20 Saidin

Rand zog mit ihnen durch die Nacht und erlaubte ihnen lediglich eine kurze Rast bei Sonnenaufgang, um den Pferde eine Rast zu gönnen. Und er mußte auch Loial eine Pause gewähren. Da das Horn von Valere in seiner Gold-und-Silber-Truhe seinen Sattel in Anspruch nahm, ging oder lief der Ogier ohne Klagen vor seinem großen Pferd her. Er hielt sie auch nicht auf. Irgendwann in der Nacht hatten sie die Grenze nach Cairhien überquert.

»Ich möchte es wieder anschauen«, sagte Selene, als sie anhielten. Sie stieg ab und ging zu Loials Pferd hinüber. Ihre langen blassen Schatten zeigten nach Westen. Die Sonne blinzelte gerade eben über den Horizont. »Heb es mir herunter, Alantin!« Loial löste, die Schnallen. »Das Horn von Valere.«

»Nein«, sagte Rand und kletterte vom Rücken des Braunen. »Nein, Loial.« Der Ogier blickte von Rand zu Selene. Seine Ohren zuckten zweifelnd, aber er nahm die Hände weg.

»Ich möchte das Horn sehen«, verlangte Selene. Rand war sicher, daß sie nicht älter war als er selbst, aber in diesem Moment erschien sie ihm so alt und so kalt wie die Berge und majestätischer als Königin Morgase, wenn sie besonders streng war.

»Ich glaube, wir sollten den Dolch in seiner Verwahrung belassen«, sagte Rand. »Nach alledem, was ich gehört habe, kann es genauso gefährlich sein, ihn anzuschauen, wie ihn zu berühren. Laßt ihn, wo er ist, bis ich ihn in Mats Hände legen kann. Er... er kann ihn zu den Aes Sedai bringen.« Und was werden sie für diese Heilung verlangen? Doch er hat keine andere Wahl. Er fühlte sich ein wenig schuldig, weil er Erleichterung empfand, daß zumindest er nichts mehr mit den Aes Sedai zu tun haben mußte. Ich bin mit ihnen fertig. So oder so.

»Der Dolch! Alles, was Ihr im Kopf zu haben scheint, ist dieser Dolch. Ich sagte Euch doch, daß Ihr ihn loswerden müßt. Das Horn von Valere, Rand!«

»Nein.«

Sie kam mit einem Hüftschwung auf ihn zu, und er hatte das Gefühl, ihm sei etwas in der Kehle steckengeblieben. »Ich will es lediglich bei Tageslicht sehen. Ich werde es nicht einmal berühren. Ihr haltet es. Das bliebe mir in Erinnerung — Ihr mit dem Horn von Valere in den Händen.« Beim Sprechen nahm sie seine Hände in die ihren. Bei ihrer Berührung prickelte seine Haut, und der Mund trocknete ihm aus. Etwas, woran sie sich erinnern würde — wenn sie weg war... Er konnte den Deckel sofort wieder über dem Dolch schließen, wenn er das Horn aus der Truhe genommen hatte. Es wäre schon etwas, das Horn in Händen zu halten und es bei Tageslicht zu betrachten.

Wenn er nur mehr über die Prophezeiungen des Drachen gewußt hätte! Als er einmal gehört hatte, wie der Leibwächter eines Kaufmanns in Emondsfeld etwas davon erzählte, hatte Nynaeve dem Mann einen Besen um die Ohren gehauen, bis der Stiel abbrach. In dem wenigen, das er gehört hatte, war nichts über das Horn von Valere vorgekommen.

Die Aes Sedai wollen mich dazu bringen, daß ich tue, was sie wünschen. Selene sah ihm immer noch eindringlich in die Augen. Ihr Gesicht war so jung und schön, daß er sie am liebsten geküßt hätte — trotz seines mißtrauischen Gedankengangs. Niemals hatte sich eine Aes Sedai so benommen wie sie. Und sie sah so jung aus, nicht alterslos... Ein Mädchen meines Alters kann doch keine Aes Sedai sein. Aber...

»Selene«, fragte er leise, »seid Ihr doch eine Aes Sedai?«

»Aes Sedai«, fauchte sie fast. Sie stieß seine Hände weg. »Aes Sedai! Immer müßt Ihr mir das vorwerfen!« Sie holte tief Luft und strich ihr Kleid glatt, als wolle sie sich damit beruhigen. »Ich bin, was oder wer ich eben bin. Und ich bin keine Aes Sedai!«

Und dann hüllte sie sich in eine lautlose Kälte, gegen die selbst die Morgensonne kalt war.

Loial und Hurin ertrugen alles so gelassen, wie sie es vermochten, bemühten sich um eine Unterhaltung und verbargen ihre Verlegenheit, bis ihr Blick sie zum Schweigen brachte. Sie ritten weiter.

Als sie an diesem Abend ihr Lager neben einem Bergbach aufschlugen, der ihnen Fisch zum Abendessen bescherte, schien Selene sich wieder so weit in der Gewalt zu haben, daß sie mit dem Ogier über Bücher sprechen und freundlich mit Hurin plaudern konnte. Allerdings sprach sie kaum mit Rand; höchstens wenn er sie ansprach. Das war so an diesem Abend und den ganzen nächsten Tag über, während sie in den Bergen umherritten, die wie riesige gezackte graue Mauern neben ihnen aufragten. Es ging unaufhörlich aufwärts. Aber immer wenn er sie ansah, stellte er fest, daß sie ihn beobachtete und lächelte. Manchmal war es ein Lächeln, das ihn ermunterte, zurückzulächeln, manchmal allerdings mußte er sich räuspern und ob der eigenen Gedanken erröten, und manchmal war es das geheimnisvolle, wissende Lächeln, das er auch bei Egwene gelegentlich gesehen hatte. Bei dieser Art von Lächeln versteifte sich sein Rücken — aber wenigstens war es ein Lächeln.

Sie kann doch keine Aes Sedai sein.

Dann führte der Weg abwärts, und als bereits ein Versprechen der nahenden Dämmerung in der Luft lag, machte Brudermörders Dolch abgerundeten welligen Hügeln Platz, auf denen mehr Unterholz als Wald wuchs, mehr Hecken als Bäume. Es gab keine Straße, nur einen Feldweg, der vielleicht von Zeit zu Zeit von einem Karren befahren wurde. An einigen der Hügel waren terrassenförmige Felder angelegt worden. Das Getreide stand gut, aber um diese Zeit waren keine Menschen zu sehen. Die verstreut liegenden Bauernhöfe waren so weit von ihrem Weg entfernt, daß Rand kaum etwas erkennen konnte. Die Häuser waren aus Stein erbaut.

Als das Dorf vor ihnen auftauchte, leuchteten in einigen Fenstern bereits abendliche Lichter.

»Heute nacht schlafen wir in Betten«, sagte er.

»Das werde ich zu genießen wissen, Lord Rand.« Hurin lachte. Loial nickte zustimmend.

»Eine Dorfschenke«, murrte Selene. »Zweifellos schmutzig und voll von ungewaschenen Männern, die Bier saufen. Warum können wir nicht wieder unter den Sternen nächtigen? Mir ist bewußt geworden, daß ich gern unter freien Himmel schlafe.«

»Es würde Euch nicht gefallen, wenn uns Fain einholte, während wir schlafen«, sagte Rand. »Er und diese Trollocs. Er verfolgt mich, Selene. Er will auch das Horn, und er kann mich finden. Warum, glaubt Ihr, habe ich in den letzten Nächten so genau aufgepaßt?«

»Wenn Fain uns einholt, werdet Ihr mit ihm fertig.« Ihre Stimme klang kühl und selbstbewußt. »Und es könnte im Dorf auch Schattenfreunde geben.«

»Selbst dann, wenn sie wissen, wer wir sind, können sie in Gegenwart aller anderen Dorfbewohner nicht viel unternehmen. Oder glaubt Ihr, jeder Einwohner des Dorfs ist ein Schattenfreund?«

»Und wenn sie entdecken, daß Ihr das Horn bei Euch habt? Ob Ihr nun Ruhm sucht oder nicht — sogar die Bauern träumen davon.«

»Sie hat recht, Rand«, sagte Loial. »Ich fürchte, sogar Bauern wollen es möglicherweise stehlen.«

»Roll deine Decke auf, Loial, und wirf sie über die Truhe. Halte sie bedeckt.« Loial gehorchte, und Rand nickte. Es war klar zu sehen, daß sich unter der gestreiften Decke des Ogiers eine Kiste oder Truhe befand, aber nichts wies darauf hin, daß es sich um mehr als einen Reisekoffer handelte. »Die Kleidertruhe meiner Lady«, grinste Rand mit einer Verbeugung.

Selene begegnete seinem Scherz mit Schweigen und einem nicht zu deutenden Blick. Einen Augenblick später ritten sie weiter.

Fast im gleichen Moment wurde ein Strahl der untergehenden Sonne glitzernd von einem Gegenstand auf dem Boden reflektiert. Es war etwas Großes. Nach dem davon ausgehenden Strahlen war es sogar etwas sehr Großes. Neugierig wendete er sein Pferd.

»Lord Rand?« fragte Hurin. »Das Dorf?«

»Ich will mir das ansehen«, sagte Rand. Es strahlt heller als Sonnenschein auf dem Wasser. Was kann das sein?

Da er nur auf das reflektierte Licht achtete, überraschte es ihn, daß der Braune plötzlich stehenblieb. Beinahe hätte er den Hengst weiter vorangetrieben, doch rechtzeitig wurde ihm klar, daß sie an der Kante einer tiefen, enorm großen Lehmgrube standen. Der größte Teil des Hügels war bis zu einer Tiefe von mindestens hundert Schritt abgegraben worden. Bestimmt war sogar mehr als nur ein Hügel verschwunden und vielleicht noch einige Felder dazu, denn das Loch war bestimmt zehnmal so breit wie tief. Die entlegene Seite war offensichtlich zu einer Rampe festgetreten worden. Am Grund der Grube befanden sich Menschen, ein Dutzend vielleicht, die ein Feuer entfachten. Dort drunten war bereits Nacht. Hier und da spiegelte sich das letzte Tageslicht auf einer Rüstung, und an den Hüften der Männer hingen Schwerter. Rand beachtete sie kaum.

Aus dem Lehm am Grund der Grube ragte eine gigantische Steinhand, die eine Kristallkugel hielt, und diese war es, die den letzten Sonnenschein reflektierte. Rand bestaunte deren Größe. Er war sicher, daß sich nicht ein einziger Kratzer auf der Oberfläche der glatten Kugel befand, und sie hatte einen Durchmesser von mindestens zwanzig Schritt!

In einiger Entfernung von der Hand hatte man ein dementsprechend großes Steingesicht ausgegraben. Das Gesicht eines bärtigen Mannes erhob sich mit der Würde hohen Alters aus dem Lehm. Die breiten Gesichtszüge strahlten Weisheit und Wissen aus.

Ungebeten bildete sich das Nichts. Nach einem Augenblick war es bereits vollständig, und Saidin glühte und lockte. Er konzentrierte sich so auf das Gesicht und die Hand, daß ihm gar nicht klar wurde, was geschah. Er hatte einst gehört, wie ein Kapitän von einer riesigen Hand erzählte, die eine enorme Kristallkugel hielt. Bayle Domon hatte behauptet, sie stecke in einem Hügel auf der Insel Tremalking.

»Das ist gefährlich«, sagte Selene. »Kommt weg, Rand.«

»Ich glaube, ich sehe einen Weg hinunter«, sagte er abwesend. Saidin sang ihm ein Lied. Die riesige Kugel schien im Schein der untergehenden Sonne weiß zu glühen. Es schien ihm, daß in den Tiefen des Kristalls Licht wirbelte und im Rhythmus des Liedes von Saidin tanzte. Er fragte sich, warum die Männer dort unten das offensichtlich nicht bemerkten.

Selene ritt näher heran und faßte ihn am Arm. »Bitte, Rand, Ihr müßt mitkommen.« Er sah verblüfft ihre Hand an. Dann folgte sein Blick ihrem Arm bis hinauf zu ihrem Gesicht. Sie schien wirklich besorgt, vielleicht sogar voller Angst zu sein. »Wenn dieser Abhang nicht unter unseren Pferden nachgibt und wir uns beim Fallen den Hals brechen, dann sind diese Männer da unten Wachen, und niemand stellt Wachen auf, wenn jeder Vorbeikommende das hier sehen soll. Was hilft es Euch, wenn Ihr Fain abhängt, aber von den Wachen irgendeines Lords festgenommen werdet? Kommt weg von hier.«

Plötzlich — auch wenn es nur ein entfernter, flüchtiger Gedanke war — wurde ihm bewußt, daß ihn das Nichts umgab. Saidin sang, und die Kugel pulsierte. Er konnte es fühlen, ohne hinzusehen. Ihm kam die Idee, daß er nur das Lied von Saidin mitsingen mußte, damit das riesige Steingesicht den Mund öffnete und ebenfalls mitsang. Zusammen mit ihm und Saidin. Alle zusammen.

»Bitte, Rand«, sagte Selene. »Ich gehe auch mit Euch zum Dorf. Ich erwähne das Horn nicht mehr. Wenn Ihr nur mitkommt!«

Er ließ das Nichts fahren... aber es verschwand nicht. Saidin sang und das Licht in der Kugel schlug wie ein Herz. Wie sein Herz. Loial, Hurin, Selene, alle sahen ihn an, aber sie schienen das grandiose Leuchten der Kristallkugel nicht zu bemerken. Er versuchte das Nichts beiseite zu schieben. Es hielt ihm stand wie Granit. Er schwebte in einer Leere, die so hart war wie Stein. Das Lied von Saidin, das Lied der Kugel: Er fühlte, wie seine Knochen mitvibrierten. Zornig weigerte er sich, nachzugeben. Er fühlte tief in sich hinein. Ich werde nicht...

»Rand.« Er wußte nicht, wessen Stimme das war. ... fühlte nach dem Kern seines Seins, dessen, was er war...

... werde nicht...

»Rand.« Das Lied erfüllte ihn, füllte die Leere. ... berührte Stein, erhitzt von einer erbarmungslosen Sonne, abgekühlt von einer gnadenlosen Nacht... ... nicht...

Licht erfüllte ihn, blendete ihn.

»Bis der Schatten vergangen«, murmelte er, »bis das Wasser vergangen... «

Macht erfüllte ihn. Er war eins mit der Kugel.

»... in den Schatten mit gebleckten Zähnen... «

Die Macht war sein. Die Eine Macht war sein.

»... dem Sichtblender ins Auge spucken... «

Macht, um die Welt zu zerstören.

»... am letzten Tag!« Es brach als Schrei aus ihm heraus, und das Nichts war verschwunden. Der Braune scheute, als er schrie. Lehm bröckelte unter den Hufen des Hengstes ab und fiel in die Grube hinunter. Der großrahmige Hengst ging in die Knie. Rand beugte sich vor und nahm die Zügel fest in die Hand. Der Braune kletterte zurück in Sicherheit — ein Stück von der Abbruchkante entfernt.

Er sah, daß ihn alle anstarrten. Selene, Hurin, Loial, alle. »Was ist geschehen?« Das Nichts... Er faßte sich an die Stirn. Das Nichts hatte sich nicht verflüchtigt, als er es losließ, und das Glühen von Saidin war stärker geworden und... Er konnte sich an nichts weiter erinnern. Saidin. Ihm war kalt. »Habe ich... etwas angestellt?« Er runzelte die Stirn im Bemühen, sich zu erinnern. »Habe ich etwas gesagt?«

»Du hast lediglich steif wie eine Statue dagesessen«, sagte Loial, »und Selbstgespräche geführt. Ich konnte nicht verstehen, was du sagtest, bis du schließlich so laut ›Tag‹ geschrien hast, daß du damit Tote hättest erwecken können und dein armes Pferd beinahe über die Kante gescheucht hättest. Bist du krank? Du benimmst dich jeden Tag eigenartiger.«

»Ich bin nicht krank«, sagte Rand grob, fügte aber schnell besänftigend hinzu: »Es geht mir gut, Loial.« Selene betrachtete ihn mißtrauisch.

Aus der Grube erklangen Rufe der Männer. Die Worte waren nicht zu verstehen. »Lord Rand«, sagte Hurin, »ich glaube, diese Wachen haben uns mittlerweile entdeckt. Wenn sie einen Weg hier herauf kennen, können sie jede Minute da sein.«

»Ja«, sagte Selene, »laßt uns schnell weiterreiten.«

Rand blickte in die Grube und dann schnell wieder weg. In dem großen Kristall war nichts als das reflektierte Licht der Abendsonne zu sehen, aber er wollte nicht hinschauen. Er konnte sich beinahe erinnern... Da war etwas mit der Kugel gewesen. »Ich sehe keinen Anlaß, auf sie zu warten. Wir haben nichts angestellt. Suchen wir uns eine Schenke.« Er drehte den Braunen zum Dorf hin, und bald ließen sie die Grube und die rufenden Männer hinter sich zurück.

Wie viele Dörfer lag Tremonsien auf der Kuppe eines Hügels, aber wie schon bei den Bauernhöfen, an denen sie vorbeigekommen waren, hatte man auch hier den Hügel mit Hilfe von Trennmauern in Terrassen unterteilt. Steinhäuser mit quadratischem Grundriß standen auf immer gleichen Grundstücken mit immer gleichen Gärten dahinter. Ein paar gerade Straßen kreuzten sich genau im rechten Winkel.

Die Menschen schienen offen und freundlich zu sein. Sie blieben stehen und nickten einander zu, während sie in Eile die letzten Arbeiten vor Beginn der Nacht verrichteten. Es waren kleine Leute — keiner reichte Rand über die Schulter, und nur wenige waren so groß wie Hurin — mit dunklen Augen und blassen, schmalen Gesichtern. Sie waren dunkel gekleidet, bis auf ein paar, die farbige Schärpen über der Brust trugen. Küchengerüche erfüllten die Luft — Rand kannte die Gewürze nicht —, obwohl einige Frauen immer noch über ihre Türen gelehnt standen und miteinander plauderten. Die Türen waren geteilt, so daß der obere Teil offenstehen konnte, während der untere geschlossen blieb. Die Menschen musterten die Neuankömmlinge neugierig. Es gab kein Anzeichen von Feindseligkeit. Ein paar betrachteten Loial etwas länger — einen Ogier, der neben einem Pferd einherschritt, das so groß war wie ein Dhurranhengst —, aber nie so, daß es unhöflich wirkte.

Die Schenke auf der Kuppe des Hügels war auch ein Steingebäude wie alle im Dorf, und sie war deutlich durch ein bemaltes Schild gekennzeichnet, das über der breiten Eingangstür hing. ›Zu den Neun Ringen.‹ Rand schwang sich lächelnd aus dem Sattel und band den Braunen an einem der beringten Pfosten vor dem Gebäude fest. ›Die Neun Ringe‹ war seine Lieblingsgeschichte gewesen, als er noch ein Junge war, und war es wohl immer noch.

Selene machte immer noch einen unruhigen Eindruck, als er ihr beim Absteigen behilflich war. »Fühlt Ihr Euch wohl?« fragte er. »Ich habe Euch dort hinten doch wohl keine Angst eingejagt, oder? Der Braune würde nie mit mir über eine Klippe stürzen.« Er fragte sich, was wirklich geschehen war.

»Ihr habt mir Angst eingejagt«, sagte sie mit angespannter Stimme, »und ich ängstige mich nicht so leicht. Ihr hättet Euch selbst umbringen können... « Sie strich sich über das Kleid. »Reitet mit mir weiter. Heute abend. Jetzt gleich. Bringt das Horn mit, und ich werde immer an Eurer Seite bleiben. Denkt darüber nach. Ich an Eurer Seite und das Horn von Valere in Euren Händen. Und ich verspreche Euch, das ist nur der Anfang. Was könntet Ihr noch mehr wünschen?«

Rand schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht, Selene. Das Horn... « Er sah sich um. Ein Mann blickte gegenüber aus dem Fenster und zog dann die Vorhänge zu. Der Abend senkte sich über die Straßen, und außer Loial und Hurin war niemand zu sehen. »Das Horn gehört mir nicht. Das habe ich Euch doch gesagt.« Sie wandte ihm den Rücken zu. Ihr weißer Umhang trennte ihn von ihr wie eine Mauer.

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