Nächtlicher Besuch

Sie hatte erwartet, dass an Schlafen diese Nacht nicht einmal zu denken wäre, aber das Gegenteil war der Fall: Leonie und ihre Mutter saßen noch eine halbe Stunde in bedrücktem Schweigen beieinander, doch dann wurde sie plötzlich so müde, dass sie es kaum noch nach oben und bis in ihr Zimmer schaffte, wo sie sofort in einen tiefen und diesmal traumlosen Schlaf sank.

Als sie erwachte, herrschte draußen noch immer tiefste Dunkelheit, was bedeutete, dass es noch vor fünf war, die Zeit, zu der die Sonne jetzt im Hochsommer aufging. Leonie fand das sonderbar, zumal sie erst lange nach Mitternacht ins Bett gegangen war und sich noch lebhaft an die bleierne Müdigkeit erinnerte, die sich auf sie herabgesenkt hatte.

Erst dann wurde ihr klar, dass sie nicht von selbst aufgewacht war. Ein Geräusch hatte sie geweckt und es war immer noch da.

Leonie setzte sich behutsam im Bett auf und horchte. Da war es wieder: Ein fast unhörbares leises Klicken und Schaben - wie das Geräusch winziger harter Krallen, die über den Linoleumfußboden ihres Zimmers trippelten. In ihrem schlaftrunkenen Zustand vergingen noch etliche Sekunden, bis ihr klar wurde, dass es tatsächlich ein Trippeln war. Eine Maus. In ihrem Zimmer befand sich eine Maus!

Leonie setzte sich weiter auf, streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus und zog sie dann wieder zurück. Wenn sie das Licht einschaltete, würde der unerwünschte Eindringling zweifellos ins nächstbeste Versteck flüchten und sie hätte keine Chance mehr, ihn anzufangen. Leonie hatte nicht vor, dem kleinen Wesen ein Haar zu krümmen, sehr wohl aber, es nachdrücklich aus dem Haus zu entfernen. Wo eine Maus war, waren andere meist nicht fern, und Mäuse in einer Buchhandlung waren so ungefähr das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte.

So leise sie konnte, schwang sie die Beine aus dem Bett, ging daneben in die Hocke und versuchte, die fast vollkommene Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. Im ersten Moment sah sie nichts, aber dann hörte sie das Trippeln wieder, und als sie den Kopf drehte, sah sie einen Schatten unter dem Bett verschwinden. Hastig ließ sie sich auf Hände und Knie herabsinken - und riss erstaunt die Augen auf.

Die Maus saß nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt unter dem Bett und blickte ohne die geringste Scheu aus ihren winzig kleinen Knopfaugen zu ihr hoch. Ihre Barthaare zitterten, als sie sich auf die Hinterläufe aufrichtete und in ihre Richtung schnupperte.

»Du bist ganz schön dreist.« Leonie kam sich selbst ein bisschen albern dabei vor, im Dunkeln neben ihrem Bett auf dem Boden zu hocken und mit einer Maus zu reden, doch nach einem Moment fuhr sie dennoch fort: »Aber auch ganz schön hübsch. Wenn es nicht vollkommen unmöglich wäre, dann würde ich sagen, dass wir uns schon einmal begegnet sind.«

Die Maus wackelte zustimmend mit den Ohren und ließ sich wieder auf alle vier Pfoten sinken. Ansonsten rührte sie sich nicht von der Stelle.

»Wenn du so weitermachst, sehe ich schwarz für deine Lebenserwartung«, sagte Leonie. »Du kannst nicht hier bleiben, weißt du? Also, wie ist es - gehst du freiwillig oder muss ich nachhelfen?«

Die Maus trippelte zwei Schritte davon, blieb stehen und drehte den Kopf, um zu ihr zurückzusehen.

»Hör mit dem Unsinn auf«, drohte Leonie. »Wenn mein Vater dich erwischt, wird es ungemütlich. Was solche wie dich angeht, versteht er keinen Spaß.«

Die Maus machte zwei weitere Schritte, blieb wieder stehen und sah erneut zu ihr zurück. Ihre Ohren zuckten. Es sah aus, als versuche sie, Leonie damit zuzuwinken.

»Ich meine es ernst. Verschwinde, solange du es noch kannst!«

Die Maus verschwand nicht. Sie machte ganz im Gegenteil kehrt, trippelte zu Leonie zurück und richtete sich keine zehn Zentimeter von ihr entfernt wieder auf die Hinterbeine auf. Leonie streckte die Hand aus, um sie zu verscheuchen, und sie war nicht einmal sehr überrascht, als der winzige Nager ohne zu zögern auf ihre ausgestreckte Handfläche sprang.

Diesmal wartete sie nicht, bis die Maus an ihrem Arm hinaufkletterte, um auf ihre Schulter zu hüpfen und von dort aus ihr Gesicht zu beschnüffeln. Blitzschnell griff sie auch mit der anderen Hand zu und bildete mit den Fingern einen kleinen Käfig, in dem die Maus rettungslos gefangen war. Sie piepste protestierend, versuchte aber nicht, aus ihrem Gefängnis auszubrechen, sondern sah Leonie nur vorwurfsvoll an.

»Das hast du dir jetzt selbst zuzuschreiben. Und wahrscheinlich wirst du niemals begreifen, was für ein Glück du gehabt hast. Ich bringe dich jetzt nach draußen. Und ich rate dir dringend, dich hier nie wieder blicken zu lassen!«

Sie trat ans Fenster und sah einen Moment nachdenklich auf das darunter liegende Flachdach der Garage hinab. Es war kaum mehr als einen Meter entfernt. Nicht besonders viel, nicht einmal für eine Maus, aber irgendetwas in Leonie sträubte sich dagegen, den winzigen Nager einfach aus dem Fenster zu werfen - und außerdem spürte sie, dass sie sowieso nicht mehr schlafen konnte. Also überlegte sie nur noch einen kurzen Moment, zog sich hastig an, verließ das Zimmer und lief mit schnellen Schritten die Treppe hinunter. Sie ging durch die Küche auf die Terrasse und in den Garten hinaus, wobei ihr auffiel, dass im ganzen Haus Licht brannte - einschließlich des Geschäftes. Sie konnte den flachen Anbau von hier aus zwar nicht einsehen, aber sie erkannte den Lichtschein, der auf die Straße fiel, was sie einigermaßen verwunderte. Ihr Vater hatte schon vor Jahren eine Zeitschaltuhr eingebaut, die pünktlich um Mitternacht die Schaufensterbeleuchtung abschaltete, um Energie zu sparen. Und Dinge, die ihr Vater einbaute, pflegten im Allgemeinen zuverlässig zu funktionieren.

Die Maus in ihrer Hand wurde unruhig und Leonie verscheuchte den Gedanken und eilte auf nackten Füßen weiter. Das Gras kitzelte unter ihren Fußsohlen, als sie tiefer in den großen Garten vordrang. Da kein Mond schien - es war Neumond - war es fast vollkommen dunkel, aber sie war schließlich hier aufgewachsen und kannte buchstäblich jeden Fußbreit Boden und jeden Grashalm. Die Maus duckte den Kopf zwischen ihren Mittel- und Ringfinger, so als versuche sie hinunterzuspringen, aber Leonie ging unbeeindruckt weiter und trug sie bis fast ans jenseitige Ende des großen Gartens; nicht dass sie am Ende noch auf die Idee kam, schnurstracks ins Haus zurückzulaufen, und das ganze Theater von vorne begann.

Schließlich ließ sie sich in die Hocke sinken und setzte das Tierchen ins Gras. Einen Moment lang blieb es einfach reglos sitzen und sah fast vorwurfsvoll zu ihr hoch, dann verschwand es blitzartig im hohen Gras. Leonie hörte noch ein kurzes Rascheln, dann war keine Spur mehr von der Maus zu sehen.

Sie ging langsam ins Haus zurück, langsamer, als nötig gewesen wäre. Sie wusste, dass sie sowieso nicht mehr schlafen konnte, und sie wollte es auch gar nicht mehr. Der Horizont im Osten begann sich allmählich grau zu färben, und es wurde trotz der noch frühen Stunde bereits warm. Der Tag würde bestimmt wieder heiß werden, so wie die vorhergehenden. In zwei Tagen begannen die Sommerferien, aber nicht nur nach Leonies Einschätzung, sondern auch nach der der Meteorologen im Fernsehen, war es bereits jetzt der heißeste Sommer der letzten zwanzig Jahre. Vielleicht sollte sie diese wenigen Minuten, in denen es noch angenehm kühl war, genießen. Sie brauchte zwei oder drei Minuten, um den Garten zu durchqueren, und als sie die Terrasse betrat, überkam sie plötzlich eine große Traurigkeit. Es war genau hier gewesen, wo sie zum letzten Mal in Ruhe mit ihrer Großmutter zusammengesessen hatte; an dem großen schmiedeeisernen Tisch mit der Glasplatte, an dem sie so gerne gefrühstückt hatte, und für einen winzigen Moment glaubte sie tatsächlich, sie noch einmal zu sehen; ein blasser, halb durchscheinender Schemen wie ein Geist in einem alten englischen Gruselfilm.

Leonie spürte, wie ihre Augen schon wieder feucht wurden. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht, um die Tränen fortzuwischen, und als sie die Augen wieder öffnete, war der Schemen immer noch da.

Leonie blinzelte. Der Schemen war immer noch da.

Er sah nicht wirklich aus wie ein Gespenst aus einem alten Horrorfilm. Die waren meistens albern und nur zu oft so schlecht gemacht, dass sie eher zum Lachen reizten, als dem Zuschauer Furcht einzujagen. Auch dieser Lichtschatten machte Leonie keine Angst, aber er war... unheimlich.

Leonie blinzelte erneut und der Geist war immer noch da. Sie darf es nicht tun, Leonie, wisperte eine Stimme in ihren Gedanken. Was ich getan habe, war unverzeihlich, aber sie wird alles nur noch viel schlimmer machen!

»Großmutter?!«, murmelte Leonie. Mit klopfendem Herzen machte sie einen Schritt auf die halb durchscheinende Gestalt zu und blieb wieder stehen. Sie darf es nicht tun!, wisperte die Stimme. Du musst sie aufhalten! Dann verschwand die Gestalt. Von einem Blinzeln auf das andere war sie nicht mehr da.

Und wahrscheinlich war sie das auch nie gewesen, dachte Leonie traurig. Ebenso wenig, wie sie Großmutters Gesicht gestern Abend im Spiegel gesehen hatte. Es war wohl so, wie ihre Mutter sagte: Manchmal war der Schmerz, der einem zugefügt wurde, so gewaltig, dass man anfing, Dinge zu sehen, die gar nicht da waren. Das hatte nichts damit zu tun, dass man im Begriff war, den Verstand zu verlieren, sondern war ein ganz normaler Schutzmechanismus, den eben jener Verstand entwickelte, um nicht an der Trauer zu zerbrechen.

Diese Erkenntnis mochte logisch und sogar richtig sein, aber sie linderte den Schmerz kein bisschen, der sich wie eine glühende Messerklinge in Leonies Brust grub. Mit einem lautlosen Seufzen drehte sie sich zum Haus um.

Die Maus saß auf der Türschwelle und sah mit schräg gehaltenem Kopf in ihre Richtung. Im ersten Moment wollte Leonie zornig werden, aber es gelang ihr einfach nicht. Stattdessen breitete sich plötzlich ein trauriges Lächeln auf ihren Zügen aus. Dicht vor der Maus ging sie in die Hocke, streckte die Hand aus und bewegte die Finger. Gehorsam sprang die winzige Maus auf ihre Hand, trippelte an ihrem Arm hinauf und nahm auf ihrer Schulter Platz. Ihre Barthaare kitzelten an Leonies Wange, als sie sich wieder aufrichtete und ins Haus zurückging. »Dir ist schon klar, dass du nicht bleiben kannst? Wenn mein Vater dich sieht, trifft ihn der Schlag - und dich kurz darauf wahrscheinlich auch.«

Die Maus rutschte auf ihrer Schulter hin und her, und Leonie spürte, wie sich ihre winzigen Krallen in den Stoff ihrer Bluse gruben, damit sie nicht den Halt verlor. Wieso sprach sie eigentlich mit einer Maus? Vielleicht sollte sie doch ein wenig aufpassen. Zu wissen, dass der eigene Verstand anfing, einem Streiche zu spielen, war kein Freibrief dafür, einfach die Zügel schießen zu lassen.

Sie ging in die Küche, schaltete das Licht über der Anrichte ein und nahm einen Liter Milch aus dem Kühlschrank, von dem sie einen kleinen Schluck in eine Schale goss, bevor sie behutsam die Maus von der Schulter nahm und sie daneben setzte.

Na prima, dachte sie spöttisch, jetzt füttere ich das Vieh auch noch, statt mir Gedanken darüber zu machen, wie ich es los werde!

Die Maus sah sie so strafend an, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. Sie schnupperte an der Milch, machte aber keinen Versuch, davon zu trinken. Leonie betrachtete sie nachdenklich. Sie war mittlerweile fast völlig sicher, dass es sich um dieselbe Maus handelte, die sie in der Zentralbibliothek getroffen hatte, kurz bevor Professor Wohlgemut und ihre Großmutter auf ihr Missgeschick in der Seitenkammer aufmerksam geworden waren - dafür sprach schon allein ihr sonderbares Benehmen. Aber wie kam sie hierher? Die einzige Erklärung, die ihr einfiel - so unwahrscheinlich sie auch klingen mochte - war die, dass sie sie mitgebracht hatte. Vielleicht in einer Falte ihrer Kleidung, vielleicht auch in Großmutters Handtasche. Und dieser Gedanke war noch nicht einmal halb so sonderbar wie das komische Benehmen des Tierchens. Vielleicht war es ja eine dressierte Maus, die irgendjemandem weggelaufen war und jetzt ein neues Zuhause suchte.

»Aber nicht hier«, sprach sie den Rest ihres Gedankens laut aus. Die Maus blickte sie wieder an, als hätte sie ganz genau verstanden, was sie ihr sagen wollte, und allmählich wurde Leonie doch ein bisschen mulmig zumute. Es musste eine dressierte Maus sein, das war die einzige Erklärung.

»Wenn du die Milch nicht willst, schütte ich sie lieber weg«, sagte sie. »Bevor mein Vater kommt und sich fragt, was ich hier tue.«

Sie streckte die Hand nach der Schale aus. In diesem Moment fiel hinter ihr eine Tür ins Schloss und schnelle Schritte näherten sich. Statt die Schale auszuschütten, griff sie hastig nach der Maus und steckte sie kurzerhand in die Tasche. Das Tier piepste erschrocken, und Leonie fuhr auf dem Absatz herum und blickte ins Gesicht ihres Vaters, der in der Küchentür erschienen war und überrascht stehen blieb.

»Was machst du denn hier?«, fragte er.

»Ich wohne hier«, antwortete Leonie. Das Gesicht ihres Vaters verdüsterte sich und Leonie verbesserte sich hastig. »Ich konnte nicht schlafen und ich... ich hatte Durst.«

Ihr Vater sah sie auf eine Art an, als fiele es ihm schwer, ihre Erklärung zu glauben - warum eigentlich? -, dann kam er stirnrunzelnd näher und sah sehr nachdenklich den Liter Milch an, der hinter Leonie auf der Anrichte stand. »Seit wann trinkst du Milch?«, fragte er. Dann entdeckte er die Schale. »Und was soll das?«

»Ich ähm... bin auf den Geschmack gekommen.« Hastig drehte sie sich um, griff nach der Schale und versuchte die Milch zu schlürfen. Es blieb allerdings bei dem Versuch. Das meiste ging vorbei und lief ihr am Kinn hinab, um auf ihre Bluse zu tropfen. Leonie leerte die Schale trotzdem tapfer bis auf den letzten Tropfen, stellte sie ab und fuhr sich genießerisch mit dem Handrücken über den Mund.

»Köstlich. Daran könnte ich mich gewöhnen.« Insgeheim musste sie all ihre Willenskraft aufbringen, um nicht angeekelt das Gesicht zu verziehen. Sie hasste Milch.

Ihr Vater sah sie nun an, als zweifele er an ihrem Verstand, und die Maus in ihrer Tasche begann unruhig zu zappeln. Leonie drehte sich hastig weg, damit er es nicht sah. »Halt bloß still«, flüsterte sie.

Die linke Augenbraue ihres Vaters rutschte ein Stück nach oben. »Was hast du gesagt?«

»Es... äh... es ist sehr still«, stammelte Leonie.

Ihr Vater nickte. »Das ist es morgens um fünf meistens«, sagte er. »Was soll das?«

»Nichts«, versicherte Leonie. »Ich hatte wirklich Durst. Und ich konnte nicht schlafen.« Die Maus in ihrer Tasche zappelte stärker. Ganz offensichtlich gefiel es ihr nicht besonders, in einer Hosentasche eingesperrt zu sein.

Ihr Vater betrachtete sie noch einen Moment lang mit unverhohlenem Misstrauen, aber dann wurde sein Blick weich. »Das kann ich verstehen. Deiner Mutter und mir ergeht es nicht anders.« Er nahm den Liter Milch und stellte ihn in den Kühlschrank zurück, und Leonie drehte sich unauffällig zur Seite, damit er die zappelnde Beule in ihrer Hosentasche nicht bemerkte. »Es ist auch nicht leicht, sich nach einem Tag wie gestern einfach schlafen zu legen, als wäre nichts passiert.«

»Ihr seid im Geschäft?«, fragte Leonie. »Ich habe das Licht gesehen.«

Ihr Vater sah sie nachdenklich an, dann drehte er sich um und blickte noch nachdenklicher durch die Terrassentür in den Garten hinaus. Fragte er sich, wie man das Licht der Schaufensterbeleuchtung von hier aus eigentlich sehen konnte? Man konnte es nicht.

»Ich war draußen im Garten«, erklärte Leonie. »Wie gesagt: Ich konnte nicht schlafen.«

»Du solltest es aber trotzdem versuchen.« Ihr Vater hob die Schultern. »Andererseits ist es im Grunde egal. Ich habe in der Schule angerufen. Sie erlassen dir den letzten Schultag. Du kannst also ausschlafen.« Er sah noch einen Moment in den dunkel daliegenden Garten hinaus, und als er sich wieder Leonie zuwandte, war auch die letzte Spur von Misstrauen und Ärger aus seinem Gesicht verschwunden. Stattdessen sah er sie mit einem warmen, sehr mitfühlenden Lächeln an. »Versuch wenigstens, ein bisschen zur Ruhe zu kommen.«

»Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt noch einmal kann«, sagte Leonie.

»Manche Dinge brauchen einfach Zeit«, antwortete Vater leise. »Versuch nicht den Schmerz zu unterdrücken. Das macht es nur schlimmer. Und es dauert länger, bis du ihn überwunden hast.«

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie nicht wiederkommen wird«, murmelte Leonie. Ihr Vater lächelte milde, dann drehte er den Kopf und sah lange und schweigend durch die offen stehende Terrassentür nach draußen. Seltsam, dachte Leonie, er schien genau die Stelle anzusehen, an der sie vorhin Großmutters Gestalt gesehen hatte.

»Geh jetzt schlafen«, sagte er schließlich. »Oder versuch es wenigstens.«

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