Yaxa-Botschaft, Zone Süd

Der Torshind schwebte einige Zentimeter über dem Boden, sah aus wie ein hellroter Mantel ohne Träger, gleich einer Alptraumerscheinung. Da er im Grunde ein Energiewesen war, gab es für einen Übersetzer nichts zu modulieren, so daß er die Vorbereitungen stumm verfolgte. Yaxa-Wachen mit bösartig aussehenden Waffen standen an allen Ecken, als Sicherung gegen Versuche Ortegas oder Treligs, sich einzumischen.

Die Gruppe wurde mit Drogen behandelt, die eine einschläfernde Wirkung hatten. Wegen der Nachschubprobleme war die Expedition klein: Wooly, Yulin, Mavra und Joshi und natürlich der Torshind. Es hatte Debatten vor allem wegen Joshi und der Ablehnung einer zweiten Yaxa gegeben, aber Joshi konnte als Druckmittel gegen Mavra eingesetzt werden, und man brauchte ihn zum Schleppen der Lasten; außerdem hätte eine zweite Yaxa mehr Nahrung und Wasser nötig gehabt als er. Fünf waren genug; keiner traute Yulin, so daß er in Schach gehalten werden konnte. Niemand traute auch dem Torshind, aber er konnte das Schiff nicht steuern. Mavra hatte keine Hände, und ihre Form verhinderte, daß sie das Schiff in Betrieb nahm, zumal an einem Gefälle, also würde sie einen Gehilfen mit Armen brauchen — und dafür war Wooly besser geeignet als Yulin.

Die meisten Vorräte waren bereits vorausgeschickt worden; die Anzüge, in denen die Expedition im Norden leben würde, hatte man mit kleinen, aber komplexen Lufterneuerungsgeräten ausgestattet. Für sich selbst verwendete Yulin einen ›menschlichen‹ Anzug alter Konstruktion. Die Yaxa hatten ihre Anzüge von Neuzugängen, und Mavra und Joshi benützten modifizierte Dillia-Ausrüstung. Der Torshind atmete nicht, wie der Süden das Atmen verstand, und brauchte deshalb nichts.

Der Transfer war einfach. Der Torshind glitt einfach auf die jeweilige Person zu, verschmolz mit ihrem Körper, übernahm schwerfällig die Kontrolle, schwebte durch den Korridor und in das Zone-Tor.

Die Drogen erleichterten die Aufgabe des Torshinds, und jeder Beteiligte hatte schon mindestens einen Probedurchgang hinter sich.


* * *

Das Bewußtsein kehrte langsam zurück.

Mavra Tschang schüttelte sich, streckte ihre Beine und bewegte den Kopf.

Sie befanden sich in einer fremdartigen Kammer, einer Halle aus glasartigem Material. Die Beleuchtung war düster, aber ausreichend, und sie konnte sehen, wie die anderen langsam zu sich kamen.

Eines schien festzustehen: Der Schacht war überlistet worden. Sie befanden sich jetzt alle in Yugash.

Andere Formen glitten umher, so geisterhaft wie der Torshind, aber in der Düsternis scharf umrissen. Mavras Farbenblindheit erwies sich sogar als Vorteil; für sie waren die Yugash deutliche weiße Umrisse vor einem dunkelgrauen Hintergrund.

Man konnte noch ein anderes Wesen in dem Raum erkennen, offenbar aus demselben Stoff wie die Wände, eine eckige Kristallskulptur eines Krebses mit glasigen Greifarmen statt Scheren. Es trug ein ungereimt wirkendes Gerät um die Mitte, einen Sender, der es dem Übersetzer im Inneren des Wesens gestattete, mit den Funkgeräten in den Schutzanzügen Verbindung aufzunehmen.

»Willkommen in Yugash«, sagte die dünne, elektronische Stimme des Torshinds. »Ich werde mich auf dem größten Teil der Reise dieses Ptir — des Wesens, das Sie sehen — bedienen. Sobald Sie sich dazu imstande fühlen, begeben wir uns in einen Raum, der Ihren Anforderungen gerecht wird. Ich schlage vor, daß wir alle Beteiligten über den Weg und die Probleme unterrichten und dann lange schlafen. Morgen beginnen wir mit der Reise.«

Sie nickten. Sie spürten, daß hier Geschichte gemacht wurde, daß sie der Brennpunkt für Ereignisse sein würden, von denen die ganze Zukunft gestaltet werden würde.

Ein wenig betäubt folgten sie dem Torshind aus der Zone-Tor-Kammer nach Yugash hinein.

Es war ein dunkles Hexagon; der Himmel schien leicht bedeckt zu sein, die Sonne auf irgendeine Weise viel weiter entfernt. Solche Bedingungen herrschten in manchen Hexagons, wo die Schacht-Facetten die Verhältnisse veränderten, um Welten zu simulieren, die von Primärsonnen weiter entfernt waren oder sie in größerer Nähe hatten. Schließlich war jedes Hex die Labor-Simulation eines konkreten Planeten, auf den die Bewohner des Sechsecks hätten geschickt werden sollen, um eine normale Kultur zu begründen, aufzubauen und zu entwickeln.

Die Stadt war aus gekrümmtem Glas erbaut, oder so sah sie jedenfalls aus. Riesige Türme erhoben sich in den Himmel, und selbst Nebengebäude sahen halb geschmolzen, verdreht oder in anderer Weise mißgestaltet aus. Tausende von Kristallwesen wie des Torshinds Ptir huschten hin und her. Nach den Wünschen ihrer Besitzer auf großen Kristallfarmen gezüchtet, gab es Gebilde in allen denkbaren Formen. Nur selten sah die Gruppe jedoch einen Yugash in seiner ursprünglichen Erscheinung.

Der große, für sie vorbereitete Raum war überaus bequem; man hatte Teppiche gelegt und die Wände verhängt, und für alle Bedürfnisse war reichlich gesorgt. Nur ein gelegentliches Zischen der Druckanlage verriet, daß es sich um einen luftdichten Raum handelte und hier allein Atmosphäre und Druck — ein Mittel aus den Verhältnissen in ihren verschiedenen Hexagons — ein Leben für sie ohne Schutzanzüge ermöglichten.

Nachdem Wooly und der Torshind ihren Anzug abgelegt hatten, stöhnte Mavra.

»Ich könnte eine Woche lang schlafen«, sagte sie.

Wooly öffnete mit fäustlingartigen Händen an ihren Greifarmen einen der lederähnlichen Beutel, zog eine große, zusammengefaltete Karte heraus und breitete sie auf dem Boden aus. Die anderen versammelten sich, und der Torshind begann zu sprechen.

»Als erstes haben wir die Atemgeräte so konstruiert, daß sie auch in halb-technischen Hexagons funktionieren«, sagte er. »Das ist zwar gut, aber kein Maß an Speicherung würde auch nur für eine ganze Hex-Seite eines nicht-technischen Sechsecks reichen. Dort hätten Sie bestenfalls acht Stunden. Das heißt, daß solche Hexagons gemieden werden müssen.«Er zeigte mit einem glasigen Arm auf die Karte. »Wie Sie sehen können, sind wir nur vier Hexagons von Bozog, drei von Uchjin entfernt. Eine direkte Route von hier, mit Aussparung nicht-technischer Hexagons, würde über Masjenada nach Poorgl, dann über Nichlaplod nach Bozog führen. Die Poorgl sind aber nicht zur Mitarbeit zu bewegen. Sie haben es abgelehnt, uns durchzulassen, und drohten mit Angriffen, wenn wir es trotzdem versuchen sollten — also müssen wir einen indirekten Weg nehmen.«Der Arm zeigte nach Nordwesten. »Masjenada ist leicht und hilfsbereit; wir sind zwar nicht gerade Freunde gewesen, sind aber auch keine Feinde. Sie schätzen gewisse Minerale als Luxusgüter, und meine Leute waren in der Lage, sie dank der Yaxa aus dem Süden damit zu beliefern. Die Yaxa selbst konnten bei den Oyakot behilflich sein, die andernfalls keinem Yugash helfen würden. Pugeesh ist eine unbekannte Größe. Wir werden dort sehr vorsichtig sein müssen und können uns nur auf uns selbst verlassen. Wohafa wird uns unterstützen, weil freundliche Beziehungen zu Bozog bestehen, und während Uborsk zwar nichts Entscheidendes zu leisten vermag, wird man dort doch tun, was man kann. Die Reise sollte somit verhältnismäßig einfach zu bewältigen sein.«

»Zu einfach«, sagte Yulin besorgt. »Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Sache irgendwo einen großen Haken haben muß.«

»Die Entfernung ist groß«, räumte Wooly ein, »und teilweise wird es nicht leicht sein, aber es ist der beste Weg.«

»Und was ist mit der anderen Expedition?«fragte der Dasheen-Minotaurus pessimistisch.

»Ortega hat unter den Yugash seine eigenen Freunde«, erwiderte der Torshind. »Wir können sie hier nicht aufhalten. Aber sie werden mindestens einen Tag hinter uns sein und sich vielleicht für einen anderen Weg entscheiden. Wenn nicht, werden wir ihnen eine Überraschung bereiten müssen.«

Sie begriffen, was das bedeutete. Selbst in einem halb-technischen Hexagon mochte eine Kugel oder ein Pfeil genügen.

Mavra merkte sich das für später. Im Augenblick konnte sie nichts tun, und sie fühlte sich beiden Seiten wenig verpflichtet, bis sie das Raumschiff erreichte. Sie würde nicht erbaut sein, wenn jemand umgebracht wurde, den sie kannte, etwa Renard oder Vistaru — aber wo waren sie die letzten zweiundzwanzig Jahre gewesen?

Inzwischen war sie von den Leuten hier völlig abhängig, und Selbsterhaltung stand stets an erster Stelle.

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