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Das Problem mit Geld, das man auf der Bank hat, ist, dass es sich von einem Augenblick zum nächsten gegen einen wenden wird: Was dir gehörte, gehört plötzlich anderen, wofür du gearbeitet und geschwitzt und Anteile deiner Lebenszeit verkauft hast, gehört plötzlich einem Fremden. Dieses Problem — das Bankenproblem — nagt an Hock Seng wie ein genmanipulierter Rüsselkäfer, den er weder herausziehen noch zu Eiter und Panzerfragmenten zerquetschen kann.

Unter dem Aspekt der Zeit betrachtet — Zeit, in der man einen Lohn verdient, der dann auf die Bank gebracht wird —, kann ein Mensch zu mehr als der Hälfte einer Bank gehören. Nun ja, wenigstens zu einem Drittel, selbst wenn man ein fauler Thai ist. Und ein Mensch, dem ein Drittel seines Lebens abhandengekommen ist, hat im eigentlichen Sinne kein Leben mehr.

Welches Drittel kann ein Mensch verlieren? Das Drittel von der Brust bis zu seiner kahl werdenden Schädeldecke? Von seiner Taille bis zu seinen gelblichen Zehnägeln? Zwei Beine und ein Arm? Zwei Arme und ein Kopf? Ein Mensch mag es vielleicht überleben, wenn ihm ein Viertel abgeschnitten wird, aber ein Drittel ist zu viel, das kann man nicht hinnehmen.

Das ist das Problem mit den Banken. Sobald man ihnen Geld ins Maul steckt, stellt man fest, dass der Tiger seine Zähne um deinen Kopf geschlossen hat. Ein Drittel oder eine Hälfte oder nur ein mit Leberflecken übersäter Schädel — ebenso gut könnte es alles sein.

Aber wenn man den Banken nicht vertrauen kann, wem dann? Einem zerbrechlichen Schloss an der Tür? Dem Drillich einer Matratze? Einer kaputten Dachschindel, vorsichtig hochgehoben und das Geld in Bananenblätter gewickelt? Einem Bambusbalken in einer Slumhütte, mit viel Geschick aufgesägt und ausgehöhlt, um die fetten Geldscheinrollen aufzunehmen?

Hock Seng macht sich an dem Bambus zu schaffen.

Der Mann, der ihm das Zimmer vermietete, hat es »ein Apartment« genannt, und in gewisser Hinsicht ist es das auch. Der Raum ist nicht nur durch Kokosnusspolymerplanen abgetrennt, sondern hat vier Wände. Dahinter liegt ein kleiner Innenhof mit dem Klohäuschen, das er sich — ebenso wie die Wände — mit sechs anderen Hütten teilt. Für einen Yellow-Card-Flüchtling ist das kein Apartment, sondern eine Villa. Und doch hört er überall um sich herum das Jammern und Stöhnen der dicht gedrängt lebenden Menschen.

Die WeatherAll-Holzwände sind, das muss er zugeben, ein Luxus, selbst wenn sie nicht ganz den Boden berühren, selbst wenn die Sandalen seiner Nachbarn darunter hindurchlugen und selbst wenn sie nach dem Öl stinken, mit dem sie behandelt sind, damit sie in der Feuchtigkeit der Tropen nicht verrotten. Aber sie sind notwendig, und wenn auch nur, damit er einen Ort hat, wo er sein Geld aufbewahren kann — außer auf dem Boden seines Regenfasses, in drei Lagen Hundefell gewickelt, von dem er betet, dass es nach sechs Monaten noch immer wasserdicht ist.

Hock Seng hält in seiner Arbeit inne und horcht.

Aus dem Zimmer nebenan dringt ein Rascheln herüber, aber nichts weist darauf hin, dass jemand sein mäuseartiges Wühlen belauscht. Er macht sich wieder daran, ein verkleidetes Bambuspaneel aus dem Balken zu lösen, wobei er darauf achtet, das Sägemehl für später aufzubewahren.

Nichts ist gewiss — das ist die erste Lektion. Die fremden Teufel haben das im Laufe der Kontraktion erfahren müssen, als der Ölmangel sie zwang, an ihre eigenen Küsten zurückzukehren. Er selbst hat das in Malakka gelernt. Nichts ist gewiss, nichts ist sicher. Aus einem reichen Mann wird ein armer Mann. Aus einem lärmenden chinesischen Clan, der fett und glücklich das Frühlingsfest feiert und sich den Bauch mit Nasi Goreng und Huhn nach Hainan-Art vollgeschlagen hat, wird ein einziger ausgemergelter Yellow Card. Nichts ist ewig. Wenigstens darüber sind sich die Buddhisten im Klaren.

Hock Seng grinst humorlos und fährt mit seiner lautlosen Grabearbeit fort. Er folgt einer Linie, die am oberen Rand der Vertäfelung entlangführt, kratzt noch mehr festgedrücktes Sägemehl heraus. Er lebt jetzt in Saus und Braus, mit seinem geflickten Moskitonetz und seinem kleinen Brenner, auf dem er zweimal am Tag grünes Methan entzündet, wenn er denn bereit ist, den hiesigen älteren Bruder dafür zu bezahlen, so dass dieser ihm etwas aus den städtischen Gasleitungen abzweigt. Er hat seinen eigenen Satz Regenurnen aus Ton in dem winzigen Innenhof aufgestellt, der an sich schon ein erstaunlicher Luxus ist, und so stehen sie unter dem Schutz der Ehre und der Rechtschaffenheit seiner Nachbarn — bitterarmen Menschen, die wissen, dass alles — jedes Leid und jede Verkommenheit — seine Grenzen haben muss. Und so besitzt er Regenfässer voller Moskitoeier, die in dem grünen Schleim gedeihen, und kann sich sicher sein, dass niemand je daraus etwas stehlen wird, selbst wenn er direkt vor seiner Tür ermordet werden oder die Frau nebenan jedem Nak Leng zum Opfer fallen könnte, der sie vergewaltigen will. Hock Seng zieht an dem winzigen Paneel in der Bambusstrebe und hält die Luft an, um ja kein Geräusch zu machen. Er hat sich für dieses Zimmer wegen der freiliegenden Balken und der Ziegel an der niedrigen, dunklen Decke entschieden. Wegen der vielen Ecken und Winkel und Möglichkeiten. Überall um ihn herum wachen die Slumbewohner auf, jammern und stöhnen und zünden ihre Zigaretten an, während er, vor Anspannung schwitzend, sein Versteck öffnet. Es ist töricht, hier so viel Geld aufzubewahren. Was ist, wenn ein Brand ausbricht? Wenn das WeatherAll Feuer fängt, weil irgendein Narr eine Kerze umwirft? Was ist, wenn der Mob kommt und er hier drin in der Falle sitzt?

Hock Seng hält inne und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ich bin verrückt. Niemand wird kommen. Die Grünen Brigaden befinden sich jenseits der Grenze in Malaya, und die Armeen des Königreichs werden sie fernhalten.

Und sollten sie doch kommen, liegt zwischen ihnen und mir ein ganzer Archipel, der mir die Zeit verschafft, mich auf ihre Ankunft vorzubereiten. Tagesreisen mit Spannfederzügen, und auch nur, wenn die Generäle der Armee der Königin nicht die Gleise sprengen. Vierundzwanzig Stunden mindestens, selbst wenn sie bei ihrem Angriff Kohle einsetzen. Und wenn nicht? Wochenlanges Marschieren. Genügend Zeit. Ich bin hier sicher.

Das Paneel öffnet sich und fällt ihm in die zitternden Hände. Darunter kommt ein Hohlraum zum Vorschein. Das Bambusrohr ist wasserdicht, von der Natur perfektioniert. Er greift mit seinem dünnen Arm hinein und tastet blind.

Einen Moment lang glaubt er, jemand hat ihn bestohlen, während er fort war, aber dann berühren seine Finger Papier, und er fischt Rollen von Bargeld heraus, eine nach der anderen.

Im Zimmer nebenan diskutieren Sunan und Mali über ihren Onkel, der möchte, dass sie cibi.11.s.8-Ananas schmuggeln — mit einem Boot von der Quarantäneinsel Koh Angrit der Farang. Schnelles Geld, wenn sie bereit sind, das Risiko einzugehen, die verbotenen Nahrungsbestände der Kalorienmonopolgesellschaften einzuführen.

Hock Seng hört ihrem Gemurmel zu, während er das Bargeld in einen Umschlag steckt und in seinem Hemd verschwinden lässt. Die Wände um ihn herum sind mit Diamanten, Baht und Jade gespickt; trotzdem tut es ihm weh, dieses Geld jetzt mit sich fortzunehmen. Es läuft seinem Hamsterinstinkt zuwider.

Er drückt das Bambuspaneel wieder an seinen Platz zurück. Spuckt in die Hand, vermischt den Speichel mit dem Sägemehl und schmiert ihn in die sichtbaren Ritzen. Er federt auf seinen Absätzen zurück und begutachtet den Bambuspfosten. Es ist fast unsichtbar. Wenn er nicht wüsste, dass er vier Segmente nach oben zählen muss, hätte er keine Ahnung, wo er suchen muss oder nach was.

Das Problem mit den Banken ist, dass man ihnen nicht trauen kann. Das Problem mit Geheimverstecken ist, dass sie nur schwer zu sichern sind. Das Problem mit einem Zimmer in einem Slum ist, dass jeder das Geld nehmen kann, wenn er nicht zu Hause ist. Er braucht noch andere Verstecke, sichere Orte, wo er das Opium und die Juwelen und das Bargeld unterbringen kann, die er sich verschafft hat. Er braucht für alles einen sicheren Ort. Auch für sich selbst, und kein Betrag, den er dafür ausgibt, ist zu groß.

Alle Dinge sind vergänglich. Buddha hat das gesagt, und Hock Seng, der nicht an Karma oder die Wahrheiten des Dharma glaubte, als er jung war, hat im Alter den Glauben seiner Großmutter und die schmerzhaften Wahrheiten, die er verkündet, schätzen gelernt. Sein Schicksal ist es zu leiden. Der Ursprung seines Leids ist die Unfähigkeit, loslassen zu können. Und trotzdem häuft er weiterhin Besitztümer an, schmiedet Pläne und sorgt sich um sein Dasein in einer Welt, in der es ihm so schlecht ergangen ist — er kann einfach nicht anders.

Worin bestehen meine Sünden, dass ich mir dieses bittere Schicksal verdient habe? Dass ich mit ansehen musste, wie mein Clan von roten Macheten zusammengestutzt wurde? Wie meine Geschäfte niederbrannten und meine Klipper untergingen? Er schließt die Augen und verdrängt die Erinnerungen. Bedauern ist Leiden.

Er atmet tief durch, richtet sich steifbeinig auf und lässt den Blick durch das Zimmer schweifen, um sich zu vergewissern, dass alles an seinem Platz ist. Dann dreht er sich um und schiebt seine Tür auf. Holz kratzt über Sand. Er schlüpft hinaus in die enge Gasse, die Hauptdurchgangsstraße des Slums. Die Tür sichert er mit einer Lederkordel. Ein Knoten, mehr nicht. In das Zimmer ist bereits eingebrochen worden. Und nicht zum letzten Mal. Das hat er einkalkuliert. Ein großes Schloss würde nur die Aufmerksamkeit der falschen Leute auf sich ziehen; ein armseliges Stück Leder lockt niemanden.

Der Weg, der aus dem Yaowarat-Slum hinausführt, ist von Menschen gesäumt, die im Dunkeln kauern. Die Hitze der Trockenzeit lastet auf Hock Seng — sie ist so stark, dass sie allen den Atem zu rauben scheint, und das trotz der Chao-Phraya-Deiche, die schattenhaft aufragen. Von der Hitze gibt es kein Entkommen. Sollte der Damm brechen, würde das ganze Elendsviertel in kaltem Wasser ertrinken, aber bis das geschieht, stolpert Hock Seng schwitzend durch das Labyrinth der Gassen und drückt sich gegen zweckentfremdete Blechwände.

Er springt über offene Abflussgräben voller Scheiße. Balanciert über Planken und schlüpft an Frauen vorbei, die über dampfenden Töpfen mit U-Tex-Glasnudeln und stinkendem, in der Sonne getrocknetem Fisch schwitzen. Ein paar der mobilen Garküchen, die entweder die Weißhemden oder den Pi Lien des Slums bestochen haben, unterhalten auf der Straße kleine Dungfeuer, und der dichte Qualm und der Geruch von erhitztem Chiliöl erfüllen die Gassen.

Vorsichtig macht er einen Bogen um dreifach abgeschlossene Fahrräder. Kleider und Kochtöpfe und Abfälle quellen unter Abdeckplanen hervor auf den Bürgersteig. Menschen rascheln die Wände entlang: Ein Mann hustet sich durch die letzten Stadien einer Wasserlunge; eine Frau beklagt sich darüber, dass sich ihr Sohn unablässig mit Lao-Lao betrinkt; ein kleines Mädchen droht ihrem Brüderchen Schläge an. In den aus Planen errichteten Hütten ist Privatsphäre ein Fremdwort, aber zumindest halten die Wände eine höfliche Illusion aufrecht. Das ist auf jeden Fall besser, als zusammen mit den anderen Yellow Cards in den Expansionshochhäusern eingesperrt zu sein. Für Hock Seng ist dieses Elendsviertel ein Luxus. Unter den einheimischen Thai fällt er nicht weiter auf. Hier ist er sogar sicherer als in Malaya. Wenn er den Mund hält und sich nicht durch seinen Akzent verrät, könnte man meinen, er wäre hier geboren.

Trotzdem, er vermisst den Ort, wo er und seine Familie zwar Fremde waren, sich aber ein Leben aufgebaut hatten. Er vermisst die mit Marmor ausgelegten Flure und die rot lackierten Säulen seines Anwesens, durch das die Stimmen seiner Kinder, Enkel und Diener hallten. Er vermisst Huhn nach Hainan-Art und Laksa asam, das herrlich süße Kopi und Roti canai.

Er vermisst seine Klipperflotte und die Mannschaften. (Und stimmt es etwa nicht, dass er sogar braune Menschen angeheuert hat? Sogar als Kapitän?) Seine Mishimoto-Klipper sind rund um die Welt gesegelt, sogar bis nach Europa, und an Bord hatten sie Teesorten, die gegen transgene Rüsselkäfer resistent waren. Zurück brachten sie teure Cognacs, die seit den Zeiten der Großen Expansion niemand mehr getrunken hatte. Abends kehrte er dann zu seinen Frauen zurück, aß gut, und seine ganzen Sorgen bestanden darin, dass einer seiner Söhne nicht fleißig sein oder eine seiner Töchter keinen guten Ehemann finden könnte.

Wie töricht und dumm er doch gewesen war! Er hatte sich für einen Handelsschiffer gehalten, und doch hatte er keine Ahnung gehabt, wie schnell die Gezeiten wechseln können.

Unter einer Plane kommt ein junges Mädchen hervor. Sie lächelt ihn an — noch ist sie zu jung, um sich vor einem Fremden zu fürchten. Sie strahlt geschmeidige Lebenskraft aus, um die sie ein alter Mann mit schmerzenden Knochen nur beneiden kann, und schenkt ihm ein Lächeln.

Sie hätte seine Tochter sein können.


Die Nacht über der Malaiischen Halbinsel war schwarz und schwül, ein Dschungel, der vom Krächzen der Nachtvögel und dem Surren der Insekten erfüllt war. Direkt neben ihnen plätscherte das dunkle Wasser des Hafens. Er und Vierte Tochter, dieses unnütze Kind, das einzige, das er hatte retten können, versteckten sich an der Mole zwischen Pfeilern und schaukelnden Booten, und als es völlig finster war, führte er sie zum Wasser hinunter, wo sich die Wellen in gleichmäßigem Rhythmus am Strand brachen und die Sterne über ihnen wie goldene Nadelstiche in der Schwärze leuchteten.

»Schau mal, Ba. Gold«, flüsterte sie.

Vor langer Zeit hatte er ihr einmal erzählt, jeder einzelne Stern sei ein Goldstück, das nur darauf wartete, vom Himmel gepflückt zu werden, denn schließlich sei sie Chinesin, und wenn sie hart arbeitete und ihrer Vorfahren gedachte, würde sie es einmal weit bringen. Und jetzt waren sie hier unter einem Baldachin aus Goldstaub; die Milchstraße breitete sich über ihnen aus wie eine große, wabernde Wolldecke, die Sterne so dicht beieinander, dass er glaubte, nach ihnen greifen zu können, um sie seinen Arm hinunterrollen zu lassen, wenn er nur groß genug wäre.

Gold, überall Gold, und alles unantastbar.

Zwischen den schaukelnden Fischerbooten und den kleinen Federbooten entdeckte er ein Ruderboot und zog es ins Wasser hinaus, in die Strömung hinein, ein schwarzer Fleck auf dem wabernden Spiegel des Ozeans.

Ein bedeckter Himmel wäre ihm lieber gewesen, aber immerhin war die Nacht mondlos, und so ruderte und ruderte er, während um sie herum Seekarpfen an die Wasseroberfläche kamen und ihnen die fetten, blassen Bäuche zeigten, von Leuten seines Clans erschaffen, um eine Nation vor dem Hungertod zu bewahren. Er zerrte an den Riemen, und die Karpfen kreisten sie ein — Karpfen, die sich die Bäuche mit dem Blut und dem Knorpel ihrer Schöpfer vollgeschlagen hatten.

Und dann hatte das kleine Boot sein Ziel erreicht, einen Trimaran, der draußen auf dem Meer vor Anker lag. Hier schliefen Hafiz’ Bootsflüchtlinge. Er kletterte an Bord und glitt lautlos zwischen ihnen hindurch. Wie tief und fest sie doch schliefen, im Schutz ihrer Religion! Und er? Er hatte nichts mehr.

Seine Arme, seine Schultern und sein Rücken schmerzten von der Anstrengung des Ruderns. Die Schmerzen eines alten Mannes. Der weich geworden war.

Suchend glitt er zwischen ihnen hindurch, zu alt für den törichten Überlebenskampf; und doch, einfach aufgeben konnte er nicht. Noch konnte er es schaffen. Seine einzige Tochter konnte es schaffen. Obwohl sie nur ein Mädchen war. Auch wenn sie für ihre Vorfahren nichts tun würde, gehörte sie wenigstens seinem Clan an. Ein Überbleibsel seiner DNA, das vielleicht gerettet werden konnte. Schließlich fand er, was er gesucht hatte, beugte sich vor, berührte den Mann sanft an der Schulter und legte ihm die Hand auf den Mund.

»Alter Freund«, flüsterte er.

Als der Mann erwachte, riss er weit die Augen auf. »Encik Tan?« Fast hätte er salutiert, obwohl er halbnackt auf dem Rücken lag. Und dann, als würde ihm bewusst, dass sich das Schicksal gewendet hatte, ließ er die Hand sinken und redete Hock Seng an, wie er es bisher nie gewagt hatte. »Hock Seng. Sie sind noch am Leben?«

Hock Seng biss sich auf die Unterlippe. »Meine unnütze Tochter und ich müssen nach Norden. Ich brauche deine Hilfe.«

Hafiz setzte sich auf und rieb sich die Augen. Verstohlen schweifte sein Blick über den Rest seines schlafenden Clans. »Wenn ich Sie anzeigen würde«, flüsterte er, »würde ich ein Vermögen machen. Der Prinzipal der Drei Reichtümer. Ich wäre ein gemachter Mann.«

»Du warst nicht arm, als du für mich gearbeitet hast.«

»Ihr Kopf ist mehr wert als alle Schädel der Chinesen, die sich auf den Straßen von Penang stapeln. Und ich wäre ein für alle Mal in Sicherheit.«

Hock Seng wollte ihm eine wütende Antwort geben, doch Hafiz hob die Hand und bedeutete ihm zu schweigen. Er führte Hock Seng zur Reling hinüber. Beugte sich weit vor, bis seine Lippen fast Hock Sengs Ohr berührten. »Begreifen Sie denn, in was für eine Gefahr Sie mich bringen? Manche Männer meiner Familie tragen jetzt grüne Stirnbänder. Meine eigenen Söhne! Hier ist es nicht sicher.«

»Glaubst du etwa, das ist mir neu?«

Hafiz hatte den Anstand, betreten den Blick abzuwenden. »Ich kann Ihnen nicht helfen.«

Hock Seng verzog das Gesicht. »Lohnst du mir so meine Güte? Habe ich nicht deiner Hochzeit beigewohnt? Habe ich dich und Rana nicht reich beschenkt? Habt ihr nicht auf meine Kosten zehn Tage lang gefeiert? Habe ich nicht die Aufnahmegebühr für Mohammed bezahlt, damit er das College in K. L. besuchen konnte?«

»All das haben Sie getan und mehr. Ich schulde Ihnen viel.« Hafiz senkte den Kopf. »Aber wir sind nicht mehr die Männer, die wir einmal waren. Die Grünen Brigaden sind überall, und denjenigen unter uns, die der gelben Seuche gewogen waren, droht entsetzliches Leid. Verzeiht mir, aber es ist wahr. Ich weiß nicht, warum ich euch nicht auf der Stelle niederschlage.«

»Ich habe Diamanten und Jade.«

Hafiz seufzte und wandte Hock Seng seinen breiten, muskulösen Rücken zu. »Wenn ich Ihre Juwelen nehmen würde, könnte ich ebenso gut Ihr Leben nehmen. Wenn wir über Geld reden, ist nichts wertvoller als Ihr Kopf. Es ist besser, wir schweigen von den Versuchungen des Reichtums.«

»So gehen wir also auseinander?«

Hafiz wandte sich wieder Hock Seng zu und sah ihn flehentlich an. »Morgen werde ich Ihren Klipper Dawn Star an die Behörden übergeben und Ihnen feierlich abschwören. Wenn ich klug wäre, würde ich Sie ebenfalls ausliefern. Alle, die einmal mit der gelben Seuche zusammengearbeitet haben, stehen unter Verdacht. Wir, die wir die chinesischen Geschäftsleute reich gemacht und von ihrer Großzügigkeit profitiert haben, sind überall im neuen Malaya verhasst. Das Land ist nicht mehr das, was es einmal war. Die Leute haben Hunger. Sie sind wütend. Sie schimpfen uns Kalorienpiraten, Profitmacher und gelbe Hunde. Dem haben wir nichts entgegenzusetzen. Ihr Blut ist bereits vergossen, aber was mit uns geschieht, ist noch offen. Ich kann nicht meine Familie riskieren, um Sie zu retten.«

»Du könntest mit uns nach Norden kommen. Wir könnten gemeinsam segeln.«

Hafiz seufzte. »Die Grünen Brigaden segeln bereits auf der Suche nach Flüchtlingen die Küste entlang. Ihr Netz ist breit und tief. Und diejenigen, die sie fangen, schlachten sie ab.«

»Aber wir sind schlau. Schlauer als sie. Wir könnten ihnen entwischen.«

»Nein, das ist unmöglich.«

»Wie willst du das wissen?«

Hafiz wandte verlegen den Blick ab. »Meine Söhne prahlen gerne.«

Hock Seng verzog bitter enttäuscht das Gesicht; noch immer hielt er die Hand seiner Tochter. »Es tut mir leid«, sagte Hafiz. »Ich werde mich bis an mein Lebensende schämen.« Hastig wandte er sich um und verschwand in der Kombüse. Er kehrte mit unverdorbenen Mangos und Papayas zurück. Mit einem Beutel U-Tex. Einer Cibi-Melone von PurCal. »Hier. Nehmen Sie das. Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für Sie tun kann. Aber ich muss auch an mich denken.« Und damit führte er Hock Seng zurück zur Reling und übergab ihn wieder den Wellen.

Einen Monat später überquerte Hock Seng die Grenze; allein kroch er durch den mit Blutegeln verseuchten Dschungel, nachdem er von den Snakeheads, die sie verraten hatten, im Stich gelassen worden war.

Hock Seng hat gehört, dass diejenigen, die den Gelben geholfen haben, zuhauf umgekommen sind — dass sie von den Klippen ins Meer sprangen, wo sie verzweifelt versuchten, die von Gischt umschäumten Felsen zu erreichen, während von oben auf sie geschossen wurde. Er fragt sich oft, ob Hafiz unter denen war, die gestorben sind, oder ob der letzte der Klipper der Drei Reichtümer genügt hat, um ihn und seine Familie freizukaufen. Ob seine Söhne, die die grünen Stirnbänder trugen, für ihn eintraten, oder ob sie kalten Herzens zuschauten, wie ihr Vater für seine zahlreichen Sünden büßte.


»Großvater? Geht es dir gut?«

Das kleine Mädchen berührt Hock Seng sanft am Handgelenk und mustert ihn mit großen Augen. »Meine Mutter kann dir abgekochtes Wasser bringen, wenn du Durst hast.«

Hock Seng will etwas erwidern, nickt dann aber nur und wendet sich ab. Wenn er etwas zu ihr sagt, wird sie in ihm den Flüchtling erkennen. Es ist das Beste, er fällt nicht auf. Es ist das Beste, wenn niemand merkt, dass sein Leben von den Launen der Weißhemden und des Kadaverkönigs abhängt, und von ein paar gefälschten Stempeln in seiner Yellow Card. Am besten vertraut er niemandem, selbst wenn diejenige noch so freundlich ist. Ein lächelndes Mädchen kann morgen schon einem Säugling den Schädel einschlagen. Das ist die einzig gültige Wahrheit. Man mag denken, dass es so etwas wie Loyalität und Freundlichkeit gibt, aber das sind Teufelskatzen. Letztlich bestehen sie nur aus Schall und Rauch, und niemand bekommt sie zu fassen.

Nach weiteren zehn Minuten verschlungener Gassen hat er fast die Deiche der Stadt erreicht, wo sich die Hütten wie Entenmuscheln an das Bollwerk klammern, das die Stadt nach den Bauplänen des verehrten Königs Rama XII. vor dem Untergang bewahrt. Lachender Chan sitzt neben einem Jok-Wagen und isst eine dampfende Schüssel U-Tex-Reisbrei mit einigen kleinen, nicht identifizierbaren Fleischstückchen darin.

In seinem früheren Leben war Lachender Chan Aufseher einer Plantage, wo einhundertundfünfzig Mann unter seinem Befehl die Stämme von Kautschukbäumen anzapften, um die Latexmilch aufzufangen. In diesem Leben hat sein Organisationstalent eine neue Nische gefunden: Er gebietet über Arbeiter, die unten an den Docks und draußen auf den Ankerplätzen Megodonten und Klipper entladen, wenn die Thai zu faul oder zu dumm sind oder zu langsam, oder wenn er irgendein hohes Tier bestechen kann, um seine Yellow-Card-Kolonne mit Reis zu versorgen. Manchmal verrichtet er auch andere Arbeit. Schmuggelt Opium oder das Amphetamin Yaba vom Fluss bis in die Hochhäuser des Kadaverkönigs hinein. Beschafft SoyPRO von AgriGen aus Koh Angrit, und das trotz der Blockaden des Umweltministeriums.

Ihm fehlen ein Ohr und vier Zähne, aber das hindert ihn nicht daran, in einem fort zu lächeln. Er sitzt da und grinst wie ein Narr, wobei er seine Zahnlücken entblößt. Währenddessen schweift sein Blick über die Passanten. Hock Seng setzt sich, und auch vor ihn wird eine Schüssel mit dampfendem Jok gestellt. Gemeinsam essen sie U-Tex-Brei und trinken dazu Kaffee, der fast so gut ist wie der, den sie im Süden gekannt haben. Dabei beobachten sie die Menschen um sich herum, folgen mit Blicken der Frau, die sie bedient, den Männern, die an den anderen Tischen kauern, den Pendlern, die sich auf ihren Fahrrädern vorbeidrängen. Schließlich sind sie beide Yellow Cards. Es liegt ebenso in ihrer Natur, wie es in der einer Cheshire liegt, nach Vögeln Ausschau zu halten.

»Sind Sie bereit?«, fragt Lachender Chan.

»Noch einen Moment. Ich möchte nicht, dass Ihre Männer gesehen werden.«

»Keine Sorge. Inzwischen bewegen wir uns fast wie die Thai.« Er grinst und zeigt seine Zahnlücken. »Bald wird man uns nicht mehr von den Einheimischen unterscheiden können. «

»Kennen Sie Dog Fucker?«

Lachender Chan nickt bestimmt, und sein Lächeln verschwindet. »Und Sukrit kennt mich. Ich werde mich unterhalb des Deichs aufhalten, in der Nähe der Hütten. Wo mich niemand sieht. Ich habe dafür gesorgt, dass Ah Ping und Peter Siew die Augen offen halten.«

»Also gut.« Hock Seng isst sein Jok auf und bezahlt auch für Lachender Chan. Solange er Lachender Chan und seine Männer in der Nähe weiß, fühlt er sich ein wenig besser. Wenn auch immer noch nicht sicher. Falls diese Sache schiefgeht, wird Lachender Chan zu weit weg sein, um mehr zu tun, als Rache zu nehmen. Und wenn Hock Seng genauer darüber nachdenkt, hat er dafür eigentlich nicht genug bezahlt.

Lachender Chan schlendert davon und verschwindet zwischen den Planen. Hock Seng setzt seinen Weg durch die drückende Hitze fort, bis er den steilen, holprigen Pfad erreicht, der sich an der Seite des Deichs zwischen den Slums hinaufwindet. Er folgt ihm, und bei jedem Schritt tut ihm das Knie weh. Schließlich steht er auf dem breiten Damm, der die Stadt vor den Gezeiten schützt.

Nach dem Gestank der Elendsviertel ist die Meeresbrise, die auf ihn einstürmt und an seinen Kleidern zerrt, eine Erleichterung. Der hellblaue Ozean funkelt wie ein Spiegel. Hock Seng ist nicht der Einzige, der hier oben auf der Promenade steht und die frische Luft genießt. In einiger Entfernung hockt eine der Kohlepumpen von König Rama XII. wie eine gewaltige Kröte auf dem Rand des Damms. Das Symbol für Korakot — der Krebs — ist ihr in die Flanke gebrannt. In regelmäßigen Abständen stoßen ihre Schlote Dampf und Rauch aus.

Irgendwo tief unter der Deichanlage strecken, von dem genialen König erdacht, die Pumpen ihre Tentakel aus und saugen das Wasser herauf, damit die Stadt nicht ertrinkt. Selbst während der heißen Jahreszeit laufen beständig sieben Pumpen und sorgen dafür, dass Bangkok nicht untergeht. Während der Regenzeit arbeiten alle zwölf der Tierkreiszeichen auf Hochtouren — dann, wenn es in Strömen gießt und die Menschen, nass bis auf die Haut, die Hauptverkehrsadern der Stadt auf Booten entlangfahren und dankbar dafür sind, dass der Monsun nicht ausgeblieben ist und die Deiche halten.

Hock Seng klettert auf der anderen Seite hinunter und geht auf einen Landesteg hinaus. Ein Bauer mit einem Boot voll Kokosnüsse hält ihm eine entgegen und schlägt die grüne Oberseite ab, damit Hock Seng daraus trinken kann. Draußen im Meer ragen die untergegangenen Gebäude von Thonburi aus den Wellen. Hock Seng atmet tief durch und saugt den Geruch von Salz und Fisch und Seetang in seine Lungen. Das Leben des Ozeans.

Ein japanischer Klipper gleitet vorbei; sein Rumpf aus Palmölpolymer und die weißen Segel erinnern an eine Möwe. Noch sind die Tragflügel verborgen, aber wenn sie sich erst aus dem Wasser erheben, wird das Schiff mit seiner Federkanone die Hochsegel steigen lassen und wie ein Fisch aus dem Wasser springen.

Hock Seng erinnert sich noch gut daran, wie er auf dem Deck seines ersten eigenen Klippers stand und die Segel im Wind flatterten. Das Schiff raste über den Ozean wie ein Stein, den ein Kind über das Wasser hüpfen ließ, und er musste lachen, wie sie so über die Wellen preschten und die Gischt auf ihn einstürmte. Er hatte sich seiner Erstfrau zugewandt und ihr erklärt, dass alles möglich war, dass die Zukunft ihnen gehörte.

Er lässt sich am Ufer nieder und trinkt das restliche Wasser aus der grünen Kokosnuss, während ihn ein Junge — ein Bettler — nicht aus den Augen lässt. Hock Seng winkt ihn heran. Ein kluges Kerlchen, wenn er sich nicht täuscht. Die Klugen belohnt er hin und wieder, wenn sie geduldig genug sind, um abzuwarten, was er mit der Kokosschale machen wird. Er gibt sie dem Jungen. Der Junge nimmt sie mit einem Wai, steigt auf den Deich hinauf und zerschmettert sie an der Mauer. Dann hockt er sich hin, kratzt mit einer Austernschale das zarte, schleimige Fleisch heraus und verschlingt es gierig.

Irgendwann taucht Dog Fucker auf. Sein eigentlicher Name ist Sukrit Kamsing, aber Hock Seng hat nur selten gehört, wie er den Yellow Cards über die Lippen kommt. Zu viel ist geschehen, zu viel Zorn hat sich aufgestaut. Stattdessen heißt es immer »Dog Fucker«, und die Worte triefen vor Hass und Angst. Er ist ein gedrungener Mann, voller Kalorien und Muskeln — für seine Arbeit ebenso ideal wie die Megodonten dafür, Kalorien in Joule umzuwandeln. Auf seinen Armen und Händen zeichnen sich blasse Narben ab. Anstelle einer Nase hat er zwei vertikale Schlitze, die ihn aussehen lassen wie ein Schwein.

Unter den Yellow Cards wird heiß darüber diskutiert, ob Dog Fucker zu lange unter fa’ gan gelitten und zugelassen hat, dass die Blumenkohlgeschwülste ihre Tentakel tief in sein Fleisch bohrten, bis den Ärzten nichts anderes übrigblieb, ihm das ganze Ding abzuschneiden, um ihm das Leben zu retten, oder ob ihm bloß der Kadaverkönig die Nase abgehauen hat, um ihm eine Lektion zu erteilen.

Dog Fucker kauert sich neben Hock Seng. Seine Augen sind ausdruckslos schwarz. »Ihr Doktor Chan ist zu mir gekommen. Mit einem Brief.«

Hock Seng nickt. »Ich möchte mich mit Ihrem Patron treffen. «

Dog Fucker lacht leise. »Ich habe ihr sämtliche Finger gebrochen und sie zu Tode gefickt, weil sie mein Nickerchen gestört hat.«

Hock Seng verzieht keine Miene. Vielleicht lügt Dog Fucker. Vielleicht sagt er die Wahrheit. Es ist unmöglich, das zu wissen. Aber natürlich will er Hock Seng aus der Reserve locken. Er will sehen, ob er zusammenzuckt. Ob er mit sich handeln lassen wird. Vielleicht ist Doktor Chan tot. Ein weiterer Name, der auf ihm lastet, wenn er endlich wiedergeboren wird. »Ihr Patron wird meinen Vorschlag mit Wohlwollen aufnehmen.«

Dog Fucker kratzt sich gedankenverloren an einem seiner Nasenschlitze. »Warum sind Sie nicht zu mir in mein Büro gekommen?«

»Ich halte mich gerne unter freiem Himmel auf.«

»Lassen Sie uns beobachten? Von anderen Yellow Cards? Glauben Sie, Sie sind deshalb sicher?«

Hock Seng zuckt mit den Achseln. Er blickt zu den Schiffen und ihren Segeln hinüber. Zu den Verlockungen der weiten Welt. »Ich möchte Ihrem Patron ein Geschäft anbieten. Einen Berg Profit.«

»Erklären Sie es mir.«

Hock Seng schüttelt den Kopf. »Nein. Ich muss persönlich mit ihm sprechen. Und nur mit ihm.«

»Er redet nicht mit Yellow Cards. Vielleicht sollte ich Sie einfach an die Rotflossen-Plaa dort draußen verfüttern. So, wie es die Grünen Brigaden mit Ihresgleichen im Süden gemacht haben.«

»Sie wissen, wer ich bin.«

»Ich weiß, was in dem Brief über Sie steht.« Dog Fucker reibt sich die Ränder seiner Nasenschlitze und mustert Hock Seng eingehend. »Hier sind Sie nur ein Yellow Card unter vielen.«

Hock Seng schweigt. Er reicht Dog Fucker den Hanfbeutel mit dem Geld. Dog Fucker greift nicht danach, sondern betrachtet ihn argwöhnisch. »Was ist das?«

»Ein Geschenk. Sehen Sie selbst.«

Dog Fucker ist neugierig. Aber er ist auch vorsichtig. Gut zu wissen. Er gehört nicht zu den Leuten, die die Hand in eine Tasche stecken, die voller Skorpione sein könnte. Stattdessen öffnet er den Beutel und dreht ihn um. Bündel von Bargeld purzeln heraus und landen zwischen den Muscheln und Abfällen, die die Ebbe zurückgelassen hat. Dog Fucker reißt die Augen auf. Hock Seng unterdrückt ein Lächeln.

»Richten Sie dem Kadaverkönig aus, dass Tan Hock Seng, der Prinzipal der Handelsgesellschaft Drei Reichtümer, ein Geschäft vorschlagen möchte. Überbringen Sie meine Botschaft, und auch Sie werden davon profitieren.«

Dog Fucker lächelt. »Ich glaube, ich werde diese Scheine einfach einstecken, und meine Männer werden Sie so lange schlagen, bis Sie uns verraten, wo Sie in Ihrer Verzweiflung das ganze Yellow-Card-Geld aufbewahren.«

Hock Seng schweigt. Zuckt mit keiner Wimper.

»Ich weiß, dass die Leute von Lachender Chan uns beobachten«, fährt Dog Fucker fort. »Diese Respektlosigkeit werde ich ihm nicht durchgehen lassen.«

Hock Seng stellt überrascht fest, dass er keine Angst verspürt. Er fürchtet sich vor allem und jeden, aber wegen brutaler Pi Lien wie Dog Fucker bekommt er keine Alpträume. Letztlich ist Dog Fucker ein Geschäftsmann. Er ist kein Weißhemd, der sich vor Nationalstolz aufbläst oder sich nach ein wenig mehr Respekt sehnt. Dog Fucker arbeitet für Geld. Alles, was er tut, ist von Geld bestimmt. Er und Hock Seng mögen unterschiedliche Rädchen im Getriebe der Ökonomie sein, aber — von Äußerlichkeiten abgesehen — sind sie Brüder. Hock Seng lächelt flüchtig, während sein Selbstvertrauen wächst.

»Das ist nur ein Geschenk, für Ihre Mühen. Was ich vorschlage, wird weit mehr einbringen. Uns allen.« Er zieht die beiden letzten Gegenstände hervor. Zuerst einen Brief. »Geben Sie das Ihrem Herrn. Versiegelt.« Und dann eine kleine Schachtel, auf der das weithin bekannte Logo aus Spindel und Gewindestange prangt; darin ruht ein Palmölpolymergehäuse, das mattgelb schimmert.

Dog Fucker nimmt es in die Hand und dreht es um. »Eine Spannfeder?« Er zieht eine Grimasse. »Was soll denn das?«

Hock Seng lächelt. »Das wird Ihr Patron wissen, wenn er den Brief gelesen hat.« Ohne auf eine Erwiderung zu warten, steht er auf und wendet sich ab. Er fühlt sich so stark und selbstsicher wie schon lange nicht mehr, nicht seit die Grünen Brigaden ihn heimsuchten, seine Lagerhäuser in Flammen aufgingen und seine Klipper in den Meerestiefen versanken. Hier und jetzt fühlt sich Hock Seng wie ein Mann. Er geht aufrecht und ohne zu humpeln.

Er hat keine Ahnung, ob Dog Fucker ihn verfolgen lässt, also geht er langsam, wohlwissend, dass Dog Fuckers Leute ebenso wie die von Lachender Chan ihn im Auge behalten, ein schwebender Ring aus Beobachtern. Er kämpft sich durch die Gassen und immer tiefer in die Slums hinein, bis er, endlich, auf Lachender Chan trifft, der — natürlich lächelnd — auf ihn wartet.

»Sie haben Sie gehen lassen«, sagt Lachender Chan.

Hock Seng zieht noch mehr Geld aus der Tasche. »Sie haben gute Arbeit geleistet. Aber er weiß, dass es Ihre Männer waren.« Er reicht Chan eine weitere Rolle Baht. »Geben Sie ihm das, damit er Sie in Ruhe lässt.«

Lachender Chan betrachtet das Bündel Geldscheine und lächelt. »Das ist doppelt so viel, wie ich dafür brauche. Selbst Dog Fucker greift hin und wieder auf uns zurück, wenn er es nicht riskieren will, SoyPRO von Koh Angrit herüberzuschmuggeln. «

»Nehmen Sie es trotzdem.«

Lachender Chan zuckt mit den Schultern und steckt die Scheine ein. »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Solange die Ankerplätze geschlossen sind, können wir jeden Baht gebrauchen.«

Hock Seng will sich gerade abwenden, doch als er begreift, was die Worte von Lachender Chan bedeuten, hält er inne.

»Was haben Sie gerade über die Ankerplätze gesagt?«

»Sie sind geschlossen. Letzte Nacht haben die Weißhemden dort eine Razzia durchgeführt. Da geht nichts mehr.«

»Was ist passiert?«

Lachender Chan zuckt erneut mit den Schultern. »Ich habe gehört, dass sie alles verbrannt haben. Restlos alles.«

Hock Seng stellt keine weiteren Fragen. Er dreht sich um und rennt, so schnell ihn seine alten Knochen tragen. Und flucht ununterbrochen. Schimpft sich einen Narren, dass er in seiner Aufmerksamkeit nachgelassen hat. Den Kampf ums nackte Überleben hat er vernachlässigt, nur weil er sich danach sehnt, mehr zu tun, mehr zu sein!

Jedes Mal, wenn er Pläne für seine Zukunft schmiedet, scheint er zu scheitern. Jedes Mal, wenn er die Arme ausstreckt, hält die Welt dagegen und drückt ihn zu Boden.

An der Thanon Sukhumvit entdeckt er im Schweiß der Sonne einen Zeitungsverkäufer. Er wühlt sich durch die Zeitungen und von Hand gedruckten Flüsterblätter, wobei er die Glücksseiten ignoriert, auf denen für sichere Zahlen bei Glücksspielen und für die Namen der voraussichtlichen Muay-Thai-Champions geworben wird.

Er reißt die Zeitungen auf, eine nach der anderen, mit jeder Ausgabe verzweifelter.

Alle zeigen sie das lächelnde Gesicht von Jaidee Rojjana-sukchai, dem unbestechlichen Tiger von Bangkok.

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