Neu-Pompeii

Die Luftschleuse zischte, dann erlosch das gelbe Licht, und die grüne Lampe leuchtete auf. Ben Yulin betätigte die Hebel, öffnete die Luke und ging zur anderen Seite. Die richtige Lampe brannte, so daß er auch hier öffnen konnte. Ein Luftzug streifte sie, als der Druckausgleich hergestellt wurde. Die Gruppe folgte dem Dasheen in den Raumflughafen von Neu-Pompeii.

Mavra erschien trotz ihrer Schwarz-Weiß-Sicht alles vertraut. Auch Renard schaute sich in einer Weise um, als erkenne er alles wieder. Für die anderen war es neu.

»Komisch«, sagte Yulin. »Sieht fast so aus, als hätte hier jemand saubergemacht. Ich hatte erwartet, daß alles schmutzig ist. Der Teppich hat aber nicht einmal Flecken. Gefällt mir nicht.«

Wooly und Vistaru zogen ihre Pistolen.

»Ein seltsamer Bau«, erklärte der Bozog. »Es wird schwierig werden, mit meinen zweieinhalb Metern durch die Tür zu kommen.«

»Ich glaube, sie ist breit genug«, meinte Renard.

Yulin, der unbewaffnet war, lehnte es ab, voranzugehen. Wooly trat schließlich vor. Die Tür glitt zur Seite.

Die anderen folgten ihr vorsichtig. Vistaru nutzte die Atmosphäre und die Leere des Korridors, um zu fliegen; ihre Rasse war für das Gehen eigentlich nicht gebaut, und sie konnte, weil sie so klein war, sonst kaum Schritt halten. Die niedrige Schwerkraft, für die anderen eine Erleichterung, erwies sich zunächst als Problem, aber sie fand sich damit zurecht.

Das Terminal sah von außen aus wie eine römische Ruine. Das Gras war hoch, überall wuchsen Blumen. Die Wege waren fast ganz überwuchert, und die Bäume standen zahlreicher und weniger gepflegt als früher. Efeu, Farn und Moos wuchsen an manchen Gebäuden und verliehen ihnen etwas Spukhaftes. Antor Trelig hatte von einem neuen Römischen Reich mit sich selbst als Gott-Kaiser geträumt. Neu-Pompeii spiegelte das wider; die Architektur war graecoromanisch, mit vielen Säulen, Bogen und Kuppeln. Verlassen, halb verfallen, wirkte das Ganze noch eindrucksvoller als früher.

»Unfaßbar«, stieß Wooly hervor.

Yulin nickte.

»Auf seine Art eine große Leistung. Unter der Kuppel ist diese Welt völlig autark. Die Pflanzen haben der Luft vermutlich zuviel Kohlendioxyd zugeführt, aber früher war das Ökosystem in perfektem Gleichgewicht. Die Luft ist rein und wird ständig gefiltert. Die automatischen Monitoren sorgen dafür, daß die Mischung Sauerstoff-Stickstoff-Spurengase optimal erhalten bleibt. Wasserdampf wird aus unterirdischen Tanks zugeführt und wiederverarbeitet. Trelig hatte sogar Regenfälle — ganz nach Wunsch.«

»Der Wald dort drüben ist ziemlich dicht«, sagte Vistaru und wies hinüber nach links.

»Ein schöner Wald, ja. Und irgendwo darin gibt es Lichtungen, auf denen exotische Früchte wachsen. Rehe und Niederwild werden vermutlich überlebt haben, und Insekten ebenfalls. Man hört sie, wenn man darauf achtet.«

Sie konnten es wirklich hören. Es war unheimlich.

»Bozog, haben Sie irgendwelche Probleme?«fragte Renard.

»Keine«, erwiderte das Wesen. »Notfalls kann ich mich von einem der Gebäude ernähren.«

Sie gingen weiter zu dem größten Bauwerk, der großen Halle, wo Trelig hofgehalten und Gäste bewirtet hatte — freiwillige und unfreiwillige.

»Yulin?«sagte Mavra.

Er blieb stehen.

»Ja?«

»Sie sind sicher auch auf den Gedanken gekommen, daß ein paar Leute hätten überleben können, mit den Tieren und Früchten.«

Yulin nickte.

»Der Schwamm hätte sie längst umgebracht«, warf Renard ein.

»Sie vergessen, daß noch andere Leute da waren — Ratsmitglieder und ihre Vertreter. Darunter befanden sich widerstandsfähige Typen.«

Yulin überlegte.

»Es könnte sein«, gab er zu. »Wenn die Schwammsüchtigen sie nicht getötet haben.«

»Ein paar davon waren Agenten wie ich«, sagte Mavra. »Sie wären viel weniger leicht zu beseitigen gewesen, und die Zeit arbeitete für sie. Ich glaube, wir sollten lieber davon ausgehen, daß hier noch jemand lebt.«

»Der saubere Aufenthaltsraum«, sagte Yulin leise und schaute sich wachsam um. »Um den Rest haben sie sich allerdings nicht gekümmert.«

»Das ist wahr«, meinte Renard, »aber inzwischen sind zweiundzwanzig Jahre vergangen, eine Zeit ohne Hoffnung, ohne Verbindung mit der Außenwelt. Wer weiß, was für ein Leben das geworden sein mag, was in ihren Gehirnen ablief?«

»Richtig. Es gibt keine Leichen. Keine Skelette. Organisches zerfällt hier langsam, weil das Filtersystem alle Mikroorganismen beseitigt.«

»Ich sehe auch keine Gräber«, sagte Vistaru.

»Die wären überwuchert«, meinte Mavra. »Nein, wir unterstellen besser, daß wir hier nicht allein sind, und verhalten uns wie in einem feindseligen Hexagon.«

Yulin fiel plötzlich etwas ein.

»Das Schiff! Es ist nicht gesichert! Vielleicht sollten wir lieber —«

»Das finde ich auch«, sagte Wooly.

Nachdem sie das Raumschiff gesichert hatten, kehrten sie zu den Ruinen zurück. Strom war noch verfügbar, sogar die Videoanlagen, die alle Vorgänge überwachten. Abgesehen davon, daß ein Küchenbereich geplündert war, womit man hatte rechnen müssen, gab es aber keine Hinweise darauf, daß irgendein Bau bewohnt war.

»Viele können nicht überlebt haben, das steht fest«, sagte Renard. »Vielleicht drei, vier Leute. Möchte wissen, wo sie sind?«

Die Waffenkammer war mit einer Energiewaffe zugeschmolzen worden. Das hatte Mavra vor zweiundzwanzig Jahren getan, und es war unübersehbar, daß sich seitdem nichts geändert hatte. Einige Waffen lagen herum, ohne Ladung.

Es verging geraume Zeit, bis Renard, der die Welt am besten kannte, Hinweise darauf fand, daß jemand versucht hatte, in einem kleinen Raum unter den Gästequartieren eine Nachricht zu hinterlassen. Die Tür war von außen aufgebrochen worden. Im Inneren fand Renard Anzeichen eines Kampfes vor den Kommunikationsanlagen. Eine Recorder-Kapsel war eingelegt, und die Anlage funktionierte noch. Sie drängten alle herein, als Renard die Aufzeichnung zurücklaufen ließ.

»Das war der Monitorraum für Treligs Aufnahmestudio«, sagte er. »Manchmal holte er Musiker zusammen und hörte sich hier an, was aufgezeichnet wurde. Sie sehen die vielen hundert Kapseln im Wandschrank. Was auch geschehen sein mag, diese Kapsel ist die letzte Aufzeichnung hier. Vielleicht verrät sie uns etwas.«

Renard drückte auf die Starttaste. Ein Bildschirm flackerte, und ein Realton-Feld hüllte sie ein.

Das Gesicht war das einer jungen Frau, sehr hübsch und sanft.

»Gossyn!«rief Renard verblüfft.

»Ich bin Gossyn von Estuado«, sagte sie. »Eine von Antor Treligs ehemaligen Sklavinnen. Ich hinterlasse diese Aufzeichnung für den Fall, daß eines der Raumschiffe zurückkehrt. Für uns ist es zu spät. Heute nachmittag haben wir sämtliche Waffen im Haupthaus zusammengetragen, um die Gäste fernzuhalten. Wir sind alle schwammsüchtig, und ohne die Droge werden wir auf qualvolle Weise zugrunde gehen. Ich spüre schon, wie das Gift anfängt, mein Gehirn zu zerfressen. Wir, die letzten Sklaven Treligs, finden uns mit diesem Tod nicht ab. Als die Waffen zusammengetragen waren, stellten sich die anderen auf, und ich«- ihre Stimme brach, in ihren Augen standen Tränen —, »ich habe mit dem Energiegewehr auf sie geschossen. Von ihnen ist nichts geblieben als ein brauner Fleck. Ich werde die Gewehrladung auf Rückkopplung stellen und ebenfalls sterben — die letzte Sklavin, die letzte Waffe.«Sie verstummte gequält, und es dauerte geraume Zeit, bis sie weitersprach. »Was aus den Gästen wird, kümmert mich nicht. Sie wissen, daß diese kleine Welt nur wenige ernähren kann. Ich überlasse sie ihnen, in der Hoffnung, daß sie, wenn es Antor Trelig ist, der zurückkehrt, ihn langsam in Stücke reißen, wie es einem Dämon und Ungeheuer gebührt. Ich weiß nicht einmal, warum ich diese Aufzeichnung… aber — ach, verdammt, ich will einfach nicht sterben.«Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Ich bin erst siebzehn«, stieß sie hervor und trat vor, bis sich das Bild verdunkelte.

Mavra seufzte tief.

»Schalten wir ab«, sagte sie, doch in diesem Augenblick wurde der Bildschirm wieder hell.

Sie sahen eine andere Person, eine kräftig aussehende Frau um die Dreißig.

Sie trug einen Overall.

Ihr Entsetzen war unverkennbar.

»O Gott!«sagte sie. »Wer das auch sehen mag! Wenn ihr zurückgekehrt und so weit gekommen seid!«Sie verstummte, als hinter ihr etwas polterte. »Er ist verrückt!«fuhr sie hastig fort. »Gestern haben die Wachen die Waffen zerstört und sich getötet. Dann begann jemand die anderen umzubringen.«Im Hintergrund hörte man heftiges Poltern und Hämmern. Sie drehte den Kopf, dann starrte sie wieder in die Kamera. »Einer von uns — er heißt Belden. Einer von Treligs Leuten, bei uns als Spion eingeschleust. Als sein Boß ihn im Stich ließ, schnappte er über — wenn er nicht vorher schon geisteskrank war.«Wieder das Hämmern, dann splitterte Holz. »Er ist wahnsinnig. Er bringt die Männer um. Manche von den Frauen — Trelig hat hier eine Schreckenskammer an Psycho-Geräten. Er benützt sie, um ihre Erinnerungen zu löschen und sie in Tiere zu verwandeln. Er ist wahnsinnig. Ich bin vielleicht die einzige, die noch lebt. Keine Zeit mehr. Seid vorsichtig. Bringt das Ungeheuer in meinem Namen um. Bitte! Ich —«

Der Bildschirm wurde dunkel. Renard schüttelte den Kopf und schaltete ab.

»Die Kapsel war zu Ende, bevor er hereinkam«, sagte er.

»Jetzt wissen wir Bescheid«, murmelte Wooly. »Hat sonst noch jemand auf sie geachtet, als sie sich umdrehte?«

»Der Schwanz«, sagte Yulin. »Ja. Trelig hat alle mit einem Pferdeschwanz versehen.«

»Aber das ist zweiundzwanzig Jahre her«, sagte Vistaru. »Wer weiß, was aus ihnen geworden ist?«

»Das müssen wir feststellen«, erklärte Yulin dumpf.


* * *

Der naturgegebene Spion war der Ghiskind. Eine gründliche Durchsuchung des Gebäudekomplexes ergab keine Anzeichen, daß er in letzter Zeit bewohnt gewesen sein mochte, aber die Welt war ziemlich groß. Yulin zeigte auf einer Karte aus dem Archiv auf Gebiete mit großem Wildbestand und Obstgärten, und der Yugash machte sich dorthin auf den Weg, während die anderen sich unter dem Portikus niederließen, von wo aus sie alles überblicken konnten.

Die Umdrehung von Neu-Pompeii erfolgte ziemlich schnell und wirkte beunruhigend. Die Sechseck-Welt füllte den halben Himmel aus, eine unheimliche Erscheinung, verzerrt durch die Atmosphäre und die Plasmahaut über dem Asteroiden. Die Sterne waren in den kurzen Nachtperioden ebenso verschwommen.

Der Ghiskind kehrte nach knapp einer Stunde zurück. Wie vereinbart, verschmolz er mit dem Bozog, um Bericht zu erstatten.

»Sie sind da«, sagte er. »Eine kleine Kolonie, ziemlich jung, und alle sehen ganz wild und animalisch aus und benehmen sich auch so. Zwei Männer, fünf Frauen, vier Kinder. Sehr sonderbar.«

»Von Belden also keine Spur«, sagte Mavra. »Interessant. Ob er tot ist? Vielleicht ein Unfall, oder die Frau hat ihn auf irgendeine Weise doch mit in den Tod genommen. Ich hoffe es. Wir lassen sie, wo sie sind. Waren sie angriffslustig?«

»Sie fürchten sich vor dem eigenen Schatten«, erwiderte der Yugash. »Aber zweifellos besitzen sie nur ganz geringe Intelligenz, was vermutlich erklärt, warum es so wenige Junge gibt.«

Yulin seufzte.

»Dann schlage ich vor, daß wir sie in Ruhe lassen. Bleiben wir aber auf alle Fälle wachsam, weil Belden möglicherweise doch da ist, und gehen wir zur Unterseite. Da ist es am sichersten.«

Sie waren müde und zerschlagen, erklärten sich aber mit dem Vorschlag einverstanden. Die Unterseite des Planetoiden war viel leichter zu verteidigen, und sie mußten auf jeden Fall dorthin.

Mavra ging mit ihnen zu dem großen Bauwerk an einer Seite des früheren Parks vor dem Hauptgebäude. Auch dort war alles überwuchert, aber Yulin und Renard kannten sich aus.

»Es wird ziemlich eng«, sagte Yulin. »Ich meine, Mavra und Wooly für sich, und wir nehmen die Ersatzkabine. Bozog, Sie werden sich hineinzwängen müssen.«

Die Fassade des scheinbar massiven Marmorbaues verschwand nach einer Reihe bestimmter Klopfzeichen. Gras, Moos und Ranken blieben jedoch und mußten entfernt werden.

Die Kabine vor ihnen wies acht Sitze auf, für Menschen gedacht. Wooly zwängte sich hinten hinein und bewegte unbehaglich die Flügel. Mavra legte sich quer auf die ersten drei Sitze.

»Wir sehen uns unten — und seid vorsichtig. Belden, wenn es ihn noch gibt, weiß darüber auch Bescheid«, sagte Yulin warnend und tastete eine neue Kombination ein.

»Jetzt verstehe ich, warum Yulin nicht mit dem ersten Wagen fahren wollte«, meinte Wooly sarkastisch. »Unser großer, tapferer Stier ist in Wirklichkeit eine Memme.«

Mavra schwieg. Der Sturz durch den Schacht war zu unangenehm. Es war ein weiter Weg zur Unterseite, und man hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen.

Über ihnen kletterten die anderen in die Wartungskabine, die nicht ganz so geräumig war wie die erste. Der Bozog schaffte es unter großen Schwierigkeiten und hätte gewaltige Tritte abbekommen, wenn der Ghiskind Füße besessen hätte oder Vistaru und Renard größer gewesen wären. Yulin krümmte sich zusammen, um das seltsame Wesen nicht zu zertreten.

Schließlich kamen sie an, und die Vorderseite der Kabine löste sich wieder auf. Mavra stieg mühsam hinaus, und Wooly blieb beinahe mit einem Flügel hängen. Sie standen in einer sterilen, hell beleuchteten Halle. Die anderen tauchten kurz danach auf; die Geschwindigkeit der kleineren Kabine wurde durch die große bestimmt, und sie hielt eine Etage darüber, Yulin nickte. Er schaute sich befriedigt um und peitschte erwartungsvoll mit seinem Schwanz. Er war in seinem Element.

Sie gingen durch einen Korridor, der sich verbreiterte und zu einer großen Plattform führte. Von dort aus überspannte eine breite Brücke einen riesigen, bodenlosen Schacht.

»Auch hier keine Leichen«, sagte Yulin. »Belden ist also hiergewesen.«

»Da!«rief Renard. »Schauen Sie hinüber! Ist das nicht eine Leiche?«

Sie starrten hinüber. Die Yaxa nickte.

»Ja. Ein Mann. Ausgefallen gekleidet. Tot, würde ich sagen — vielleicht schon sehr lange. Der Verfall ist weit fortgeschritten. Er scheint zum Computer gewollt zu haben. Da dieser im Abwehr-Zustand war, kann er gerade so weit gekommen sein, bevor ihn die tödlichen Ladungen trafen. Selbst auf diese Entfernung sind es noch fünfzig Volt, um abzuschrecken, also war er verrückt oder zu allem entschlossen.«

»Glauben Sie, daß es Belden ist?«fragte Vistaru.

»Vermutlich«, sagte Wooly an Yulins Stelle. »Der Mann hat einen Pferdeschwanz, er ist groß und trägt wallende Gewänder und einen Lorbeerkranz auf dem Kopf. Der neue Kaiser von Neu-Pompeii scheint sich oben gelangweilt zu haben und wollte es mit dem Computer aufnehmen. Das erklärt wohl alles.«

»Wenn es nur eine elektrische Sperre ist, komme ich hindurch«, erklärte Renard.

»Wo Belden war, sind es ungefähr zehntausend Volt«, sagte Yulin. »Das System ortet ein Lebewesen, die Ladung wird abgegeben, das Lebewesen existiert nicht mehr, die Anlage schaltet sich wieder ab.«

»Zehntausend würden mir nichts ausmachen«, äußerte der Agitar. »Das Überschüssige würde einfach verpuffen.«

»Aber nur Obie kann diese Tür öffnen«, erklärte der Dasheen. »Und er verteidigt sich mit allen Mitteln. Es gibt auch Schußwaffen und alles mögliche. Nein, es muß der richtige Code sein, alles in der passenden Reihenfolge, sonst ist nichts zu machen.«

»Wollen wir es hinter uns bringen?«fragte Mavra. »Was müssen Sie tun?«

»Also, zuerst gehe ich in einer bestimmten Art auf die Brücke hinaus — das verhindert bis zu einer gewissen Stelle, daß Stromstöße ausgesandt werden. Dann sage ich das Kennwort und gehe auf dieselbe Art weiter. Die Tür öffnet sich, wenn ich herankomme. Dann muß ich zur Konsole und den Abwehr-Status löschen, sonst tritt er wieder ein.«

»Einer von uns geht mit«, sagte Wooly argwöhnisch.

Er schüttelte den Kopf.

»Nein, es darf nur einer sein. Keine Sorge. Selbst wenn ich den Status nicht lösche, wissen Sie, wie man ihn aufhebt, nicht? Herrgott noch mal, habe ich bis jetzt nicht fair gespielt?«

Das traf zu, aber er hatte auch jahrelang mit Trelig zusammengearbeitet.

»Vielleicht der Ghiskind«, schlug Mavra vor.

»Nein, niemand«, sagte Yulin. »Sicher, es könnte sein, daß er unbeachtet bleibt, aber es kann auch anders kommen, und das Kennwort kann er nicht sprechen — und der Bozog kann die Gesten nicht nachvollziehen. Ihr auch nicht. Nur ich komme in Frage.«Er hob die Hände. »Wozu streiten wir uns? In fünf Minuten könnten wir alle an Ort und Stelle sein, und die Sache wäre erledigt.«

Sie flüsterten miteinander, aber der Ausgang stand fest.

»Wir sind nicht von so weit hergekommen, um jetzt umzukehren«, sagte die Yaxa schließlich. »Gut, Yulin.«

Er nickte, drehte sich um, ging zur Brücke, hob die Arme und hielt die Handflächen nach außen. Er zögerte kurz, als rechne er mit einem Stromstoß, dann trat er auf die Brücke und schritt hinüber.

Nach dem halben Weg war er eine kleine Gestalt, von den anderen scharf beobachtet. Wooly und Renard zogen stumm ihre Waffen und richteten sie auf Yulin.

Der Minotaurus ging nervös weiter, aus den Augenwinkeln beide Seiten der Brücke beobachtend. Vor sehr langer Zeit hatte er mit einer Energiepistole eine Spur hinterlassen. Sie mußte hier irgendwo sein. Er befürchtete schon, sie sei beseitigt worden, oder seine Augen seien zu schwach, um sie zu erkennen, aber dann tauchte sie auf.

Mit erhobenen Armen blieb er stehen und räusperte sich.

»Obie!«schrie er, so laut er konnte. Seine Stimme hallte aus dem Riesenschacht wider. »Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet! Hörst du mich, Obie? Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet!«

Er zögerte noch einen Augenblick, atmete tief ein und ging weiter.

Nichts geschah.

Er erreichte das andere Ende der Brücke, war für alle außer Wooly eine winzige Gestalt, kaum noch sichtbar.

Yulin blickte auf den Toten hinunter. Die Leiche war verkohlt und fast zerfallen.

Die Tür ging auf, und warme Luft wehte ihm entgegen. Er trat hinein, auf die Seite und sofort zur Konsole.

Er schaltete sie ein.

»Abwehr-Status Rückkehr zur alleinigen Stornierung durch meine Stimme«, sagte er sofort.

Die Tür schloß sich schnell.

»Abwehr-Status gilt«, sagte Obies Stimme. »Sie haben sich kein Jota geändert, wie, Ben?«

Er lachte leise.

»Hallo, Obie. Na ja, ein bißchen. Ich —«Er verstummte plötzlich, als er sah, daß die Schüssel — die Plattform Obies, wo die Gäste ihre Schwänze erhalten hatten und er seine Tarnung, um mit Trelig fliehen zu können — in Betrieb war, bereit für Energiezufuhr.

»Energiezufuhr stornieren!«befahl er vor dem Mikrofon.

Er trat ans Geländer und blickte hinunter.

Er sah ein großes Oval, an der breitesten Stelle ungefähr hundert mal siebzig Meter groß. Eine drei Meter breite Galerie mit Geländer, auf der sich drei Steuerkonsolen befanden, führte um das Oval herum. Vom Balkon führten Stufen nach unten, in der Mitte befand sich eine Metallscheibe, etwa einen halben Meter über dem Boden. Darüber hing Obies Parabolspiegel an einem Ausleger.

Ben Yulin stockte der Atem. Auf der Scheibe stand jemand — standen sogar zwei Leute. Menschen.

»He! Ihr auf der Scheibe! Ich bin Ben Yulin! Wer seid ihr?«

Sie schauten ein wenig angstvoll zu der großen Schüssel hinauf.

»Obie kann euch nicht helfen!«rief Yulin mit hallender Stimme. »Ich habe ihn unter Kontrolle! Wer seid ihr?«

Eine der Gestalten seufzte.

»Hallo Ben.«Es war eine angenehme, sanfte Frauenstimme. »Wir sind wieder da, wo wir angefangen haben. Ich bin Nikki Zinder, und das ist meine Tochter Mavra.«

»Hol mich der Teufel!«

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