45 Ein bitterer Gedanke

Als Vilnar seinen berittenen Spähtrupp durch die Straßen der Neustadt führte, nicht weit von der hohen äußeren Stadtmauer entfernt, deren graue Quader in der Mittagssonne wie von silbernen und weißen Streifen durchzogen wirkte, dachte er darüber nach, sich seinen Bart abzurasieren. Einige andere hatten dies bereits getan. Wenn jedermann sagte, diese Hitze sei unnatürlich, mußte es in Saldaea kühler gewesen sein. Er fühlte sich ausreichend sicher, um seine Gedanken umherschweifen zu lassen. Er konnte sein Pferd im Schlaf führen, und nur der tollkühnste Taschendieb würde es wagen, in der Nähe von zehn Saldaeanern zu stehlen. Sie ritten fast ziellos voran, damit die Burschen nicht wußten, wo sie in Sicherheit waren. In Wahrheit sperrten sie häufiger einfach nur diejenigen ein, die zu ihnen kamen, als daß sie Diebe fangen mußten, denn auch der hartgesottenste Maulheld in Caemlyn würde zu den Saldaeanern gelaufen kommen, damit sie ihn festnähmen, bevor die Aiel es tun konnten. Also hielt Vilnar nur ein Auge auf die Straße gerichtet und ließ seine Gedanken schweifen. Er dachte über das Mädchen zu Hause in Mehar nach, die er gerne heiraten würde. Teryanes Vater war ein Händler und wünschte sich vielleicht mehr einen Krieger zum Schwiegersohn, als Teryane sich einen zum Ehemann wünschte. Er dachte über das Spiel nach, das diese Aielfrauen vorgeschlagen hatten: ›Der Kuß der Tochter des Speers‹ klang harmlos, aber da war ein Glitzern in ihren Augen gewesen, dem er nicht ganz traute. Aber hauptsächlich dachte er über die Aes Sedai nach.

Vilnar hatte sich stets gewünscht, einer Aes Sedai zu begegnen, und sicherlich konnte es in diesen Zeiten keinen geeigneteren Ort geben als Caemlyn, es sei denn, er ginge eines Tages nach Tar Valon. Offensichtlich waren überall in Caemlyn Aes Sedai. Er war zum Culains Jagdhund geritten, wo den Gerüchten nach hundert von ihnen sein sollten, aber er hatte sich im letzten Moment doch nicht überwinden können hineinzugehen. Ein Schwert in Händen, ein Pferd zwischen den Knien und Männer oder Trollocs vor sich gaben ihm Zuversicht, aber der Gedanke an Aes Sedai machte ihn befangen. Außerdem hätte das Gasthaus keine hundert Frauen bewirten können, und die Mädchen, die er sah, waren wahrscheinlich keine Aes Sedai. Er war auch zur Rosenkrone gegangen, hatte das Gasthaus von der anderen Straßenseite aus beobachtet, aber er war sich nicht sicher, daß auch nur eine der Frauen, die er gesehen hatte, eine Aes Sedai war, und das machte ihn sicher, daß sie es nicht waren.

Er blinzelte einer dünnen Frau mit breiter Nase zu, die aus einem großen, wohl einem Kaufmann gehörenden Haus trat. Sie blieb zunächst stirnrunzelnd auf der Straße stehen, bevor sie einen breitkrempigen Strohhut aufsetzte und davoneilte. Vilnar schüttelte den Kopf. Er hätte ihr Alter nicht benennen können, aber das allein genügte nicht. Er wußte, wie man eine Aes Sedai erkennt. Jidar hatte behauptet, sie seien so wunderschön, daß sie einen Mann mit einem Lächeln töten könnten, und Rissen beharrte darauf, daß sie einen Fuß größer wären als jeder Mann. Vilnar wußte, daß man sie am Gesicht erkennen konnte, an dem alterslosen Gesicht einer Unsterblichen. Man würde sich unmöglich täuschen können.

Als der Spähtrupp gegenüber dem mit Türmen versehenen, gewölbten Weißbrücken-Tor ankam, vergaß Vilnar die Aes Sedai. Vor dem Tor erstreckte sich die Straße entlang einer der Bauernmärkte, lange, offene Marktstände, die mit roten oder purpurfarbenen Ziegeln gedeckt waren, Pferche voller Kälber und Schweine und Schafe, Hühner und Enten und Gänse und Stände, an denen von Bohnen bis Rüben alles verkauft wurde. Solche Märkte waren üblicherweise eine Kakophonie von Geschrei, aber jetzt herrschte bis auf die Geräusche der Tiere Stille, die die seltsamste Prozession begleitete, die Vilnar je gesehen hatte.

Es war eine lange Reihe Bauern, die jeweils zu viert auf Pferden nebeneinanderritten, anscheinend noch von Wagen gefolgt. Es waren mit Sicherheit Bauern, da sie grobe Umhänge trugen, aber jeder einzelne von ihnen hatte einen Langen Bogen über den Rücken geschlungen, einen gefüllten Köcher an einer Hüfte und ein Langmesser oder ein Kurzschwert an der anderen. Angeführt wurde die Prozession von einem weißen, rot geränderten und mit einem roten Wolfskopf versehenen Banner vor einer Ansammlung von Menschen, die genauso seltsam anmutete wie die ganze Prozession. Drei Aiel waren dort, natürlich zu Fuß, zwei davon Töchter des Speers, und ein Bursche, dessen hellgrün gestreifter Umhang und grell gelbe Hose ihn als Kesselflicker auswies, nur daß er ein Schwert auf dem Rücken trug. Er führte ein Pferd mit sich, das genauso groß wie ein Nashun-Zugpferd war, mit einem für einen Riesen bestimmten Sattel. Der Anführer schien ein breitschultriger Bursche mit struppigem Haar, einem kurz gestutzten Bart und einer eindrucksvollen Streitaxt am Gürtel zu sein, und neben ihm ritt eine Saldaeanerin mit dunklen, engen, geteilten Röcken, die unentwegt mit äußerst entzücktem Blick zu ihm aufsah...

Vilnar beugte sich im Sattel vor. Er erkannte jene Frau. Er dachte an Lord Bashere, der sich gerade im Königlichen Palast aufhielt. Und er dachte weiterhin an Lady Deira, und sein Herz sank. Sie befand sich ebenfalls im Palast. Wenn einige Aes Sedai diese Prozession mit einer Handbewegung in Trollocs verwandelt hätten, wäre Vilnar überglücklich gewesen. Vielleicht war dies der Preis für Tagträumerei. Hätte er sich auf seine Pflichten besonnen, wäre sein Spähtrupp hier schon längst vorbei gewesen. Aber er hatte seine Befehle.

Während er sich fragte, ob Lady Deira seinen Kopf als Ball benutzen würde, postierte er seine Männer im Tor.

Perrin ließ seinen grauen Hengst bis zehn Schritte hinter das Stadttor gehen, bevor er die Zügel anzog. Stepper war froh, anhalten zu können. Er mochte die Hitze nicht. Die berittenen Männer, die das Tor abschirmten, waren, den kühnen Nasen und schrägstehenden Augen nach zu urteilen, Saldaeaner. Einige trugen glänzende schwarze Barte, einige dichte Schnurrbärte und einige waren glatt rasiert. Alle Männer außer einem hatten eine Hand am Schwertheft. Die Luft bewegte sich nur durch sie, da nicht einmal eine Brise wehte. Sie roch nicht nach Furcht. Perrin sah Faile an, aber sie hatte sich über den gewölbten Hals ihrer schwarzen Stute gebeugt und machte sich am Zaumzeug zu schaffen. Sie roch schwach nach Seife und Angst. Sie hatten während der letzten gut zweihundert Meilen ihrer Reise die Neuigkeit gehört, daß Saldaeaner in Caemlyn seien, vermutlich angeführt von Failes Vater. Das schien Faile nicht weiter zu beunruhigen, und sie war sicher, daß auch ihre Mutter in Caemlyn sein würde. Sie sagte, auch das mache sie nicht besorgt. »Wir brauchen die Bogenschützen nicht einmal«, sagte Aram ruhig, während er über sein Schwertheft strich. Seine dunklen Augen funkelten begierig. »Sie sind nur zehn. Wir beide könnten sie allein überwältigen.« Gaul hatte sich verschleiert, und auch Bain und Chiad hatten dies, auf Failes anderer Seite, sicherlich getan.

»Keine Bogenschützen und kein Überwältigen«, sagte Perrin. »Und keine Speere, Gaul.« Er sagte nichts zu Bain oder Chiad. Sie hörten ohnehin nur auf Faile, die nicht bereit schien, allzu bald aufzuschauen oder etwas zu sagen. Gaul senkte nur achselzuckend seinen Schleier. Aram runzelte enttäuscht die Stirn.

Perrin behielt einen freundlichen Gesichtsausdruck bei, während er sich wieder den Saldaeanern zuwandte. Goldgelbe Augen machten einige Menschen nervös. »Mein Name ist Perrin Aybara. Ich denke, Rand al'Thor wird mich sehen wollen.«

Der bärtige Bursche, der sein Schwertheft nicht berührt hatte, verbeugte sich leicht im Sattel »Ich bin Vilnar Barada, Lord Aybara, Unterleutnant und dem Schwert Lord Davram Basheres verschworen.« Er sagte dies sehr laut, und wenn er darüber nachdachte, hatte er es wohl bewußt vermieden, Faile anzusehen. Sie seufzte bei der Erwähnung ihres Vaters und sah Barada stirnrunzelnd an, um so mehr, als er sie weiterhin nicht beachtete. »Lord Basheres Befehle lauten«, fuhr der Mann fort, »daß kein Adliger Caemlyn mit mehr als zwanzig bewaffneten Männern oder fünfzig Dienern betreten darf.«

Aram regte sich auf seinem Pferd, aber, dank dem Licht, würde er sein Schwert erst ziehen, wenn Perrin es sagte.

Perrin sprach über die Schulter. »Dannil, bringt alle zu der Wiese zurück, an der wir vor ungefähr drei Meilen vorbeigekommen sind, und lagert dort. Wenn sich ein Bauer beschwert, gebt ihm etwas Gold und besänftigt ihn. Laßt ihn wissen, daß er für jeglichen Verlust entschädigt wird. Aram, Ihr geht mit ihnen.«

Dannil Lewin, eine Bohnenstange von einem Mann mit einem dichten Schnurrbart, der seinen Mund fast verbarg, klopfte sich gegen die Stirn, obwohl ihm Perrin wiederholt gesagt hatte, ein einfaches ›in Ordnung‹ würde genügen, und befahl sofort die Umkehr. Aran erstarrte natürlich — es gefiel ihm nie, weit von Perrin entfernt zu sein —, aber er schwieg. Manchmal dachte Perrin, er hätte sich in Gestalt des ehemaligen Kesselflickers einen Wolfshund eingehandelt. Diese Einstellung war nicht gut für einen Mann, aber er wußte nicht, was er dagegen tun sollte.

Er erwartete, daß Faile einiges dazu sagen würde, daß er alle zurückschickte — er erwartete von ihr eine Bemerkung über seinen sogenannten Rang und daß sie darauf beharren würde, die zwanzig von Barada erwähnten Männer mit hineinzunehmen, und soweit möglich auch noch fünfzig Diener —, aber sie beugte sich nur aus dem Sattel herab, um leise mit Bain und Chiad zu sprechen. Er gab vor, nicht zuzuhören, obwohl er doch einen Teil der Worte verstand. Sie sagte etwas über Männer, und es klang belustigt. Frauen schienen stets entweder belustigt oder verärgert, wenn sie über Männer sprachen. Faile war der Grund, warum er alle diese Leute bei sich hatte, und obendrein das Banner, obwohl er noch nicht herausgefunden hatte, wie sie das geschafft hatte. Hinten in den Wagen waren Diener, Männer und Frauen, die die Livree mit dem Wolfskopf auf der Schulter trugen. Selbst die Zwei-Flüsse-Leute hatten sich nicht beklagt. Sie schienen genauso stolz darauf wie jeder der Flüchtlinge.

»Zufrieden?« fragte er Barada. »Ihr könnt uns jetzt zu Rand begleiten, wenn Ihr uns nicht ungehindert herumlaufen lassen wollt.«

»Ich denke...« Baradas dunkle Augen schossen zu Faile und wieder fort. »Ich denke, das wäre das beste.«

Als Faile sich wieder aufrichtete, gingen Bain und Chiad zur Reihe der Reiter und drängten hindurch, als wären sie nicht da. Die Saldaeaner wirkten nicht einmal überrascht, aber andererseits müßten sie an Aiel gewöhnt sein. Alle Gerüchte besagten, Caemlyn sei bereits voller Aiel.

»Ich muß meine Speer-Brüder suchen«, sagte Gaul plötzlich. »Möget Ihr stets Wasser und Schatten finden, Perrin Aybara.« Und damit eilte er hinter den Frauen her. Faile verbarg ihr belustigtes Lächeln hinter einer grau behandschuhten Hand.

Perrin schüttelte den Kopf. Gaul wollte, daß Chiad ihn heiratete, aber nach Aielbrauch mußte sie ihn fragen, und obwohl sie, wie Faile glaubte, bereit war, seine Geliebte zu werden, wollte sie den Speer nicht wegen einer Heirat aufgeben. Er schien genauso verletzt, wie es auch ein Zwei-Flüsse-Mädchen unter den gleichen Umständen gewesen wäre. Bain schien irgendwie auch Teil davon zu sein. Perrin verstand nicht, warum Faile beteuerte, es ebenfalls nicht zu wissen, wenn auch ein wenig zu schnell, und Gaul wurde mürrisch, wenn man ihn danach fragte. Ein seltsames Völkchen.

Die Saldaeaner bahnten sich ihren Weg durch die Menge, aber Perrin achtete kaum auf die Menschen oder die Stadt. Er hatte Caemlyn bereits schon einmal gesehen, zumindest einen Teil davon, und er mochte Städte nicht mehr sehr. Wölfe kamen selten nahe an eine Stadt heran. Er hatte seit ein oder zwei Tagen keinen mehr erspürt. Er beobachtete seine Frau mit Seitenblicken und versuchte, es sie nicht merken zu lassen, aber er hätte sie genausogut anstarren können. Sie ritt stets aufrecht, aber jetzt saß sie starr im Sattel und blickte auf Baradas Rücken. Die Schultern des Mannes waren gebeugt, als könne er ihren Blick spüren. Ein Falke blickte weniger durchdringend wie Faile.

Perrin nahm an, daß sie dasselbe dachte wie er, obwohl vielleicht nicht auf die gleiche Art. Ihr Vater. Sie hätte vielleicht einige Erklärungen abzugeben — sie war immerhin davongelaufen, um eine Jägerin des Horns zu werden —, aber Perrin war derjenige, der dem Herrn von Bashere, Tyr und Sidona gegenübertreten und ihm sagen mußte, daß ein Schmied seine Tochter und Erbin geheiratet hatte. Darauf freute Perrin sich nicht. Er hielt sich nicht für ausgesprochen tapfer — zu tun, was man tun mußte, war nicht tapfer —, aber er hatte bisher niemals geglaubt, er könnte ein Feigling sein. Der Gedanke an Failes Vater ließ seinen Mund austrocknen. Vielleicht sollte er sich um das Lager kümmern. Ein an Lord Bashere gesandter Brief könnte alles erklären. Ein sorgfältig aufgesetztes Schreiben könnte zwei oder drei Tage Zeit erfordern. Vielleicht auch mehr. Er war nicht wortgewandt.

Ein Blick auf das träge über dem Königlichen Palast wehende karmesinrote Banner brachte ihn schlagartig in die Gegenwart zurück. Er hatte bereits davon gehört. Perrin wußte, daß es nicht das Drachenbanner war, was auch immer die Gerüchte behaupteten —einige Leute sagten, es bedeute, daß die Aes Sedai Rand dienten; andere meinten, daß er ihnen diente —, und er fragte sich, warum Rand nicht das Drachenbanner hißte. Rand. Er konnte Rand noch immer an ihm zerren spüren, ein höherer Ta'veren, der an einem niedriger gestellten Ta'veren zog. Er wußte aber nicht, wo Rand sich aufhielt. Es war nicht diese Art von Ziehen. Er hatte die Zwei Flüsse in der Erwartung verlassen, nach Tear oder nur das Licht wußte wohin auch immer zu reiten, und nur ein Gerüchtestrom und Geschichten, die westlich durch Andor zogen, hatten ihn hierhergebracht. Einige sehr beunruhigende Gerüchte und Geschichten. Nein, was er verspürte, war eher das Bedürfnis, Rand nahe zu sein, oder vielleicht Rands Wunsch, ihn zu sehen, wie ein Jucken an einer Stelle zwischen den Schulterblättern, an der er sich nicht kratzen konnte. Jetzt würde sie bald gekratzt, und er wünschte fast, es wäre nicht so. Er hatte einen Traum gehabt, einen, über den Faile mit ihrer Abenteuerlust lachen würde. Er hatte davon geträumt, mit ihr in einem kleinen Haus zu leben, irgendwo auf dem Lande, weit von Städten und allem Zwist entfernt. Es gab in Rands Nähe stets Auseinandersetzungen. Aber Rand brauchte ihn, und er würde tun, was er tun mußte.

In einem großen, von Säulen umgebenen Hof, der von Giebeln überragt wurde, schwang Perrin seinen Gürtel mit dem schweren Gewicht der Streitaxt auf den Sattel — es war eine Erleichterung, dieses Gewicht eine Weile ablegen zu können —, und ein Mann in einem weißen Gewand und eine Frau übernahmen die Pferde. Mit nur wenigen Worten verwies Barada ihn und Faile an Aielmänner mit kaltem Blick, die scharlachrote Stirnbänder mit der schwarzweißen Scheibe trugen und sie in den Palast geleiteten, und mit noch weniger Worten wurden sie Töchtern des Speers übergeben, die sich genauso kühl verhielten. Perrin kannte keine von ihnen vom Stein her, und seinen Bemühungen, eine Unterhaltung zu beginnen, ernteten nur ausdruckslose Blicke. Ihre Hände flogen in der Zeichensprache der Töchter, und eine von ihnen wurde auserwählt, ihn und Faile tiefer in den Palast hineinzuführen, eine hagere, blonde Frau, die ungefähr in Failes Alter sein mußte. Sie stellte sich als Lerian vor und ermahnte sie, nicht umherzuwandern. Er wünschte, Bain oder Chiad wären hier. Ein vertrautes Gesicht wäre erfreulich gewesen. Faile schritt die Gänge erhobenen Hauptes entlang, und doch schaute sie an jedem Quergang schnell in beide Richtungen. Sie wollte offensichtlich nicht von ihrem Vater überrascht werden.

Schließlich erreichten sie eine Doppeltür, deren jede einen geschnitzten Löwen aufwies, und vor der sich zwei weitere Töchter aus ihrer hockenden Haltung erhoben. Weitere Worte wurden in der Zeichensprache ausgetauscht, bevor die blonde Tochter des Speers ohne anzuklopfen hineinging.

Perrin fragte sich, ob es in Rands Nähe jetzt immer so zuging, als plötzlich die Türen aufflogen und Rand in Hemdsärmeln dastand.

»Perrin! Faile! Möge das Licht an eurem Hochzeitstag geschienen haben«, sagte er lachend und küßte Faile flüchtig. »Ich wünschte, ich hätte dabeisein können.« Sie wirkte genauso verwirrt, wie Perrin sich fühlte.

»Woher weißt du es?« rief er aus, und Rand lachte erneut und schlug ihm auf die Schulter.

»Bode ist hier, Perrin. Bode und Janacy und all die anderen. In Caemlyn ohnehin. So weit haben Verin und Alanna sie gebracht, bevor sie von der Burg hörten.« Er wirkte müde, seine Augen überanstrengt, obwohl sein Lachen nicht so klang. »Licht, Perrin, was sie mir alles über dich erzählt haben! Lord Perrin von den Zwei Flüssen. Was sagt Herrin Luhhan zu alledem?«

»Sie nennt mich auch Lord Perrin«, murmelte Perrin verzerrt. Elsbet Luhhan hatte ihm in seiner Kindheit häufiger eine Tracht Prügel verabreicht als seine Mutter. »Sie vollführt tatsächlich einen Hofknicks vor mir, Rand.« Faile sah ihn fragend an. Sie behauptete stets, er bringe Menschen in Verlegenheit, wenn er all die Verbeugungen und das Knicksen beenden wollte. Und zu seinem Unbehagen darüber, wenn sie dies taten, bemerkte sie, das sei ein Teil des Preises, den er bezahlen müßte.

Die Töchter des Speers, die hineingegangen waren, drängten sich jetzt an Rand vorbei wieder hinaus, und er zuckte zusammen. »Licht, ich lasse euch hier in der Tür stehen. Kommt herein, kommt herein. Lerian, sagt Sulin, daß ich noch gewürzten Wein brauche. Und sagt ihr, sie solle sich beeilen.« Aus irgendeinem Grund lachten die drei Töchter, als hätte Rand etwas Lustiges gesagt.

Nach einem Schritt in den Raum hinein verriet ein Blumenduft Perrin, daß noch eine Frau da war. Als er sie dann erblickte, war er überrascht. »Min?« Das Haar war zu kurzen Locken gestutzt. Das gesäumte Gewand und die Hose schienen falsch, aber das Gesicht stimmte. »Min, du bist es!« Er umarmte sie lachend. »Wir sind fast alle versammelt, stimmt's? Faile, dies ist Min. Ich habe dir von ihr erzählt.«

In diesem Moment erkannte er, was er an seiner Frau wahrnahm, und er wandte sich von Min ab, während sie ihn noch angrinste. Er war sich plötzlich der Tatsache bewußt, daß Mins Hose die Form ihrer Beine sehr gut nachzeichnete. Faile hatte nur sehr wenige Fehler, aber sie neigte ein wenig zu Eifersucht. Er sollte eigentlich nicht wissen, daß sie Calle Coplin eine halbe Meile weit mit einem Strick gejagt hatte — als würde er jemals einen zweiten Blick auf eine andere Frau werfen, wenn er doch sie besaß.

»Faile?« sagte Min und streckte beide Hände aus. »Jede Frau, die es lange genug mit diesem nichtsnutzigen Tolpatsch aushalten kann, um ihn zu heiraten, verdient meine volle Bewunderung. Vermutlich gibt er einen guten Ehemann ab, wenn man ihn erst gezähmt hat.«

Faile ergriff lächelnd Mins Hände, verströmte aber diesen beißenden, rauhen Geruch. »Ich hatte mit dem Zähmen noch keinen Erfolg, Min, aber ich beabsichtige ihn zumindest solange zu behalten, bis es gelingt.«

»Herrin Luhhan vollführt den Hofknicks?« Rand schüttelte ungläubig den Kopf. »Das muß ich sehen, bevor ich es glaube. Wo ist Loial? Ist er mitgekommen? Ihr habt ihn doch nicht draußen gelassen?«

»Er ist mitgekommen«, sagte Perrin und versuchte, Faile im Auge zu behalten, ohne daß es zu offensichtlich wurde, »aber nicht den ganzen Weg. Er sagte, er sei müde und brauche ein Stedding, also erzählte ich ihm von einem, das verlassenen nördlich des Weges von Weißbrücke liegt, und er ist zu Fuß dorthin aufgebrochen. Er sagte, er würde es spüren können, wenn er auf ungefähr zehn Meilen herangekommen wäre.«

»Du kennst Rand und Perrin vermutlich sehr gut?« fragte Faile, und Min schaute zu Rand.

»Schon eine ganze Weile. Ich bin ihnen unmittelbar nach ihrem Aufbruch von den Zwei Flüssen begegnet. Sie hielten Baerlon für eine große Stadt.«

»Zu Fuß?« echote Rand.

»Ja«, sagte Perrin zögernd. Failes Duft veränderte sich, die stechende Eifersucht schwand dahin. Warum? »Er benutzt lieber seine Füße. Er hat mit mir um ein Goldstück gewettet, daß er nicht später als zehn Tage nach uns hier in Caemlyn eintreffen würde.« Die beiden Frauen sahen einander an, Faile lächelnd und Min leicht errötend. Min roch ein wenig verlegen, Faile erfreut. Und überrascht obwohl der Ausdruck auf ihrem Gesicht nur schwach zu erkennen war. »Ich wollte ihm nicht sein Geld abnehmen — er hatte noch fünfzig Meilen oder mehr vor sich —, aber er beharrte darauf. Er wollte die Strecke in fünf Tagen schaffen.«

»Loial hat schon immer behauptet, er könnte bei einem Rennen gegen ein Pferd gewinnen«, sagte Rand lachend, aber dann entstand Schweigen. Das Lachen erstarb. »Ich hoffe, er kommt heil an«, sagte er ernster. Er war müde und irgendwie beeinträchtigt. Der Rand, den Perrin zuletzt in Tear gesehen hatte, war weit davon entfernt gewesen, weich zu sein, aber dieser Rand hier ließ jenen wie einen unschuldigen Bauernjungen wirken. Er blinzelte nicht häufig genug, als könnte ein Blinzeln verbergen, was er sehen mußte. Perrin kannte diesen Ausdruck. Er hatte ihn nach den Trolloc-Angriffen, nach dem fünften, nach dem zehnten, auf den Gesichtern von Zwei-Flüsse-Menschen bemerkt, wenn scheinbar alle Hoffnung geschwunden war, man aber weiterkämpfte, weil der Preis für die Aufgabe zu hoch war.

»Mein Lord Drache«, sagte Faile, womit sie Perrin aufschreckte. Sie hatte ihn zuvor stets Rand genannt, obwohl sie den Titel schon seit Weißbrücke hörten, »bitte vergebt mir, aber ich muß ein Wort mit meinem Ehemann wechseln, bevor ich Euch beide verlasse, damit Ihr miteinander reden könnt«

Sie wartete kaum Rands überraschte Zustimmung ab, bevor sie nahe an Perrin herantrat und ihn umwandte, so daß sie mit dem Rücken zu Rand standen. »Ich werde nicht weit fortgehen, mein liebes Herz. Min und ich werden uns ebenfalls unterhalten, über Dinge, die dich sehr wahrscheinlich langweilen würden.« Sie machte sich an seinen Rockaufschlägen zu scharfen, während sie eilig leise weitersprach, so leise, daß jedermann sich hätte anstrengen müssen, um sie zu verstehen. Manchmal erinnerte sie sich seines guten Hörvermögens. »Denk daran, daß er nicht mehr dein Freund aus Kindertagen ist, Perrin. Er ist der Wiedergeborene Drache, der Lord Drache. Aber du bist der Herr der Zwei Flüsse. Ich weiß, daß du für dich selbst und für die Zwei Flüsse eintreten wirst.« Sie lächelte ihn liebevoll und aufmunternd an. Er hätte sie am liebsten auf der Stelle geküßt. »So«, sagte sie mit lauter Stimme. »Jetzt bist du wieder ordentlich.« Sie gab keinerlei eifersüchtige Duftstoffe mehr ab.

Sie vollführte einen anmutigen Hofknicks vor Rand, murmelte »Mein Lord Drache« und streckte Min dann eine Hand hin. »Komm mit, Min.« Mins Hofknicks fiel erheblich ungeschickter aus und ließ Rand aufschrecken.

Bevor sie die Tür erreichten, wurde ein Türflügel schwungvoll geöffnet, und eine Frau in Livree trat mit einem Silbertablett mit Bechern und einem Krug ein, der den Geruch von Wein und Honigmelonensaft verströmte. Perrin starrte die Frau fast an. Sie hätte trotz des rotweißen Gewandes Chiads Mutter sein können oder mit diesem kurzgeschnittenen, lockigen weißen Haar seine Großmutter. Sie sah den enteilenden Frauen stirnrunzelnd nach und trat dann zum nächststehenden Tisch, um das Tablett abzustellen, wobei ihr Gesicht eine erstarrte Maske der Demut war. »Man sagte mir, Ihr brauchtet vier Becher, mein Lord Drache«, bemerkte sie in seltsamem Tonfall. Perrin dachte, sie versuche sich vielleicht respektvoll zu geben, habe aber ein Kratzen im Hals. »Also brachte ich vier.« Ihr Hofknicks ließ Mins im nachhinein anmutig wirken, und sie schlug die Tür beim Hinausgehen zu.

Perrin sah Rand an. »Hast du Frauen schon jemals für ... seltsam gehalten?«

»Warum fragst du mich das? Du bist doch derjenige, der verheiratet ist.« Rand füllte einen Silberbecher mit gewürztem Wein und reichte ihn Perrin. »Wenn du es nicht weißt, wirst du Mat fragen müssen. Ich weiß jeden Tag weniger.«

»Ich ebenso«, seufzte Perrin. Der gewürzte Wein war erfrischend, obwohl Rand überhaupt nicht zu schwitzen schien. »Wo ist Mat überhaupt? Wenn ich raten sollte, würde ich sagen, in der nächstgelegenen Schenke, und ich könnte wetten, daß er einen Würfelbecher in Händen oder ein Mädchen auf den Knien hat.«

»Er sollte besser nicht im Wirtshaus sein«, sagte Rand grimmig, während er seinen unberührten Becher Wein abstellte. »Er hat den Auftrag, Elayne hierherzubringen, damit sie gekrönt werden kann. Und hoffentlich auch Egwene und Nynaeve. Licht, es gibt noch so vieles zu tun, bevor sie hier eintrifft.« Er wandte den Kopf wie ein in die Enge getriebenes wildes Tier und sah dann Perrin an. »Würdest du für mich nach Tear gehen?«

»Nach Tear! Rand, ich bin seit über zwei Monaten im Sattel.«

»Ich kann dich heute nacht dorthin bringen. Du kannst im Zelt eines Feldherrn schlafen und Sätteln so lange fernbleiben, wie du willst.«

Perrin sah ihn an. Der Mann schien es ernst zu meinen. Plötzlich merkte er, daß er sich fragte, wie Rand sich seine geistige Gesundheit bewahrte. Licht, er mußte sie sich bewahren, zumindest bis Tarmon Gai'don. Er trank einen großen Schluck gewürzten Wein, um den bitteren Geschmack in seinem Mund fortzuspülen. Wie konnte er so über einen Freund denken. »Rand, auch wenn du mich jetzt sofort im Stein von Tear absetzen könntest würde ich dennoch ablehnen. Ich muß hier in Caemlyn mit jemandem reden. Und ich würde gern Bode und die anderen treffen.«

Rand schien nicht zuzuhören. Er warf sich in einen der vergoldeten Sessel und sah Perrin ausdruckslos an. »Erinnerst du dich, wie Thom immer mit all diesen Bällen jonglierte und es so leicht aussehen ließ? Nun, ich jongliere jetzt mit allem, wofür ich stehe, und es ist nicht leicht. Sammael in Illian, und nur das Licht weiß, wo die restlichen Verlorenen sind. Manchmal glaube ich nicht einmal mehr, daß sie die schlimmste Bedrohung sind. Aufrührer, die glauben, ich sei ein falscher Drache. Drachenverschworene, die glauben, Dörfer in meinem Namen anzünden zu können. Hast du von dem Propheten gehört, Perrin? Egal, er ist auch nicht schlimmer als alle anderen. Ich habe Verbündete, die einander hassen, und der beste Feldherr, den ich gegen die Illianer finden kann, hat nichts Besseres zu tun, als einen Angriff zu unternehmen und sich töten zu lassen. Elayne sollte mit etwas Glück in ungefähr eineinhalb Monaten hier sein, aber ich muß mich hier unmittelbar davor vielleicht um einen Aufstand kümmern. Licht, ich will ihr Andor vollständig übergeben. Ich dachte daran, sie selbst herzuholen, aber das wäre das Schlimmste, was ich tun könnte.« Er rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Das Allerschlimmste.«

»Was sagt Moiraine?«

Rands Hände senkten sich weit genug, daß er darüber hinwegblicken konnte. »Moiraine ist tot, Perrin. Sie hat Lanfear getötet und ist gestorben, und das ist das Ende der Geschichte.«

Perrin setzte sich hin. Moiraine? Es schien nicht möglich. »Wenn Alanna und Verin hier sind...« Er drehte seinen Becher in den Händen. Er konnte sich nicht dazu überwinden, einer der beiden Frauen zu trauen. »Hast du sie um Rat gefragt?«

»Nein!« Rand machte eine heftige Handbewegung. »Sie bleiben mir fern, Perrin. Das habe ich verlangt.«

Perrin beschloß, Faile zu bitten herauszufinden, was von Alanna oder Verin zu erwarten war. Die beiden Aes Sedai verursachten ihm häufig Unbehagen, aber Faile schien gut mit ihnen zurechtzukommen. »Rand, du weißt genauso gut wie ich, daß es gefährlich ist, Aes Sedai zu verärgern. Moiraine hat sich um uns gekümmert — um dich ohnehin —, aber manchmal dachte ich, sie wäre bereit, Mat, mich und dich zu töten.« Rand schwieg, aber er schien zumindest zuzuhören. »Wenn auch nur ein Zehntel der Geschichten halbwegs stimmt, die ich seit Baerlon gehört habe, könnte dies der ungünstigste Zeitpunkt sein, den Zorn der Aes Sedai auf sich zu ziehen. Ich behaupte nicht zu wissen, was in der Burg vor sich geht, aber...«

Rand schüttelte den Kopf und beugte sich dann vor. »Die Burg ist bis ins Innerste gespalten, Perrin. Die eine Hälfte glaubt, ich sei ein auf dem Markt käufliches Schwein, und die andere Hälfte... Ich weiß nicht, was sie genau denken. Ich habe drei Tage hintereinander Mitglieder ihrer Abordnung getroffen. Ich soll heute nachmittag wieder welche treffen, und ich kann sie noch immer nicht einschätzen. Sie stellen weitaus mehr Fragen, als sie beantworten, und scheinen nicht sehr erfreut darüber, daß ich ihnen auch nicht mehr Antworten geben will. Zumindest Elaida — sie ist die neue Amyrlin, falls du es noch nicht gehört hast — zumindest sagen ihre Leute etwas, auch wenn sie anscheinend glauben, ich wäre von den Hofknickse vollführenden Aes Sedai so beeindruckt, daß ich nicht zu tief graben würde.«

»Licht!« keuchte Perrin. »Willst du damit sagen, daß sich ein Teil der Aes Sedai aufgelehnt hat und du dich zwischen die Burg und die Aufrührer gestellt hast? Zwei kampfbereite Bären, und du pflückst zwischen ihnen Beeren! Hattest du niemals das Gefühl, bereits genug Ärger mit den Aes Sedai zu haben? Bei Siuan Sanche haben sich meine Zehen in den Stiefeln gebogen. Du hast wenigstens gewußt, wie du zu ihr standest, aber mir gab sie das Gefühl, ein Pferd zu sein, bei dem sie zu entscheiden versuchte, ob es für einen langen, harten Ritt geeignet wäre, aber sie hat zumindest klargemacht, daß sie mich nicht selbst satteln wollte.«

Rands Lachen klang zu rauh, um fröhlich zu wirken. »Glaubst du wirklich, Aes Sedai würden mich in Ruhe lassen, nur weil ich sie in Ruhe gelassen habe? Mich? Wenn sich die Burg aufspaltet, ist es das beste, was mir passieren kann. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, einander zu beobachten, als daß sie mir ihre volle Aufmerksamkeit zuwenden könnten. Andernfalls würden sich zwanzig Aes Sedai stets in meiner Nähe aufhalten. Oder fünfzig. Ich habe Tear und Cairhien hinter mir, auf gewisse Weise, und hier einen Halt. Ohne die Aufspaltung würde immer jemand sagen, wenn ich den Mund aufmachte: ›Ja, aber die Aes Sedai...‹ Perrin, Moiraine hat ihr Bestes getan, mich festzubinden, bis ich sie zwang, damit aufzuhören. Und um die Wahrheit zu sagen, bin ich nicht sicher, daß sie wirklich aufgehört hat. Wenn eine Aes Sedai sagt, daß sie dich beraten, aber dich entscheiden lassen will, meint sie, daß sie weiß, was du tun solltest, und dich nach allen Kräften dazu bringen wird.« Er hob seinen Becher und trank einen großen Schluck. Als er den Becher wieder senkte, schien er ruhiger. »Wenn die Burg sich einig wäre, würde ich inzwischen von so vielen Strängen gebunden, daß ich ohne die Erlaubnis von sechs Aes Sedai keinen Finger mehr rühren könnte.«

Perrin mußte fast selbst lachen, und es klang nicht fröhlicher als bei Rand. »Also denkst du, es sei besser, die aufrührerischen Aes Sedai gegen die Burg auszuspielen? ›Spende dem Bullen Beifall, oder spende dem Bären Beifall. Spende beiden Beifall, und du wirst zertreten und gefressen werden.‹«

»So einfach ist es nicht Perrin, obwohl sie das nicht wissen«, sagte Rand selbstgefällig und schüttelte den Kopf. »Es gilt noch eine dritte Seite zu bedenken, die mich in die Knie zwingen will. Wenn sie erneut Kontakt aufnehmen. Licht! Wir sollten unsere erste gemeinsame Stunde nach so langer Zeit nicht damit verbringen, über Aes Sedai zu reden. Emondsfeld, Perrin.« Sein Gesichtsausdruck wurde fast wieder so weich wie früher, und er lächelte freudig. »Ich habe nur kurze Zeit mit Bode und den anderen verbracht, aber sie erwähnten alle möglichen Veränderungen. Sage mir, was sich verändert hat, Perrin, und sage mir, was gleich geblieben ist.«

Sie sprachen einige Zeit über die Flüchtlinge und all die neuen Dinge, die sie mit sich gebracht hatten, neue Bohnensorten und Kürbisse, neue Sorten Birnen und Äpfel, das Weben edler Stoffe und auch Teppiche, das Herstellen von Mauer- und Dachziegeln und verspielte Steinmetzarbeiten und Möbel, wie man sie noch nie zuvor gesehen hatte. Perrin hatte sich an die vielen Menschen gewöhnt, die über die Verschleierten Berge gekommen waren, aber Rand schien betroffen zu sein. Die Mauer, die einige Leute um Emondsfeld und die anderen Dörfer ziehen wollten, war heftig umstritten, wie auch die Frage, ob es eine Steinmauer oder eine Holzpalisade sein sollte. Manchmal schien Rand wieder er selbst zu sein, lachte darüber, daß alle Frauen anfangs auf die Gewänder der Taraboner oder Domani geschimpft hatten und jetzt aufgespalten waren in jene, die nichts anderes als gute, feste Zwei-FlüsseKleidung trugen, und jene, die ihre ganze bisherige Kleidung zu Teppichen zerschnitten hatten. Oder darüber, daß sich eine Anzahl junger Männer Schnurrbärte wie Taraboner oder Domani wachsen ließen, was den törichten Bartträger aussehen ließ, als hätte sich ein kleines Tier unter seiner Nase festgesetzt. Perrin machte sich nicht die Mühe hinzuzufügen, daß Barte wie seiner noch beliebter waren.

Aber es erschreckte ihn, als Rand verdeutlichte, er beabsichtige das Lager nicht zu besuchen, obwohl dort viele Männer waren, die er kannte. »Ich kann dich oder Mat nicht beschützen«, sagte er leise, »aber sie.«

Danach versiegte die Unterhaltung natürlich, bis sogar Rand erkannte, daß er sie erstickt hatte. Schließlich stand er seufzend auf, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und sah sich verdrießlich um. »Du wirst dich sicher ausruhen wollen, Perrin. Ich sollte dich nicht davon abhalten. Ich werde Räume für dich vorbereiten lassen.« Er führte Perrin zur Tür und fügte dann plötzlich hinzu: »Du wirst doch über Tear nachdenken, Perrin? Ich brauche dich dort. Es ist keine Gefahr damit verbunden. Ich werde dir alles erklären, wenn du dich dazu entschließt. Du wirst erst der vierte sein, der von dem wahren Plan erfährt.« Rands Gesicht nahm wieder einen härteren Ausdruck an. »Du mußt das für dich behalten, Perrin. Erzähle es nicht einmal Faile.«

»Ich kann schweigen«, sagte Perrin steif und ein wenig traurig. Der neue Rand war zurückgekehrt. »Und ich werde über Tear nachdenken.«

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