20.

Er war in seinem Arbeitszimmer. Das monotone Rattern seiner Schreibmaschine empfing sie bereits auf der Treppe, untermalt vom dumpf dröhnenden Baß seiner Kopfhörer, die er wie üblich bis dicht an die Schmerzgrenze hin aufgedreht haben mußte. Liz blieb einen Moment unschlüssig vor der Tür stehen, ehe sie anklopfte und eintrat, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie bezweifelte, daß er das Klopfen hörte - aber Stefan haßte es, wenn er während der Arbeit gestört wurde, und er reagierte sehr aggressiv darauf, wenn sie sein Allerheiligstes unangemeldet betrat.

Aber sie konnte sich eigentlich nicht vorstellen, daß er jetzt schrieb. Nach allem, was in den letzten Tagen geschehen war, erschien es ihr fast unvorstellbar, daß jemand so etwas Banales tun konnte wie arbeiten.

Stefan telefonierte, als sie ins Zimmer trat. Die Kopfhörer, deren Musik sie draußen auf der Treppe gehört hatte, lagen neben ihm auf dem Schreibtisch. Als sie die Tür hinter sich zuschob, murmelte er ein hastiges »Bis bald«, legte den Hörer auf die Gabel und lächelte ihr zu. Die Schreibmaschine hämmerte noch immer. Es war keine normale Schreibmaschine, sondern einer dieser winzigen Halb-Computer, die Texte speichern und nach Belieben ausdrucken konnten. Stefan gab seine Texte immer recht schlampig ein und verbesserte und korrigierte sie so lange, bis sie seinen Vorstellungen (und denen seines Agenten) von Sauberkeit entsprachen. Im Moment hatte er den Drucker eingeschaltet, obwohl ihn das Hämmern sicher beim Telefonieren gestört hatte, und er machte auch keine Anstalten, das Gerät abzuschalten, als sie an ihm vorbeiging und sich in den einzigen freien Stuhl sinken ließ. Stefans Arbeitszimmer war riesig, verglichen mit dem winzigen Kämmerchen, das er vorher gehabt hatte, aber es gab außer seinem eigenen Stuhl nur eine einzige Sitzgelegenheit - was ganz und gar kein Zufall war. Stefans Arbeitszimmer war ein Sanktuarium, in dem Besucher nicht erwünscht waren; nicht einmal sie.

Manchmal - wie eben jetzt - setzte sie sich über dieses unausgesprochene Verbot hinweg, aber nicht sehr oft.

Sie verbiß sich im letzten Moment die Frage, mit wem er telefoniert hatte; Stefan telefonierte gerne und ausgiebig, aber er wurde ruppig, wenn sie ihn fragte, mit wem er gesprochen hatte und worüber. Meistens erzählte er es ohnehin von sich aus. »Du siehst schrecklich aus«, sagte Stefan nach einer Weile. »Warum gehst du nicht schlafen?« Er sah auf die Uhr. »Der Tag ist ohnehin fast vorbei.«

Liz machte eine Handbewegung, als wollte sie seine Worte beiseite schieben. »Wie kommst du mit deinem Buch voran?« fragte sie.

»Der Roman?« Stefan blickte flüchtig auf den Stapel beschriebenen Papiers, der sich im Auffangkorb seines Druckers angesammelt hatte. »Gut. Ich denke, in zwei, drei Tagen bin ich fertig.« Er lächelte, aber irgend etwas an seiner Freundlichkeit war unecht. Liz glaubte über deutlich etwas Falsches, Heimtückisches hinter seinem Lächeln zu fühlen.Mein Gott, dachte sie, was geschieht mit mir?

Aber sie konnte sich nicht dagegen wehren. Das Gefühl war zu stark. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, widerte er sie an. Ein Gefühl des Ab scheues, des Ekels wallte in ihr empor. Seine Worte schienen wie Hohn in ihren Ohren zu klingen, und allein seine Nähe war ihr mit einem Mal fast unerträglich. Sie mußte ihre ganze Willenskraft auf bieten, um nicht auf zuspringen und aus dem Zimmer zu rennen.

Auch Stefan schien die Veränderung zu bemerken. »Was hast du?« fragte er. »Nichts«, sagte sie ausweichend. »Ich ... fühle mich nicht wohl, das ist alles.«

»Na ja, das ist auch nicht weiter verwunderlich«, murmelte Stefan, nachdem er sie eine Weile schweigend beobachtet hatte. »Hast du deine Tabletten genommen?« Sie nickte, hob verlegen die Hand und schüttelte den Kopf.

»Aha«, machte Stefan. »Und was bedeutet das jetzt?«

»Daß ich sie nicht genommen habe, was sonst?« antwortete sie bissig. »Ich brauche keine Tabletten. Schließlich bin ich nicht krank.«

Stefan lächelte resignierend. »Hätte ich mir eigentlich denken können«, murmelte er. »Aber das spielt ja nun auch keine Rolle mehr. Die Hauptsache ist, du fühlst dich besser. Du fühlst dich doch besser, oder?«

»Das weiß ich noch nicht so genau«, gestand Liz, die sich der Tatsache vollkommen bewußt war, daß sie nicht nur leichenblaß sein mußte, sondern auch am ganzen Leib zitterte. Warum, zum Teufel, stellte er solche dummen Fragen? Er wußte ganz genau, was mit ihr los war!

»Es tut mir leid, was heute morgen passiert ist«, sagte er plötzlich. Die Worte kamen so unvermittelt, daß sie einen Moment brauchte, um überhaupt zu begreifen, worüber er sprach. »Du hattest völlig recht, wenigstens, was Peter angeht.« Er lächelte verlegen, als wüßte er nicht genau, wie er fortfahren sollte. Worauf wollte er hinaus? »Ich habe mich vorhin mit ihm unterhalten. Ziemlich lange sogar. Eigentlich ist er ein ganz netter Kerl. Ein wenig verschlossen, aber im Grunde ganz prima. Wußtest du, daßer eine Tochter hat?« Liz sah überrascht auf, nickte. »Das hat er dir erzählt?«

»Warum? Stimmt es nicht?«

»Doch, doch«, sagte Liz hastig. »Ich....wundere mich nur, daß er es dir erzählt hat.«

»Und warum sollte er nicht?« gab Stefan beleidigt zurück. »Du weißt es ja schließlich auch, oder? Du wußtest es sogar vor mir. Ohne es für nötig zu halten, mich darüber zu informieren.«

Liz überging den vorwurfsvollen Ton in seiner Stimme, als hätte sie ihn nicht gehört. »Ich habe den armen Kerl auch ganz schön unter Druck gesetzt, um die Wahrheit aus ihm herauszubekommen«, sagte sie. »Ich bin mir ziemlich mies dabei vorgekommen, wenn ich ehrlich sein soll.«

Stefan grinste. »Das hatte ich gar nicht nötig«, sagte er überlegen.

»So?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn sich zwei Männer wirklich verstehen, dann haben sie keine Geheimnisse voreinander.«

»Und gleich wirst du mir erzählen, daß es wahre Liebe sowieso nur unter Männern gibt«, seufzte Liz. »Du bist ganz schön chauvinistisch heute abend.«

»Wieso? Nur weil ich die Wahrheit sage?« Stefan lachte, ließ sich zurück sinken und starrte aus zusammengekniffenen Augen gegen die Decke. »Aber jetzt mal im Ernst, Liebling - warum hast du mir nichts davon gesagt?«

Liz zögerte sekundenlang. Sie war verwirrt. Wieso erwähnte er das Mädchen jetzt? Vorhin, unten im Hof, hatte sie selbst von Andy gesprochen, so unvermittelt, daß sie bis jetzt noch nicht genau wußte, warum sie es eigentlich getan hatte. Und jetzt Stefan... »Ich wollte, daß er es dir selbst erzählt. Ich wäre mir ziemlich gemein vorgekommen, wenn ich ihn verraten hätte.«

»Quatsch. Immerhin leben wir im zwanzigsten Jahrhundert. Es ist kein Kapitalverbrechen, ein uneheliches Kind zu haben.«

»Hier schon«, antwortete Liz kopfschüttelnd. »Es mag zwar das zwanzigste Jahrhundert sein, aber wir sind hier nicht in Frankfurt, sondern im tiefsten Ostfriesland.«

»Und?« witzelte Stefan. »Die Hanseaten sind zwar für ihre Sparsamkeit bekannt, aber so geizig, daß sie selbst an den Jahreszahlen sparen, sind sie nun auch wieder nicht.« Liz blieb ernst. »Immerhin reicht es, um Peter unter Druck zu setzen. Aber das hat er dir nicht erzählt, wie?«

Stefan machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es gibt hier keine Geheimnisse«, sagte er achtlos. »Es sei denn, irgend jemand interessiert sich für das Ende meines neuesten Romanes.«

»Wie kommst du damit voran?«

»Gut. Aber du lenkst ab, meine Liebe. Ich möchte im Augenblick nicht über mein neuestes Meisterwerk reden, sondern über Peter und seine Tochter.«

»Weshalb?« fragte Liz verstört. »Hast du plötzlich dein Herz für Kinder entdeckt?«

»Ich überlege, ob wir die Kleine nicht zu uns nehmen sollten.«

Diesmal brauchte Liz Sekunden, um ihre Überraschung zu überwinden. »Du willst - was!« fragte sie verblüfft.

Stefan schlug die Beine übereinander und lehnte sich soweit zurück, daß sein Stuhl bedrohlich zu schwanken begann. »Ich will überhaupt nichts«, sagte er sanft, »Es war nur eine Idee, die mir vorhin gekommen ist. Mehr nicht. Das Haus ist groß genug, und Peter könnte für sich ein oder zwei Zimmer herrichten, wenn wir es ihm gestatten. Und Arbeit ist genug da, auch für eine weitere Person. Weißt du«, fügte er mit einem leisen, entschuldigenden Lächeln hinzu, »wir müßten ihr noch nicht einmal etwas zahlen. Die Idee gefällt mir immer besser: Peter wäre glücklich, seine Tochter bei sich zu haben, die Kleine käme dorthin, wo sie hingehört, Ohlsberg hätte nichts mehr, womit er den armen Kerl unter Druck setzen könnte, und du hättest eine weitere Hilfe. Und Gesellschaft.«

»Hast du - schon mit Peter darüber gesprochen?« fragte Liz. Es fiel ihr schwer, die Worte zu artikulieren. Etwas...stimmte nicht. Sie wollte nicht über Andy sprechen. Sie war hierher gekommen, um mit Stefan über Ohlsberg zu reden, über ihn und über ihre Vision, und...

Sie konnte es nicht. Die Situation begann sich selbständig zu machen; nicht mehr sie war es, die die Dinge bestimmte, sondern die Dinge bestimmten ihr Handeln. So ungefähr, dachte sie voller kaltem Schrecken, mußte es sein, wenn sich eine von Stefans Romanszenen selbständig machte: Die Geschichte driftete in eine Richtung, die er nicht wollte, aber er war nicht fähig, sie auf den Kurs zurückzubringen, den er ihr zugedacht hatte. Ja, ganz genau so.

Aber dies war keine Geschichte, sondern die Wirklichkeit, und trotzdem fühlte sie sich mehr denn je wie eine Schauspielerin in einem schlechten Stück, nur daß das Drehbuch Realität hieß und der Regisseur ein unsichtbares Monstrum war, das sich in ihre Gedanken geschlichen hatte. Sie wollte nicht über Andy reden, sondern über Ohlsberg, aber das unsichtbare DING in ihren Gedanken scherte sich einen Dreck darum, was sie wollte. Aus irgendeinem Grunde hatte es sich entschieden, das Mädchen mit ins Spiel zu bringen, und es war nicht sehr wählerisch in seinen Mitteln. »Natürlich nicht«, sagte Stefan in diesem Moment, und Liz begriff, daß auch er plötzlich Teil dieses bösen Spieles geworden war. Er lächelte, aber wie vorhin kam es ihr falsch und hinterlistig vor. Sie versteifte sich unwillkürlich. Die Kluft zwischen ihnen wurde tiefer.

»Das ist alles einfacher entschieden als getan, weißt du?« fuhr er fort. »Ich wollte es erst mit dir besprechen... was hältst du davon? Natürlich geht das nicht von heute auf morgen«, fügte er rasch hinzu. »Wahrscheinlich wird es einen entsetzlichen Papierkrieg geben - ganz davon abgesehen, welchen Ärger Ohlsberg und die anderen machen werden. Aber wir könnten es zumindest versuchen.«

Aber sie wußten ja noch nicht einmal, ob Peter es wirklich wollte! dachte Liz entsetzt. Plötzlich fiel ihr ein, wie deutlicher ihre Worte ignoriert hatte, vorhin, als sie selbst die Möglichkeit erwähnte, daß Andy ihn irgendwann einmal hier auf dem Gut besuchen könnte.

Um so erschrockener war sie, als sie sich selbst antworten hörte: »Er könnte sich die beiden Gästezimmer zurechtmachen. Oder ein paar von den Räumen auf der Westseite. Ich... war vorhin unten. So schlimm ist es gar nicht. Mit ein bißchen Arbeit und gutem Willen...«

Stefan unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. »Gegen die Gästezimmer habe ich nichts«, sagte er, »aber die unteren Räume bleiben, wie sie sind. Du weißt doch, daß ich dort später ein Studio einrichten will. Die beiden Gästezimmer reichen vollkommen. Außerdem«, fügte er nach kurzem Überlegen hinzu, »wissen wir ja noch gar nicht, ob Peter überhaupt damit einverstanden ist.« Er grinste. »Wir sollten ihn fragen, ehe wir über seinen Kopf hinweg entscheiden.«

»Aber gerade sagtest du noch...«

»Ich weiß, was ich gerade gesagt habe«, unterbrach sie Stefan. »Ich habe nur gesagt, daß ich glaube, daß er nichts dagegen hat. Wir sollten ihn fragen, bevor wir uns entscheiden. Und wir sollten uns das Mädchen ansehen. Er hat dir doch gesagt, was mit ihr ist?«

»Sicher«, antwortete Liz. »Aber Ohlsberg hat auch behauptet, daß Peter nicht ganz richtig im Kopf wäre. Dabei ist er meiner Meinung nach normaler als die ganze Bande in Schwarzenmoor.«

Stefan lachte. »Jetzt übertreibst du, Liz.« Er stand auf, trat ans Fenster und zeichnete mit dem Finger ein Muster ausdünnen, parallel laufenden Linien auf das schmutzige Glas. »Soll ich ihn fragen, oder tust du es?«

»Wen?«

»Peter«, antwortete Stefan, ohne sich um zudrehen. Seine Gestalt erschien ihr mit einem Mal verspannt, obwohl er eigentlich ganz locker dastand.

»Warum mit einem Mal so eilig?«

»Warum nicht? Ich habe zwar gesagt, daß wir uns Zeit lassen wollen, aber...« Er seufzte, schüttelte abermals den Kopf und trat wie zufällig hinter sie. Liz überlegte, ob sie ihm von ihrem Erlebnis unten im Haus erzählen sollte, aber dann wagte sie es doch nicht. Er würde den Verständnisvollen spielen, wie immer, und insgeheim würde er sie nur für noch verrückter halten, als er es ohnehin tat. Hatte er recht damit? »Laß uns noch eine Nacht darüber schlafen«, fuhr Stefan fort, als sie nicht antwortete. Er legte die Arme um ihre Schultern und berührte wie zufällig ihre Brust. Liz schob seine Hand beiseite, und Stefan trat zurück; mit einer Bewegung, in der sie Verärgerung bemerkte.

»Was hast du?« fragte er. Seine Stimme klang deutlich kälter. »Irgend etwas stimmt nicht mit dir. Was ist es?«

Liz zögerte noch. Aber verdammt, schließlich war sie hier hergekommen, um mit ihm über Ohlsberg zu sprechen!

Und jetzt konnte sie es. Plötzlich wehrte sich die Geschichte nicht mehr, ihrem Willen zu folgen: Stefan hatte ausgesprochen, was getan werden mußte, und für heute schien der Wille jenes unsichtbaren Regisseurs befriedigt.

»Es ist wegen Ohlsberg«, sagte sie.

Stefan seufzte. Er lächelte noch immer, aber war jetzt noch unechter. »Natürlich«, murmelte er und schüttelte den Kopf. »Weshalb wohl auch sonst? Aber bitte - was ist jetzt schon wieder mit ihm?« Seine Stimme wurde weicher, während er sprach, und seine Finger spielten mit den kurzen Locken in ihrem Nacken, berührten ihr Ohr. Sie spürte, wie sich sein Atem beschleunigte. Verdammt, wie konnte er jetzt an Sex denken?! Wieder wich sie einen Schritt vor ihm zurück, und wieder spürte sie, wie er sich versteifte. Aber auch diesmal unterdrückte er seinen Zorn.

»Wie gut kennst du ihn?« fragte sie. »Ich meine, außer den paar Malen, an denen wir ihn gemeinsam gesehen haben?«

»Nicht viel besser als du. Warum?«

»Glaubst du, daß er etwas gegen uns hat?«

»Warum sollte er?« Stefans Stimme war ein leises, kaum wahrnehmbares Flüstern neben ihrem linken Ohr. »Du hast ihn heute morgen ganz schön auf die Palme gebracht. Aber er wird sich wieder beruhigen. Er ist nicht so schlimm, wie du glaubst.«

»Er ist...«

»Unheimlich?« Stefan lachte. »Ja. Das ist er zweifellos. Aber er ist ganz bestimmt nicht gefährlich, wenn du das meinst. Ein sonderbarer alter Kauz, mehr nicht.«

»Und es macht dir nichts aus, daß er Peter zu uns geschickt hat, um uns nachzuspionieren?«

»Natürlich nicht.« Stefans Stimme klang so ungerührt, als spräche er über das Wetter oder das heutige Fernsehprogramm. Er war kein bißchen überrascht. »Warum sollte es auch? Es ist sein gutes Recht...«

»Sein - Recht?« wiederholte Liz fassungslos. Die Hand auf ihrer Schulter fühlte sich plötzlich kalt an. Ein Stein, der wie eine drückende Last auf ihr lag. Sie streifte sie ab. Stefan folgte ihr.

»In gewissem Sinne schon. Und es stört mich nicht einmal.«

Das war doch nicht der Stefan, den sie kannte! dachte sie ungläubig. Irgend etwas war mit ihm geschehen. Noch vor ein paar Wochen wäre er wie eine Rakete in die Luft gegangen, wenn sie ihm erzählt hätte, daß ihm jemand nachspionierte. Es gab für Stefan nichts Heiligeres als sein Privatleben. Selbst ihr gegenüber bewahrte er Distanz. Nicht einmal sie kannte ihn ganz genau.

»Siehst du«, fügte er hinzu, als er ihr Erstaunen bemerkte, »auch das ist einer der Gründe, aus denen ich dieses Mädchen gerne kennenlernen möchte. Ich glaube, Ohlsberg setzt Peter mit ihr unter Druck. Und das gefällt mir nicht.« Liz mußte all ihre Willenskraft auf bieten, um nicht die Antwort zu geben, die er offensichtlich erwartete. Er hatte recht, tausendmal recht, aber sie wollte nicht schon wieder über Andy reden.

»Er war hier«, sagte Liz stockend. »Er war draußen, bei der Ruine. Vorhin.«

»Er war was!« Er ließ ihre Schultern los, drehte sie mit sanfter Gewalt herum und sah ihr ernst in die Augen. »Hierbei uns? Auf dem Hof?«

Liz nickte. Sie sah die Gestalt noch einmal vor sich, deutlich und klar. Die kräftigen Hände, die breiten Schultern, die großen, dunklen Augen... Es gab keinen Zweifel. Es war Ohlsberg gewesen.

»Ich habe ihn gesehen«, sagte sie. »Einen Moment nur, aber ich bin ganz sicher. Er war wieder hier. Er... er spioniert uns nach, Stefan. Ich habe Angst vor ihm.«

»Wann?« schnappte Stefan. Plötzlich klang seine Stimme lauernd. »Wann genau hast du ihn gesehen?«

»Jetzt. Vor zehn Minuten.«

»Und - du bist ganz sicher?« fragte er, In seinen Augen lag plötzlich ein seltsamer, schwer zu deutender Ausdruck.

»Ich bin sicher.« Verdammt, was sollte diese Frage?

Stefan zögerte. Liz spürte, wie schwer es ihm fiel, auf ihre Frage zu antworten. Schließlich deutete er auf das Telefon.

»Du erinnerst dich, daß ich telefoniert habe, als du hereingekommen bist?«

»Und? Worauf willst du hinaus?« Sie verstand nicht, was der lauernde Unterton in seiner Stimme bedeutete, aber sie fühlte eine immer stärker werdende Beunruhigung. In seinem Blick war etwas, das ...

»Ich habe mit Ohlsberg gesprochen«, sagte Stefan ruhig. »Ich habe ihn angerufen. In Schwarzenmoor angerufen, Liz. Und wir haben fast eine Viertelstunde miteinander geredet. Er kann nicht hier draußen gewesen sein.«

»Du hast...«

»Ich habe mit ihm gesprochen. Jetzt gerade.« Stefan deutete auf das Telefon. »Ich habe ihn angerufen, Liz, nicht er mich. Er kann nicht hier gewesen sein.« Er seufzte. »Was immer du gesehen hast - Ohlsberg war es jedenfalls nicht.«

Загрузка...