28 Ein neuer Faden im Gewebe

Perrin beobachtete nervös beim Reiten die Berge von Brudermörders Dolch. Der Pfad wand sich immer noch aufwärts und die Steigung schien nie enden zu wollen, aber er glaubte, daß die Paßhöhe nicht mehr weit entfernt sein konnte. Auf einer Seite des Pfads fiel der Abhang steil ab bis zum Bett eines kleinen Bergbachs, der schäumend über scharfkantige Steine hüpfte; auf der anderen Seite ragten steile Felswände wie gefrorene Wasserfälle auf. Der Pfad selbst führte durch Geröllhalden. Einige der Felsblöcke waren so groß wie ein Pferdekarren, andere hatten nur die Größe eines Männerkopfes. Es gehörte nicht viel dazu, sich dort irgendwo zu verstecken.

Die Wölfe behaupteten, in den Bergen befänden sich Menschen. Perrin fragte sich, ob das wohl einige von Fains Schattenfreunden seien. Die Wölfe wußten es nicht und es interessierte sie auch nicht. Sie wußten ansonsten nur, daß die Verzerrten sich irgendwo vor ihnen befanden. Ziemlich weit vor ihnen sogar, obwohl Ingtar die Kolonne pausenlos angetrieben hatte. Perrin bemerkte, daß Uno die sie umgebenden Berge auf dieselbe Art betrachtete wie er.

Mat hatte sich den Bogen übergehängt und ritt offensichtlich unberührt voran. Er jonglierte dabei mit drei farbigen Bällen. Aber er wirkte blasser als vorher. Verin untersuchte ihn mittlerweile mit gerunzelter Stirn zwei oder drei Mal am Tag, und Perrin war sicher, daß sie es mindestens einmal mit ihrer Aes-Sedai-Heilkunst probiert hatte, aber Mat sah nicht anders aus als zuvor. Außerdem schien sie in Gedanken ständig mit etwas beschäftigt, worüber sie nicht sprach.

Rand, dachte Perrin, wenn er den Rücken der Aes Sedai betrachtete. Sie ritt immer mit Ingtar an der Spitze der Kolonne, und sie wollte grundsätzlich noch schneller vorwärtskommen, als selbst der schienarische Lord gestattete. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß sie über Rand Bescheid weiß. Von den Wölfen herrührende Bilder flackerten durch seinen Kopf: steinerne Bauernhäuser und Dörfer zwischen Terrassenfeldern, alles jenseits der Berggipfel. Die Wölfe sahen sie als nichts Besonderes an, als seien sie nichts anderes als Hügel oder Wiesen, doch irgendwie vermittelten sie das Gefühl, das Land sei verdorben. Einen Augenblick lang spiegelte sich in ihm das Bedauern darüber wider, die Erinnerung an von den Zweibeinern längst verlassene Orte, an die flinke Hatz durch den Wald, an das Zuschnappen der kräftigen Kiefer, wenn der Hirsch zu fliehen versuchte, an... Mit Mühe verdrängte er die Wölfe aus seinem Kopf. Diese Aes Sedai werden uns noch alle vernichten. Ingtar ließ sich neben Perrin zurückfallen. Manchmal wirkten in Perrins Augen die halbmondförmigen Abzeichen auf dem Helm des Schienarers wie die Hörner eines Trollocs. Ingtar sagte leise: »Sagt mir noch einmal, was Euch die Wölfe berichten.«

»Ich habe es Euch schon zehnmal gesagt«, murmelte Perrin.

»Sagt es mir trotzdem noch einmal! Vielleicht habe ich etwas überhört, etwas, das mir helfen kann, das Horn zu finden... « Ingtar sog tief Luft ein und atmete langsam wieder aus. »Ich muß das Horn von Valere finden, Perrin.

Sagt es mir noch einmal.«

Es war nicht nötig, daß Perrin erstmal alles im Geist ordnete — nicht nach so vielen Wiederholungen. Er rasselte alles herunter: »Jemand — oder etwas — griff die Schattenfreunde in der Nacht an und tötete die Trollocs, die wir fanden.« Mittlerweile drehte sich ihm der Magen deshalb nicht mehr um. Raben und Geier hatten keine feinen Tischmanieren. »Die Wölfe nennen ihn — oder es —Schattentöter. Ich glaube, es war ein Mann, aber sie gingen nicht nahe genug heran, um es klar erkennen zu können. Sie haben keine Angst vor diesem Schattentöter —Ehrfurcht käme der Sache schon näher. Sie sagen, daß die Trollocs nun dem Schattentöter folgen. Und sie sagen, Fain sei bei ihnen« — selbst nach so langer Zeit brachte ihm die Erinnerung an die Witterung Fains, an das Gefühl, das ihn bei dem Mann packte, einen bitteren Geschmack auf die Zunge — »also muß sich auch der Rest der Schattenfreunde dort befinden.«

»Schattentöter«, murmelte Ingtar. »Ein Geschöpf des Dunklen Königs wie ein Myrddraal? Ich habe in der Fäule Dinge gesehen, die den Namen Schattentöter verdienten, aber... Haben sie denn sonst nichts gesehen?«

»Sie wollten sich ihm nicht nähern. Es war kein Blasser. Ich habe Euch ja gesagt, sie würden einen Blassen noch schneller reißen als einen Trolloc, auch wenn sie das halbe Rudel dabei verlören. Ingtar, die Wölfe, die das beobachteten, gaben die Nachricht an andere weiter und die wieder an andere, bevor sie mich erreichte. Ich kann Euch nur berichten, was sie mir sagten, und nach so vielen Wiederholungen... « Er schwieg, als Uno sich zu ihnen gesellte.

»Aielmann zwischen den Felsen«, sagte der Einäugige leise.

»So weit weg von der Wüste?« sagte Ingtar ungläubig. Uno brachte es irgendwie fertig, beleidigt zu wirken, obwohl sich sein Gesichtsausdruck nicht änderte, und Ingtar fügte hinzu: »Nein, ich zweifle ja nicht an deinen Worten. Ich bin nur überrascht.«

»Licht noch mal, er wollte, daß ich ihn sehe, sonst hätte ich das nicht gekonnt.« Uno klang mißmutig ob dieses Eingeständnisses. »Und sein verdammtes Gesicht ist nicht verschleiert, also ist er nicht auf Kampf aus. Aber wenn man einen verfluchten Aielmann sieht, sind meist einige unsichtbare in der Gegend.« Plötzlich riß er die Augen auf. »Seng mich, wenn es nicht verflucht danach aussieht, daß er mehr will als nur gesehen werden.« Er deutete nach vorn: Ein Mann war ein Stück vor ihnen auf den Pfad getreten.

Sofort senkte sich Masemas Lanzenspitze, er ließ sein Pferd die Fersen spüren, und nach drei Sätzen befand es sich in vollem Galopp. Er war nicht der einzige: Vier Stahlspitzen jagten auf den Mann am Boden zu.

»Halt!« brüllte Ingtar. »Halt, sagte ich! Ich schneide jedem die Ohren ab, der nicht sofort stehenbleibt, wo er ist!«

Masema riß böse an den Zügeln und brachte sein Pferd zum Stehen. Auch die anderen blieben in eine Staubwolke gehüllt stehen, die Lanzen immer noch auf die Brust des Mannes gerichtet. Er hob eine Hand, um den Staub wegzuwedeln, der auf ihn zutrieb. Es war seine erste Bewegung, seit er auf den Pfad getreten war.

Er war hochgewachsen, hatte eine dunkle, sonnenverbrannte Hautfarbe und kurzgeschnittenes rotes Haar, das ihm nur hinten in einem Pferdeschwanz bis auf die Schultern hing. Die weichen, geschnürten, kniehohen Stiefel, genauso wie all seine Kleidung bis hinauf zum Halstuch, waren in verschiedenen Schattierungen von Braun und Grau gehalten, die sich von den Felsen und der Erde kaum abhoben. Die Spitze eines kurzen Hornbogens ragte über seine Schulter hervor, und an seinem Gürtel hing ein mit Pfeilen gespickter Köcher. An der anderen Seite hing ein langes Messer. In der linken Hand hielt er einen runden Lederschild und drei kurze Wurfspeere, nur etwa halb so lang, wie er groß war, aber mit genauso langen Spitzen wie die der schienarischen Lanzen.

»Ich habe keine Musikanten, um das Lied zu spielen«, verkündete der Mann lächelnd, »aber wenn Ihr zu tanzen wünscht... « Er änderte seine Körperhaltung nicht, aber Perrin bemerkte, daß er jetzt auf irgendeine Art kampfbereit wirkte. »Ich heiße Urien von den zwei Türmen, Siebter der Reyn Aiel. Ich bin ein roter Schild. Erinnert Euch an mich.«

Ingtar stieg ab und schritt vorwärts, wobei er seinen Helm abnahm. Perrin zögerte nur einen Augenblick. Dann stieg er ebenfalls ab und tat es Ingtar gleich. Er wollte die Gelegenheit nicht versäumen, einen Aiel aus der Nähe zu sehen. ›Wie ein Aiel mit schwarzem Schleier handeln.‹ In jeder Geschichte wurden die Aiel als genauso gefährlich und tödlich wie die Trollocs beschrieben. Manche behaupteten sogar, sie seien allesamt Schattenfreunde. Aber Uriens Lächeln wirkte einfach nicht gefährlich, trotz der Tatsache, daß der Mann sprungbereit dastand. Seine Augen waren blau.

»Er sieht aus wie Rand.« Perrin sah sich um. Mat hatte sich zu ihnen gesellt. »Vielleicht hat Ingtar recht«, fügte Mat leise hinzu. »Vielleicht ist Rand ein Aiel.«

Perrin nickte. »Aber das hat nichts zu sagen.«

»Bestimmt nicht.« Mat klang, als rede er von etwas anderem als dem, was Perrin damit meinte.

»Wir sind beide weit weg von zu Hause«, sagte Ingtar zu dem Aiel. »Wir zumindest sind zu einem anderen Zweck hier, als zu kämpfen.« Perrin änderte seine Meinung in bezug auf Uriens Lächeln. Der Mann sah nun tatsächlich enttäuscht aus.

»Wie Ihr wünscht, Schienarer.« Urien wandte sich Verin zu, die gerade vom Pferd stieg, und verbeugte sich auf eigenartige Weise. Die Speerspitzen bohrte er in den Boden, und die rechte Hand hob er mit der Innenfläche ihr zugewandt. Seine Stimme klang respektvoll: »Weise Frau, mein Wasser gehört Euch.«

Verin gab ihre Zügel einem der Soldaten. Sie musterte den Aiel, als sie näher trat. »Warum nennt Ihr mich so? Haltet Ihr mich für eine Aiel?«

»Nein, Weise Frau. Aber Ihr seht aus wie eine Frau, die nach Rhuidean gereist ist und überlebt hat. Die Jahre berühren die Weisen nicht in dem Maße wie andere Frauen oder wie Männer.«

Die Aes Sedai blickte sichtlich gespannt drein, aber Ingtar sagte ungeduldig: »Wir verfolgen Schattenfreunde und Trollocs, Urien. Habt Ihr etwas von ihnen gesehen?«

»Trollocs? Hier?« Uriens Augen strahlten. »Das ist eines der Zeichen, die prophezeit wurden. Wenn die Trollocs wieder aus der Fäule hervorkommen, werden wir das Dreifache Land verlassen und unser altes Land wieder in Besitz nehmen.« Die berittenen Schienarer murmelten irgend etwas. Urien blickte sie so stolz an, als sehe er auf sie herunter.

»Das Dreifache Land?« fragte Mat.

Perrin hatte das Gefühl, daß Mat noch blasser aussah —nicht unbedingt kränklich, aber so, als sei sein Gesicht lange Zeit nicht mehr der Sonne ausgesetzt gewesen.

»Ihr nennt es eine Wüste«, sagte Urien. »Für uns ist es das Dreifache Land: ein Wetzstein, um uns zu formen, eine Prüfung, um festzustellen, was wir wert sind, und eine Strafe für unsere Sünden.«

»Welche Sünden?« wollte Mat wissen. Perrin stockte der Atem. Er wartete darauf, die Speere in Uriens Hand vorzucken zu sehen.

Der Aiel zuckte die Achseln. »Es ist schon so lange her, daß sich niemand daran erinnert. Außer eben den Weisen Frauen und den Clanführern, und die sprechen nicht darüber. Es muß schon eine sehr schlimme Sünde gewesen sein, daß sie sich nicht überwinden können, uns davon zu erzählen, aber der Schöpfer bestraft uns eben hart.«

»Trollocs«, beharrte Ingtar. »Habt Ihr Trollocs gesehen?«

Urien schüttelte den Kopf. »Wenn ich welche gesehen hätte, hätte ich sie getötet, aber ich habe außer Felsen und dem Himmel nichts bemerkt.«

Ingtar schüttelte in nachlassendem Interesse ebenfalls den Kopf, aber Verin sagte mit äußerst konzentriert klingender Stimme: »Dieses Rhuidean. Was ist das? Wo ist es? Wie wählt man die Mädchen aus, die dorthin gehen sollen?«

Uriens Gesicht wurde ausdruckslos. Seine Augenlider sanken herab. »Ich kann darüber nicht sprechen, Weise Frau.«

Unwillkürlich griff Perrin nach seiner Axt. Uriens Stimme forderte das irgendwie heraus. Ingtar hielt sich auch bereit, nach dem Schwert zu greifen, und unter den Berittenen machte sich Bewegung breit. Doch Verin trat vor den Aielmann hin, bis sie beinahe seine Brust berührte, und blickte hoch in seine Augen.

»Ich bin keine Weise Frau von der Art, die Ihr kennt, Urien«, sagte sie eindringlich. »Ich bin Aes Sedai. Sagt mir, was Ihr über Rhuidean sagen könnt.«

Der Mann, der bereit gewesen war, zwanzig Männern gegenüberzutreten, wirkte nun, als suche er verzweifelt nach einem Weg, dieser einen molligen Frau mit grauem Haar zu entkommen. »Ich... kann nur sagen, was jeder weiß. Rhuidean liegt im Gebiet der Jenn Aiel, des dreizehnten Clans. Ich kann nichts weiter über sie sagen als den Namen. Niemand darf dorthin gehen, außer Frauen, die Weise Frauen werden möchten, oder Männer auf dem Weg zum Clanführer. Vielleicht werden sie von den Jenn Aiel ausgesucht — ich weiß es nicht. Viele gehen, wenige kehren zurück. Diese wenigen weisen die Merkmale ihres neuen Standes auf — Weise Frauen oder Clanführer. Mehr kann ich nicht sagen, Aes Sedai. Weiter nichts.«

Verin sah weiter zu ihm auf und schürzte die Lippen.

Urien blickte zum Himmel auf, als bemühe er sich, ihn sich einzuprägen. »Werdet Ihr mich jetzt töten, Aes Sedai?«

Sie blinzelte überrascht. »Was?«

»Werdet Ihr mich jetzt töten? Eine der alten Prophezeiungen sagt, wenn wir die Aes Sedai wieder enttäuschen, werden sie uns töten. Ich weiß, daß Eure Macht größer ist als die der Weisen Frauen.« Der Aiel lachte plötzlich auf. Es war ein freudloses Lachen, und seine Augen blitzten wild. »Ruft Eure Blitze herbei, Aes Sedai. Ich werde mit ihnen tanzen!«

Der Aiel glaubte, er werde sterben, und er hatte keine Angst davor. Perrin wurde bewußt, daß sein Mund offen stand, und so klappte er ihn zu.

»Was würde ich nicht darum geben«, murmelte Verin, die Urien immer noch in die Augen sah, »Euch in der Weißen Burg zu haben. Oder wenigstens zum Sprechen gewillt. Oh, seid ruhig, Mann! Ich werde Euch nichts zuleide tun. Außer Ihr wollt mir an den Kragen, mit Eurem Geschwätz vom Tanzen.«

Urien schien überrascht. Er sah die Schienarer an, die um ihn herum verteilt auf den Pferden saßen, als glaube er, Verins Worte seien nur eine Finte. »Ihr seid keine Tochter des Speers«, sagte er bedächtig. »Wie könnte ich eine Frau angreifen, die nicht mit dem Speer verheiratet ist? Es ist verboten, außer um Leben zu retten, und dann würde ich lieber selbst Wunden empfangen, um den Angriff auf eine Frau zu vermeiden.«

»Warum seid Ihr hier, so weit von Eurem Land entfernt?« fragte sie. »Warum habt Ihr Euch an uns gewandt? Ihr hättet Euch weiter zwischen den Felsen verbergen können, und wir hätten nicht einmal gewußt, daß Ihr da seid.« Der Aielmann zögerte, und sie fügte hinzu: »Sagt nur das, was Ihr zu sagen gewillt seid. Ich weiß nicht, was Eure Weisen Frauen machen, aber ich werde Euch nichts tun und auch nicht versuchen, Euch zum Reden zu zwingen.«

»Das sagen die Weisen Frauen auch«, meinte Urien trocken, »aber selbst die Clanführer müssen eine Menge Ausdauer haben, wenn sie deren Befehlen zuwiderhandeln wollen.« Er schien seine Worte sorgfältig zu wählen. »Ich suche nach... jemandem. Einem Mann.« Sein Blick streifte Perrin und Mat, die Schienarer, blieb aber an niemand hängen. »Er, Der Mit Dem Sonnenaufgang Kommt. Es heißt, man werde große Zeichen und Ankündigungen seines Kommens empfangen. Ich sah an der Ausrüstung Eurer Eskorte, daß Ihr aus Schienar kommt. Dazu habt Ihr auf mich wie eine Weise Frau gewirkt. So hoffte ich, Ihr hättet vielleicht Nachrichten über bedeutende Ereignisse. Ereignisse, die Vorzeichen seines Kommens sein könnten.«

»Ein Mann?« Verins Stimme klang sanft, doch ihre Augen blitzten scharf wie Dolchklingen. »Welche Vorzeichen meint Ihr?«

Urien schüttelte den Kopf. »Es heißt, wir würden sie erkennen, wenn wir von ihnen hören, so wie wir ihn erkennen, wenn wir ihn sehen, denn er wird gezeichnet sein. Er wird von Westen kommen, von jenseits des Rückgrats der Welt, aber er ist von unserem Blut. Er wird nach Rhuidean gehen und uns aus dem Dreifachen Land führen.« Er nahm einen Speer in die rechte Hand. Leder und Metall quietschten, als die Soldaten nach ihren Schwertern griffen. Perrin wurde bewußt, daß er wieder seine Axt in der Hand hielt. Doch Verin blickte irritiert drein und bedeutete ihnen, Ruhe zu geben. Urien kratzte mit der Speerspitze einen Kreis in die Erde und dann eine Schlangenlinie, die ihn durchschnitt. »Es heißt, er werde unter diesem Zeichen siegen.«

Ingtar zog beim Anblick dieses Symbols die Stirn kraus. Auf seinem Gesicht zeigte sich kein Erkennen. Doch Mat fluchte unterdrückt, und Perrin merkte, wie sein Mund austrocknete. Das alte Wahrzeichen der Aes Sedai. Verin entfernte das Zeichen mit dem Fuß. »Ich kann Euch nicht sagen, wo er sich befindet, Urien«, sagte sie, »und ich habe nicht von irgendwelchen Vorzeichen gehört, die Euch zu ihm führen können.«

»Dann werde ich meine Suche fortsetzen.« Es war wohl keine Frage, doch Urien wartete, bis sie nickte. Dann blickte er die Schienarer stolz und herausfordernd an, bevor er ihnen den Rücken zuwandte. Er ging mit geschmeidigen Bewegungen fort und verschwand zwischen den Felsen, ohne sich noch einmal umzublicken.

Einige der Soldaten sprachen, ärgerlich miteinander. Uno sagte etwas von einem ›verrückten, blutigen Aiel‹, und Masema grollte, sie hätten den Aiel den Raben überlassen sollen.

»Wir haben wertvolle Zeit verschwendet«, verkündete Ingtar laut. »Wir werden schneller reiten, um sie wieder aufzuholen.«

»Ja«, sagte Verin, »wir müssen schneller reiten.«

Ingtar sah sie an, aber die Aes Sedai blickte auf den verschmierten Boden hinunter, wo ihr Fuß das Symbol entfernt hatte. »Absitzen«, befahl er. »Rüstungen auf die Packpferde. Wir befinden uns mittlerweile in Cairhien. Wir wollen nicht, daß die Einwohner glauben, wir wollten gegen sie kämpfen. Macht schnell!«

Mat beugte sich zu Perrin hinüber. »Glaubst du... ? Glaubst du, daß er von Rand gesprochen hat? Ich weiß, es ist verrückt, aber sogar Ingtar glaubt, er sei ein Aiel.«

»Ich weiß nicht«, sagte Perrin. »Alles war irgendwie verrückt, seit wir an die Aes Sedai gekommen sind.«

Verin sagte leise und mehr zu sich selbst, wobei sie immer noch den Boden anblickte: »Es muß ein Teil des Ganzen sein, doch inwiefern? Webt das Rad der Zeit Fäden in das Muster, von denen wir nichts ahnen? Oder berührt der Dunkle König das Muster gerade wieder?«

Perrin rann es kalt den Rücken herunter.

Verin blickte auf und sah, wie die Soldaten ihre Rüstungen abnahmen. »Beeilt Euch!« befahl sie in härterem Tonfall als Ingtar und Uno. »Wir müssen uns beeilen!«

Загрузка...