20 Eine Frage des Verrats

Auf dem Weg zu den engen Zwingern ganz oben im Tarasin-Palast hielt Bethamin ihr Schreibbrett sorgfältig fest. Manchmal löste sich der Korken des Tintenfasschens und Tintenflecken waren so schwierig aus der Kleidung zu entfernen. Sie gab sich große Mühe, ständig so vorzeigbar zu sein, als müsste sie vor einer Angehörigen des Hohen Blutes erscheinen. Sie sagte kein Wort zu Renna, mit der sie sich heute den Inspektionsdienst teilte. Sie sollten ihre Pflicht erfüllen, nicht miteinander plaudern. Das war ein Grund. Während andere alles daransetzten, eine perfekte Verbindung mit ihrer Lieblings-Damane einzugehen, die seltsamen Sehenswürdigkeiten dieses Landes mit großen Augen anstarrten und über die hier zu erringenden Belohnungen spekulierten, konzentrierte sie sich auf ihre Pflichten, bat um die schwierigsten Marath'damane, die man für den A'dam zähmen müsste, und arbeitete doppelt so hart und lang wie alle anderen.

Der Regen hatte endlich aufgehört und die Zwinger in Stille zurückgelassen. Endlich würden die Damane ihren Auslauf bekommen — die meisten wurden mürrisch, wenn sie zu lange eingesperrt waren, und die provisorischen Zwinger engten zu sehr ein —, aber leider war sie heute nicht zum Rundgang eingeteilt worden. Renna wurde das nie, obwohl sie einst Suroths beste Ausbilderin gewesen und respektiert worden war. Manchmal vielleicht ein wenig grob, aber ausgesprachen fähig. Früher waren alle der Meinung gewesen, dass man sie trotz ihrer Jugend bald zur Der'sul'dam machen würde. Die Dinge hatten sich geändert. Es gab immer mehr Sul'dam als Damane, doch keiner konnte sich daran erinnern, dass Renna seit Falme sie selbst gewesen war, sie oder Seta, die Suroth damals in ihre persönlichen Dienste genommen hatte. Wie jedermann klatschte auch Bethamin bei einem Becher Wein gern über das Blut, aber wenn sich das Gespräch Renna oder Seta zuwandte, enthielt sie sich jeden Kommentars. Doch sie dachte oft an sie.

»Ihr fangt auf der anderen Seite an, Renna«, befahl sie. »Und? Wollt Ihr wieder wegen Faulheit Essonde gemeldet werden?«

Vor Falme hatte die Frau eine beinahe überwältigende Selbstsicherheit an den Tag gelegt, aber jetzt zuckte ein Muskel in ihrer blassen Wange, und sie warf Bethamin ein kränkliches, unterwürfiges Lächeln zu, bevor sie in das Labyrinth der schmalen Zwingergänge tauchte und dabei ihr langes Haar berührte, als hätte sie Angst, es könnte in Unordnung sein. Bis auf ihre engsten Freunde schubste sie jeder zumindest ein wenig herum und zahlte ihr den hochmütigen Stolz zurück. Tat man es nicht, fiel man auf, etwas, das Bethamin außer bei sorgfältig geplanten Gelegenheiten vermied. Ihre eigenen Geheimnisse waren so tief vergraben, wie es ihr nur möglich gewesen war, und sie hielt den Mund über die Geheimnisse, die ihres Wissens nach niemandem bekannt waren, aber sie wollte in jedermann den Eindruck verankern, dass Bethamin Zeami dem Bild einer perfekten Sul'dam entsprach. Sie strebte nach absoluter Perfektion, für sich selbst und bei den Damane, die sie abrichtete.

Sie machte sich tatkräftig und effizient an ihre Inspektion, vergewisserte sich, dass die Damane sich und ihre Zwinger sauber gehalten hatten, machte auf dem obersten der auf dem Schreibbrett befestigten Blätter einen Eintrag in ihrer sauberen Handschrift, wenn eine darin versagt hatte, und trödelte nicht herum, es sei denn, sie belohnte diejenigen, die sich in ihrer Abrichtung besonders hervortaten, mit harten Bonbons. Die meisten von jenen, mit denen sie eine Verbindung eingegangen war, begrüßten ihr Eintreten mit einem Lächeln, selbst wenn sie niederknieten. Ob sie aus dem Kaiserreich kamen oder von dieser Seite des Ozeans, sie wussten, dass sie streng aber gerecht war. Andere lächelten nicht. Vor allem die Damane der Atha'an Miere sahen ihr mit steinernen Gesichtern entgegen, die genauso dunkel wie ihr eigenes waren oder von mürrischer Wut erfüllt wurden, die sie zu verbergen glaubten.

Sie notierte sie wegen ihrer Wut nicht zur Bestrafung, wie es einige andere getan hätten. Sie glaubten noch immer, sie würden Widerstand leisten, aber unziemliche Forderungen nach der Rückgabe ihres scheußlichen Schmucks waren bereits eine Sache der Vergangenheit, und sie knieten nieder und sprachen so, wie es sich gehörte. Bei den schwierigsten Fällen war ein neuer Name ein nützliches Werkzeug, es schuf einen Bruch zu dem, was gewesen war, und sie reagierten darauf, wenn auch zögernd. Das Zögern würde sich geben, zusammen mit den mürrischen Blicken, und schließlich würden sie sich kaum noch daran erinnern, jemals einen anderen Namen gehabt zu haben. Es war ein bekanntes Muster und wiederholte sich so sicher wie der Sonnenaufgang. Einige akzeptierten sofort, einige versanken in einen Schockzustand, wenn sie erfuhren, was sie waren. Es gab immer eine Hand voll, die im Verlauf von Monaten widerwillig an Boden nachgaben, während andere am einen Tag kreischend protestierten, es sei ein schrecklicher Fehler begangen worden, sie könnten unmöglich den Test nicht bestanden haben, und am nächsten Tag kam Ergebenheit und Ruhe. Auf dieser Seite des Ozeans unterschied es sich in Einzelheiten, aber ob hier oder im Reich, das Endresultat war das gleiche.

Bei zweien der Damane machte sie Notizen, bei denen es nicht um Ordentlichkeit ging. Zushi, eine Atha'an Miere, die größer als sie selbst war, wurde definitiv zur Prügelstrafe aufgeschrieben. Ihre Kleidung war zerknittert, ihr Haar ungekämmt, das Bett ungemacht. Aber ihr Gesicht war vom Weinen verquollen, und sie hatte sich noch nicht richtig hingekniet als sie von erneutem Schluchzen geschüttelt wurde und Tränen ihr die Wangen hinunterliefen. Das graue Kleid, das man ihr so sorgfältig angepasst hatte, hing nun lose, und sie war von Anfang an alles andere als dick gewesen. Bethamin hatte Zushi selbst ihren Namen verliehen und sie verspürte eine besondere Besorgnis. Sie löste den Stift mit der Stahlspitze, tauchte ihn ein und notierte den Vorschlag, Zushi aus dem Palast an einen anderen Ort zu bringen, wo man sie mit einer Damane aus dem Reich in einem Doppelzwinger halten konnte, vorzugsweise mit einer, die Erfahrung darin hatte, zur Herz-Freundin einer frisch angeleinten Damane zu werden. Früher oder später ließ das die Tränen immer versiegen.

Allerdings war sie sich nicht sicher, ob Suroth es erlauben würde. Natürlich hatte Suroth diese Damane für die Kaiserin beansprucht — jeder, der auch nur ein Zehntel dieser Menge in seinem persönlichen Besitz hätte, würde sich dem Verdacht aussetzen, eine Rebellion zu planen oder sogar geradeheraus dessen beschuldigt werden —, aber sie benahm sich, als gehörten sie ihr. Falls Suroth Einspruch erhob, würde man einen anderen Weg finden müssen. Bethamin weigerte sich, eine Damane an die Verzweiflung zu verlieren. Sie weigerte sich, eine Damane aus irgendeinem Grund zu verlieren.

Meine Herren! Die Zweite, die einen besonderen Kommentar erhielt, war Tessi, und hier erwartete sie keine Einwände.

Die Illianerin kniete anmutig und mit in Taillenhöhe gefalteten Händen nieder, sobald Bethamin die Tür öffnete. Das Bett war gemacht, die grauen Kleider hingen sauber und ordentlich an ihren Haken, Bürste und Kamm lagen ordentlich auf dem Waschstand und der Boden war gefegt. Bethamin hatte auch nicht weniger erwartet. Tessi war von Anfang an ordentlich gewesen. Sie nahm auch hübsch zu, nachdem sie gelernt hatte, ihren Teller zu leeren. Von den Süßigkeiten abgesehen wurde die Ernäherung der Damane streng reguliert; eine kranke Damane war eine Verschwendung. Allerdings würde man Tessi niemals mit Schleifen schmücken und an einem Wettbewerb für die hübscheste Damane teilnehmen lassen. Selbst entspannt schien ihr Gesicht mit einem permanentem Stirnrunzeln versehen zu sein. Aber heute zeigte sie ein kaum wahrnehmbares Lächeln, von dem Bethamin überzeugt war, dass es auch schon vor ihrem Eintreten da gewesen war. Tessi gehörte nicht zu denen, von denen sie ein Lächeln erwartete, noch nicht.

»Wie geht es meiner kleinen Tessi heute?«, fragte sie.

»Tessi geht es sehr gut«, erwiderte die Damane ohne zu zögern. Zuvor hatte sie stets um die richtigen Worte kämpfen müssen und erst gestern die letzte Prügelstrafe bekommen, weil sie die sofortige Antwort verweigert hatte.

Bethamin legte nachdenklich den Finger ans Kinn und betrachtete die kniende Damane. Sie misstraute jeder Damane, die sich einst Aes Sedai genannt hatte. Geschichte faszinierte sie und sie hatte sogar Übersetzungen aus den zahllosen Sprachen vor dem Beginn der Vereinigung gelesen. Jene uralten Herrscher ergötzten sich an ihrer mörderischen Tyrannei und schrieben voller Begeisterung auf, wie sie an die Macht kamen und Nachbarstaaten zerstörten und andere Herrscher unterjochten. Die meisten waren durch Attentate gestorben, oft durch die Hand ihrer eigenen Nachkommen oder Anhänger. Sie wusste ganz genau, wie Aes Sedai waren.

»Tessi ist eine gute Damane«, murmelte sie freundlich und nahm ein Bonbon aus der Tüte in ihrer Gürteltasche. Tessi beugte sich vor, um es entgegenzunehmen und dankbar ihre Hand zu küssen, aber das Lächeln flackerte etwas, obwohl es, als sie sich das rote Bonbon in den Mund stopfte, wieder da war. So. Darum also ging es, nicht wahr? Es war nichts Neues, dass man etwas vortäuschte, um das Misstrauen der Sul'dam einzuschläfern, zog man jedoch in Betracht, was Tessi gewesen war, dann war es doch sehr wahrscheinlich, dass sie eine Flucht plante.

Draußen im Korridor notierte Bethamin den dringenden Vorschlag, Tessis Ausbildung zusammen mit ihren Bestrafungen zu verdoppeln und sie nur sporadisch zu belohnen, sodass sie sich niemals sicher sein konnte, dass selbst Perfektion niemals mehr als ein Kopftätscheln ergab. Es war eine raue Methode, die sie normalerweise vermied, aber aus irgendeinem Grund verwandelte sie die störrischste Marath'damane in bemerkenswert kurzer Zeit in eine fügsame Damane. Und eine lammfromme Damane. Sie brach die Persönlichkeit einer Damane nur ungern, aber Tessi musste für das A'dam gebrochen werden, damit sie die Vergangenheit vergessen konnte. Am Ende würde sie viel glücklicher sein.

Bethamin war früher fertig als Renna und wartete am Fuß der Treppe, bis die andere Sul'dam herunterkam. »Bringt dies zu Essonde, wenn Ihr mit Eurem Bericht fertig seid«, sagte sie und hielt Renna ihr Schreibbrett entgegen, bevor sie die letzte Stufe hinuntergestiegen war. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, akzeptierte Renna die neue Aufgabe so demütig wie zuvor die anderen Befehle und eilte los; sie betrachtete das zweite Schreibbrett, als würde sie sich fragen, ob dort auch ein Bericht über sie geschrieben stand. Nach Falrne war sie eine andere Frau geworden.

Nachdem sich Bethamin ihren Umhang geholt und den Palast verlassen hatte, wollte sie zu dem Gasthaus, in dem sie sich mit zwei anderen Sul'dam gezwungenermaßen ein Bett teilen musste, aber nur lange genug, um ein paar Münzen aus ihrer abschließbaren Truhe zu holen. Die Inspektion war heute ihre einzige Pflicht gewesen und der Rest des Tages gehörte ihr. Statt sich zusätzliche Aufgaben aufzubürden, würde sie ihn ausnahmsweise dazu nutzen, Andenken zu kaufen. Vielleicht einen dieser Dolche, den die Einheimischen am Hals trugen, vorausgesetzt, sie konnte einen ohne Juwelen finden, die hier am Griff so beliebt waren. Und natürlich Lackarbeiten; die waren hier so gut wie im Kaiserreich und die Muster waren so... fremdartig. Einkaufen würde beruhigend sein. Sie brauchte das.

Die Pflastersteine des Mol Hara glänzten noch immer feucht vom Morgenregen und die Luft war von einem angenehmen Salzgeruch erfüllt, der sie an ihr Heimatdorf am See von L'Heye erinnerte, wo sie zur Welt gekommen war, auch wenn die schneidende Kälte sie den Umhang enger um ihren Körper ziehen ließ. In Abunai war es niemals so kalt gewesen, und sie hatte sich nie daran gewöhnen können, ganz egal, wie weit gereist sie war. Aber die Erinnerungen an Zuhause boten keinen Trost. Während sie sich ihren Weg durch die überfüllten Straßen bahnte, drängten sich die Gedanken an Renna und Seta so sehr in den Vordergrund, dass sie andere Leute anrempelte und beinahe vor den Wagenzug eines Händlers gelaufen wäre, der die Stadt verließ. Ein Ruf der Kutscherin drang zu ihr durch und sie sprang gerade rioch rechtzeitig zurück. Der Wagen polterte genau dort, wo sie eben gestanden hatte, über das Straßenpflaster, und die Frau auf dem Kutschbock, die die Peitsche schwang, hatte keinen Blick für sie übrig. Diese Fremden hatten keine Vorstellung davon, welcher Respekt einer Sul'dam zustand.

Renna und Seta. Jeder, der in Falme dabei gewesen war, trug Erinnerungen in sich, die er vergessen wollte, Erinnerungen, über die sie nicht sprachen, es sei denn, sie hatten zu viel getrunken. Sie hatte auch welche, aber bei ihr ging es nicht um das Grauen, gegen vage bekannte Geister aus den Legenden zu kämpfen oder die Bestürzung der Niederlage oder Visionen des Wahnsinns am Himmel. Wie oft hatte sie sich gewünscht, an diesem Tag nicht nach oben gegangen zu sein? Wenn sie sich doch nur nicht gefragt hätte, wie es Tuli ging, der Domäne mit den wunderbaren Fertigkeiten in der Metallverarbeitung. Aber sie hatte in Tulis Zwinger hineingeschaut. Und gesehen, wie Renna und Seta verzweifelt versucht hatten, die A'dam von ihren Hälsen zu entfernen; sie hatten auf den Knien vor Schmerzen geschrien, und die Übelkeit hatte sie schwanken lassen, während sie an den Kragen herumrissen. Erbrochenes beschmutzte die Vorderseiten ihrer Gewänder. In ihrer wilden Panik hatten sie nicht gesehen, wie sie entsetzt zurückwich.

Nicht wegen des schrecklichen Anblicks, zwei Sul'dam als Marath'damane entlarvt zu sehen, sondern wegen des plötzlichen Grauens, das in ihr emporstieg. Sie glaubte oft, die Gewebe der Damane beinahe sehen zu können, und sie spürte immer die Anwesenheit einer Damane und erkannte, wie stark sie war. Das konnten viele der Sul'dam; jeder wusste, dass das von der langen Erfahrung im Umgang mit den Damane kam. Aber der Anblick dieses verzweifelten Paars weckte unwillkommene Gedanken, verlieh dem, was sie immer akzeptiert hatte, ein neues und Furcht erregendes Aussehen. Sah sie die Gewebe nur beinahe oder tatsächlich? Manchmal glaubte sie sogar, das Lenken der Macht zu fühlen. Selbst Sul'dam mussten sich bis zum fünfundzwanzigsten Namensgebungstag dem jährlichen Test unterziehen, und sie hatte bestanden, indem sie jedes Mal versagt hatte. Nur... Sobald man Renna und Seta entdeckte, würde es einen neuen Test geben, um die Marath'damane aufzuspüren, die dem ersten entgangen waren. Ein solcher Schlag würde möglicherweise das Reich selbst erschüttern. Und noch während sich das Bild von Renna und Seta in ihr Gedächtnis brannte, hatte sie mit unumstößlicher Sicherheit gewusst, dass Bethamin Zeami nach diesem neuen Test keine respektierte Bürgerin mehr sein würde. Stattdessen würde eine Damane namens Bethamin dem Reich dienen.

Die Scham ließ sie noch immer erstarren. Sie hatte ihre eigenen Ängste vor die Bedürfnisse des Reiches gestellt, vor alles, von dem sie wusste, dass es richtig und gut war. Der Krieg kam nach Falme und mit ihm die Albträume, aber sie hatte sich nicht unverzüglich mit einer Damane verbunden und sich in die Schlachtformation eingereiht. Stattdessen hatte sie die Verwirrung ausgenutzt, um sich ein Pferd zu besorgen und zu fliehen, und zwar so schnell und so weit sie nur konnte.

Ihr wurde bewusst, dass sie stehen geblieben war und in das Schaufenster einer Schneiderin starrte, ohne überhaupt wahrzunehmen, was dort ausgestellt war. Nicht, dass sie es sehen wollte. Das blaue Gewand mit den Silberblitzen auf den roten Rechtecken war das einzige, das sie seit Jahren tragen wollte. Und sie würde mit Sicherheit nichts anziehen, das sie auf so unanständige Weise entblößte. Mit rauschenden Röcken ging sie weiter, aber sie konnte Renna und Seta nicht aus ihren Gedanken verbannen. Oder Suroth.

Offensichtlich hatte Alwhin die mit Kragen versehenen Sul'dam gefunden und sie Suroth gemeldet. Und Suroth hatte das Reich beschützt, indem sie Renna und Seta beschützte, so gefährlich das auch war. Was war, wenn sie plötzlich anfingen, die Macht zu lenken? Vielleicht wäre es für das Reich besser gewesen, wenn sie ihren Tod arrangiert hätte, obwohl es selbst für einen Angehörigen des Hohen Blutes Mord war, eine Sul'dam zu töten. Zwei verdächtige Todesfälle unter den Sul'dam hätte mit Sicherheit die Sucher der Wahrheit auf den Plan gerufen. Also blieben Renna und Seta frei, falls man es als Freiheit bezeichnen konnte, wenn ihnen nie wieder erlaubt wurde, sich zu verbinden. Alwhin hatte ihre Pflicht getan und war geehrt worden, indem sie zu Suroths Stimme wurde. Suroth hatte ebenfalls ihre Pflicht getan, egal, auf welch widerwärtige Weise auch immer. Es gab keine neue Prüfung. Ihre Flucht war völlig umsonst gewesen. Und wäre es geblieben, wäre sie nicht in Tanchico gelandet — ein Albtraum, den sie noch verzweifelter vergessen wollte als Falme.

Eine Abteilung der Totenwache marschierte vorbei, prächtig anzuschauen in ihrer Rüstung, und Bethamin blieb stehen, um ihnen zuzusehen. Sie hinterließen in der Menge eine Spur wie ein Schiff unter vollen Segeln sein Kielwasser. In Stadt und Land würde Begeisterung herrschen, wenn sich Tuon endlich enthüllte, und es würde Feste geben, als wäre sie gerade erst eingetroffen. Auf diese Weise an die Tochter der Neun Monde zu denken verursachte bei ihr einen leisen Schauder, so wie in ihrer Kindheit, wenn sie etwas Verbotenes getan hatte. Natürlich war Tuon, solange sie den Schleier trug, nur die Hochlady Tuon, die den gleichen Rang wie Suroth bekleidete. Die Männer der Totenwache trampelten vorbei, Herz und Seele Kaiserin und Reich gewidmet, und Bethamin ging in die entgegengesetzte Richtung. Was nur passend war, da sie Herz und Seele der Erhaltung ihrer persönlichen Freiheit gewidmet hatte.

Die Goldenen Schwäne des Himmels war ein pompöser Name für ein winziges Gasthaus, das man zwischen einen Mietstall und einem Lackarbeitenladen gequetscht hatte. Der Lackarbeitenladen war voller Offiziere, die ihn leer kauften, der Stall war voller Pferde, die durch die Lotterie gekauft und noch nicht zugeteilt worden waren und Die Goldenen Schwäne war voller Sul'dam. Tatsächlich war es bis unters Dach mit ihnen gefüllt, zumindest nach Anbrach der Nacht. Bethamin hatte Glück, nur zwei Bettgefährtinnen zu haben. Die Wirtin hatte den Befehl erhalten, so viele aufzunehmen, wie sie nur konnte, und packte vier oder fünf in ein Bett, wenn sie glaubte, sie würden hineinpassen. Doch das Bettzeug war sauber und das Essen gut, wenn auch seltsam. Und da die Alternative höchstwahrscheinlich aus einer Scheune bestanden hätte, teilte sie gern.

Zu dieser Stunde waren die runden Tische im Schankraum leer. Einige der hier wohnenden Sul'dam gingen ihren Pflichten nach und der Rest wollte einfach der Wirtin aus dem Weg gehen. Mit verschränkten Armen und finsterer Miene sah Darnella Shoran mehreren Schankmägden dabei zu, wie sie emsig den Boden wischten. Sie war eine dürre Frau mit grauem, im Nacken zu einem Knoten gebundenem Haar und einem langen Kinn, das ihr einen kriegerischen Ausdruck verlieh; trotz des lächerlichen Dolches, den sie trug und dessen Griff mit billigen roten und weißen Edelsteinen übersät war, hätte sie eine Der'sul'dam sein können. Angeblich waren die Schankmägde freie Bürgerinnen, aber wenn die Wirtin sprach, sprangen sie wie Sklavinnen.

Bethamin zuckte leicht zusammen, als die Frau zu ihr herumfuhr. »Ihr kennt meine Regeln, was Männer angeht, Frau Zeami?«, verlangte sie zu wissen. Selbst nach all dieser Zeit erschien die langsame Weise, wie diese Leute redeten, seltsam. »Ich habe von Euren fremdländischen Sitten gehört, und wenn Ihr so seid, ist das Eure Sache, aber nicht unter meinem Dach. Wenn Ihr Euch mit Männern treffen wollt, dann tut das an einem anderen Ort.«

»Ich versichere Euch, Frau Shoran, ich habe mich weder hier noch woanders mit Männern getroffen.«

Die Wirtin musterte sie misstrauisch. »Nun, einer kam und hat namentlich nach Euch verlangt. Ein hübscher blonder Mann. Kein Junge mehr, aber auch nicht besonders alt. Einer von Eurem Haufen, der seine Worte so dehnt, dass man ihn kaum verstehen kann.«

Bethamin bemühte sich um einen beschwichtigenden Tonfall und tat ihr Bestes, die Frau davon zu überzeugen, dass sie niemanden kannte, auf den diese Beschreibung zutraf und dass sie bei ihren Pflichten für Männer keine Zeit hatte. Beides entsprach der Wahrheit, obwohl sie falls nötig gelogen hätte. Das Gasthaus war nicht requiriert worden und drei in einem Bett war einer Scheune bei weitem vorzuziehen. Sie versuchte herauszufinden, ob die Frau möglicherweise einem kleinen Geschenk nicht abgeneigt war, wenn sie einkaufen ging, aber die Wirtin schien richtig gehend beleidigt zu sein, als sie andeutete, einen Dolch mit bunteren Edelsteinen besorgen zu wollen. Sie hatte an nichts Teures gedacht, keine Bestechung — jedenfalls keine richtige —, aber Frau Shoran schien es so aufzufassen, plusterte sich auf und runzelte indigniert die Stirn. Auf jeden Fall hatte sie nicht den Eindruck, die Meinung der Frau auch nur um ein Haar geändert zu haben. Aus irgendeinem Grund schien die Wirtin zu glauben, dass sie ihre ganze Freizeit mit Ausschweifungen verbrachte. Sie hatte die Stirn noch immer gerunzelt, als Bethamin die geländerlose Treppe an der Seite des Schankraums emporstieg und dabei so tat, als würde sie an nichts anderes als ans Einkaufen denken.

Doch die Identität des Mannes bereitete ihr Sorgen. Die Beschreibung sagte ihr tatsächlich nichts. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er auf ihre Nachforschungen gestoßen, aber wenn das der Fall war, wenn er es geschafft hatte, sie bis hierin zu verfolgen, dann war sie nicht diskret genug gewesen. Vielleicht sogar auf gefährliche Weise. Trotzdem hoffte sie, dass er zurückkam. Sie musste es wissen. Sie musste es!

Sie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und erstarrte. Ihre Eisentruhe stand geöffnet auf ihrem Bett, was unmöglich war. Sie hatte ein gutes Schloss und der einzige Schlüssel befand sich in ihrer Gürteltasche. Der Dieb war noch immer da und seltsamerweise blätterte er in ihrem Tagebuch herum! Wie beim Licht war der Mann an Frau Shorans Wachsamkeit vorbeigekommen?

Die Lähmung dauerte nur einen Augenblick lang. Sie riss den Gürteldolch aus der Scheide und öffnete den Mund, um nach Hilfe zu rufen.

Des Gesichtsausdruck des Kerls veränderte sich nicht, er versuchte weder sie anzugreifen noch zu fliehen. Er holte bloß einen kleinen Gegenstand aus seiner Gürteltasche und hielt ihn hoch, dass sie ihn sehen konnte, und der Atem in ihrer Kehle verwandelte sich zu Blei. Wie betäubt fummelte sie den Dolch zurück in seine Scheide und streckte die Hände aus, um ihm zu zeigen, dass sie keine Waffe hielt und auch nicht versuchte, nach einer zu greifen. Zwischen seinen Fingern ragte eine in Gold gefasste Marke aus Elfenbein hervor, in die ein Rabe und ein Turm eingraviert waren. Plötzlich sah sie den Mann zum ersten Mal richtig, er war blond und in seinen mittleren Jahren. Vielleicht war er ja tatsächlich hübsch, so wie Frau Shoran gesagt hatte, aber nur eine Verrückte würde einen Sucher der Wahrheit auf diese Weise betrachten. Dem Licht sei Dank, dass sie nichts Gefährliches in ihrem Tagebuch festgehalten hatte. Aber er musste Bescheid wissen. Er hatte ihren Namen gekannt. Oh, beim Licht, er musste es wissen!

»Schließt die Tür«, sagte er leise und steckte die Marke zurück in die Tasche. Sie gehorchte. Sie wollte fliehen. Sie wollte um Gnade bitten. Aber er war ein Sucher, also blieb sie dort stehen und zitterte. Zu ihrer Überraschung ließ er ihr Tagebuch zurück in die Truhe fallen und deutete auf den einzigen Stuhl im Zimmer. »Setzt Euch. Es gibt keinen Grund, dass Ihr es unbequem habt.«

Langsam hängte sie ihren Umhang an den Haken und ließ sich auf den Stuhl nieder, und dieses eine Mal war ihr egal, wie unbequem die seltsame, schlangenähnliche Lehne war. Sie versuchte erst gar nicht, ihr Zittern zu verheimlichen. Selbst eine Angehörige des Blutes, sogar eine des Hohen Blutes, würde bei einem Verhör durch einen Sucher zittern. Sie hatte eine kleine Hoffnung. Er hatte ihr nicht befohlen, ihn einfach zu begleiten. Vielleicht kannte er sie ja doch nicht.

»Ihr habt Euch nach einem Schiffskapitän namens Egeanin Sarna erkundigt«, sagte er. »Warum?«

Die Hoffnung brach mit einem Ruck zusammen. »Ich habe nach einer alten Freundin gesucht«, stieß sie mit zitternder Stimme hervor. Die besten Lügen enthielten immer so viel Wahrheit wie möglich. »Wir waren zusammen in Falme. Ich weiß nicht, ob sie überlebt hat.« Einen Sucher anzulügen war Verrat, aber sie hatte ihren ersten Verrat bereits bei der Schlacht von Falme begangen, als sie desertiert war.

»Sie lebt«, sagte er kurz angebunden. Ohne den Blick von ihr zu wenden, setzte er sich auf das Bettende. Seine Augen waren blau und sie ließen in ihr den Wunsch entstehen, den Umhang nicht ausgezogen zu haben. »Sie ist eine Heldin, ein Hauptmann der Grünen, und jetzt die Lady Egeanin Tamarath. Hochlady Suroths Belohnung. Sie hält sich ebenfalls in Ebou Dar auf. Ihr werdet Eure Freundschaft mit ihr auffrischen. Und mir berichten, mit wem sie sich trifft, wohin sie geht, was sie sagt. Alles.«

Bethamin biss die Zähne zusammen, um zu verhindern, hysterisch zu lachen. Dem Licht sei Dank! Dem Licht in seiner unendlichen Gnade sei Dank! Sie hatte bloß wissen wollen, ob die Frau noch lebte, ob sie Vorsichtsmaßnahmen ergreifen musste. Egeanin hatte sie seinerzeit befreit, doch in den zehn Jahren, die Bethamin sie zuvor gekannt hatte, war sie ein Musterbild an Pflichterfüllung gewesen. Es hatte immer die Möglichkeit bestanden, dass sie diesen einen Fehltritt bereute, ganz egal, was es sie kosten würde, aber wie ein Wunder hatte sie das nicht. Und der Sucher war hinter ihr her und nicht...! Möglichkeiten breiteten sich vor ihr aus, Sicherheiten, und sie wollte nicht länger lachen. Stattdessen fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.

»Wie...? Wie kann ich unsere Freundschaft erneuern?« Es war sowieso nie Freundschaft gewesen, bloß eine Bekanntschaft, aber nun war es zu spät, das zu sagen. »Ihr habt mir gesagt, dass man sie zum Blut erhoben hat. Jede Annäherung muss von ihr kommen.« Furcht machte sie mutig. Und ließ Panik in ihr aufsteigen, genau wie in Falme. »Warum braucht Ihr mich als Lauscher? Ihr könnt sie wann immer Ihr wollt zur Befragung abholen.« Sie biss sich auf die Lippen, um ihre Zunge zum Schweigen zu bringen. Licht, es gab nichts, das sie weniger wollte. Sucher waren die geheime Hand der Kaiserin, mochte sie ewig leben; im Namen der Kaiserin konnte er selbst Suroth der Befragung unterziehen, sogar Tuon. Sicher, er würde auf schreckliche Weise sterben, wenn sich herausstellte, dass er sich geirrt hatte, aber bei Egeanin war das Risiko nicht groß. Sie gehörte bloß dem niederen Blut an. Wenn er sie der Befragung unterzog...

Sie war schockiert, als er ihr nicht einfach zu gehorchen befahl, sondern sitzen blieb und sie musterte. »Ich werde gewisse Dinge erklären«, sagte er und das war ein noch größerer Schock. Sucher erklärten niemals etwas, das hatte sie gehört. »Ihr werdet mir oder dem Reich nichts nützen, wenn Ihr nicht überlebt, und Ihr werdet nicht überleben, wenn Ihr nicht begreift, wem Ihr da gegenübertretet. Solltet Ihr auch nur ein Wort von dem, was ich Euch enthülle, irgendjemandem sagen, werdet Ihr davon träumen, im Turm des Raben zu sitzen, wenn Ihr das erduldet, wo Ihr dann sein werdet. Hört zu und lernt. Egeanin wurde nach Tanchico entsandt, bevor die Stadt an uns fiel, unter anderem als Teil der Bemühungen, Sul'dam zu finden, die in Falme zurückgelassen worden waren. Seltsamerweise konnte sie niemanden finden, ganz im Gegensatz zu anderen wie jenen, die Euch bei der Rückkehr halfen. Stattdessen hat Egeanin die Sul'dam, die sie aufspürte, ermordet. Ich selbst habe sie mit dieser Anschuldigung konfrontiert, und sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, es abzustreiten. Sie hat nicht einmal Wut oder gar Empörung gezeigt. Und was genauso schlimm ist, sie hat im Geheimen mit Aes Sedai verkehrt.« Er sprach den Namen nüchtern aus, nicht mit der üblichen Abscheu, sondern eher wie eine Anschuldigung. »Als sie Tanchico verließ, reiste sie auf einem Schiff, das von einem Mann namens Bayle Domon kommandiert wurde. Er hatte Ärger gemacht, weil sein Schiff geentert und enteignet worden war. Sie kaufte ihn und machte ihn auf der Stelle zum So'jhin, also ist er offensichtlich für sie von Bedeutung.

Interessanterweise brachte sie diesen Mann in Falme zu Hochlord Turak. Domon errang die Aufmerksamkeit des Hochlords in einem solchen Ausmaß, dass er oft eingeladen wurde, um sich mit ihm zu unterhalten.« Er schnitt eine Grimasse. »Habt Ihr Wein? Oder Branntwein?«

Bethamin zuckte zusammen. »Ich glaube, lona hat eine Flasche einheimischen Schnaps. Es ist ein hartes Getränk...«

Er befahl ihr, ihm trotzdem einen Becher einzuschenken, und sie gehorchte eilig. Sie wollte ihn am Reden halten, alles, nur um das Unvermeidliche hinauszuzögern. Sie wusste genau, dass Egeanin keine Sul'dam getötet hatte, doch der Beweis würde sie zu dem gleichen traurigen Schicksal verurteilen, das Renna und Seta erdulden mussten. Wenn sie Glück hatte. Wenn dieser Sucher seine Pflicht dem Reich gegenüber von demselben Standpunkt aus sah wie Suroth. Er schaute in den Zinnbecher und ließ den dunklen Apfelschnaps kreisen, während sie sich wieder setzte.

»Hochlord Turak war ein großer Mann«, murmelte er. »Vielleicht einer der größten, die das Reich je gesehen hat. Eine Schande, dass seine So'jhin sich entschieden, ihm in den Tod zu folgen. Ehrenhaft von ihnen, aber das macht den Beweis unmöglich, dass Domon der Bande angehörte, die den Hochlord ermordete.« Bethamin zuckte zusammen. Natürlich töteten die vom Blut manchmal einander, aber dabei fiel nie das Wort Mord. Der Sucher fuhr fort; er starrte dabei weiter in den Becher, ohne zu trinken. »Der Hochlord hatte mir befohlen, Suroth im Auge zu behalten. Er hegte den Verdacht, dass sie eine Gefahr für das Reich ist. Seine eigenen Worte. Und durch seinen Tod gelang es ihr, den Befehl über die Vorläufer zu übernehmen. Ich habe keinerlei Beweise, dass sie seinen Tod angeordnet hat, aber es gibt vieles, das darauf hinweist. Suroth hat eine Damane nach Fahne gebracht, eine junge Frau, die eine Aes Sedai war« — wieder wurde der Name tonlos und hart ausgesprochen — »und der es irgendwie gelang, an dem Tag zu fliehen, an dem Turak starb. Suroth hat in ihrem Gefolge eine Damane, die einst eine Aes Sedai war. Man hat sie nie ohne Kragen gesehen, aber...« Er zuckte mit den Schultern, als wäre das ohne jede Bedeutung. Bethamin riss die Augen weit auf. Wer würde einer Damane den Kragen abnehmen? Eine gut ausgebildete Damane war eine wahre Freude, aber da konnte man genauso gut einen betrunkenen Grolm freilassen! »Es scheint auch sicher zu sein, dass sie eine Marath'damane verborgen hält«, fuhr er fort, als würde er keine Verbrechen aufzählen, die nur unwesentlich geringer als Verrat waren. »Ich glaube, Suroth hat den Befehl gegeben, Sul'dam, denen es gelang, Tanchico zu erreichen, zu töten, vielleicht um Egeanins Treffen mit den Aes Sedai zu verbergen. Ihr Sul'dam behauptet doch immer, eine Marath'damane auf den ersten Blick erkennen zu können, richtig?«

Er schaute plötzlich auf, und irgendwie gelang es ihr, diesem erstarrten Blick mit einem Lächeln zu begegnen. Sein Gesicht hätte jedem Mann gehören können, aber diese Augen... sie war froh, dass sie saß. Ihre Knie zitterten so sehr, dass es sie überraschte, dass man es trotz ihrer Röcke nicht sehen konnte. »Ich fürchte, so einfach ist das nicht.« Es gelang ihr fast, ihre Stimme ganz normal klingen zu lassen. »Ihr... Ihr wisst doch sicherlich genug, um Suroth des Mordes an Hochlord Turak anzuklagen?« Wenn er sich Suroth holte, würde er weder sie noch Egeanin darin verwickeln müssen.

»Turak war ein großer Mann, aber meine Pflicht gehört der Kaiserin, möge sie ewig leben, und durch sie dem Reich.« Er trank den Schnaps in einem Zug aus und sein Gesicht wurde so hart wie seine Stimme.

»Verglichen mit der Gefahr, die dem Reich droht, ist Turaks Tod wie Staub. Die Aes Sedai dieser Länder wollen im Reich die Macht erringen, zu den Tagen des Chaos und des Mordens zurückkehren, in denen kein Mann abends die Augen in dem Bewusstsein schließen konnte, sie am Morgen wieder öffnen zu können, und der giftige Wurm des Verrats, der sich insgeheim seinen Weg frisst, hilft ihnen dabei. Möglicherweise ist Suroth nicht einmal der Kopf des Wurms. Um des Reiches willen kann ich es nicht wagen, sie zu ergreifen, bis ich den ganzen Wurm töten kann. Egeanin ist ein Faden, dem ich zum Wurm folgen kann, und Ihr seid der Faden zu Egeanin. Also werdet Ihr Eure Freundschaft mit ihr erneuern, koste es, was es wolle. Habt Ihr mich verstanden?«

»Ich verstehe und ich werde gehorchen.« Ihre Stimme zitterte, aber was hätte sie sonst sagen sollen? Mochte das Licht ihr beistehen, was hätte sie sonst sagen sollen?

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