Also?« fragte Nynaeve so geduldig wie möglich. Es kostete sie Mühe, die Hände im Schoß liegen zu lassen, genauso wie das Stillsitzen auf ihrem Bett. Sie unterdrückte ein Gähnen. Es war noch früh am Morgen, und sie hatte die letzten drei Nächte schlecht geschlafen. Der geflochtene Käfig war leer; sie hatte den Singvogel wieder fliegen lassen. Sie wünschte, sie wäre genauso frei wie er. »Also?«
Elayne kniete auf ihrem Bett und hatte Kopf und Schultern aus dem Fenster gesteckt, um auf die winzige Gasse hinter dem Haus hinabblicken zu können. Von hier aus konnte sie gerade noch den hinteren Teil des Gebäudes erspähen, das sie als die ›Kleine Burg‹ bezeichneten, wo sich heute morgen die meisten der Sitzenden befanden, um die Abgesandte der Weißen Burg zu empfangen. Sie vermochte wirklich nicht viel zu erkennen, aber jedenfalls genug, um ein Stück des Wachgewebes zu bemerken, das die ehemalige Schenke zum Schutz gegen Lauscher umgab. Es war die Sorte von Wachgewebe, die jeden abblockte, der versuchte, mit Hilfe der Macht zu lauschen. Das war eine Notwendigkeit, wenn zu viele diese Fertigkeiten erlernt hatten.
Einen Augenblick später hockte sich Elayne mit Enttäuschung auf der Miene auf ihre Fersen. »Nichts. Du hast doch behauptet, solche Stränge könnten unbemerkt durchschlüpfen. Ich glaube nicht, daß mich jemand bemerkt hat, aber ich habe gewiß auch nichts hören können.«
Das letztere war an Moghedien gerichtet die auf ihrem Korbhocker in einer Ecke saß. Es ärgerte Nynaeve maßlos, daß diese Frau niemals schwitzte. Sie hatte behauptet, es nehme einige Zeit in Anspruch, bis man lange genug mit der Macht gearbeitet hatte, um sich soweit von allem Äußeren lösen zu können, daß man Hitze oder Kälte einfach ignorierte. Das war auch nicht besser als das vage Versprechen der Aes Sedai, es werde schließlich ganz von selbst geschehen. Nynaeve und Elayne trieften vor Schweiß, während Moghedien kühl wie ein Vorfrühlingstag wirkte — und beim Licht, das wurmte sie! »Ich sagte lediglich, es sollte klappen.« Moghediens dunkle Augen huschten schuldbewußt von einer zur anderen, ihr Bild blieb aber dann an Elayne hängen. Sie konzentrierte sich immer auf diejenige, die gerade das Armband des A'dam trug. »Sollte. Es gibt Tausende verschiedener Wachgewebe. Es kann tagelang dauern, bis man ein Loch durch eines gesponnen hat.«
Nynaeve hielt den Mund, was ihr Mühe bereitete. Sie hatten es bereits tagelang versucht. Dies war der dritte Tag seit Tarna Feirs Ankunft, und der Saal hielt immer noch die von der Roten Schwester überbrachte Botschaft Elaidas geheim. Sicher, Sheriam und Myrelle und ihre Gruppe wußten Bescheid. Nynaeve hätte es nicht überrascht wenn sie bereits vor dem Saal alles erfahren gehabt hätten. Doch selbst Siuan und Leane hatte man von diesen täglichen Sitzungen ausgeschlossen. Jedenfalls hatten sie das zugegeben.
Nynaeve wurde bewußt, daß sie an ihrem Rock zupfte, und so zwang sie ihre Hände zum Stillhalten. Irgendwie mußten sie herausbekommen, was Elaida wollte, und — noch wichtiger — was ihr der Saal antwortete. Es mußte einfach sein. Irgendwie.
»Ich muß jetzt gehen«, seufzte Elayne. »Noch ein paar weitere Schwestern wollen sehen, wie ich einen Ter'Angreal anfertige.« Sehr wenige der Aes Sedai in Salidar besaßen das notwendige Geschick, aber alle wollten es erlernen. Die meisten schienen zu glauben, sie könnten es lernen, wenn ihnen Elayne nur recht oft zeigte, wie sie es machte. »Dann kannst du den auch gleich anlegen«, fügte sie hinzu und löste ihr Armband. »Ich will etwas Neues ausprobieren, wenn die Schwestern genug gesehen haben, und danach habe ich Unterricht bei den Novizinnen.« Sie hörte sich auch dabei nicht besonders glücklich an; jedenfalls nicht so begeistert wie vor dem ersten Mal. Nach jeder Unterrichtsstunde kehrte sie so gereizt zurück, daß sie beinahe wie eine Katze fauchte und die Haare sträubte. Die jüngsten Mädchen waren übereifrig und wollten immer gleich Dinge erreichen, von denen sie keine Ahnung hatten, ja, sie versuchten es oft ohne zu fragen; die ältesten waren wohl ein wenig vorsichtiger, hatten dafür jedoch ständig Einwände oder wehrten sich dagegen, Befehle von einer Frau entgegenzunehmen, die sechs oder sieben Jahre jünger war als sie selbst. So knurrte Elayne in letzter Zeit ständig Sachen wie: »Idiotische Novizinnen!« oder »Sture Närrinnen!«, ganz wie eine Aufgenommene, die schon zehn Jahre auf dem Buckel hatte. »So hast du wenigstens Zeit für Fragen. Vielleicht hast du auch mehr Glück als ich, wenn es darum geht, einen Mann zu spüren, der die Macht anwendet.«
Nynaeve schüttelte den Kopf. »Ich soll heute morgen Janya und Delana bei ihren Arbeiten helfen.« Sie konnte nicht vermeiden, ihr Gesicht zu einer Grimasse zu verziehen. Delana war eine Sitzende der Grauen Ajah und Janya eine der Braunen, doch Nynaeve würde aus ihnen mit Sicherheit kein Wort über die Verhandlungen herausbringen. »Und dann habe ich wieder so eine Unterrichtsstunde bei Theodrin.« Noch mehr Zeitverschwendung. Jede hier in Salidar verschwendete lediglich ihre Zeit. »Trag du es«, sagte sie, als Elayne das Armband neben ihre Kleider an einen Haken hängen wollte.
Die Frau mit dem rotgoldenen Haar seufzte gekünstelt, legte jedoch das Armband wieder an. Nynaeves Meinung nach vertraute Elayne viel zu sehr auf den A'dam. Sicher, solange Moghedien das Halsband angelegt hatte, konnte sie jede Frau mit der Fähigkeit, die Macht zu gebrauchen, mit Hilfe des Armbands aufspüren und beherrschen. Und falls niemand das Armband angelegt hatte, konnte sie sich auch nicht mehr als höchstens ein Dutzend Schritte davon entfernen, ohne würgend auf die Knie zu fallen; das gleiche traf zu, wenn sie das Armband auch nur ein paar Fingerbreit von seinem ursprünglichen Platz zu entfernen versuchte oder sich gar bemühte, das Halsband zu öffnen. Vielleicht würde es sie wirklich selbst von dem Haken aus binden, doch möglicherweise würde eine der Verlorenen eben doch einen Ausweg finden, wenn man ihr die Zeit und die Gelegenheit dazu ließ. Damals in Tanchico hatte Nynaeve Moghedien abgeschirmt und mit Hilfe der Macht gefesselt zurückgelassen, nur ein paar Augenblicke lang, und doch hatte sie sich befreit und war entkommen. Wie sie das fertiggebracht hatte, war eines der ersten Dinge gewesen, zu denen Nynaeve sie verhört hatte, sobald sie wieder eingefangen gewesen war. Allerdings hatte sie ihr beinahe den Hals umdrehen müssen, um die Antwort aus ihr herauszubringen. Wie es schien, war eine abgenabelte Abschirmung durchaus zu durchbrechen, wenn die abgeschirmte Frau ein wenig Zeit und Geduld aufbrachte. Elayne behauptete zwar, das könne gegen einen A'dam nichts nützen, da es zum einen keinen Knoten gab, den man lösen konnte, und zum anderen sei Moghedien durch das Halsband nicht in der Lage, Saidar ohne Erlaubnis auch nur zu berühren, aber Nynaeve wollte lieber kein Risiko eingehen.
»Schreibe langsam und sorgfältig ab«, warnte Elayne. »Ich habe bereits für Delana aus Büchern kopiert. Sie haßt Kleckse oder Schreibfehler. Falls nötig, läßt sie dich dasselbe fünfzigmal abschreiben, nur um eine saubere Seite zu bekommen.«
Nynaeve blickte finster vor sich hin. Ihre Handschrift mochte vielleicht nicht so sauber und gleichmäßig wie die Elaynes aussehen, aber sie war schließlich keine dumme Landpomeranze, die gerade erst gelernt hatte, welches Ende der Feder man in die Tinte taucht. Die jüngere Frau nahm keine Notiz von ihr und schlüpfte mit einem leichten Lächeln aus dem Zimmer. Möglicherweise hatte sie ihr nur helfen wollen, indem sie sie vorwarnte. Falls den Aes Sedai jemals klar wurde, wie sehr Nynaeve das Abschreiben haßte, würden sie es ihr als Strafe andauernd auferlegen.
»Vielleicht solltet Ihr euch zu Rand begeben«, sagte Moghedien plötzlich. Sie saß irgendwie anders als sonst da, aufrechter. Ihre dunklen Augen blickten unverwandt in die Nynaeves. Warum?
»Worauf wollt Ihr hinaus?« wollte Nynaeve wissen.
»Ihr solltet mit Elayne nach Caemlyn zu Rand gehen. Sie kann Königin werden, und Ihr...« Moghediens Lächeln wirkte überhaupt nicht angenehm. »Früher oder später werden sie Euch festnageln und herauszufinden versuchen, wieso Ihr solch wundervolle Entdeckungen macht und doch wie ein kleines Mädchen ins Zittern kommt, das Süßigkeiten stibitzt hat, sobald Ihr für sie die Macht lenken sollt.«
»Ich zittere nicht...!« Sie würde sich nicht rechtfertigen, jedenfalls nicht dieser Frau gegenüber. Warum benahm sich Moghedien auf einmal so herausfordernd? »Denkt nur daran: Was sie auch mit mir anstellen — sollten sie die Wahrheit herausbekommen, werden sie Euren Kopf auf jeden Fall auf den Hackblock legen, noch bevor die Woche vorüber ist.«
»Das würde für Euch aber eine verlängerte Leidenszeit bedeuten. Semirhage hat einmal einen Mann dazu gebracht, fünf Jahre lang jede wache Stunde mit Schreien zu verbringen. Sie hat dabei sogar noch seinen Verstand bewahrt, aber zum Schluß konnte selbst sie seinen Herzschlag nicht mehr länger aufrechterhalten. Ich bezweifle wohl, daß diese Kinder hier auch nur ein Zehntel von Semirhages Geschick besitzen, aber Ihr hättet eine Gelegenheit, am eigenen Leib herauszufinden, was sie fertigbringen.«
Wie konnte die Frau so etwas sagen? Für gewöhnlich kroch sie beinahe vor Angst, aber das hatte sie nun abgelegt wie die alte Haut einer Schlange. Jetzt hätten sie genausogut zwei gleichgestellte Frauen sein können, die etwas beiläufig Interessantes miteinander zu besprechen hatten. Nein, noch schlimmer: Moghediens Haltung machte deutlich, daß es für sie nur von vorübergehendem Interesse war, doch für Nynaeve von größter Bedeutung! Nynaeve wünschte sich in diesem Moment, sie trüge das Armband. Das hätte sie beruhigt. Moghediens wahre Gefühle konnten überhaupt nicht so kühl und gelassen wie ihr Gesicht und ihre Stimme sein.
Dann stockte Nynaeve der Atem. Das Armband. Natürlich! Das Armband befand sich nicht im Zimmer. In ihrem Magen ballte sich ein Klumpen Eis zusammen. Mit einem Mal schien ihr der Schweiß doppelt so stark über das Gesicht zu rinnen. Logisch wäre wohl, daß es überhaupt keinen Unterschied machte, ob sich das Armband im Zimmer befand oder nicht. Elayne hatte es angelegt — Bitte, Licht, gebe, daß sie es nicht abgelegt hat! — und die andere Hälfte des A'dam lag fest um Moghediens Hals. Aber mit Logik hatte das alles nichts zu tun. Nynaeve war noch nie mit der Frau allein gewesen, wenn sich das Armband nicht gleichzeitig im Raum befand. Oder besser: die wenigen Ausnahmen hätten jeweils fast zu einer Katastrophe geführt. Sicher hatte Moghedien zu diesen Zeiten den A'dam gar nicht getragen, doch das war unwichtig. Sie war eine der Verlorenen, sie waren allein miteinander, und Nynaeve hatte keine Möglichkeit, die andere zu beherrschen. Unwillkürlich verkrampften sich ihre Hände in den Rock, um nicht nach ihrem Messer zu greifen.
Moghediens Lächeln vertiefte sich, als habe sie ihre Gedanken erraten. »In dieser Sache dürft Ihr sicher sein, daß ich nur Eure Interessen im Sinn habe. Dies hier...« — und dabei hielt sie ihre Hand einen Augenblick lang ganz in der Nähe des Halsbandes, allerdings ohne es zu berühren — »bindet mich in Caemlyn genauso wie hier. Sklaverei dort ist besser als der Tod hier. Aber überlegt es Euch nicht zu lange. Falls diese sogenannten Aes Sedai sich entschließen, zur Burg zurückzukehren, wärt Ihr das wertvollste Geschenk, das sie der neuen Amyrlin mitbringen könnten: eine Frau, die Rand al'Thor so nahe steht! Und Elayne. Wenn er nur halb soviel für sie empfindet wie sie für ihn, würde ihre Anwesenheit in der Burg auch ihn binden, und diese Bande würde er sein Leben lang nicht mehr loswerden.«
Nynaeve stand auf und zwang ihre Knie dazu, mit dem Zittern aufzuhören. »Ihr könnt jetzt die Betten machen und das Zimmer aufräumen. Ich erwarte, alles sauber vorzufinden, wenn ich zurück bin.«
»Wieviel Zeit habt Ihr noch?« fragte Moghedien, bevor sie die Tür erreicht hatte. Es klang, als frage die Frau, ob das Wasser zu heiß für den Tee sei. »Nur noch ein paar Tage, bis sie ihre Antwort nach Tar Valon senden? Ein paar Stunden vielleicht nur? Was wird den Ausschlag geben: Rand al'Thor und Elaidas angebliche Verbrechen, oder die Aussicht, ihre verehrte Weiße Burg wieder zu einer Einheit zu machen?«
»Achtet besonders auf die Nachttöpfe«, sagte Nynaeve, ohne sich umzudrehen. »Diesmal will ich sie wirklich sauber vorfinden.« Sie trat aus dem Zimmer, bevor Moghedien noch etwas sagen konnte, und schloß die Tür energisch hinter sich.
Dann lehnte sie sich an die rauhe Bretterwand in dem engen, fensterlosen Gang und atmete tief durch. Sie kramte in ihrer Gürteltasche und zog einen kleinen Sack heraus, aus dem sie zwei Gansminzblätter hervorholte, die sie sich in den Mund steckte. Es dauerte etwas, bis Gansminze das Sodbrennen unterdrückte, aber sie kaute darauf herum und schluckte so hastig, als glaube sie, die Wirkung dadurch beschleunigen zu können. Während der letzten paar Minuten hatte sie ein ums andere Mal fast der Schlag getroffen. Moghedien hatte ein Ding nach dem anderen zerpflückt, das sie doch so genau gekannt hatte. Trotz ihres gesunden Mißtrauens hatte sie geglaubt, die Frau sei endgültig unterdrückt. Falsch. Beim Licht, das war ein Irrtum gewesen! Sie war sicher gewesen, daß Moghedien auch nicht mehr über Elayne und Rand wisse als die Aes Sedai. Falsch. Und was ihren Vorschlag betraf, sich zu Rand zu begeben... Sie hatten sich einfach zu offen vor ihr unterhalten. Was mochte ihnen noch entschlüpft sein, und was konnte Moghedien damit anfangen?
Eine andere Aufgenommene trat aus dem Vorraum des kleinen Hauses in den schlecht beleuchteten Gang. Nynaeve richtete sich auf, steckte die Gansminze weg und strich ihr Kleid glatt. Jedes Zimmer außer dem Vorraum war zum Schlafquartier gemacht worden. Aufgenommene und Dienerinnen hatte man hier untergebracht, drei oder vier in jedem der Zimmer, und keines davon war viel größer als jenes, in dem sie selbst schlief. Einige der Betten im Haus mußten sie sogar zu zweit benützen. Die andere Aufgenommene war eine zierliche Frau, klein und schmächtig, mit grauen Augen und einem bereitwilligen Lächeln. Emara stammte aus Illian und konnte Siuan oder Leane nicht leiden, was Nynaeve durchaus verstand.
Sie war der Meinung, man solle die beiden wegschicken, auf anständige Weise natürlich, wie sie hinzugefügt hatte, so, wie man es immer mit Frauen getan hatte, die einer Dämpfung unterzogen worden waren, doch davon abgesehen war sie eine nette Frau, die auch nichts dagegen hatte, daß Elayne und Nynaeve ein größeres Zimmer hatten und auch ›Marigan‹, die ihre Hausarbeit für sie verrichtete. Andere dachten nicht so großzügig.
»Wie ich hören, Ihr werdet für Janya und Delana abschreiben müssen«, sagte sie mit ihrer hohen Stimme im Vorbeigehen auf dem Weg zu ihrem Zimmer. »Folgt meinem Rat und schreibt, so schnell Ihr könnt. Janya es halten für wichtiger, daß alle Wörter dastehen, wenn auch ein paar Kleckse dabei sein.«
Nynaeve warf ihr einen bösen Blick nach. Bei Delana schnell schreiben. Bei Janya langsam. Oder umgekehrt. Tolle Ratschläge waren das. Wie auch immer, im Augenblick machte sie sich keine weiteren Gedanken über verkleckste Abschriften. Nicht einmal über Moghedien, jedenfalls so lange, bis sie eine Gelegenheit hatte, mit Elayne über dieses Problem zu sprechen.
So schüttelte sie den Kopf, knurrte etwas in sich hinein und stolzierte aus dem Haus. Vielleicht hatte sie wirklich zu viel als gegeben hingenommen und die Zügel aus den Händen gleiten lassen. Nun war es an der Zeit, sich zusammenzunehmen und diesen Zustand zu beenden. Sie wußte genau, wen sie jetzt aufsuchen mußte.
Während der letzten Tage hatte sich eine gewisse Stille über Salidar ausgebreitet, obwohl sich die Menschen auf den Straßen genauso drängten wie zuvor. Doch aus den Schmieden außerhalb des Ortes war kein Laut mehr zu hören. Dann hatte man allen eingeschärft, ihre Zungen zu hüten, während sich Tarna hier aufhielt, sowohl, was die Abgesandten nach Caemlyn betraf, wie auch in bezug auf Logain, den man in einem der Heerlager untergebracht hatte, damit er aus dem Weg war, und natürlich auch über die Soldaten selbst und den Grund, aus dem sie hier versammelt waren. Die meisten hüteten sich vor jedem lauten Wort und flüsterten höchstens miteinander. Das leise Gemurmel auf den Straßen klang ziemlich ängstlich.
Jeder schien davon beeinflußt. Dienerinnen, die normalerweise einherhasteten, bewegten sich jetzt nur zögernd und blickten sich immer wieder ängstlich um. Sogar die Aes Sedai schienen unter der Oberfläche ihrer üblichen Ruhe mißtrauisch und wachsam zu sein und musterten sich gegenseitig heimlich mit abschätzenden Blicken. Es befanden sich nun auch weniger Soldaten auf den Straßen, als habe Tarna nicht bereits am ersten Tag genug gesehen, um ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Die falsche Antwort vom Kleinen Saal würde wahrscheinlich allen die Schlinge um den Hals zusammenziehen. Selbst diejenigen Herrscher und Adligen, die sich aus den Streitigkeiten um die Weiße Burg heraushalten wollten, würden vermutlich jeden Soldaten aufhängen lassen, den sie in die Finger bekamen, damit sich die Rebellion nicht als ansteckend erweisen würde. Im Gefühl all dieser Unsicherheit zwangen sich die Anwesenden zu nichtssagenden Mienen oder blickten sich nur ängstlich um. Alle, bis auf Gareth Bryne, der geduldig vor dem Kleinen Saal wartete. Dort hatte er sich jeden Tag aufgehalten, schon bevor die ersten Sitzenden auftauchten, und bis die letzte wieder zu Hause war. Sie glaubte, er verhalte sich so, damit sie ihn nie vergessen konnten, ihn und das, was er für sie tat. Das einzige Mal, als sie die Sitzenden nach der täglichen Zusammenkunft herauskommen sah, waren sie ihr bei seinem Anblick nicht gerade erfreut vorgekommen.
Lediglich die Behüter erschienen ihr unverändert, seit die Rote Schwester eingetroffen war. Die Behüter und die Kinder. Nynaeve fuhr zusammen, als vor ihr plötzlich drei kleine Mädchen davonstoben wie die Wachteln auf dem Feld, mit Bändern im Haar, verschwitzt und staubig; sie lachten hell beim Wegrennen. Die Kinder wußten freilich nicht, worauf ganz Salidar wartete, und wahrscheinlich härten sie auch gar nichts damit anzufangen gewußt, hätte man ihnen den Grund gesagt. Und jeder Behüter folgte ohne mit der Wimper zu zucken seiner Aes Sedai, wozu sie sich auch entschließen und wohin sie sich wenden mochte. Die meisten dieser gedämpften Gespräche schienen sich um das Wetter zu drehen und dann noch um Gerüchte über seltsame Geschehnisse irgendwo auf der Welt, die von sprechenden, zweiköpfigen Kälbern berichteten und von Männern, die von Fliegenschwärmen erstickt worden waren, von einem Dorf, dessen Kinder allesamt mitten in der Nacht verschwanden, und von Menschen, die im hellen Tageslicht von einem unsichtbaren Tod dahingerafft worden waren. Jeder, der noch klar denken konnte, wußte, daß die Dürre und die ungewöhnliche Hitze der Hand des Dunklen Königs zu verdanken waren, die hier die Welt berührte, doch selbst die meisten Aes Sedai zweifelten an Elaynes und Nynaeves Behauptung, die anderen Vorkommnisse seien genauso real und daß sich Blasen des Bösen aus dem Kerker des Dunklen Königs erhoben und durch das Muster schwammen, bis sie zerplatzten, da die Siegel immer schwächer wurden. Die meisten Menschen waren nicht in der Lage, klar zu denken. Einige gaben Rand die Schuld daran. Andere meinten, der Schöpfer sei unzufrieden, weil sich die Welt noch nicht hinter den Wiedergeborenen Drachen gestellt hatte, oder aber, weil die Aes Sedai ihn noch nicht gefangen und einer Dämpfung unterzogen hatten; vielleicht passe es ihm auch nicht, daß sich Aes Sedai gegen eine erwählte Amyrlin stellten. Nynaeve hatte Menschen davon sprechen gehört, das kühlere Werter werde zurückkehren, sobald die Weiße Burg wieder vollständig sei. Sie schob sich weiter durch die Menge.
»...schwöre, daß es wahr ist!« murmelte eine Köchin, deren Unterarme mit Mehl verschmiert waren. »Auf der anderen Seite des Eldar steht ein Heer der Weißmäntel und wartet nur auf Elaidas Befehl, um anzugreifen.« Vom Wetter und zweiköpfigen Kälbern abgesehen waren Gerüchte über die Weißmäntel zahlreicher als alle anderen, doch Weißmäntel, die auf Elaidas Marschbefehl warteten? Ehe Hitze mußte wohl das Gehirn dieser Frau aufgeweicht haben!
»Das Licht sei mein Zeuge, daß ich die Wahrheit spreche«, raunte ein ergrauter Fuhrmann einer Frau mit düsterer Miene zu, deren gutgeschnittenes Wollkleid sie als Zofe einer Aes Sedai auswies. »Elaida ist tot. Die Rote ist gekommen, um Sheriam zu holen, damit man sie zur neuen Amyrlin erwählen kann.« Die Frau nickte eifrig. Sie nahm ihm wohl jedes Wort ab.
»Ich meine, Elaida ist eine gute Amyrlin«, sagte ein Mann im grobgewebten Mantel und rückte einige Reisigbündel zurecht, die er auf der Schulter trug. »Gewiß nicht schlechter als andere.« Er sprach nicht im Flüsterton mit seinem Begleiter. Nein, er sprach mit lauter Stimme, und es wirkte, als müsse er sich zusammennehmen, um sich nicht umzublicken, welche Wirkung seine Worte hinterlassen hatten.
Nynaeve verzog angewidert den Mund. Er wollte gehört werden. Wie hatte Elaida nur Salidar so schnell entdecken können? Tarna hatte doch Tar Valon bestimmt verlassen, als sich hier gerade die Aes Sedai zu versammeln begannen. Siuan hatte ihnen erst in düsterem Tonfall klargemacht, daß noch immer eine ganz beachtliche Anzahl Blauer Schwestern fehlten. Der ursprüngliche Aufruf, sich in Salidar zu sammeln, war vor allem an die Blauen gerichtet gewesen. Und Alviarin besaß viel Erfahrung darin, solche Situationen auszunützen. Der Gedanke verdrehte ihr fast den Magen, wenn auch weniger als die offensichtliche Erklärung: Geheime Anhänger Elaidas befanden sich in Salidar. Jeder musterte mißtrauisch jeden anderen, und der Waldarbeiter war nicht der einzige, von dem Nynaeve in letzter Zeit solche Dinge gehört hatte, mehr oder weniger das gleiche und auf die gleiche Art vorgebracht. Aes Sedai sprachen es nicht offen aus, aber Nynaeve nahm an, daß ein paar von ihnen dasselbe dachten. Das alles machte Salidar zu einem gewaltigen Suppenkessel, in dem alles mögliche zusammentraf, aber die Suppe wollte beim besten Willen nicht schmecken.
Deshalb war das, was sie sich vorgenommen hatte, um so richtiger.
Sie brauchte eine Weile, um diejenige zu finden, die sie gesucht hatte. Dazu mußte sie erst einmal Gruppen spielender Kinder aufspüren, aber Kinder gab es in Salidar nicht viele. Und tatsächlich, da stand Birgitte und beobachtete fünf Jungen, die sich auf der Straße herumbalgten. Sie warfen mit Kieselsteinen gefüllten Säckchen herum und lachten jedesmal schrill, wenn einer von ihnen getroffen wurde. Auch der Getroffene lachte mit. Das ergab genausowenig Sinn wie die meisten Spiele von Jungen. Oder von Männern.
Birgitte war natürlich nicht allein. Das war sie selten, außer sie wollte einmal ihre Ruhe haben. Areina stand neben ihr, tupfte sich den Schweiß vom Gesicht und bemühte sich, ihre Langeweile ob der Kinderspiele zu verbergen. Sie war ein oder zwei Jahre jünger als Nynaeve und trug ihr dunkles Haar zu einem Zopf geflochten, der dem goldenen Zopf Birgittes sehr ähnlich sah, wenn er auch nur ein Stückchen über ihre Schulter herabfiel, während Birgittes Zopf bis zur Hüfte reichte, wie es schicklich war. Auch hinsichtlich ihrer Kleidung ahmte sie Birgitte nach — hüftlanger, hellgrauer Kurzmantel, bauschige, bronzefarbene Hose, an den Knöcheln über den kurzen Stiefeletten mit hohen Absätzen geschnürt — und sie hatte sich sogar einen Köcher umgeschnallt und den dazugehörigen Bogen über dem Rücken. Nynaeve glaubte nicht, daß Areina jemals, zumindest vor ihrem Zusammentreffen mit Birgitte, einen Bogen auch nur berührt hatte. Sie beachtete die Frau nicht.
»Ich muß mit dir reden«, sagte sie zu Birgitte. »Unter vier Augen.«
Areina blickte zu ihr herüber, und in ihren blauen Augen lag fast so etwas wie Verachtung. »Man sollte denken, Ihr würdet an einem so schönen Tag Eure Stola tragen, Nynaeve. O je. Ihr scheint zu schwitzen wie ein Pferd. Warum eigentlich?«
Nynaeve verzog das Gesicht. Sie hatte die Frau noch vor Birgitte äußerst freundschaftlich behandelt, doch diese Freundschaft war bei ihrer Ankunft in Salidar dahingeschmolzen. Zu erfahren, daß Nynaeve keineswegs eine vollwertige Aes Sedai war, hatte sie wohl mehr als nur ein bißchen enttäuscht. Nur Birgittes Aufforderung, nichts davon zu erwähnen, hatte Areina davon abgehalten, die Aes Sedai darüber in Kenntnis zu setzen, daß sie sich als eine solche ausgegeben hatte. Außerdem hatte Areina den Eid als Jägerin des Horns abgelegt, und was diese Aufgabe betraf, war Birgitte sicherlich ein besseres Vorbild als Nynaeve. Und sie hatte die Frau ihrer Schrammen wegen damals so bemitleidet!
»Deiner Miene nach«, stellte Birgitte mit einem verschmitzten Grinsen fest, »hast du entweder vor, jemanden mit bloßen Händen zu erwürgen — wahrscheinlich Areina —, oder du hast dein Kleid inmitten einer Truppe von Soldaten verloren und dabei keinen Unterrock getragen.« Areina schnaubte vor Vergnügen, doch ihrer Miene nach schien sie schockiert. Nynaeve wußte nicht, warum, denn die Frau hatte nun wahrlich genug Zeit gehabt, sich an Birgittes eigenartigen Humor zu gewöhnen, der ihr eher für einen unrasierten Kerl geeignet schien, der die Nase in einen Krug steckte und den Bauch voll Bier hatte.
Nynaeve musterte eine Weile die Gesichter der Jungen, damit sich ihre Erregung etwas legen konnte. Es wäre widersinnig, wenn sie sich im Zorn zu etwas hinreißen ließe, obwohl sie schließlich um einen Gefallen bitten wollte.
Seve und Jaril gehörten zu den Jungen, die die Säckchen einander zuwarfen. Die Gelben hatten recht gehabt, was die beiden betraf: Sie hatten einfach nur Zeit benötigt. Nach beinahe zwei Monaten in Salidar —ohne Angst und unter anderen Kindern — lachten und schrien sie genauso laut herum wie die anderen.
Plötzlich fiel ihr etwas ein, das sie wie ein Hammerschlag traf. ›Marigan‹ kümmerte sich immer noch um sie, wenn auch mürrisch, sorgte dafür, daß sie badeten und Essen bekamen, aber jetzt, da sie wieder zu sprechen imstande waren, würden sie möglicherweise ausplaudern, daß die Frau gar nicht ihre Mutter war! Vielleicht hatten sie das sogar schon erzählt. Das mochte weiter keine Fragen auslösen, doch andererseits war das nicht auszuschließen. Und solche Fragen konnten das ganze Kartenhaus, das sie um sich herum aufgebaut hatten, zum Einsturz bringen. Der Eisklumpen machte sich wieder in Nynaeves Bauch breit. Warum hatte sie nicht früher daran gedacht?
Sie fuhr zusammen, als Birgitte ihren Arm berührte. »Was ist los, Nynaeve? Du machst ein Gesicht, als sei deine beste Freundin gestorben und habe dich mit ihrem letzten Atemzug verflucht.«
Areina stolzierte mit steifem Kreuz davon und warf ihnen einen letzten beleidigten Blick hinterher. Die Frau sah Birgitte zu, wie sie mit Männern trank und flirtete, ohne mit der Wimper zu zucken, ja, sie ahmte sie sogar nach, als wolle sie es ihr gleichtun, doch jedesmal, wenn Birgitte mit Elayne oder Nynaeve allein sein wollte, kochte sie vor Wut. Männer betrachtete sie nicht als Bedrohung, denn für Areina zählten nur Frauen, aber nur sie allein durfte Birgittes Freundin sein! Der Gedanke, zwei Freundinnen zu haben, schien ihr fernzuliegen. Nun ja, genug davon; es gab anderes zu tun.
»Könntest du uns Pferde besorgen?« Nynaeve bemühte sich, ihre Stimme zu festigen. Sie war nicht gekommen, um diese Frage zu stellen, aber im Hinblick auf Seve und Jaril ergab sie durchaus einen Sinn. »Wie lange würdest du brauchen?«
Birgitte zog sie von der Straße weg in eine kleine Gasse zwischen zwei verwitterten Häusern und sah sich vorsichtig um, bevor sie antwortete. Niemand war nahe genug, um sie zu belauschen, und keiner schenkte ihnen Beachtung. »Ein oder zwei Tage. Uno hat mir gerade berichtet...«
»Nicht Uno! Diesmal geht es ihn nichts an. Nur dich, Elayne und Marigan. Es sei denn, Thom und Juilin kehren rechtzeitig zurück. Und Areina, schätze ich, falls du darauf bestehst.«
»Areina mag in mancher Hinsicht töricht sein«, sagte Birgitte bedächtig, »aber das Leben wird ihr das schon austreiben oder sie zurechtschleifen. Außerdem weißt du, daß ich niemals darauf bestehen werde, sie mitzunehmen, wenn du oder Elayne das nicht wünschen.«
Nynaeve hielt den Mund. Die Frau benahm sich, als sei sie diejenige, die eifersüchtig war! Es ging sie nichts an, ob Birgitte sich mit einer so wetterwendischen Person wie Areina abgeben wollte.
Birgitte rieb sich mit dem Handrücken den Mund und runzelte die Stirn. »Thom und Juilin sind gute Männer, aber die beste Art, Schwierigkeiten zu vermeiden, ist, dafür zu sorgen, daß niemand dir Schwierigkeiten bereiten will. Ein Dutzend oder mehr Schienar er in voller Rüstung — oder auch ohne — sollten da eine große Hilfe sein. Ich verstehe das nicht mit Uno und dir. Er ist ein harter Bursche, und er würde dir und Elayne auch noch bis in den Krater des Verderbens folgen.« Plötzlich überzog ein Grinsen ihr Gesicht. »Außerdem ist er ein gutgebautes Mannsbild.«
»Wir brauchen niemandem um Händchen zu halten«, erwiderte Nynaeve schnippisch. Gut gebaut? Die bemalte Augenklappe kam ihr quälend in den Sinn, die und die Narben. Die Frau hatte wirklich einen eigenartigen Geschmack, was Männer betraf. »Wir werden mit allem fertig, was uns unterwegs zustoßen könnte. Ich denke, das haben wir hinreichend bewiesen, wenn es überhaupt noch eines Beweises bedurfte.«
»Das weiß ich auch, Nynaeve, aber wir werden die Schwierigkeiten anlocken wie der Abfallhaufen die Fliegen. Altara ist allmählich am Überkochen. Jeder Tag bringt neue Berichte von den Drachenverschworenen, und ich setze mein bestes Seidenkleid gegen einen deiner alten Unterröcke, daß die Hälfte davon lediglich Räuber sind, die vier Frauen ohne männlichen Schutz als leichte Beute betrachten würden. Wir werden jeden zweiten Tag den Beweis antreten müssen, daß wir keineswegs leichte Beute sind. Wie ich hörte, geht es in Murandy schlimmer zu. Das steckt voll von Drachenverschworenen und Banditen und Flüchtlingen aus Cairhien, und alle fürchten, der Wiedergeborene Drache könne sie jeden Tag erreichen und über sie herfallen. Ich nehme an, du hast nicht vor, den Fluß in Richtung Amadicia zu überqueren. Ich schätze, du willst nach Caemlyn.« Ihr kunstvoll geflochtener Zopf schaukelte leicht, als sie den Kopf neigte und eine Augenbraue fragend hochzog. »Bist du dir mit Elayne in bezug auf Uno einig?«
»Sie wird mir sicherlich recht geben«, knurrte Nynaeve.
»Aha. Na ja, wenn sie das tut, werde ich so viele Pferde besorgen, wie wir benötigen. Aber ich will, daß sie mir selbst sagt, warum wir Uno nicht mitnehmen sollten.«
Die unnachgiebige Entschlossenheit in ihrer Stimme ließ Nynaeves Gesicht vor Ärger erröten. Auch wenn sie Elayne noch so lieb darum bäte, Birgitte zu sagen, Uno solle hierbleiben, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, daß sie ihn wartend am Kreuzweg vorfinden würden, und Birgitte spielte vermutlich ganz erstaunt, weil er herausbekommen hatte, wohin sie reisen wollten. Die Frau mochte ja Elaynes Behüterin sein, doch manchmal fragte sich Nynaeve, welche von beiden in Wirklichkeit das Sagen habe. Sobald sie Lan fand, hatte sie vor, ihn die heiligsten Eide ablegen zu lassen, daß er sich an ihre Entscheidungen halten werde.
Sie atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen. Es hatte keinen Zweck, gegen eine Mauer rennen zu wollen. Genausogut konnte sie allmählich zum eigentlichen Grund kommen, aus dem sie Birgitte aufgesucht hatte.
Scheinbar gleichgültig trat sie einen Schritt weiter in die enge Gasse hinein und zwang so die andere Frau, ihr zu folgen. Auf dem Boden waren welkbraune Stoppeln von dem Gestrüpp zurückgeblieben, das man beim Anlegen der Gasse entfernt hatte. Sie bemühte sich, gleichgültig zu erscheinen, und betrachtete das Menschengewühl auf der Straße. Nach wie vor schenkte man ihnen kaum Beachtung. Trotzdem senkte sie die Stimme: »Wir müssen unbedingt in Erfahrung bringen, was Tarna dem Saal mitteilt und was sie ihr antworten. Elayne und ich haben alles versucht, um sie zu belauschen, aber sie haben zu gute Schutzgewebe um die Versammlung gelegt. Allerdings nur solche mit Hilfe der Macht. Sie fürchten so sehr, jemand könne sie auf diese Art belauschen, daß sie ganz zu vergessen scheinen, was ein Ohr an der Tür aufschnappen kann. Sollte jemand sie...«
Birgitte unterbrach sie mit entschlossener Stimme: »Nein.«
»Überlege es dir doch wenigstens. Bei Elayne und mir ist die Wahrscheinlichkeit, daß man uns erwischt, zehnmal höher als bei dir.« Sie hätte beinahe noch hinzugefügt daß Elayne dabei doch sehr geschickt sei, ließ es aber sein, als Birgitte schnaubte.
»Ich habe nein gesagt! Du hast viele Rollen gespielt, seit ich dich kennenlernte, Nynaeve, aber töricht warst du doch nie! Licht, in ein oder zwei Tagen werden sie es ohnehin öffentlich bekanntgeben.«
»Wir müssen es aber jetzt wissen«, zischelte ihr Nynaeve zu, und sie konnte gerade noch ein ›du idiotisches Mannweib‹ unterdrücken. Töricht? Selbstverständlich hatte sie noch niemals töricht gehandelt! Sie durfte sich nicht aufregen. Sollte sie Elayne zur Abreise überreden können, würden sie sich in ein oder zwei Tagen nicht mehr hier befinden. Nein, am besten öffnete sie diesen Sack voll Schlangen nicht noch einmal.
Schaudernd — ein wenig übertrieben, wie Nynaeve fand — stützte sich Birgitte auf ihren Bogen. »Man hat mich einmal dabei erwischt, wie ich Aes Sedai belauschte. Drei Tage später haben sie mich an den Ohren gepackt und hinausgeworfen, und ich verließ Schaemal so schnell, wie ich nur ein Pferd auftreiben konnte. Das werde ich nicht noch einmal durchmachen, nur, um für euch einen einzigen Tag zu gewinnen, den ihr nicht benötigt.«
Nynaeve bewahrte Ruhe. Sie bemühte sich sogar, eine gelassene Miene zur Schau zu tragen und keinesfalls mit den Zähnen zu knirschen oder an ihrem Zopf zu reißen. Sie war ganz ruhig. »Ich habe noch nie in einer Geschichte vernommen, daß du einmal Aes Sedai belauscht hättest.« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, hätte sie sie auch schon am liebsten zurückgerufen. Birgittes Geheimnis lag eben darin, daß sie wirklich die Birgitte der Legenden war. Nichts, was diese Verbindung verraten konnte, durfte jemals erwähnt werden.
Einen Augenblick lang wirkte Birgittes Gesicht wie versteinert und verbarg so all ihre Gefühle. Es reichte, um Nynaeve schaudern zu lassen. Im Geheimnis der anderen Frau lag zuviel Schmerzliches verborgen. Schließlich wurde wieder Fleisch und Blut aus dem Stein, und Birgitte seufzte. »Die Zeit ändert vieles. Ich kann selbst die Ursprünge der Hälfte dieser Legenden kaum noch erkennen, und die andere Hälfte kommt mir vollkommen fremd vor. Wir sollten nicht mehr davon sprechen.« Letzteres war eindeutig nicht bloß als Vorschlag gemeint.
Nynaeve öffnete den Mund, ohne eigentlich zu wissen, was sie sagen wollte. Sie schuldete es Birgitte, ihren Schmerz nicht auch noch zu schüren, aber gleich zwei so simple Bitten abzulehnen...! Und plötzlich erklang die Stimme einer dritten Frau von der Ecke zur Gasse her: »Nynaeve, Janya und Delana wollen Euch augenblicklich sprechen.«
Nynaeve wäre fast in die Luft gegangen, so überrascht war sie, und ihr Herz setzte einen Moment lang aus.
An der Ecke stand Nicola in ihrem Novizinnenkleid, und auch sie blickte nun einen Augenblick lang verblüfft ob der Wirkung ihrer Worte drein. Genau wie auch Birgitte, doch die wandte sich schnell einer amüsierten Betrachtung ihres Bogens zu.
Nynaeve mußte zweimal schlucken, bevor sie auch nur ein Wort herausbrachte. Wieviel hatte die Frau gehört? »Falls Ihr glaubt, auf diese Art mit einer Aufgenommenen sprechen zu können, solltet Ihr schnell dazulernen, sonst wird man Euch bessere Umgangsformen beibringen.«
Das war ganz die Art von Antwort, die man von einer Aes Sedai erwarten konnte, doch die dunklen Augen der schlanken Frau musterten Nynaeve nachdenklich. »Es tut mir leid, Aufgenommene«, sagte sie und knickste dabei. »Ich werde mich bemühen, mich das nächste Mal in acht zu nehmen.«
Der Knicks war genauso tief, wie er für eine Aufgenommene sein sollte, bis auf den Fingerbreit, und falls ihr Tonfall als kühl zu bezeichnen war, dann doch noch in einem Rahmen, für den sie nicht zu tadeln war. Areina war nicht ihre einzige Reisegefährtin gewesen, die voller Enttäuschung die Wahrheit über Nynaeve und Elayne erfahren hatte, doch Nicola war einverstanden gewesen, ihr Geheimnis zu wahren, und sie hatte sich verhalten, als überrasche es sie, daß die beiden es überhaupt für nötig gehalten hatten, sie darum zu bitten. Danach, als nämlich die Überprüfung ergeben hatte, daß auch sie lernen konnte, mit der Macht umzugehen, hatte sie sich diesen abschätzenden Blick angewöhnt.
Nynaeve verstand das nur zu gut. Nicola war das Talent zwar nicht angeboren und sie hätte ohne die richtige Unterweisung Saidar nie berührt, doch schon jetzt versprach man sich eine Menge von ihr und bewunderte die Kraft, die sie besitzen würde, wenn sie sich nur recht anstrengte. Noch vor zwei Jahren hätte sie mit ihrem Potential, wie es keine Novizin in den letzten Jahrhunderten mehr besessen hatte, großes Aufsehen erregt. Allerdings waren dann Elayne und Egwene und Nynaeve selbst aufgetaucht. Nicola sagte nie etwas dazu, aber Nynaeve war sicher, daß sie sich entschlossen hatte, Elayne und sie selbst zumindest einzuholen, wenn nicht zu übertrumpfen. Sie überschritt die Grenzlinie des Schicklichen niemals, doch sie wandelte häufig darauf.
Nynaeve nickte ihr knapp zu. Das Verständnis änderte nichts an ihrem Wunsch, der törichten Frau eine dreifache Dosis Schafszungenwurzel ihres idiotischen Verhaltens wegen zu verpassen. »Seht nur zu, daß Ihr das Versprechen haltet. Und nun geht und meldet den Aes Sedai, daß ich in ein paar Augenblicken bei ihnen sein werde.« Nicola knickste erneut, doch als sie sich abwandte, sagte Nynaeve: »Wartet.« Die Frau hielt augenblicklich inne. Jetzt war es nicht mehr sichtbar, aber Nynaeve war sich ganz sicher, zuvor ein Aufblitzen von — Befriedigung? — bei der Frau entdeckt zu haben. »Habt Ihr mir auch alles gesagt?«
»Ich wurde ausgesandt, um Euch mitzuteilen, Ihr solltet kommen, und das habe ich getan.« Genauso ausdruckslos wie abgestandenes Wasser in einem Waschkrug.
»Was haben sie gesagt? Die genauen Worte, bitte!«
»Die genauen Worte, Aufgenommene? Ich weiß nicht, ob ich ihre genauen Worte wiedergeben kann, aber ich werde es versuchen. Denkt daran, daß sie es sagten und ich lediglich ihre Worte wiederhole! Janya Sedai sagte in etwa: ›Sollte dieses idiotische Mädchen nicht bald auftauchen, dann schwöre ich, dafür zu sorgen, daß sie nicht mehr richtig sitzen kann, bis sie alt genug ist, um Großmutter zu werden.‹ Und Delana Sedai sagte: ›Sie wird so alt werden, bis sie sich zum Kommen entschließt. Falls sie nicht innerhalb der nächsten Viertelstunde eintrifft, werde ich Staublumpen aus ihrer Haut machen.‹« Ihre Augen blickten wie die personifizierte Unschuld drein. Aber zugleich auch sehr wachsam, »Das war vor etwa zwanzig Minuten, Aufgenommene. Vielleicht ist es auch ein bißchen länger her.«
Nynaeve hätte sich beinahe verschluckt. Nur weil Aes Sedai nicht lügen konnten, hieß das noch nicht, daß man jede Drohung wörtlich nehmen mußte, doch manchmal wäre ein Sperling an dem Unterschied verhungert. In Gegenwart jeder anderen als Nicola hätte sie gejammert: ›Oh, Licht!‹ und wäre losgerannt. Aber nicht unter diesem Blick. Nicht vor einer Frau, die eine ganze Liste ihrer Schwächen zu führen schien. »Wenn es so ist müßt Ihr gar nicht erst zurücklaufen und berichten. Geht also wieder an Eure Arbeit.« Sie wandte sich ab, als Nicola wieder knickste, und tat so, als könne nichts auf der Welt sie anfechten. Dann sagte sie zu Birgitte: »Wir werden uns später unterhalten. Ich schlage vor, daß du inzwischen nichts in dieser Hinsicht unternimmst.« Mit etwas Glück würde sie das davon abhalten, mit Uno zu sprechen. Nein, dazu mußte sie schon eine Menge Glück haben.
»Ich werde mir deinen Vorschlag überlegen«, sagte Birgitte ernst, doch an ihrer Miene war nichts Ernsthaftes zu entdecken, nur eine Mischung aus Mitleid und Heiterkeit. Die Frau kannte die Aes Sedai. Auf gewisse Weise wußte sie sogar mehr über die Aes Sedai als diese selbst.
Sie konnte nichts anderes tun, als Birgittes Worte akzeptieren und zu hoffen. Als Nynaeve die Straße hinunterschritt, schloß Nicola sich ihr an. »Ich habe Euch doch gesagt, Ihr sollt wieder an Eure Arbeit gehen.«
»Sie befahlen mir, zurückzukommen, wenn ich Euch gefunden hätte. Aufgenommene. Ist das eines Eurer Kräuter? Warum benützt Ihr diese Kräuter? Vielleicht, weil Ihr nicht...? Vergebt mir, Aufgenommene. Ich hätte das nicht erwähnen sollen.«
Nynaeve blinzelte das. Säckchen voll Gansminze in ihrer Hand an. Sie erinnerte sich nicht mehr daran, es herausgezogen zu haben. Dann steckte sie es in ihre Gürteltasche zurück. Am liebsten hätte sie alle Blätter darin auf einmal gekaut. Sie beachtete die Entschuldigung und deren Grund nicht denn das eine war genauso verlogen wie das andere absichtlich. »Ich benütze Kräuter, weil das Heilen mit Hilfe der Macht nicht immer notwendig ist.« Würden die Gelben diese Äußerung mißbilligen, sollten sie davon erfahren? Sie verachteten die Heilkräuter und schienen nur an Krankheiten interessiert, die mit Hilfe der Macht geheilt werden mußten. Oder jedenfalls an solchen, die nicht gerade mit Holzhammermethoden behandelt wurden. Und was sollte das, jetzt darüber nachzugrübeln, was sie zu Nicola sagte und ob die sie bei den Aes Sedai verpetzte? Die Frau war Novizin, ganz gleich, als was sie Elayne und sie selbst betrachtete. Es spielte keine Rolle, was sie in ihnen sah. »Seid jetzt ruhig«, sagte sie gereizt. »Ich will nachdenken.«
Nicola hielt den Mund, als sie sich durch die überfüllten Straßen schlängelten, und doch erschien es Nynaeve, als schliche die Frau nur so dahin. Vielleicht bildete sie sich das nur ein, doch allmählich schmerzten Nynaeve die Knie vor Anstrengung, damit sie nur nicht schneller ausschritt als die andere. Sie würde unter gar keinen Umständen Nicola das Gefühl geben, sie habe es auch nur im geringsten eilig.
Ehe ganze Situation zehrte an ihr, und so machte sich in ihr ein stetiges Glühen breit. Von allen, die man nach ihr hätte schicken können, war die Schlimmste ausgerechnet Nicola mit ihrem Blick. Und Birgitte war in diesem Augenblick wahrscheinlich zu Uno unterwegs, um ihm brühwarm zu berichten, was sie gesagt hatte. Dazu beteuerten die Sitzenden womöglich Tarna gerade jetzt, sie seien bereit, die Knie zu beugen und Elaidas Ring zu küssen. Seve und Jaril erzählten vielleicht Sheriam, daß sie ›Marigan‹ überhaupt nicht kannten. Das würde alles zu diesem Tage passen. Und die schmelzende Sonne stand erst ein Viertel ihres Weges hoch am wolkenlosen Himmel.
Janya und Delana warteten im vorderen Zimmer des kleinen Hauses, das sie sich mit drei anderen Aes Sedai teilten. Natürlich hatte jede ihr eigenes Schlafzimmer. Jede Ajah verfugte über ein Versammlungshaus, doch die Aes Sedai wohnten über das ganze Dorf verstreut, je nachdem, wann sie eingetroffen waren. Janya blickte finster und mit geschürzten Lippen zu Boden und schien ihr Eintreten gar nicht zu bemerken. Delana mit ihrem ausgebleichten Haar — es war so hellblond, daß man nicht sagen konnte, ob sich bereits Weiß darin zeigte oder nicht — Delana also richtete ihre ebenso hellblauen Augen sofort auf sie, kaum daß sie einen Fuß in den Raum setzten. Nicola fuhr zusammen. Nynaeve hätte einen Triumph empfunden, wäre sie selbst nicht genauso zusammengezuckt. Normalerweise unterschieden sich die Augen der kräftigen Grauen in nichts von denen anderer Aes Sedai, richteten sie sich jedoch so aufmerksam auf jemand, dann schien nichts anderes mehr auf der Welt zu existieren als eben diejenige, die so angeblickt wurde. Manche behaupteten sogar, Delana habe soviel Erfolg als Vermittlerin, weil beide Seiten ihr gewöhnlich nur deshalb zustimmten, damit sie aufhörte, sie auf diese Art anzustarren. Unter diesem Blick fühlte man sich schuldbewußt, obwohl man gar nichts angestellt hatte. Die Liste ihrer Sünden, die Nynaeve in diesem Augenblick durch den Kopf schoß, ließ ihren Knicks ganz unbewußt genauso unterwürfig wirken wie den Nicolas.
»Ach«, sagte Janya und blinzelte, als seien sie aus dem Nichts erschienen, »da seid Ihr ja.«
»Entschuldigt, daß ich so spät komme«, sagte Nynaeve schnell. Sollte Nicola doch hören, was sie wollte. Delana starrte sie jetzt an und nicht Nicola. »Ich habe gar nicht an die Zeit gedacht, und...«
»Unwichtig.« Delanas Stimme klang tief für eine Frau, und ihr Dialekt schien wie ein kehliges Echo von Unos schienarischem Flair. Außerdem war die Stimme ungewöhnlich melodiös für eine so rundliche Frau, aber Delana wirkte auch sonst erstaunlich elegant. »Nicola, fort mit Euch. Bis zu Eurer nächsten Unterrichtsstunde werdet Ihr Botengänge für Faolain erledigen,« Nicola verschwendete keine Zeit, knickste noch einmal und eilte hinaus. Vielleicht hätte sie gern mit angehört, was die Aes Sedai Nynaeve wegen ihrer Verspätung sagen würden, aber niemand ging in Gegenwart von Aes Sedai ein Risiko ein.
Es wäre Nynaeve egal gewesen, und hätte Nicola auch in diesem Augenblick Flügel ausgebreitet. Ihr war gerade eben bewußt geworden, daß sich auf dem Eßtisch der Aes Sedai weder Tintenfaß noch Sandschälchen, weder Feder noch Papier befanden. Nichts von dem, was sie zur Arbeit benötigen würde. Hätte sie diese Utensilien vielleicht selbst mitbringen sollen? Delana starrte sie immer noch an. Die Frau blickte doch sonst niemals so lange auf den gleichen Fleck! Sie blickte überhaupt nichts auf diese Art an, außer, sie hatte einen besonderen Grund dafür.
»Hättet Ihr gern gekühlten Pfefferminztee?« fragte Janya, und nun war Nynaeve damit an der Reihe, die Augen verblüfft aufzureißen. »Ich finde Tee wohltuend. Meiner Erfahrung nach fördert er die Gespräche.« Ohne auf eine Antwort zu warten, füllte die Braune Schwester, die so sehr wie ein Vogel wirkte, verschiedenartige Teetassen aus einer blaugestreiften Teekanne, die auf dem niedrigen Nebentischchen stand. Statt des einen Tischbeins hatte man einen Stein untergelegt. Die Aes Sedai hatten wohl mehr Platz, doch ihre Einrichtung war genauso ärmlich. »Delana und ich haben beschlossen, daß unsere Aufzeichnungen auch ein andermal noch niedergeschrieben werden können. Statt dessen werden wir uns unterhalten. Honig? Ich nehme auch lieber keinen. Diese Süße nimmt dem Tee allen Geschmack. Doch junge Frauen bestehen gewöhnlich auf ihrem Honig. Welch wunderbare Dinge habt Ihr doch vollbracht. Ihr und Elayne.« Ein lautes Räuspern ließ sie fragend Delana anblicken. Nach kurzem Zögern bemerkte Janya dann nur: »Ach. Ja.«
Delana hatte einen der Stühle, die sonst am Tisch standen, mitten auf den kahlen Fußboden gestellt, einen Stuhl mit einer Sitzfläche aus Korbgeflecht.
Einen einzigen. Von dem Augenblick an, als Janya eine ›Unterhaltung‹ erwähnt hatte, war Nynaeve klar gewesen, daß dies keineswegs alles sein würde. Delana deutete auf den Stuhl, und Nynaeve setzte sich ganz vor auf die Kante, wobei sie eine Tasse Tee auf einer angeschlagenen Untertasse von Janya entgegennahm und murmelte: »Dankeschön, Aes Sedai.« Sie mußte nicht lange warten.
»Berichtet uns von Rand al'Thor«, sagte Janya. Sie schien mehr sagen zu wollen, doch Delana räusperte sich erneut, woraufhin Janya blinzelte und nur noch schweigend an ihrem Tee nippte. Sie standen jede an einer Seite von Nynaeves Stuhl. Delana sah sie an, seufzte dann und ließ mit Hilfe der Macht die dritte Tasse durch den Raum in ihre eigene Hand schweben. Daraufhin fixierte sie Nynaeve wieder mit einem Blick, der Löcher in ihren Kopf zu bohren schien, während Janya gedankenverloren wirkte und sie möglicherweise überhaupt nicht richtig sah.
»Ich habe Euch bereits alles gesagt, was ich weiß«, seufzte Nynaeve. »Jedenfalls habe ich es den Aes Sedai berichtet.« Und das entsprach der Wahrheit. Nichts von dem, was sie wußte, konnte ihm schaden, jedenfalls nicht in höherem Maße als das bloße Wissen darum, was er war, und es könnte hilfreich sein, wenn sie die Schwestern dazu brachte, ihn als Mann zu betrachten. Nicht als Mann, der mit der Macht umgehen konnte, sondern nur einfach als Mann. Nicht gerade leicht, wenn es um den Wiedergeborenen Drachen ging. »Ich weiß nicht mehr als das.«
»Schmollt gefälligst nicht«, fauchte Delana. »Und weicht mir nicht aus.«
Nynaeve stellte ihre Tasse wieder auf die Untertasse und wischte sich das Handgelenk am Rock ab.
»Kind«, sagte Janya voller Mitgefühl, »ich weiß, Ihr glaubt, uns alles gesagt zu haben, was Ihr wißt, aber Delana... Ich kann nicht glauben, daß Ihr etwas absichtlich zurückhalten würdet...«
»Und warum nicht?« fuhr Delana sie an. »Im gleichen Dorf geboren. Mit ihm aufgewachsen. Ihre Loyalität gilt möglicherweise viel eher ihm als der Weißen Burg.« Dieser Rasiermesserblick konzentrierte sich wieder auf Nynaeve. »Berichtet uns etwas, das wir noch nicht gehört haben. Ich habe Eure sämtlichen Berichte gehört Mädchen, also weiß ich Bescheid und merke, wenn Ihr nur wiederholt.«
»Gebt Euch Mühe, Kind. Ich bin sicher, Ihr wollt nicht, daß Delana Euch böse ist. Also...« Janya schwieg, als ein erneutes Räuspern ertönte.
Nynaeve hoffte, sie würden das Klappern ihrer Teetasse so deuten, daß auch sie erschüttert sei. Verängstigt hierher geschleppt zu werden — nein, nicht verängstigt; aber doch zumindest besorgt, wie zornig die beiden wohl wären — und nun dies! Wenn man sich in der Nähe von Aes Sedai aufhielt, lernte man schnell, genau hinzuhören. Vielleicht erfuhr man auch dann noch nicht, was sie wirklich meinten, aber die Chancen standen auf jeden Fall besser als beim flüchtigen Hinhören, wie es die meisten Leute für gewöhnlich taten. Keine von beiden hatte behauptet, sie glaube, daß sie etwas zurückhielt. Sie wollten sie lediglich einschüchtern, in der Hoffnung, es werde etwas Neues dabei herauskommen. Sie ließ sich aber nicht einschüchtern. Jedenfalls nicht sehr. Statt dessen war sie wütend.
»Als er noch ein Junge war«, begann sie vorsichtig, »ließ er eine Bestrafung ohne Murren über sich ergehen, wenn er glaubte, sie verdient zu haben, aber wenn er nicht dieser Meinung war, kämpfte er jeden Moment dagegen an.«
Delana schnaubte: »Das habt Ihr jeder gesagt, die es hören wollte. Etwas anderes. Und plötzlich!«
»Ihr könnt ihn führen oder auch überzeugen, aber er läßt sich nicht herumschubsen. Er stemmt sich dagegen, wenn er glaubt, Ihr wolltet...«
»Genauso wie dies.« Die Hände auf die breiten Hüften gestützt beugte sich Delana herunter, bis ihr Gesicht sich auf gleicher Höhe wie Nynaeves befand. »Etwas, das Ihr noch nicht jeder Köchin und Wäscherin in Salidar erzählt habt.«
»Bemüht Euch doch, Kind«, sagte Janya, und ausnahmsweise beließ sie es dabei.
So bohrten sie immer weiter. Janya spornte sie mitleidig an, während Delana gnadenlos nachhakte, und Nynaeve berichtete jede Einzelheit, an die sie sich erinnern konnte. Es brachte ihr allerdings keine Erleichterung ein, denn sie hatte jede Einzelheit schon so oft erzählt, daß sie alles auswendig herleiern konnte, worauf sie Delana freundlich hinwies. Nein, nicht sehr freundlich. Als Nynaeve es schließlich schaffte, einen Schluck Tee zu trinken, schmeckte er abgestanden und so süß, daß es sie grauste. Janya glaubte offensichtlich wirklich, junge Frauen hätten gern jede Menge Honig drin. Der Vormittag verging langsam. Quälend langsam.
»Das bringt uns nicht weiter«, sagte Delana schließlich, wobei sie Nynaeve so böse ansah, als sei das ihre Schuld.
»Kann ich jetzt gehen?« fragte Nynaeve erschöpft. Jeder Tropfen Schweiß, der ihre Kleidung durchnäßte, schien aus ihr herausgequetscht worden zu sein. Sie fühlte sich schlapp. Und sie hätte gern diese beiden kühlen Aes-Sedai-Gesichter geohrfeigt.
Delana und Janya tauschten einen Blick. Die Graue zuckte die Achseln und ging hinüber zu dem Nebentischchen, um wieder eine Tasse Tee einzugießen. »Sicher könnt Ihr gehen«, sagte Janya. »Ich weiß, dies alles muß sehr schwer für Euch sein, aber wir müssen Rand al'Thor besser kennen als er sich selbst, um zu entscheiden, welche die beste Vorgehensweise ist. Ansonsten könnte alles in einer Katastrophe enden. Ach, ja. Ihr habt Eure Sache gut gemacht, Kind. Andererseits habe ich nicht weniger von Euch erwartet. Jede, die solche Entdeckungen fertigbringt wie Ihr und noch dazu mit dieser Behinderung ... also, ich erwarte wirklich nur das Beste von Euch. Und wenn man bedenkt...«
Sie brauchte noch eine ganze Weile, bis sie fertig war und Nynaeve hinaustaumeln ließ. Sie taumelte tatsächlich mit weichen Knien hinaus. Alle sprachen über sie. Klar, daß sie das taten. Sie hätte auf Elayne hören sollen und ihr all diese sogenannten Entdeckungen überlassen. Moghedien hatte recht. Früher oder später würden sie versuchen, herauszubekommen, wie sie das machte. Also wollten sie beschließen, welche die beste Vorgehensweise sei, um eine Katastrophe zu verhindern. Das gab ihr auch keinerlei Hinweis darauf, was sie mit Rand vorhatten.
Ein Blick zur Sonne, die beinahe senkrecht über ihr stand, sagte ihr, daß sie zu spät dran war für ihr Treffen mit Theodrin. Diesmal hatte sie aber wenigstens eine gute Ausrede.
Theodrins Haus, das sie mit zwei Dutzend anderer Frauen teilte, lag jenseits der Kleinen Burg. Nynaeve verlangsamte ihre Schritte, als sie an der ehemaligen Schenke vorbeikam. Das Gewirr von Behütern vor der Tür und dazu Gareth Brynes verwitterte Gestalt zeugte davon, daß die Verhandlungen nach wie vor im Gang waren. Ein Rest von Zorn ermöglichte es ihr, ein Wachgewebe wahrzunehmen, eine niedrige, abgeflachte Kuppel, gewebt aus Feuer und Luft mit einem kleinen Zusatz von Wasser, die schimmernd über dem gesamten Gebäude lag, und sie sah auch den Knoten, der es so niederschmetternd sicher zusammenhielt. Den Knoten zu berühren würde bedeuten, die eigene Haut zum Gerben anzubieten. Es befanden sich schließlich eine ganze Menge Aes Sedai auf der überfüllten Straße. Gelegentlich trat der eine oder andere der Behüter durch das für ihn unsichtbare Schimmern hinein oder kam heraus, und eine neue Gruppe formierte oder zerstreute sich. Das gleiche Wachgewebe, das Elayne nicht hatte durchdringen können. Eine Abschirmung gegen Lauscher. Mit der Macht gewebt.
Theodrins Haus stand ungefähr hundert Schritt weiter oben an der Straße, aber Nynaeve trat schnell in einen Hof neben einem strohgedeckten Haus nur zwei Häuser von der ehemaligen Schenke entfernt. Ein hölzerner Jägerzaun umgab ein winziges Fleckchen welker Unkräuter hinter dem Haus, aber er wies ein Tor auf, das an einer fast durchgerosteten Angel hing. Als sie das Tor aufschob, quietschte es mörderisch. Sie blickte sich hastig um, doch an den Fenstern stand niemand und von der Straße aus war sie nicht zu sehen, sie raffte den Rock hoch und hastete in die enge Gasse hinein; die weiter bis zu dem Zimmerchen führte, das sie mit Elayne teilte.
Einen Augenblick lang zögerte sie und wischte sich die verschwitzten Hände am Kleid ab. Sie mußte sich an etwas erinnern, was Birgitte gesagt hatte. Sie wußte, daß sie tief im Inneren ein Feigling war, auch wenn sie dies nicht wahrhaben wollte. Einst hatte sie sich für tapfer und mutig gehalten. Keine Heldin wie Birgitte, aber doch mutig. Die Welt hatte sie eines Besseren belehrt. Nur der bloße Gedanke daran, was die Schwestern mit ihr machen würden, sollten sie sie erwischen, ließ sie beinahe umkehren und zu Theodrin rennen. Die Möglichkeit, ein Fenster zu jenem Raum zu finden, in dem sich die Sitzenden aufhielten, war ausgesprochen gering. Fast unmöglich.
So bemühte sie sich, ihren ausgetrockneten Mund zu befeuchten — wieso konnte ihr Mund so trocken sein, obwohl sie in Feuchtigkeit gebadet schien? — und schlich näher heran. Eines Tages würde sie gern erfahren, was es hieß, mutig zu sein wie Birgitte oder Elayne, anstatt sich wie ein Feigling zu benehmen.
Das Wachgewebe wurde nicht erschüttert, als sie hindurchtrat. Sie spürte überhaupt nichts. Das hatte sie aber vorher schon gewußt. Es zu berühren, machte gar nichts aus. Trotzdem preßte sie sich an die grobe Steinmauer. Die Enden von Ranken, die sich in den Ritzen festgekrallt hatten, strichen über ihr Gesicht.
Langsam schob sie sich an das nächstgelegene Souterrainfenster heran — und wäre beinahe umgekehrt und weggerannt. Es war fest geschlossen. Alles Glas war weg und durch Öltuch ersetzt worden, das vielleicht ein wenig Licht hineinließ, ihr aber keinerlei Blick nach innen gestattete. Nichts war zu hören. Falls sich jemand auf der anderen Seite aufhielt, drang dennoch kein Laut heraus. Sie atmete tief durch und schob sich an das nächste Fenster heran. Auch bei diesem hatte man eine Scheibe ersetzt, doch durch die übriggebliebene Scheibe erblickte sie einen ziemlich abgewetzten, einst kunstvoll geschnitzten Tisch mit einer Unmenge von Papieren und Tintenfässern, ein paar Stühle und ein ansonsten leeres Zimmer.
Sie knurrte einen Fluch, den sie von Elayne gehört hatte — das Mädchen verfügte über einen erstaunlichen Vorrat an Flüchen — und tastete sich an der raunen Mauer entlang weiter vor. Das dritte Fenster stand offen. Sie drückte die Nase an die Scheibe — und zuckte zurück. Sie hatte gar nicht daran geglaubt wirklich etwas zu entdecken, doch da drinnen befand sich Tarna. Nicht mit allen Sitzenden zusammen, aber Sheriam und Myrelle und der Rest der Führungsgruppe waren bei ihr. Hätte ihr Herz nicht so überlaut geklopft, hätte sie das Stimmengemurmel vernommen, bevor sie einen Blick riskierte.
Sie kniete nieder und schob sich so nahe an das Fenster heran, wie sie nur konnte, ohne von drinnen sichtbar zu sein. Der untere Fensterrahmen schabte über ihren Kopf.
»...sicher, daß Ihr mich diese Botschaft überbringen lassen wollt?« Diese eisige Stimme mußte zu Tarna gehören. »Ihr verlangt mehr Zeit, um Euch zu entscheiden? Was gibt es da noch zu entscheiden?«
»Der Saal...«, begann Sheriam.
»Der Saal«, höhnte die Abgesandte der Weißen Burg. »Haltet mich doch nicht für blind der wahren Macht gegenüber. Dieser sogenannte Saal denkt, was Ihr sechs ihnen zu denken befehlt.«
»Der Saal, er haben um mehr Zeit gebeten«, sagte Beonin mit Entschlossenheit in der Stimme. »Wer kann sagen, zu welcher Entscheidung sie werden kommen?«
»Elaida wird abwarten müssen, bis ihre Entscheidung gefallen ist«, sagte Morvrin und imitierte dabei recht gut Tarnas eisigen Tonfall. »Kann sie nicht noch ein wenig warten, bis die Weiße Burg endlich wieder geeint ist?«
Tarnas Erwiderung klang allerdings noch kälter: »Ich werde Eure Botschaft ... die Botschaft des Saals ... der Amyrlin überbringen. Wir werden sehen, was sie davon hält.« Eine Tür wurde aufgestoßen und schloß sich wieder mit einem scharfen Knall.
Nynaeve hätte vor Enttäuschung am liebsten aufgeschrien. Jetzt kannte sie die Antwort, aber nicht die Frage. Wenn Janya und Delana sie nur ein bißchen früher hätten gehen lassen! Nun, es war trotzdem besser als nichts. Besser als ›Wir werden zurückkehren und uns Elaida unterwerfen‹. Es gab keinen Grund mehr, länger zu verweilen, bis womöglich jemand hinausblickte und sie entdeckte.
Sie wollte schon wegschleichen, da sagte Myrelle: »Vielleicht sollten wir nur eine Botschaft senden. Wir sollten sie einfach herbeirufen.« Nynaeve verhielt mit gerunzelter Stirn. Wen?
»Das Protokoll muß eingehalten werden«, sagte Morvrin barsch. »Die angemessenen Zeremonien müssen zur Durchführung kommen.«
Beonin sprach gleich darauf mit fester Stimme: »Wir müssen dem Gesetz buchstabengetreu folgen. Der kleinste Ausrutscher können gegen uns ausgelegt werden.«
»Und wenn wir einen Fehler begangen haben?« Bei Carlinya klang das vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben richtig hitzig. »Wie lange sollen wir warten? Wie lange können wir es riskieren zu warten?«
»So lange wie notwendig«, sagte Morvrin.
»Solange wir müssen.« Das kam von Beonin. »Ich habe nicht so lange auf dieses beeinflußbare Kind gewartet, nur um jetzt all unsere Pläne in den Wind zu schreiben.«
Aus irgendeinem Grund rief diese Äußerung Schweigen hervor, obwohl Nynaeve hörte, wie jemand das Wort ›beeinflußbar‹ murmelte, als sei sie sich über die Bedeutung nicht im klaren. Welches Kind? Eine Novizin oder Aufgenommene? Das ergab keinen Sinn. Die Schwestern warteten grundsätzlich nie auf Novizinnen oder Aufgenommene.
»Wir sind zu weit gekommen, um jetzt aufzugeben, Carlinya«, sagte Sheriam abschließend. »Entweder holen wir sie her und bringen sie dazu, zu tun, was sie soll, oder wir überlassen alles dem Saal und hoffen darauf, daß sie uns alle nicht ins Verderben fuhren.« Ihrem Tonfall nach betrachtete sie dies als vergebliche Hoffnung.
»Ein Ausrutscher«, sagte Carlinya mit kälterer Stimme als sonst üblich, »und wir enden alle mit unseren Köpfen auf Spießen.«
»Aber wer wird sie aufspießen?« fragte Anaiya nachdenklich. »Elaida, der Saal, oder Rand al'Thor?«
Das Schweigen dehnte sich, Röcke raschelten, und dann öffnete und schloß sich die Tür wieder.
Nynaeve wagte einen kurzen Blick. Der Raum war leer. Sie gab einen ächzenden Laut von sich. Daß sie vorhatten, zu warten, tröstete sie wohl, doch die endgültige Antwort konnte immer noch alles bringen. Anaiyas Bemerkung hatte ihr gezeigt, daß sie nach wie vor Rand genauso reserviert gegenüberstanden wie Elaida. Vielleicht sogar noch mehr. Elaida versammelte schließlich keine Männer um sich, die mit der Macht umgehen konnten. Und wer war dieses ›beeinflußbare Kind‹? Nein, das war unwichtig. Sie konnten fünfzig verschiedene Intrigen am Kochen haben, von denen sie keine Ahnung hatte.
Das Wachgewebe erlosch und Nynaeve erschrak. Es war höchste Zeit, von hier zu verschwinden. Sie rappelte sich schnell hoch und klopfte sich mit lebhaften Bewegungen den Staub von den Knien, als sie sich von der Hauswand entfernen wollte. Doch es reichte nur zu einem Schritt. Dann blieb sie stocksteif stehen, gebückt, die Hände noch an den verschmutzten Stellen ihres Rocks, und blickte Theodrin in die Augen.
Die Domanifrau mit den Apfelbäckchen erwiderte ihren Blick und sagte kein Wort.
Nynaeve überlegte fieberhaft, verwarf aber die dumme Behauptung, sie habe am Boden nach einem verlorenen Gegenstand gesucht. Statt dessen richtete sie sich auf und schritt gemächlich an der anderen Frau vorbei, als gebe es nichts zu erklären. Theodrin ging schweigend neben ihr her, die Hände auf Hüfthöhe gefaltet. Nynaeve überlegte, welche Möglichkeiten sie habe. Sie konnte Theodrin eins über den Kopf verpassen und wegrennen. Sie konnte auf die Knie fallen und betteln. Beide Möglichkeiten erschienen ihr nicht besonders gut, sie war aber nicht in der Lage, einen anderen Ausweg zu finden.
»Habt Ihr die Ruhe bewahrt?« fragte Theodrin und blickte dabei stur geradeaus.
Nynaeve fuhr wieder zusammen. Das war der Rat gewesen, den ihr die andere Frau erst gestern gegeben hatte, nachdem sie versucht hatte, ihren eigenen Block mit Gewalt zu brechen. Bewahrt die Ruhe; bleibt sehr ruhig; denkt nur ruhige, beherrschte Gedanken. »Natürlich.« Ein schwächliches Lachen begleitete ihre Worte. »Was hätte mich hier auch aufregen können?«
»Das ist gut«, sagte Theodrin ernst. »Heute will ich eine etwas ... direktere Methode anwenden.«
Nynaeve sah sie an. Keine Fragen? Keine Beschuldigungen? So, wie sich dieser Tag entwickelt hatte, konnte sie kaum glauben, so leicht davonzukommen.
Sie blickte nicht zu dem Steingebäude zurück, und so bemerkte sie auch nicht die Frau, die sie und Theodrin von einem Fenster im zweiten Stock aus beobachtete.