Die Tür

Wieder oben in ihrem Zimmer schloss Leonie sorgfältig die Tür hinter sich ab und machte das Licht an, bevor sie die Maus aus der Hosentasche nahm und behutsam auf den Schreibtisch setzte. Das Tierchen sah ein wenig zerknittert aus und es blickte Leonie eindeutig vorwurfsvoll an, nachdem es sich mit seinen winzigen Pfoten die Schnurrhaare gerade gezogen und die Falten aus den Ohren gestrichen hatte, aber es machte nicht einmal den Versuch, wegzulaufen.

»Allmählich wirst du lästig, Knirps«, sagte Leonie kopfschüttelnd. »Also gut, bis morgen früh kannst du meinetwegen hier bleiben, aber danach bringe ich dich zurück in die Bibliothek.«

Die Maus nahm keine Notiz von ihr und fuhr fort, ihr Fell zu putzen.

»Die Frage ist nur, was ich so lange mit dir mache«, fügte Leonie hinzu. »Frei herumlaufen lassen kann ich dich auf keinen Fall und ich habe zufällig auch keinen Mäusekäfig hier.«

Bei dem Wort Käfig hielt die Maus für einen Moment inne und sah erschrocken zu ihr hoch.

»Also gut, ich sehe es ein«, seufzte Leonie. »Ich habe Halluzinationen. Wahrscheinlich gibt es auch dich nicht wirklich. Dann suche ich eben nach einer Unterkunft für ein Phantom.«

Was gar nicht so leicht getan wie gesagt war. Leonie musste eine ganze Weile suchen, bis sie einen alten Schuhkarton fand, in dem sie allen möglichen Krimskrams aufbewahrte. Sie schüttete ihn aus, trug ihn zum Schreibtisch und suchte nach etwas, womit sie Löcher in den Deckel bohren konnte. Schließlich wollte sie den ebenso unerwünschten wie hartnäckigen Besucher einsperren, nicht ersticken. Da ihr Schreibtisch wie immer penibel aufgeräumt war, fand sie auf Anhieb nichts, weshalb sie in die Tasche griff und die Piercing-Nadel hervorholte. Sie entfernte die verchromte Kugel von einem Ende, benutzte die Nadel, um ein gutes Dutzend Löcher in den Deckel des Schuhkartons zu stechen, und ärgerte sich wieder einmal darüber, dass sie ihr gesamtes Taschengeld für diese Woche wahrscheinlich ausgeben musste, um...

Ja, um was eigentlich?

Sie wusste es nicht. Der Gedanke war ihr gekommen, während sie das zweckentfremdete Piercing betrachtete, und sie spürte auch genau, dass es irgendetwas mit der verchromten Metallnadel zu tun hatte, aber sie wusste nicht was. Ebenso wenig, wie sie sich erklären konnte, wie das Piercing überhaupt auf den Waschbeckenrand gekommen war. Ihre Gedanken begannen wirklich eigenartige Wege zu gehen.

Leonie seufzte, steckte das Piercing wieder ein und wollte nach der Maus greifen, aber diesmal wich sie ihr mit einer raschen Bewegung aus.

»Ist schon klar«, sagte Leonie. »Du willst nicht in den Karton. Aber du wirst es schon müssen - oder du fliegst raus.«

Sie griff abermals mit der rechten Hand nach der Maus, hatte aber damit gerechnet, dass sie wieder versuchen würde, ihr mit einer flinken Bewegung auszuweichen, und langte blitzschnell auch mit der anderen Hand zu. Sie bekam die Maus tatsächlich zu fassen; allerdings nur für einen Moment, dann zog sie die Hand mit einem spitzen Schrei zurück, als sich die Zähne des winzigen Nagers schmerzhaft in ihre Fingerkuppe gruben.

»Au!«, keuchte sie. »Bist du verrückt geworden? Ich will dir doch nichts tun!«

Die Maus schien das anders zu sehen. Sie sprang mit einem Satz vom Schreibtisch, flitzte unter das Bett und auf der anderen Seite wieder hervor und war bei der Tür, noch bevor Leonie auch nur die halbe Strecke zurückgelegt hatte.

»Das nutzt dir gar nichts«, sagte Leonie triumphierend. »Abgeschloss...«

Der Rest des Wortes blieb ihr buchstäblich im Hals stecken. Die Tür reichte wie die meisten Zimmertüren nicht ganz bis auf den Fußboden, aber Leonie wäre jede Wette eingegangen, dass der Spalt zwischen Boden und Tür nicht einmal breit genug war, um einen etwas dickeren Briefumschlag hindurchzuschieben.

Der Maus jedenfalls reichte er. Leonie beobachtete fassungslos, wie sich die Maus durch den winzigen Spalt quetschte und in der nächsten Sekunde verschwunden war. Bis auch sie endlich die Tür erreicht hatte und auf den Flur hinausgestürmt war, hatte das winzige Tierchen schon längst die Treppe erreicht und hüpfte behände die Stufen hinunter. Leonie folgte ihr zwar nicht annähernd so elegant, aber dafür umso schneller. Immer zwei, drei Stufen auf einmal nehmend, stürmte sie die Treppe hinab und wandte sich nach links in die Richtung, in die auch die Maus verschwunden war. Sie hatte gehofft, die Maus würde wieder in die Küche und von dort aus hinaus auf die Terrasse und in den Garten rennen, aber das genaue Gegenteil war der Fall: Die Maus rannte zum vorderen Teil des Hauses und damit in die Geschäftsräume - wo sich im Moment ihre Eltern aufhielten. Wenn ihr Vater den kleinen Nager zu Gesicht bekam, dann war es nicht nur um ihn geschehen, sondern er würde auch zwei und zwei zusammenzählen und Leonie eine Menge unangenehmer Fragen stellen. Sie versuchte noch schneller zu laufen, um die Katastrophe vielleicht im allerletzten Moment doch noch zu verhindern, aber sie verlor das ungleiche Rennen. Gerade als sie glaubte, es geschafft zu haben, flitzte die Maus unter der letzten Tür hindurch und Leonie verlor wertvolle Sekunden damit, die Türklinke herunterzudrücken und durch die Tür zu stürmen. Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig in die Buchhandlung, um die Maus unter einem der Regale verschwinden zu sehen.

Und damit war die Jagd zu Ende. Leonie blieb abrupt stehen und konnte gerade noch ein lautstarkes, enttäuschtes Seufzen unterdrücken. Selbst wenn ihre Eltern nicht da gewesen wären, hätte sie keine Chance gehabt, den pelzigen Eindringling zu finden. Hier drinnen gab es buchstäblich Tausende von Verstecken für ein so winziges Wesen.

Wo waren ihre Eltern überhaupt? Im Geschäft brannte überall Licht und ihr Vater hatte ja selbst gesagt, dass sie hier waren, aber Leonie konnte sie nirgendwo entdecken. Nun ja, zumindest bedeutete das umgekehrt, dass auch sie nicht beobachtet hatten, wie sie auf nackten Füßen einer entflohenen Zirkusmaus hinterher rannte.

Trotzdem fragte sie sich, wo ihre Eltern waren.

Die Buchhandlung war alles andere als klein, aber so angelegt, dass man sie praktisch von jedem beliebigen Punkt aus vollkommen überblicken konnte. Leonie sah sich noch einen Moment lang verwirrt um und ging dann ins Büro hinüber, das nur aus einem winzigen Verschlag bestand, in dem gerade Platz für einen Schreibtisch und einen großen Fotokopierer war. Auch dort waren ihre Eltern nicht, aber sie entdeckte etwas anderes: Die Tür zum Heizungskeller stand offen und aus der Tiefe drang blasser Lichtschein herauf.

Leonie war verwirrt. Trotz seiner beeindruckenden Größe verfügte das Haus nur über einen kleinen, muffigen Kellerraum, in den man vor einer halben Ewigkeit die Zentralheizung hineingequetscht hatte. Sie fragte sich, was ihre Eltern dort unten suchten.

Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.

Leonie zog die Tür weiter auf, lauschte einen Moment in die Tiefe (tatsächlich, es waren die Stimmen ihrer Eltern) und begann dann die ausgetretenen Stufen hinabzusteigen. Die Treppe war auf beiden Seiten von einer Mauer umgeben, sodass sie ihre Eltern immer noch nicht sehen konnte. Etwas daran war komisch. Die Stimme ihres Vaters klang ganz normal, wenn auch vielleicht ein bisschen nervös, aber die ihrer Mutter hörte sich sonderbar an, hohl und verzerrt, als schalle sie aus einem tiefen Brunnenschacht herauf.

Sie erreichte das Ende der Treppe, machte einen Schritt zur Seite - und erlebte eine Überraschung: Alles war so, wie sie es in Erinnerung hatte. Der Raum aus grobem, unverputztem Ziegelmauerwerk und mit seiner gewölbten Decke war so klein, dass einem schon der wuchtige Heizkessel das Gefühl gab, kaum noch richtig atmen zu können. Ihr Vater stand unmittelbar vor ihr und unterhielt sich mit immer nervöser werdender Stimme mit ihrer Mutter.

Bloß, dass ihre Mutter gar nicht da war.

Leonie beugte den Oberkörper seitwärts, um an ihrem Vater vorbeisehen zu können, obwohl sie wusste, wie sinnlos das war. Der Keller war so winzig, dass man jemanden, der sich darin aufhielt, gar nicht übersehen konnte.

»Es wäre mir wirklich lieber, wenn du wieder zurückkämst«, sagte ihr Vater in diesem Moment. »Wir sollten zuerst einmal...« Er brach mitten im Wort ab, drehte sich auf dem Absatz zu Leonie um und auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck blanken Entsetzens. »Was... was machst du denn hier?«, keuchte er.

»Mit wem sprichst du da?«

Leonie riss ungläubig die Augen auf. Das war die Stimme ihrer Mutter! Zwar noch immer auf dieselbe unheimliche Weise verzerrt, aber dennoch ganz zweifelsohne ihre Stimme. Doch sie war nirgends zu sehen. Vater und sie waren allein in dem winzigen Kellerraum.

»Leonie«, antwortete Vater. »Leonie ist gekommen.« Er fuhr sich unruhig mit der Zungenspitze über die Lippen. »Warte einen Moment. Bleib, wo du bist. Also, Leonie: Was tust du hier?«

Leonie war nicht nur zutiefst beunruhigt, sie verstand auch nicht, warum sie sich eigentlich rechtfertigen musste, nur weil sie ihren Eltern in den Keller nachgegangen war. Aber irgendetwas in den Augen ihres Vaters warnte sie davor, eine entsprechende Frage zu stellen.

»Ich habe eure Stimmen gehört«, antwortete sie. »Ich wollte wissen, wo ihr seid. Und... und du hast dich so besorgt angehört.«

»Das bin ich auch«, murmelte ihr Vater, auch wenn die Worte so klangen, als wären sie gar nicht für Leonie gedacht. Es war ihm anzusehen, wie unangenehm es ihm war, hier unten von seiner Tochter überrascht worden zu sein. Man hätte meinen können, sie hätte ihn dabei ertappt, wie er etwas Unanständiges oder Verbotenes tat.

»Sagtest du - Leonie?«

Die Stimme ihrer Mutter war immer noch da, ohne dass von ihr selbst auch nur die geringste Spur zu entdecken gewesen wäre. Sie schien direkt aus der Ziegelsteinmauer vor ihnen zu kommen!

»Was geht hier vor?«, flüsterte Leonie.

Ihr Vater hob unglücklich die Schultern. »Ich wollte, ich wüsste es.«

»Klaus?«, drang Mutters Stimme aus der Wand. »Was ist da los bei euch? Wieso ist Leonie bei dir?«

Absolut fassungslos trat Leonie endgültig an ihrem Vater vorbei, hob die Arme und streckte so vorsichtig die Hände aus, als rechne sie damit, eine glühende Herdplatte zu berühren. Aber der Stein war kalt, als sie ihn anfasste, und äußerst massiv.

»Was ist das?«, flüsterte sie. »Eine Geheimtür oder so was?«

»Zweifellos«, antwortete Vater. Er versuchte zu lächeln, aber es geriet eher zur Grimasse. »Allerdings muss sie schon ziemlich geheim sein, ich sehe sie nämlich gar nicht.«

»Ich auch nicht.« Leonie drückte fester zu, diesmal mit aller Kraft. Die Mauer rührte sich nicht, und wie konnte sie das auch?

»Was redet ihr da?« Mutters Stimme klang jetzt, als wäre sie ganz nah. »Ihr braucht doch nur die Klinke herunterzudrücken!«

»Was für eine Klinke?«, fragte Leonie. Sie warf ihrem Vater einen Hilfe suchenden Blick zu, bekam aber nur ein ratloses Achselzucken zur Antwort.

»Ihr nehmt mich auf den Arm, oder?« Mutters Stimme wurde jetzt eindeutig ärgerlich und dann stand sie plötzlich wie aus dem Nichts direkt vor ihnen. Leonie schlug die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken, prallte zurück und stieß so heftig gegen ihren Vater, dass der seinerseits zurücktaumelte und gegen den Heizkessel knallte, der mit einem lautstarken Scheppern gegen die grobe Behandlung protestierte.

»Was ist denn in euch gefahren?«, fragte Mutter und blickte irritiert von einem zum anderen. Ihr Haar war ein wenig durcheinander. Staubfäden klebten darin und graue Spinnweben. Ihr Gesicht war schmutzig und auch ihre Kleider waren alles andere als sauber, was Leonie ziemlich überraschte, denn ihre Mutter war eine sehr penible Frau, die äußersten Wert auf ihre Erscheinung legte.

»Was habt ihr denn?«, fragte sie noch einmal, als weder Leonie noch ihr Vater antworteten, sondern sie nur fassungslos anstarrten. »Ihr seht aus, als hättet ihr ein Gespenst gesehen.«

»Aber du... du bist... ich meine... du bist einfach aus der Wand...«, stammelte Leonie.

Ihre Mutter drehte den Kopf und maß die Ziegelsteinmauer, die Leonie aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, mit einem verunsicherten Blick.

»Aus der Wand? Du meinst: Durch die Tür.«

»Was für eine Tür?«, fragte Vater. »Da ist keine Tür!«

Mutter blickte ihn nur böse an, drehte sich mit einem Ruck um, trat an die Wand heran und machte eine Bewegung, als würde sie nach einer Türklinke greifen und sie herunterdrücken. Dann trat sie zurück, wobei sie die imaginäre Türklinke mit sich zog. »Und was ist das?«, fragte sie triumphierend.

»Eine Wand«, antwortete Vater. Leonie nickte zustimmend. Ihre Mutter stand in einer schon fast komisch anmutenden Haltung da, die Hand immer noch auf einer unsichtbaren Türklinke und sogar ein wenig zur Seite geneigt, als stütze sie sich darauf ab. Aber da, wo ihrer Haltung nach eine - offen stehende - Tür sein musste, erblickte Leonie massives, uraltes Mauerwerk.

»Eine Wand.« Mutter zog eine Grimasse, ließ den gar nicht vorhandenen Türgriff los, trat durch die ebenso wenig vorhandene Tür und war verschwunden. Nur einen Augenblick später tauchte sie ebenso jäh wieder auf und fragte: »Und was war das?«

»Zauberei«, sagte Leonie. Ihr Vater sagte gar nichts.

»Sehr witzig«, erwiderte ihre Mutter. »Also gut, nachdem ihr euch jetzt lange genug über eure arme alte Ehefrau und Mutter lustig gemacht habt, können wir ja wieder ernst werden.«

»Das sind wir«, meinte ihr Vater. Er klang sehr ernst. Leonie glaubte sogar so etwas wie Panik aus seiner Stimme herauszuhören.

Mutter drehte sich um, verschwand wieder und tauchte abermals auf. Sie sah stirnrunzelnd von einem zum anderen, dann nickte sie. »Ihr seht sie nicht.«

»Nein«, bestätigte Vater. Leonie schwieg. Zögernd trat sie an ihrer Mutter vorbei, war aber klug genug, die Hände nach vorne zu strecken; so prellte sie sich nur die Fingerspitzen, statt sich die Nase an der Wand blutig zu schlagen.

Ihre Mutter sog ungläubig die Luft zwischen den Zähnen ein, als sie sah, wie Leonies Finger gegen einen Widerstand stießen, der für sie selbst offenbar völlig unsichtbar war; so wie umgekehrt für Leonie und ihren Vater die Tür. Ohne ein weiteres Wort trat sie zum dritten Mal durch die Tür, um einen Augenblick später wieder aufzutauchen.

»Das ist... sonderbar.« Vaters Stimme klang, als hätte er eigentlich ein anderes Wort im Sinn gehabt.

»Ihr seht sie wirklich nicht?«, vergewisserte sich Leonies Mutter. Ihre Stimme zitterte leicht.

»Nein«, bestätigte Vater. »Warum beschreibst du uns nicht, was du siehst?«

»Eine Tür«, antwortete Mutter. »Eine sehr alte Tür. Dunkel. Aus schwerem Holz, mit jeder Menge Schnitzereien. Schmiedeeiserne Ziernägel. Sie hat kein Schloss und sie sieht aus, als wäre sie sehr schwer, aber sie bewegt sich federleicht.«

»Aber so eine Tür gibt es nicht«, beharrte Leonie. »Schon gar nicht in unserem Keller.«

Mutter schwieg eine ganze Weile. Schließlich meinte Sie zögernd: »Jetzt, wo du es sagst... bisher ist sie mir wirklich nicht aufgefallen.«

»Aufgefallen?!«, ächzte Vater. »Wir leben seit über dreißig Jahren in diesem Haus. Und du sagst, da wäre eine Tür, die dir bisher noch gar nicht aufgefallen ist?«

Leonies Mutter wirkte etwas ratlos - und auch ein kleines bisschen betroffen -, aber sie sagte nichts, sondern verschwand nun zum vierten Mal durch die nicht vorhandene Tür und tauchte gleich darauf wieder auf.

»Ich wünschte mir, du würdest es nicht tun«, sagte Vater unsicher. »Es ist...« Er schluckte. »Es macht mich nervös. Ein wenig jedenfalls.«

»Was ist dahinter?«, fragte Leonie.

Ihre Mutter hob unglücklich die Schultern. »Ein Gang. Ich konnte nicht viel erkennen, weil es zu dunkel war, aber ich hatte das Gefühl, dass er sehr lang ist. Ich brauchte eine Lampe.«

»Du gehst da nicht rein, solange wir nicht wissen, wohin dieser Gang führt«, sagte Vater bestimmt. »Und was dahinter ist.«

»So?«, fragte Mutter. »Soll ich nicht?« Ihre Augen blitzten kampflustig. Sie drehte sich um und war weg. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich es doch tue«, drang ihre Stimme unheimlich aus der Wand.

»Anna, bitte!« Vater machte einen raschen Schritt auf die Wand zu und ächzte, als er wuchtig gegen die Ziegelsteinmauer prallte.

Die Antwort bestand aus einem hellen Lachen, das direkt aus der Wand kam. »Wenn du wüsstest, wie komisch das von hier aussieht.«

»Ja, in der Tat.« Vater trat wieder zwei Schritte zurück und betastete mit spitzen Fingern sein Gesicht, wie um sich davon zu überzeugen, dass auch noch alles an Ort und Stelle war. »Sehr komisch, wirklich.«

Mutter lachte zwar erneut, aber sie tauchte auch nach ein paar Sekunden wieder auf, griff nach dem unsichtbaren Türgriff und drückte die ebenso unsichtbare Tür in ein genauso unsichtbares Schloss. Es hätte komisch aussehen müssen, aber der Anblick jagte Leonie ganz im Gegenteil einen eisigen Schauer über den Rücken.

»Jetzt besorgen wir uns erst einmal eine Taschenlampe«, erklärte ihre Mutter geschäftig. »Dort drinnen ist es stockfinster. Ich bin nur ein paar Schritte weit gegangen, danach konnte ich nichts mehr sehen.«

Irgendetwas an dieser Behauptung kam Leonie seltsam vor. Die Staubfäden in Mutters Haar und der Schmutz auf ihrem Gesicht und an ihren Kleidern sahen eigentlich nicht so aus, als wäre sie nur ein paar Schritte weit gegangen - aber andererseits konnte sie sich auch kaum vorstellen, dass Mutter sie belog. Warum sollte sie auch?

»Kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Vater bestimmt. »Wir wissen nicht, wohin dieser Gang führt und was darin lauert. Es ist viel zu gefährlich.« Wie um seinen Worten zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, trat er an Mutter vorbei und nahm mit vor der Brust verschränkten Armen vor der Wand Aufstellung, wo die Geheimtür war - oder zumindest dort, wo er sie vermutete.

»Sei nicht albern«, erwiderte Mutter. »Was soll da schon lauern? Ein Geist vielleicht oder Menschen fressende Ungeheuer?« Sie lachte, aber ihre Worte ließen Leonie einen weiteren, noch kälteren Schauer über den Rücken laufen.

Vater schüttelte stur den Kopf. »Es reicht ja schon, wenn dir das alte Gemäuer über dem Kopf zusammenbricht.« Er seufzte. Seine Stimme wurde versöhnlicher, ohne dabei eine Spur ihrer Entschlossenheit einzubüßen. »Sag mal, Anna, fällt dir eigentlich nicht auf, wie merkwürdig du dich benimmst?«

»Merkwürdig?«

»Vorsichtig formuliert«, bestätigte Vater. »Um Gottes willen, Anna! Wir leben seit dreißig Jahren in diesem Haus und plötzlich erscheint dir eine Tür, die vorher eindeutig nicht da war! Nicht genug damit: Diese Tür kannst nur du sehen, und du bist noch dazu die Einzige, die auch hindurchgehen kann! Findest du das nicht auch ein wenig seltsam?«

Leonie blickte ihre Eltern an und dann die Stelle an der Wand, wo die geheimnisvolle Tür war. Und plötzlich, für einen winzigen Moment, war ihr alles klar. Plötzlich wusste sie, was all das zu bedeuten hatte und auch was hinter dieser Tür lag. Aber der Gedanke entschlüpfte ihr, bevor sie danach greifen konnte.

»Großmutter«, murmelte sie.

»Großmutter?« Ihre Mutter legte nachdenklich den Kopf auf die Seite. »Was soll mit ihr sein?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Leonie. »Diese Tür... es hat irgendetwas mit... mit Großmutter zu tun.« Sie hob unglücklich die Schultern. »Mehr weiß ich auch nicht.«

Sie rechnete damit, dass ihre Eltern sie nun mit Fragen bombardieren würden, aber die beiden sahen sie nur sehr nachdenklich an und schließlich sagte Vater leise: »Vielleicht hat sie sogar Recht damit.« Er hob rasch die Hand, als Mutter widersprechen wollte. »Nein, überleg doch mal selbst: Ich weiß nicht, wie oft ich in diesem Keller war - Tausend Mal, eine Million Mal, auf jeden Fall aber sehr oft - und ich habe niemals auch nur eine Spur von dieser Tür gesehen.«

»Tust du doch auch jetzt nicht«, wandte Mutter ein.

»Aber du«, beharrte Leonies Vater. »Und du warst mindestens so oft hier unten wie ich, wahrscheinlich öfter. Schließlich bist du in diesem Haus geboren und groß geworden. Hast du diese Tür jemals gesehen?«

»Nein«, gestand Mutter. Sie klang ein bisschen widerwillig.

»Siehst du. Und kaum ist deine Mutter gestorben und du bist ihre legitime Erbin, da kannst du diese Tür nicht nur sehen, du kannst auch hindurchgehen.«

»Was willst du damit sagen?«, fragte Mutter. Plötzlich klang sie nicht mehr widerwillig, sondern beinahe schon feindselig.

»Ich habe ja immer gesagt, dass deine Mutter eine Hexe ist«, antwortete Vater. Es sollte ein Scherz sein, aber er ging so gründlich daneben, wie es nur möglich war. Leonies Mutter starrte ihn wütend an und er rettete sich in ein ziemlich verunglücktes Grinsen. »Entschuldige. Das war... nicht so gemeint. Aber Tatsache ist, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Das wirst du doch wohl zugeben.«

»Etwas seltsam ist es schon«, räumte Mutter ein.

»Etwas seltsam?!« Vater hörte sich an wie ein Fisch auf dem Trockenen, der vergeblich nach Luft japste.

»Vielleicht... vielleicht hat Fröhlich sich ja deshalb so seltsam aufgeführt«, meinte Leonie.

»Dieser Notar?« Ihr Vater machte ein zustimmendes Gesicht. »Ja, das würde Sinn machen. Ich denke, ich sehe mir jetzt erst einmal diesen so genannten Vertrag etwas genauer an. Und während ich es tue, können wir gemeinsam überlegen, was wir damit...«, er schlug mit der flachen Hand gegen die Wand hinter sich und es klang sogar nach Stein, »... anfangen.«

»Was sollen wir schon damit anfangen?«, fragte Mutter. »Wir müssen herausfinden, was dahinter liegt. Wenn sich Mutter solche Mühe gemacht hat, es zu verbergen, dann muss es schon etwas ziemlich Wertvolles sein.«

»Oder Gefährliches.« Vater machte eine entschlossene Handbewegung. »Keine Diskussion mehr. Wir gehen jetzt nach oben und trinken Tee. Diese Tür ist wahrscheinlich schon seit hundert Jahren hier. Sie wird in einer Stunde auch noch da sein.«

Ihre Mutter sah nicht begeistert aus, aber ihr Vater sah auch nicht aus, als würde er nur einen Millimeter von seinem Entschluss abweichen. Schließlich signalisierte sie seufzend ihre Zustimmung und sie verließen hintereinander den Keller.

Leonie warf einen raschen nervösen Blick in die Runde, als sie die Buchhandlung durchquerten, aber von der Maus war nichts zu entdecken. Vielleicht hatte der kleine Nager ja endgültig eingesehen, dass er hier nicht erwünscht war.

Ihr Vater schloss die Zwischentür zur Buchhandlung hinter sich ab, nachdem er als Letzter hindurchgetreten war. Das trug ihm zwar einen giftigen Blick seiner Frau ein, von dem er sich aber nicht sonderlich beeindruckt zeigte. Schweigend gingen sie in die Küche und Leonies Mutter setzte einen Topf mit Wasser auf, um Tee zu kochen. Die Atmosphäre war so angespannt, dass man glaubte, es knistern zu hören.

Vater verschwand für einen Moment, kehrte aber gleich darauf zurück, den dicken Umschlag mit Fröhlichs Vertrag in der Hand und einen zusammengeklappten Laptop unter dem Arm. Mutter beobachtete den Computer stirnrunzelnd - Leonie wusste, dass sie Computer nicht mochte und die Begeisterung ihres Mannes für solcherlei technische Spielereien zwar tolerierte, doch niemals wirklich verstanden hatte -, sagte aber nichts, sondern fuhr fort, den Tee zuzubereiten und Tassen auf den Tisch zu stellen. Bis sie fertig war und der heiße Tee in den Tassen dampfte, hatte Vater seinen Computer eingeschaltet und den Inhalt von Fröhlichs Briefumschlag auf dem Tisch ausgebreitet. All die Unterschriften, Siegel und Stempel wirkten höchst beeindruckend, auch wenn Leonie nicht einmal annähernd klar war, worum es überhaupt ging.

Ihr Vater klaubte ein bestimmtes Blatt heraus und wedelte damit in Mutters Richtung. »Das ist eindeutig die Unterschrift deiner Mutter, wenn du mich fragst.«

Ihre Mutter griff nach dem Blatt und warf einen flüchtigen Blick darauf, ehe sie es ihm mit einem Nicken zurückreichte.

»Das würde bedeuten, dass die Papiere echt sind«, murmelte Vater. »Aus irgendeinem Grund war es deiner Mutter ungeheuer wichtig, dass Leonie das Geschäft erbt und nicht du.« Er hob den Kopf. »Ich dachte immer, ihr hättet euch so gut vertragen.«

»Aber das ist doch Unsinn!«, protestierte Leonie. »Ich will das Geschäft nicht. Und das Geld ist mir erst recht egal!«

Ihre Eltern machten sich nicht einmal die Mühe, ihr zu antworten, so selbstverständlich war das, was sie gesagt hatte.

»Vielleicht ist etwas hinter dieser Tür, etwas von dem sie ausdrücklich wollte, dass Leonie es bekommt, nicht wir.« Er verbesserte sich mit einem raschen Blick in Mutters Richtung. »Du.«

»Und was sollte das sein?«, fragte Leonie.

Ihr Vater hob nur die Schultern, blätterte noch einen Moment in Fröhlichs Papieren und begann dann, auf der Tastatur seines Laptops herumzuhämmern.

»Was tust du da?«, fragte Mutter misstrauisch.

»Ich versuche, mich in die Datenbank der Stadtverwaltung hineinzuhacken«, gestand Vater. »Genauer gesagt, in das Grundbuch- und Katasteramt.«

»Aha«, sagte Mutter. »Und warum?«

»Mittlerweile haben sie fast alle Pläne elektronisch erfasst«, antwortete er. »Mit ein bisschen Glück sind auch die alten Pläne unseres Hauses dabei. Vielleicht finden wir so heraus, was hinter dieser Tür liegt.«

»Einfach hindurchzugehen und nachzuschauen wäre wohl zu leicht, wie?«, fragte Mutter spitz.

»Nein«, antwortete Vater, »aber zu gefährlich.«

Seine Frau zog die linke Augenbraue hoch, sagte aber nichts, sondern nahm die Teetasse in beide Hände und nippte an dem heißen Getränk. Leonie konnte die Feindseligkeit, die ihre Mutter plötzlich ausstrahlte, fast mit Händen greifen. Es erschreckte sie, aber noch mehr verwirrte es sie. Selbstverständlich stritten sich auch ihre Eltern dann und wann, sie waren schließlich keine Heiligen, dennoch führten sie eigentlich eine sehr harmonische Ehe, und derartige Gehässigkeiten gehörten ganz und gar nicht zu ihrem normalen Umgangston.

Leonies Vater hämmerte kommentarlos weiter auf seinem Computer herum und auch Mutter schwieg. Die Stimmung wurde zunehmend eisiger, obwohl Leonie das noch vor ein paar Minuten gar nicht für möglich gehalten hätte. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und stand auf; im gleichen Moment klingelte es an der Haustür.

Ihr Vater blickte einen Moment in die entsprechende Richtung und dann auf die Armbanduhr. »Es ist noch nicht einmal halb sechs«, sagte er. »Wer um alles in der Welt...?«

Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich zusehends, aber er sagte nichts mehr, sondern stand auf und ging aus der Küche, und Leonie schloss sich ihm nach kurzem Zögern an. Das Klingeln wiederholte sich, als sie sich der Haustür näherten. Draußen hatte es zu dämmern begonnen, sodass sie den morgendlichen Besucher als schwarzen Schattenriss hinter dem farbigen Glas erkennen konnten, und Leonie wurde bei seinem Anblick sofort unbehaglich zumute. Sie wusste nicht warum, aber sie spürte, dass der Besucher weiteren Ärger bedeutete.

Als ihr Vater die Tür öffnete, wurde aus diesem Gefühl Gewissheit.

Es war Fröhlich, aber er sah alles andere als fröhlich aus. Soweit das überhaupt möglich war, wirkte er noch nervöser als am vergangenen Abend. Er trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und hob abwehrend die Hände, noch bevor ihr Vater überhaupt etwas sagen konnte. »Ich weiß, es ist früh«, sprudelte er los. »Und ich weiß, dass Sie mich im Moment wahrscheinlich nicht zu sehen wünschen, aber es ist wichtig, bitte glauben Sie mir.«

Leonies Vater sagte nichts von all dem, was ihm sichtbar auf der Zunge lag, sondern blickte nur ein paar Sekunden schweigend und mit steinernem Gesicht auf Fröhlich herab. »Ich habe die Verträge noch nicht ganz durchgelesen«, sagte er dann.

»Deshalb bin ich auch nicht hier«, versicherte ihm Fröhlich. »Ich... ähm... ich müsste Ihre Tochter sprechen.«

»Leonie?«, fragte Vater überrascht.

»Allein, wenn es möglich wäre«, bestätigte Fröhlich.

»Kommt nicht in Frage«, sagte Vater in einem Ton, der jede weitere Diskussion von vornherein überflüssig machte. Trotzdem trat er nach einem weiteren Moment zurück und gab die Tür frei.

»Sie können mit Leonie reden, aber ich bleibe dabei. Ich habe sowieso ein paar Fragen an Sie.«

Fröhlich trat erleichtert ein und Vater schloss die Tür hinter ihm. Der Notar schien darauf zu warten, dass er ihn weiter ins Haus hineinbat, aber Vater starrte ihn nur finster und auffordernd zugleich an. »Also?«

»Also gut«, seufzte Fröhlich. Er wandte sich direkt an Leonie. »Deine Großmutter und du, ihr hattet doch ein gutes Verhältnis, oder?«

»Selbstverständlich«, antwortete Leonie fast empört.

»Hat sie mit dir über...« Fröhlich suchte einen Moment nach Worten, schüttelte den Kopf und setzte neu an: »Das alles muss dir sehr sonderbar vorkommen, Leonie. Aber ich muss dich - und vor allem deine Eltern - einfach darum bitten, mir zu vertrauen.« Er trat immer unbehaglicher von einem Fuß auf den anderen. »Es könnte sein, dass es hier in den nächsten Tagen einige... ähm... ungewöhnliche Vorkommnisse gibt.«

»Ungewöhnliche Vorkommnisse?« Vaters Stimme wurde scharf.

»Ich kann nicht ins Detail gehen, aber was immer auch passieren mag, ich beschwöre Sie, nicht darauf zu reagieren.«

»Was genau meinen Sie damit?«

»Ich kann Ihnen nicht mehr sagen«, antwortete Fröhlich.

»Vielleicht geschieht nichts, vielleicht auch etwas sehr Seltsames. Aber was auch immer es sein mag, ich beschwöre Sie, nicht darauf zu reagieren, solange die Eigentumsumschreibung zugunsten Ihrer Tochter nicht rechtskräftig geworden ist. Die Folgen wären möglicherweise unabsehbar. Wie gesagt: Ich kann Ihnen nicht sagen, was genau...«

»Zum Beispiel eine verborgene Tür, die plötzlich aus dem Nichts auftaucht und durch die nur eine einzige Person gehen kann?«, fiel ihm Leonie ins Wort.

Fröhlich fuhr wie von der berühmten Tarantel gestochen herum. Seine Augen weiteten sich in blankem Entsetzen. »O mein Gott! Du hast es schon...«

»Meine Frau«, unterbrach ihn ihr Vater mit plötzlicher Nervosität in der Stimme, auch wenn er sich alle Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen. »Sie hat die Tür entdeckt. Vor ungefähr einer Stunde.«

»Ihre Frau!« Fröhlich wurde noch bleicher. »Das habe ich befürchtet. Die legitime Erbin. Aber sie hat die Gabe nicht.«

Leonie fuhr zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag erhalten. »Was haben Sie gesagt?«, fragte sie.

»Sie darf diese Tür nicht öffnen!« Fröhlich wandte sich mit vor Aufregung schriller Stimme direkt an ihren Vater. »Ich kann es Ihnen nicht erklären, aber bitte glauben Sie mir: Sie darf diese Tür nicht öffnen und sie darf schon gar nicht hindurchgehen. Etwas Furchtbares könnte geschehen, wenn sie es tut.«

»Was haben Sie gerade gesagt?«, wiederholte Leonie. »Was haben Sie damit gemeint: Sie hat die Gabe nicht? Welche Gabe?«

»Das ist im Augenblick Nebensache«, wehrte Fröhlich ab. »Ich erkläre es dir später. Jetzt ist erst einmal wichtig, dass deine Mutter nicht durch diese Tür geht.«

»Ich fürchte, dafür ist es zu spät«, erwiderte Vater. »Sie hat die Tür bereits geöffnet und sie ist auch schon hindurchgegangen.«

»O mein Gott«, hauchte Fröhlich.

»Und es ist überhaupt nichts passiert«, fuhr Vater fort. »Weder etwas Schreckliches noch etwas Außergewöhnliches. Gar nichts.«

»Dann haben wir alle mehr als nur ein bisschen Glück gehabt«, sagte Fröhlich mit großem Ernst, aber ohne wirkliche Erleichterung in der Stimme. »Und lassen Sie uns beten, dass es auch so bleibt. Darf ich fragen, wo sich Ihre verehrte Frau Gemahlin im Moment aufhält?«

»In der Küche«, antwortete Vater. Seine Stimme wurde noch einmal um mehrere Grad kühler. »Sie können es ihr selbst mitteilen - und mir bei dieser Gelegenheit auch gleich ein paar Fragen beantworten.« Er machte eine auffordernde Geste - keine Einladung, sondern eindeutig ein Befehl - und Fröhlich setzte sich widerwillig in Bewegung. Er sah fast verzweifelt in Leonies Richtung. Da war noch mehr, was er sagen wollte, und es schien ihm auf der Seele zu brennen, aber er wagte offensichtlich nicht, in Gegenwart ihres Vaters es auszusprechen.

Sie eilten in die Küche. Der Computer stand eingeschaltet auf dem Küchentisch und Mutters Teetasse dampfte vor sich hin, aber sie selbst war nicht mehr da. Vater trat mit zwei schnellen Schritten auf die Terrasse und von dort aus in den Garten hinaus um draußen nachzusehen, während sich Fröhlich über den aufgeklappten Laptop beugte und mit einem Geschick, das Leonie niemals erwartet hätte, Zahlen und Buchstaben einzutippen begann.

»Die Datenbank des Katasteramtes«, sagte er anerkennend. »Dein Vater scheint mir ein sehr kluger Mann zu sein. Aber in diesem Fall ist seine Mühe vergeblich, fürchte ich. Die Pläne des Archivs sind in euren Unterlagen nicht verzeichnet.«

Was sollte das heißen: eure Unterlagen? »Die Gabe«, sagte sie. »Sie wollten mir erklären, was Sie damit gemeint haben. Sie hat die Gabe nicht, Doktor Fröhlich.«

Der Notar kam nicht dazu, zu antworten, aber Leonie hatte das Gefühl, dass ihm das gar nicht so unrecht war. Ihr Vater kehrte zurück, beinahe im Sturmschritt und mit sehr besorgtem Gesicht. Ohne ein Wort ging er zur Anrichte und riss nacheinander sämtliche Schubladen auf.

»Wonach suchst du?«, fragte Leonie.

»Die Taschenlampe!« Vater drehte sich mit einem Ruck um. Er war sehr blass. »Die Hintertür zum Laden steht offen und sie hat die Taschenlampe mitgenommen.«

»Sie wird dort unten nicht funktionieren«, bemerkte Fröhlich. »So wenig wie irgendein anderes technisches Gerät.«

Leonies Vater starrte ihn für die Dauer eines Herzschlages finster an, dann eilte er zur Tür. »Sie kommen mit!«, sagte er barsch. »Und beten Sie, dass meiner Frau nichts passiert ist!«

»Ich bete, dass uns allen nichts passiert«, flüsterte Fröhlich, während sie hintereinander aus der Küche stürmten.

Obwohl Leonie so schnell rannte, wie es nur ging, hielt Fröhlich nicht nur ohne Probleme mit ihr mit, sondern blieb so dicht hinter ihr, dass er ihr auf der Treppe beinahe in die Hacken getreten hätte. Dennoch holten sie ihren Vater nicht ein. Er stand bereits vor der Wand unten im Keller und schlug mit den flachen Händen gegen den Stein, wobei er ununterbrochen den Namen seiner Frau schrie.

»Das hat keinen Sinn«, sagte Fröhlich. »Sie kann sie nicht hören. Jedenfalls nicht, wenn sie die Tür hinter sich geschlossen hat.«

Leonies Vater fuhr mit einer wütenden Bewegung herum. »Jetzt habe ich aber allmählich genug von dieser verdammten Geheimniskrämerei!«, zischte er. Bevor Leonie überhaupt begriff, was er vorhatte, packte er Fröhlich bei den Revers seines altmodischen Anzuges und riss ihn so grob zu sich herum, dass der zwei Köpfe kleinere Mann für einen Moment den Boden unter den Füßen verlor.

»Sie werden mir jetzt auf der Stelle sagen, was hier los ist, oder ich werde wirklich ungemütlich!«, brüllte er. »Reden Sie!«

»Ich glaube, das fällt ihm leichter, wenn du ihn zwischendurch Luft holen lässt«, schlug Leonie vor.

Ihr Vater spießte sie nur so mit Blicken auf, und Leonie hätte sich nicht gewundert, wäre sie nun an der Reihe gewesen, Zielscheibe seines Zornes zu sein, aber dann ließ er Fröhlich widerstrebend los und trat einen halben Schritt zurück.

»Also«, sagte er. »Ich höre.«

»Ich kann Ihnen auch nicht mehr sagen, als Sie ohnehin schon wissen«, antwortete Fröhlich. »Jedenfalls nicht viel. Ich war immer nur der Rechtsberater Ihrer Schwiegermutter und vielleicht auch ein wenig ihr Freund, aber sie hat mich nie wirklich in ihre Geheimnisse eingeweiht, fürchte ich.«

»Ich warne Sie!« Vaters Stimme zitterte und in seinen Augen war plötzlich ein Ausdruck, den Leonie noch nie darin gesehen hatte. Ihr Vater war alles andere als ein gewalttätiger Mensch, aber in diesem Moment hätte sie sich nicht einmal mehr gewundert, wenn er den wehrlosen alten Mann geschlagen hätte. »Ich verliere langsam die Geduld. Was ist hinter dieser Mauer?«

»Nichts«, antwortete Fröhlich. »Jedenfalls, soweit es Ihre Person betrifft...«, er wandte sich zu Leonie um, »... und zumindest für eine gewisse Weile auch dich, Leonida.«

»Was meinen Sie damit?«, fragte Leonie.

»Diese Tür öffnet sich nur für die legitime Erbin«, erklärte Fröhlich. »Im Augenblick ist das wohl deine Mutter, fürchte ich. Doch sie ist in großer Gefahr.«

»Das sind Sie auch, falls Sie es noch nicht gemerkt haben«, grollte Vater. »Jedenfalls, wenn Sie mir nicht sofort sagen, wie ich dort hineinkomme.«

»Gar nicht«, antwortete Fröhlich mit einem bedauernden Kopfschütteln.

»Also gut«, sagte Leonies Vater. »Sie wollen nicht. Darüber reden wir später. Und glauben Sie mir, Sie werden sich noch wünschen, mir geantwortet zu haben. Leonie, pass auf, dass er nicht wegläuft!«

»Aber wie soll ich das denn...?«, begann Leonie, doch ihr Vater stürmte bereits an ihr vorbei und rannte die Treppe hinauf, wobei er immer gleich drei Stufen auf einmal nahm.

»Wo willst du hin?«, rief sie ihm nach.

»In die Garage«, antwortete Vater. »Hammer und Meißel holen.« Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und Leonie blieb hilflos zurück und drehte sich wieder zu Fröhlich um. Was um alles in der Welt hatte ihr Vater gemeint? Sollte sie Fröhlich vielleicht mit Gewalt hier festhalten?

Zu ihrer Erleichterung schien der fast kahlköpfige Notar jedoch überhaupt nicht an Flucht zu denken. »Das wird ihm nichts nützen, fürchte ich«, sagte er traurig. »Er versteht nicht.«

»Ich auch nicht«, gestand Leonie. »Ich meine: Woher wollen wir denn wissen, ob sie überhaupt durch diese Tür gegangen ist? Sie kann doch irgendwo im Haus sein.«

»Du weißt, dass das nicht stimmt«, erwiderte Fröhlich leise.

Leonie antwortete nicht mehr. Fröhlich hatte Recht. Sie hatte die ganze Zeit über gespürt, dass ihre Mutter auf der anderen Seite dieser Wand war. Sie hatte nie vorgehabt, irgendetwas anderes zu tun. Das hatte sie schon vorhin oben in der Küche gemerkt. Noch vor ein paar Stunden wäre ein solches Benehmen bei ihrer Mutter einfach unvorstellbar gewesen, aber plötzlich begriff Leonie, wie sehr sich nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Eltern innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden verändert hatten. Seit sie am vergangenen Morgen aufgewacht war, schien nichts mehr so zu sein, wie es sein sollte.

»Und was... will sie dort auf der anderen Seite?«, fragte Leonie stockend.

»Ich furchte, dass sie im Begriff ist, etwas sehr Dummes zu tun«, erklärte Fröhlich leise.

»So wie Großmutter?«

Fröhlich blickte fragend und Leonie erinnerte ihn: »Ich habe Sie und Großmutter gestern belauscht.«

»Ach ja, ich vergaß«, sagte Fröhlich. »Ja, du hast Recht. So wie deine Großmutter. Die schrecklichsten Fehler begehen Menschen fast immer in guter Absicht. Ist dir das schon einmal aufgefallen?«

»Nein«, entgegnete Leonie.

»Es ist aber so«, beharrte Fröhlich. »Deine Großmutter war vielleicht der sanftmütigste Mensch, den ich jemals kennen lernen durfte, und sicherlich die zuverlässigste Hüterin, die es jemals gegeben hat. Und doch hat sie den schlimmsten Fehler gemacht, den eine Erbin der Gabe nur machen kann. Sie hat ihre Macht missbraucht, um ihr persönliches Schicksal zu beeinflussen.«

»Aha«, sagte Leonie. »Und was genau bedeutet das?«

Noch während sie die Frage stellte, wusste sie, dass Fröhlich sie ihr höchstens ausweichend beantworten würde. Er kam jedoch erst gar nicht in die Verlegenheit, denn in diesem Moment polterte ihr Vater die Treppe wieder herunter, beladen mit Hammer, Meißel und noch einer ganzen Menge anderer Werkzeuge, die er in rekordverdächtiger Zeit aus der Garage geholt hatte. Unsanft scheuchte er Fröhlich zur Seite, setzte den Meißel an und begann, die Ziegelsteinmauer mit wuchtigen Schlägen zu bearbeiten, unter denen das ganze Haus zu erbeben schien. Binnen weniger Minuten hatte er den ersten der mürben Ziegelsteine buchstäblich zertrümmert und benutzte den Meißel, um die roten Krümel aus dem Loch herauszufegen. Dahinter kam jedoch nichts anderes als schwarzes Erdreich zutage.

Vater schüttelte enttäuscht den Kopf, trat einen Schritt zur Seite und setzte den Meißel an einem anderen Ziegelstein an, aber mit dem gleichen Ergebnis. Es folgte ein weiterer und noch einer und noch einer, bis er schließlich so erschöpft war, dass er Hammer und Meißel fallen ließ und keuchend nach vorne sank, um die Hände auf den Oberschenkeln abzustützen. Er hatte fast ein Dutzend Löcher in die Wand geschlagen, ohne dahinter mehr als Erdreich und Kiesel zutage zu fördern.

»Ich brauche... nur eine kleine Pause«, keuchte er. »Ein paar Minuten, dann mache ich weiter.«

»Und wenn Sie die ganze Wand niederreißen, es würde nichts nutzen«, behauptete Fröhlich.

»Das werde ich auch tun, wenn es sein muss«, antwortete Leonies Vater. »Verlassen Sie sich darauf.«

»Sie werden nichts finden, außer Erdreich und Felsen«, beharrte Fröhlich.

»Dann rufen wir eben die Polizei«, erwiderte Vater heftig.

»Um ihr was zu sagen?«, fragte Fröhlich. »Dass Ihre Frau durch eine Tür verschwunden ist, die nur sie allein sehen kann und die in einen Gang führt, der nur für sie existiert?« Er schüttelte den Kopf. »Ich bitte Sie!«

»Dann sagen Sie mir endlich, was hier los ist!« Vater richtete sich mit einem Ruck auf. »Es muss ein Trick dabei sein. Irgendein verborgener Mechanismus, eine Geheimtür, ein Spiegel - was weiß ich!«

»Nichts dergleichen.« Fröhlich seufzte tief, dann trat er einen Schritt zurück, zog eine altmodische Taschenuhr hervor und klappte den Deckel auf. »Ich fürchte, es gibt hier nichts mehr, was ich für Sie beide tun kann - und meine Zeit ist beschränkt. Ich werde wohl allmählich...«

»Sie werden gar nichts«, unterbrach ihn Vater. »Ich lasse Sie hier nicht weg, bevor meine Frau nicht wieder zurück ist!«

»Bitte seien Sie doch vernünftig«, drängte Fröhlich. »Es gibt nichts, was wir tun könnten. Nur warten.«

Vater reckte kampflustig die Schultern, trat auf Fröhlich zu und packte ihn erneut am Kragen - genauer gesagt, er wollte es. Doch dann geschah etwas Sonderbares: Er blieb plötzlich wie mitten in der Bewegung erfroren stehen, mit ausgestrecktem Arm und den Blick starr auf Fröhlichs Gesicht gerichtet, und im selben Moment schienen aller Mut und alle Entschlossenheit aus ihm zu weichen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, doch schließlich ließ er den Arm wieder sinken, wich zwei Schritte zurück und fuhr mit einem Ruck herum.

»Ach gehen Sie doch zum Teufel!«, schnappte er. »Verschwinden Sie und lassen Sie sich nie wieder hier blicken!«

Fröhlich wirkte ein bisschen verletzt, aber er antwortete nicht, sondern warf nur noch einmal einen Blick auf das Zifferblatt seiner aufgeklappten Taschenuhr, ehe er sich ohne ein weiteres Wort umwandte und ging.

»Wieso hast du ihn gehen lassen?«, fragte Leonie verwundert. Noch vor einer Minute hatte sie den Eindruck gehabt, dass ihr Vater Fröhlich eher die Beine brechen würde als zuzulassen, dass er den Keller verließ.

»Warum auch nicht?«, antwortete Vater wütend. »Dieser alte Spinner redet doch sowieso nur Unsinn. Er hätte uns ganz bestimmt nicht weitergeholfen, sondern nur aufgehalten.«

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Leonie.

Vater atmete hörbar ein und bückte sich, um sein Werkzeug aufzuheben, bevor er antwortete: »Ich mache weiter, was hast du denn gedacht? Und wenn ich diese ganze verdammte Wand niederreißen muss.«

Und wie es aussah, hatte er auch genau das vor. Obwohl Leonie tief in sich davon überzeugt war, dass Fröhlich Recht hatte, half sie ihrem Vater nach Kräften. Sie brauchten gut anderthalb Stunden, um die gesamte Ziegelsteinmauer abzutragen; die Steine waren so alt, dass sie zum Teil schon unter dem ersten herzhaften Hammerschlag zersplitterten, und auch der Mörtel bestand zum größten Teil nur noch aus grauem Staub, der fast unter seinem eigenen Gewicht zerbröselte. Als sie fertig waren, standen sie knietief in Schutt und herausgebrochenen Ziegelsteinen, und die Luft war so voller Schmutz und Staub, dass sie kaum noch atmen konnten, aber all ihre Mühe schien vergebens gewesen zu sein. Es war genau so, wie Fröhlich behauptet hatte: Hinter der Ziegelsteinmauer befand sich nichts als Erdreich, Steine und ein paar Wurzeln, die ihren Weg von der Erdoberfläche bis hierher gefunden hatten.

»Und wenn er Recht gehabt hat?«, fragte Leonie. Sie hustete unterdrückt und fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn, um den Schweiß wegzuwischen, der ihr in die Augen laufen wollte.

»Unsinn!«, antwortete ihr Vater. Sein Blick tastete unstet über die freigelegte Wand aus Erdreich und Kieseln. »Da muss einfach ein Durchgang sein. Es ist irgendein Trick dabei, ganz sicher. Vielleicht ist es die falsche Wand. Möglicherweise ist es ein simpler Spiegeltrick und sie ist gar nicht hier verschwunden.«

Leonie schloss mit einem lautlosen Seufzer die Augen. Ihr Vater wusste natürlich, dass das Unsinn war, aber er schien auch fast verrückt vor Angst um seine Frau zu sein. Leonie traute ihm in seinem momentanen Zustand durchaus zu, so lange Wand um Wand niederzureißen, bis ihnen die Decke auf den Kopf fiel.

»Das hat doch keinen Sinn«, murmelte sie niedergeschlagen.

»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?« Ihr Vater fuhr sie regelrecht an. »Hier stehen und auf... irgendein Wunder warten? Oder vielleicht einen Voodoo-Zauber aufführen?«

Leonie nahm ihrem Vater diese für ihn unübliche Entgleisung nicht übel, denn sie teilte seine Sorge um Mutter; auch sie war halb wahnsinnig vor Angst, nur dass diese Angst nicht allein von dem Verschwinden ihrer Mutter herrührte, sondern auch - und vielleicht sogar vor allem - von dem, was Fröhlich gesagt hatte. Ihr Vater mochte den greisen Notar für verrückt halten, aber Leonie hatte das ungute Gefühl, dass er alles andere als das war.

»Ich mache weiter«, sagte Vater bestimmt. »Irgendwo muss hier ein versteckter Eingang sein.« Er ließ Hammer und Meißel liegen und griff stattdessen nach der Spitzhacke, die er mitgebracht hatte, um sie kraftvoll zu schwingen.

Als das Werkzeug herabsauste, erschien Leonies Mutter unmittelbar vor der Wand. Die Spitzhacke sauste direkt auf ihr Gesicht zu. Ihr Vater schrie auf, riss das Werkzeug mit einer gewaltigen Kraftanstrengung herum und die Spitzhacke verschwand mit einem dumpfen Laut nahezu zur Gänze im weichen Erdreich, keine fünf Zentimeter vom Gesicht seiner Frau entfernt. Leonies Mutter machte noch einen einzelnen torkelnden Schritt, brach zusammen und wäre gestürzt, wäre Leonie nicht geistesgegenwärtig hinzugesprungen, um sie aufzufangen. Auf dem unsicheren Boden drohte sie ebenfalls den Halt zu verlieren, doch in diesem Moment kam ihr ihr Vater zu Hilfe.

»Anna! Um Gottes willen, was ist passiert?«

Leonies Mutter antwortete nicht. Sie sah auch nicht so aus, als könnte sie es. Ihr Gesicht war grau vor Schmutz und Schwäche, ihre Kleider zerrissen und hoffnungslos verdreckt, und Leonie erschrak, als sie sich vorbeugte und ihrer Mutter direkt ins Gesicht sah. Es war nicht nur verschmutzt und von zahlreichen mehr oder weniger schlimmen Kratzern und Schrammen übersät, ihre Wangen waren eingefallen und ihre Lippen so spröde und rissig, als hätte sie tagelang in schwerem Fieber dagelegen, und auch ihre Augen hatten einen fiebrigen Glanz.

»Anna!«, schrie Vater. »Antworte doch! Was ist passiert?«

»Ich... ich weiß es«, flüsterte Mutter. »Ich weiß jetzt alles.« Und dann verlor sie endgültig das Bewusstsein.

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