. Verschwommen erinnerte er sich an das eine Mal, als es zu ihm gesungen hatte, aber nun zog es ihn lediglich an, wie der Duft einer Blume die Biene anzieht oder der Gestank von Abfall eine Fliege. Er öffnete sich und faßte danach. Es war nichts da. Er hätte genausogut wirklich nach Licht fassen können. Der Gestank nach Fäule erfaßte ihn und beschmutzte ihn, aber in seinem Inneren ergab sich kein Strom von Energie. Von augenblicklicher Verzweiflung getrieben versuchte er es immer wieder. Und immer wieder war da nur diese Verderbnis.
Mit einem plötzlichen Aufbäumen warf Loial den Trolloc zur Seite, und zwar so hart, daß die Kreatur gegen die Hauswand prallte. Mit dem Kopf voran knallte er dagegen. Es gab ein deutlich vernehmbares Knacken, und dann glitt der Trolloc mit gekrümmtem Hals zu Boden.
Loial stand da und blickte ihn schwer atmend an. Rand sah einen Augenblick lang verständnislos aus der ihn umgebenden Leere hinaus, bevor ihm klar wurde, was geschehen war. Sobald es ihm klar war, ließ er Nichts und faulendes Licht fahren und eilte an Loials Seite.
»Ich habe noch nie... zuvor getötet, Rand.« Loial atmete zittrig ein.
»Er hätte dich getötet, wenn du ihm nicht zuvorgekommen wärst«, sagte Rand zu ihm. Nervös sah er sich um: dunkle Gassen, Fenster mit geschlossenen Läden und verriegelte Türen. Wo sich zwei Trollocs befanden, steckten bestimmt noch mehr. »Es tut mir leid, daß du das tun mußtest, Loial, aber er hätte uns beide getötet oder noch Schlimmeres... «
»Ich weiß. Aber es gefällt mir trotzdem nicht. Selbst wenn es ein Trolloc ist.« Der Ogier deutete auf die untergehende Sonne und packte dann Rand am Arm. »Da ist noch einer von ihnen.«
Rand mußte gegen die Sonne sehen und konnte deshalb keine Einzelheiten erkennen, aber eine andere Gruppe von Männern mit einer riesigen Puppe schien sich Loial und ihm zu nähern. Nun wußte er aber, worauf er achten mußte. Die ›Puppe‹ bewegte ihre Beine zu natürlich, und der Tierkopf hob sich und witterte, ohne daß jemand eine Stange bewegte. Er glaubte nicht, daß ihn die Schattenfreunde und der Trolloc in den tiefen, abendlichen Schatten erkennen konnten, genausowenig wie das, was neben ihnen auf der Straße lag — dafür bewegten sie sich zu langsam. Doch es war klar, daß sie suchten und näher kamen.
»Fain weiß, daß ich irgendwo hier draußen bin«, sagte er und wischte schnell sein Schwert am Mantel des toten Trollocs ab. »Er hat sie geschickt, um mich aufzuspüren. Er will aber nicht, daß die Trollocs als solche erkannt werden, sonst hätte er sie nicht so verkleidet. Wenn wir eine belebte Straße finden, sind wir in Sicherheit. Wir müssen zurück zu Hurin. Falls Fain ihn allein beim Horn findet... «
Er zog Loial mit sich zur nächsten Ecke und wandte sich den Geräuschen von Musik und Gelächter zu, doch lange bevor sie die Quelle des fröhlichen Lärms erreicht hatten, erschien eine weitere Gruppe von Männern mit einer Puppe, die keine war, auf der ansonsten leeren Straße vor ihnen. Rand und Loial bogen um die nächste Ecke. Die Straße führte nach Osten.
Jedesmal, wenn Rand versuchte, Musik und Gelächter zu erreichen, versperrte ihm ein Trolloc den Weg. Oft schnupperten sie in die Luft, um eine Witterung von ihm einzufangen. Einige Trollocs pflegten auf diese Art zu jagen. Manchmal ging auch ein Trolloc ohne Tarnung einher, wo keine Augen waren, ihn zu erspähen. Mehr als einmal war Rand sicher, daß er diesen Trolloc bereits vorher gesehen hatte. Der Kreis um ihn herum wurde enger. Sie wollten sichergehen, daß er und Loial die verlassenen Straßen mit ihren verrammelten Türen und Fenstern nicht verließen. Langsam wurden die beiden nach Osten getrieben, weg von der Stadt und von Hurin, weg von den anderen Menschen, durch enge, düstere Gassen, deren Gewirr sich nach allen Seiten erstreckte, hügelab und hügelan. Rand betrachtete die Häuser, an denen sie vorbeikamen — hohe Gebäude, die zur Nacht geschlossen waren —, mit größtem Bedauern. Selbst wenn er an eine Tür pochte, bis jemand öffnete, und selbst wenn sie Loial und ihn einließen — keine der Türen, die er da sah, würde einen Trolloc aufhalten. Er würde ihnen auf die Art nur außer Loial und ihm selbst weitere Opfer anbieten.
»Rand«, sagte Loial schließlich, »jetzt sind wir am Ende angelangt.«
Sie hatten die Ostgrenze von Vortor erreicht; die hohen Gebäude zu beiden Seiten waren die letzten im Ort.
Lichter in den oberen Fenstern verhöhnten sie, aber in den unteren Stockwerken waren die Fenster dicht verrammelt. Vor ihnen lagen die in Dämmerung gehüllten Hügel. Nicht einmal ein Bauernhaus war dort zu sehen. Allerdings — ganz unbewohnt waren sie nicht. Auf einem der größeren Hügel konnte er blasse Mauern erkennen, vielleicht eine Meile weit entfernt, und dahinter Gebäude.
»Wenn sie uns einmal dort draußen haben«, sagte Loial, »brauchen sie sich nicht mehr darum zu scheren, wer sie sieht.«
Rand deutete auf die Mauern um den Hügel. »Die sollten auch einen Trolloc aufhalten. Das muß das Herrenhaus eines Lords sein. Vielleicht lassen sie uns ein. Einen Ogier und einen ausländischen Lord? Der Mantel muß doch endlich mal für etwas gut sein!« Er blickte die Straße hinter ihnen hinunter. Noch kein Trolloc in Sicht, aber trotzdem zog er Loial um die Ecke des Gebäudes an ihrer Seite.
»Ich glaube, das ist das Zunfthaus der Feuerwerker, Rand. Die Feuerwerker hüten ihre Geheimnisse sorgfältig. Ich glaube nicht, daß sie selbst Galldrian hineinlassen würden.«
»In welches Fettnäpfchen bist du nun wieder getappt?« fragte eine vertraute Frauenstimme. Plötzlich lag ein gewisses Parfüm in der Luft.
Rand blieb der Mund offen stehen: Selene kam um die Ecke, von der sie beide gerade hergekommen waren. Ihr weißes Kleid schimmerte hell in der Dämmerung. »Wie bist du denn hierhergekommen? Was machst du hier? Du mußt sofort weg! Renn! Hinter uns sind Trollocs her!«
»Das habe ich gesehen.« Ihre Stimme klang trocken, kühl und beherrscht. »Ich habe dich gesucht, und du läßt dich von Trollocs wie ein Schaf in den Pferch treiben.
Kann sich der Mann so behandeln lassen, der das Horn von Valere besitzt?«
»Ich habe es nicht bei mir«, fauchte er, »und ich weiß auch nicht, wie es mir helfen könnte. Die toten Helden kommen wohl kaum zurück, um mich vor Trollocs zu retten. Selene, du mußt weg! Sofort!« Er spähte um die Ecke.
Keine hundert Schritt entfernt steckte ein Trolloc vorsichtig den gehörnten Kopf um eine andere Ecke und witterte in den Abend hinein. Der große Schatten an seiner Seite mußte von einem weiteren Trolloc stammen. Und dann waren da auch noch kleinere Schatten. Schattenfreunde.
»Zu spät«, murmelte Rand. Er schob den Flötenkasten zur Seite, zog den Umhang aus und legte ihn ihr um die Schultern. Er war lang genug, um ihr weißes Kleid ganz zu verdecken und noch über den Boden zu schleifen. »Du mußt ihn hochheben, damit du rennen kannst«, sagte er ihr. »Loial, wenn sie uns nicht hineinlassen, müssen wir eine Möglichkeit finden, uns hineinzuschleichen.«
»Aber, Rand... «
»Willst du lieber auf die Trollocs warten?« Er gab Loial einen sanften Stoß, damit er loslief, und faßte Selenes Hand, um Loial hinterherzurennen. »Such uns einen Weg, auf dem wir uns nicht gerade den Hals brechen, Loial.«
»Du regst dich viel zu sehr auf«, sagte Selene. Es schien ihr leichter zu fallen, Loial in der zunehmenden Dämmerung zu folgen, als Rand. »Suche das Einssein, und beruhige dich. Einer, der groß sein will, muß immer ruhig bleiben.«
»Die Trollocs könnten dich hören«, entgegnete er. »Ich will kein großer Mann sein.« Er glaubte, von ihr ein irritiertes Seufzen zu hören.
Manchmal rollten Steine unter ihren Füßen weg, aber ansonsten war der Weg über die Hügel nicht schwierig, trotz der langen Schatten der Dämmerung. Bäume und sogar Sträucher waren schon lange als Feuerholz abgehackt worden. Nichts wuchs hier außer kniehohem Gras, das leise um ihre Beine raschelte. Ein sanfter Nachtwind kam auf. Rand machte sich Sorgen, daß er den Trollocs ihre Witterung zutragen könnte.
Loial blieb stehen, als sie die Mauern erreichten. Sie waren doppelt so hoch wie der Ogier. Die Steine waren hell verputzt. Rand spähte zurück in Richtung Vortor. Von der Stadtmauer her glänzten die Reihen erleuchteter Fenster wie die Speichen eines Rads.
»Loial«, sagte er leise. »Kannst du sie sehen? Folgen sie uns?«
Der Ogier blickte in Richtung Vortor und nickte dann unglücklich. »Ich sehe nur ein paar Trollocs, aber sie kommen hierher. Sie rennen. Rand, ich glaube wirklich nicht... «
Selene unterbrach ihn. »Wenn er hinein will, Alantin, braucht er eine Tür. So wie die dort.« Sie zeigte auf einen dunklen Fleck ein bißchen weiter hinten an der Mauer. Obwohl sie es behauptete, war Rand nicht sicher, daß es wirklich eine Tür war, aber als sie hinging und daran zog, öffnete sie sich.
»Rand...«, begann Loial.
Rand schob ihn auf die Tür zu. »Später, Loial! Und leise! Wir verstecken uns gerade, erinnerst du dich noch?« Sie drückten sich hinein und schlossen die Tür hinter sich. Es gab Halterungen für einen Riegel, aber es war kein Riegel zu sehen. Sie würde niemanden aufhalten, doch vielleicht zögerten die Trollocs, hereinzukommen.
Sie befanden sich in einer hügelan führenden Gasse zwischen zwei langen, niedrigen, fensterlosen Gebäuden. Zuerst glaubte er, sie bestünden ebenfalls aus Stein, doch dann wurde ihm klar, daß hier lediglich Holz weiß verputzt worden war. Es war nun dunkel genug, daß der von den Wänden reflektierte Mondschein eine trübe Beleuchtung ergab.
»Besser, von den Feuerwerkern gefangengenommen zu werden als von den Trollocs«, murmelte er und ging nach oben.
»Aber das habe ich dir doch schon die ganze Zeit sagen wollen«, protestierte Loial. »Ich habe gehört, die Feuerwerker töten Eindringlinge. Sie bewahren ihre Geheimnisse auf sehr wirksame Art und Weise, Rand.«
Rand blieb wie angewurzelt stehen und blickte zur Tür zurück. Die Trollocs waren noch immer dort draußen. Im schlimmsten Fall war es bestimmt besser, sich mit Menschen auseinanderzusetzen als mit Trollocs. Vielleicht war er in der Lage, die Feuerwerker dazu zu überreden, sie laufenzulassen; Trollocs hörten nicht zu, bevor sie töteten. »Tut mir leid, daß ich dich in diese Lage gebracht habe, Selene.«
»Gefahr birgt einen gewissen Reiz«, sagte sie leise. »Und bis jetzt wurdest du gut damit fertig. Sollen wir nachsehen, was wir dort entdecken?« Sie streifte an ihm vorbei die Gasse hoch. Rand folgte. Ihr würziger Duft stieg ihm in die Nase. Oben auf dem Hügel weitete sich die Gasse zu einer breiten Fläche geglätteten Lehmbodens, der beinahe genauso weiß war wie der Verputz an den Wänden. Der Platz war fast ganz von weiteren weißen, fensterlosen Gebäuden umgeben, in deren Schatten neue Gassen lagen. Zur Rechten stand jedoch ein Gebäude mit Fenstern, aus denen Licht auf den blassen Lehmboden fiel.
Er drückte sich zurück in den Schatten der Gasse, als ein Mann und eine Frau erschienen, die langsam über den Platz schritten.
Ihre Kleidung stammte offensichtlich nicht aus Cairhien. Der Mann trug Kniebundhosen, die genauso bauschig waren wie seine Hemdsärmel. Beides war goldgelb, und an den Hosenbeinen sowie auf der Hemdbrust befanden sich Stickereien. Das Kleid der Frau mit einem kunstvoll gearbeiteten Brustteil schien von blassem Grün, und ihr Haar war zu einer Unzahl kleiner Zöpfe geflochten.
»Alles ist bereit, sagt Ihr?« wollte die Frau wissen. »Seid Ihr sicher, Tammuz? Alles?«
Der Mann spreizte die Hände. »Ihr müßt mich ständig überwachen, Aludra. Es ist wirklich alles bereit. Die Vorstellung könnte in diesem Moment beginnen.«
»Die Tore und Türen sind verriegelt? Alle...?« Ihre Stimme verklang, als sie zum hinteren Ende des beleuchteten Gebäudes kamen.
Rand betrachtete den offenen Platz, erkannte aber fast nichts. In der Mitte standen einige Dutzend Röhren, jede beinahe so hoch wie er und einen Fuß oder mehr weit. Sie waren auf großen Holzpodesten befestigt. Aus jeder Röhre kam ein dunkler, verdrehter Strick heraus, der sich über den Boden zog und schließlich auf der anderen Seite hinter einer niedrigen, vielleicht drei Schritt langen Mauer verschwand. Rund um den Platz verteilt standen Unmengen von Holzgestellen, an denen Schüsseln und Röhren und gespaltene Stöcke und andere Sachen befestigt waren.
Alle Feuerwerkskörper, die er je gesehen hatte, konnte man in der Hand halten, und das war so ungefähr alles, was er darüber wußte, außer daß sie mit großem Lärm zerbarsten oder in funkensprühenden Spiralen über den Boden zischten oder manchmal in die Luft hinauf flogen. Mit ihnen kam auch immer eine Warnung der Feuerwerker, daß sie explodieren würden, wenn man sie öffnete. Aber Feuerwerkskörper waren sowieso zu teuer, als daß der Gemeinderat sie von jemandem Unerfahrenen öffnen lassen würde. Er konnte sich gut an das eine Mal erinnern, als Mat genau das tun wollte. Es dauerte beinahe eine Woche, bis irgend jemand außer Mats Mutter wieder mit ihm sprach. Das einzige Vertraute, das Rand entdecken konnte, waren die Stricke — die Zündschnüre. Er wußte, daß man sie dort entzündete.
Nach einem Blick zurück zu der unverriegelten Tür bedeutete er den anderen, ihm zu folgen. Er wollte um die Röhren herumgehen. Wenn sie ein Versteck fanden, sollte es soweit wie möglich von dieser Tür entfernt sein.
Das bedeutete, daß sie zwischen den Holzgestellen durchlaufen mußten, und Rand hielt jedesmal die Luft an, wenn er eines berührte. Die daran hängenden Dinge bewegten sich bei der leisesten Berührung und klapperten dann. Alle bestanden aus Holz. Kein Stück Metall war zu sehen. Er konnte sich den Lärm vorstellen, falls eines davon heruntergestoßen wurde. Er beäugte mißtrauisch die Röhren, da er sich noch gut daran erinnern konnte, wie schon eine fingerlange Röhre dieser Art knallte. Wenn das Feuerwerkskörper waren, wollte er sich nicht so nahe bei ihnen aufhalten.
Loial murmelte pausenlos etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, besonders als er gegen eines der Gestelle stieß. Da zuckte er so hastig zurück, daß er natürlich prompt gegen ein anderes stieß. Der Ogier schlich unter Klappern und Gemurmel dahin.
Selene ging ihm auch auf die Nerven. Sie schlenderte so selbstverständlich einher, als befinde sie sich auf einer Straße mitten in der Stadt. Sie stieß gegen nichts, erzeugte keinen Laut, aber sie bemühte sich nicht einmal, den Umhang geschlossen zu halten. Das Weiß ihres Kleides schien ihm heller als alle Wände zusammen.
Er spähte zu den erleuchteten Fenstern hinüber und wartete nur darauf, daß dort jemand erschien. Es war nur einer notwendig. Er mußte Selene ja sehen und Alarm schlagen.
Doch an den Fenstern erschien niemand. Rand atmete gerade erleichtert auf, während sie auf eine niedrige Mauer zuschritten und auf die Gassen und Gebäude dahinter, als Loial wieder gegen ein Gestell stieß, das direkt neben der Mauer stand. Es enthielt zehn weich wirkende Stöcke, jeder so lang wie Rands Arm, aus deren Spitzen dünne Rauchfahnen quollen. Das Gestell machte kaum Lärm, als es umfiel, aber die schwelenden Stöcke fielen auf eine der Zündschnüre. Zischend entzündete sich die Zündschnur, und die kleine Flamme raste auf eine der hohen Röhren zu.
Rand blieb einen Moment lang die Luft weg, und dann versuchte er, flüsternd zu schreien: »Hinter die Mauer!«
Selene gab einen ärgerlichen Laut von sich, als er sie hinter der Mauer zu Boden warf, aber das war ihm gleich. Er bemühte sich, sich schützend über sie zu breiten, während Loial sich daneben niederkauerte. Als er darauf wartete, daß die Röhre explodierte, fragte er sich, ob von der Mauer etwas übrigbleiben werde. Es gab einen dumpfen Schlag, den er als Erschütterung im Boden genauso fühlte wie er ihn hörte. Vorsichtig hob er sich von Selene und spähte um die Kante der Mauer herum. Sie knallte ihm hart die Fäuste in die Rippen und wand sich mit einem Fluch in einer ihm unbekannten Sprache unter ihm hervor, doch er bemerkte das kaum.
Eine dünne Rauchfahne erhob sich aus der Spitze einer der Röhren. Das war alles. Wenn das alles ist...
Mit einem wahren Donnerkrach erblühte eine riesige rote und weiße Blume hoch am mittlerweile dunklen Himmel und sank dann langsam in einem Funkenregen nieder.
Während er sie noch mit offenem Mund anstarrte, explodierte das Haus förmlich vor Lärm. Schreiende Männer und Frauen füllten die Fenster. Sie sahen herüber und zeigten mit Fingern in ihre Richtung.
Rand betrachtete sehnsuchtsvoll die nur ein Dutzend Schritte entfernte dunkle Gasse. Schon der erste Schritt würde sie all jenen Leuten an den Fenstern sichtbar machen. Trommelnde Füße näherten sich von dem Gebäude her.
Er drückte Loial und Selene gegen die Mauer und hoffte, sie sähen aus wie ein ganz normaler Schatten. »Bewegt euch nicht, und seid still«, flüsterte er. »Das ist unsere einzige Hoffnung.«
»Manchmal«, sagte Selene ruhig, »kann dich niemand sehen, wenn du ganz still sitzt.« Sie klang nicht im geringsten besorgt.
Stiefel trampelten vor der Mauer hin und her, und zornige Stimmen erhoben sich. Besonders eine klang wütend — die Rand als Aludras erkannte.
»Du Riesenidiot, Tammuz! Du Riesenschwein! Deine Mutter war eine Ziege, Tammuz! Eines Tages bringst du uns alle um!«
»Das ist nicht meine Schuld, Aludra«, protestierte der Mann. »Ich bin sicher, ich habe alles angebracht, wie es sein muß, und der Zunder war... «
»Halt den Mund, Tammuz! Ein großes Schwein verdient es nicht, wie ein Mensch zu sprechen!« Aludras Tonfall veränderte sich, als sie die Frage eines anderen Mannes beantwortete: »Es ist keine Zeit mehr, eine neue vorzubereiten. Galldrian muß sich heute abend mit dem Rest zufriedengeben. Und einer verfrühten Zündung. Und du, Tammuz! Du wirst alles in Ordnung bringen und morgen mit den Karren abreisen, um Mist zu kaufen. Falls heute abend noch etwas schiefgeht, werde ich dir noch nicht einmal mehr den Mist anvertrauen!«
Schritte entfernten sich in Richtung des beleuchteten Gebäudes, begleitet von Aludras ärgerlichem Gefluche. Tammuz blieb zurück und grollte unterdrückt darüber, wie unfair das alles sei.
Rand stockte der Atem, als der Mann herüberkam, um das umgefallene Gestell wieder aufzurichten. Im tiefsten Schatten gegen die Mauer gedrückt, konnte er Tammuz Rücken und Schulterpartie erkennen. Alles, was der Mann tun mußte, war, sich umzudrehen. Dann konnten ihm Rand und die anderen gar nicht entgehen. Tammuz führte immer noch ärgerliche Selbstgespräche, richtete die schwelenden Stöcke im Gestell wieder aus und stolzierte dann zurück zu dem Gebäude, in das die anderen hineingegangen waren.
Rand atmete tief durch, streckte kurz den Kopf vor, um dem Mann nachzublicken, und zog sich dann wieder in den Schatten zurück. An den Fenstern standen immer noch einige Leute. »Noch mehr Glück heute nacht wäre zuviel verlangt«, flüsterte er.
»Man sagt, große Männer machten ihr eigenes Glück«, sagte Selene leise.
»Hör endlich damit auf«, sagte er müde. Er wünschte, ihr Duft stiege ihm nicht so zu Kopf. Er konnte so einfach nicht klar denken. Er erinnerte sich an das Gefühl, als er am Boden auf ihrem Körper lag — weich und verwirrenderweise gleichzeitig fest —, und das half ihm auch nicht gerade.
»Rand?« Loial sah um die Mauerecke auf der von dem beleuchteten Gebäude abgewandten Seite herum. »Ich glaube, wir brauchen doch noch ein wenig Glück, Rand.«
Rand schob sich hinüber und sah dem Ogier über die Schulter. Jenseits des Platzes, am Ausgang der Gasse, die zu der unverriegelten Tür führte, standen drei Trollocs und blickten vorsichtig aus den Schatten zu den beleuchteten Fenstern hinüber. Eine Frau stand an einem der Fenster. Sie schien die Trollocs nicht bemerkt zu haben.
»Also«, meinte Selene, »wird das hier nun zur Falle. Diese Leute töten euch vielleicht, wenn sie euch fangen. Die Trollocs tun das ganz gewiß. Aber vielleicht kannst du die Trollocs so schnell töten, daß sie sich nicht mehr bemerkbar machen können. Vielleicht kannst du die Leute davon abbringen, euch zu töten, um ihre kleinen Geheimnisse zu wahren. Vielleicht strebst du nicht nach Größe, aber nur ein großer Mann kann das nun fertigbringen.«
»Deshalb brauchst du dich nicht so selbstzufrieden zu geben«, schimpfte Rand. Er versuchte, nicht mehr daran zu denken, wie sie duftete, wie sie sich anfühlte und beinahe hätte ihn das Nichts überrascht. Er schüttelte es ab. Die Trollocs schienen sie noch nicht entdeckt zu haben.
Er lehnte sich an die Mauer und blickte in die nächste Gasse hinein. Sobald sie in diese Richtung losliefen, würden die Trollocs sie sehen und auch die Frau am Fenster. Es würde ein Wettrennen stattfinden. Wer würde sie zuerst erreichen: die Trollocs oder die Feuerwerker?
»Deine Größe wird mich glücklich machen.« Im Gegensatz zu diesen Worten klang Selene zornig. »Vielleicht sollte ich dich verlassen, damit du dich eine Weile lang allein zurechtfinden mußt. Wenn du nicht nach der Größe greifst, die sich in deiner Reichweite befindet, verdienst du möglicherweise den Tod.«
Rand vermied es, sie anzusehen. »Loial, kannst du erkennen, ob sich am Ende dieser Gasse dort wieder eine Tür befindet?«
Der Ogier schüttelte den Kopf. »Es ist zu hell hier, und dort ist es zu dunkel. Wenn ich mich in der Gasse befände, dann ja.«
Rand fühlte nach dem Griff seines Schwerts. »Nimm Selene. Sobald du eine Tür siehst — falls eine da ist —, rufst du, und ich folge euch. Wenn am anderen Ende keine Tür ist, mußt du sie hochheben, damit sie auf die Mauer klettern kann und hinüberkommt.«
»In Ordnung, Rand.« Loial klang besorgt. »Aber wenn wir uns bewegen, kommen diese Trollocs hinter uns her, ganz gleich, wer sonst noch zuschaut. Auch wenn sich dort eine Tür befindet, haben wir sie auf den Fersen.«
»Überlaß mir die Trollocs.« Drei. Ich könnte es mit Hilfe des Nichts schaffen. Der Gedanke an Saidin ließ ihn einen Entschluß fassen. Zu viele eigenartige Dinge waren geschehen, wenn er die männliche Hälfte der Einen Quelle an sich herangelassen hatte. »Ich folge euch, sobald ich kann. Los!« Er drehte sich um und blickte über die Mauer hinweg zu den Trollocs hinüber.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich die massige Gestalt Loials und Selenes weißes, halb von seinem Umhang verdecktes Kleid bewegten. Einer der Trollocs jenseits der Röhren deutete aufgeregt auf sie, doch die drei zögerten und sahen zu dem Fenster hoch, aus dem die Frau immer noch herausblickte. Drei. Es muß einen Weg geben. Ohne das Nichts. Ohne Saidin. »Es ist eine Tür da!« rief Loial mit unterdrückter Stimme. Einer der Trollocs tat einen Schritt aus dem Schatten heraus, und die anderen folgten dicht hinter ihm. Wie aus großer Entfernung hörte Rand die Frau am Fenster aufschreien und Loial gleichzeitig etwas rufen.
Ohne nachzudenken sprang Rand auf. Er mußte irgendwie die Trollocs aufhalten, oder sie würden ihn und Loial und Selene überrennen. Er schnappte sich einen der schwelenden Stöcke und warf sich hinter die nächste Röhre. Sie kippte, fiel vornüber, aber er packte das viereckige Holzpodest, auf dem sie befestigt war. Die Röhre zeigte nun geradewegs auf die Trollocs. Sie verlangsamten unsicher ihren Schritt — die Frau am Fenster kreischte —, und Rand berührte mit dem schwelenden Ende des Stocks die Zündschnur dort, wo sie in die Röhre hineinverlief.
Der dumpfe Schlag folgte augenblicklich, und das dicke Holzpodest rammte sich in seinen Magen und brachte ihn zum Sturz. Ein Aufbrüllen wie von Donner erfüllte die Nacht, und ein blendender Lichterhagel zerriß die Dunkelheit.
Blinzelnd taumelte Rand auf die Beine und hustete. Beißender Qualm drang in seine Lunge. Seine Ohren klingelten. Er starrte überrascht auf das, was vor ihm lag. Die Hälfte der Röhren und alle Gestelle lagen umgestürzt herum, und eine Ecke des Gebäudes, neben dem die Trollocs gestanden hatten, war einfach verschwunden. Flammen züngelten an den Enden von Brettern und Balken entlang. Von den Trollocs keine Spur.
Durch das Klingeln in seinen Ohren hörte Rand die Schreie der Feuerwerker in dem Gebäude. Er rannte wankend los in die Gasse hinein. Nach ein paar Schritten stolperte er über etwas, was er als seinen Umhang erkannte. Er schnappte ihn ohne stehenzubleiben vom Boden auf. Hinter ihm erfüllten die Schreie der Feuerwerker die Nacht.
Loial trat neben der Tür ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Und er war allein.
»Wo ist Selene?« wollte Rand wissen.
»Sie ist zurückgegangen, Rand. Ich wollte sie festhalten, aber sie ist mir durch die Hände geschlüpft.«
Rand wandte sich noch einmal dem Lärm hinter ihnen zu. Durch das fortwährende Klingeln in seinen Ohren hindurch konnte er einige der Rufe gerade noch ausmachen. Es war jetzt hell dort hinten — von den Flammen beleuchtet.
»Die Sandeimer! Holt schnell die Sandeimer!«
»Das ist eine Katastrophe! Eine Katastrophe!«
»Ein paar sind dorthin gelaufen!«
Loial packte Rands Schulter. »Du kannst ihr nicht helfen, Rand. Nicht damit, daß du selbst gefangen wirst. Wir müssen weg.« Jemand erschien am Ende der Gasse, ein Schatten, dessen Umrisse nur durch das Glühen der Flammen dahinter abgehoben wurden. Er deutete auf sie. »Komm schon, Rand!«
Rand ließ sich durch die Tür in die Dunkelheit zerren. Der Feuerschein verblaßte hinter ihnen, bis nur noch ein glühender Fleck durch die Nacht hindurch erkennbar war, und die Lichter von Vortor näherten sich. Rand wünschte sich fast, daß weitere Trollocs erschienen, jemand, mit dem er kämpfen konnte. Aber es gab nur den leichten Nachtwind, der das Gras sanft bewegte.
»Ich habe versucht, sie aufzuhalten«, sagte Loial. Langes Schweigen folgte. »Wir konnten wirklich nichts weiter tun. Sie hätten lediglich auch uns noch gefangengenommen.«
Rand seufzte. »Ich weiß, Loial. Du hast getan, was du konntest.« Er ging ein paar Schritte zurück und blickte zu dem fernen Glühen hinüber. Es wurde kleiner; die Feuerwerker waren wohl dabei, die Flammen zu löschen. »Ich muß ihr irgendwie helfen.« Wie? Saidin? Die Macht? Er schauderte. »Ich muß.«
Sie gingen auf den beleuchteten Straßen durch Vortor, in ein Schweigen gehüllt, das die Fröhlichkeit um sie herum ausschloß.
Als sie den ›Verteidiger der Drachenmauer‹ betraten, hielt ihm der Wirt sein Tablett mit einem versiegelten Brief entgegen.
Rand nahm ihn und betrachtete das weiße Siegel. Eine Mondsichel mit Sternen. »Wer hat das gebracht? Wann?«
»Eine alte Frau, Lord. Keine Viertelstunde ist es her. Eine Dienerin. Sie sagte allerdings nicht, aus welchem Haus.« Cuale lächelte schmierig, als gebe er Vertraulichkeiten preis.
»Danke«, sagte Rand, der immer noch unverwandt das Siegel betrachtete. Der Wirt beobachtete mit nachdenklichem Gesichtsausdruck, wie sie nach oben gingen.
Hurin nahm die Pfeife aus dem Mund, als Rand und Loial eintraten. Er hatte sein Kurzschwert und den Schwertbrecher auf den Tisch gelegt und wischte sie gerade mit einem Öltuch ab. »Ihr wart aber lange bei dem Gaukler, Lord Rand. Geht es ihm gut?«
Rand fuhr auf. »Was? Thom? Ja, es... « Er brach das Siegel mit seinem Daumen auf und las:
Wenn ich glaube zu wissen, was du tun wirst, dann tust du etwas ganz anderes. Du bist ein gefährlicher Mann. Vielleicht dauert es nicht lang, und wir sind wieder beisammen. Denke an das Horn. Denke an den Ruhm. Und denke an mich, denn du gehörst mir für immer.
Wieder befand sich keine Unterschrift darunter, aber die fließende Handschrift war unverkennbar.
»Sind denn alle Frauen verrückt?« wollte Rand von der Zimmerdecke wissen. Hurin zuckte die Achseln. Rand warf sich auf den anderen Stuhl, den, der von der Größe her für den Ogier bestimmt war. Seine Füße baumelten in der Luft. Es machte ihm nichts aus. Er betrachtete die von Decken verhüllte Truhe unter Loials Bett. Denke an den Ruhm. »Ich wünschte, Ingtar käme endlich.«