Jaidee empfindet eine gewisse Achtung für die Chinesen aus Chaozhou. Ihre Fabriken sind groß und gut geführt. Sie haben schon vor Generationen im Königreich Wurzeln geschlagen und fühlen sich Ihrer Majestät der Kindskönigin in tiefer Loyalität verpflichtet. Sie unterscheiden sich grundlegend von den jämmerlichen chinesischen Flüchtlingen, die aus Malaya in das Land geströmt kommen und hoffen, hier Unterstützung zu finden, nachdem sie es sich dort mit den Einheimischen verdorben haben. Wären die Chinesen aus Malaya nur halb so klug wie die Chaozhou, wären sie schon vor Generationen zum Islam konvertiert und mit dem Gewebe der Gesellschaft in ihrer Wahlheimat nahtlos verflochten.
Stattdessen sind die Chinesen in Malakka und Penang und an der Westküste voller Arroganz für sich geblieben und haben geglaubt, die anschwellende Flut des Fundamentalismus könne ihnen nichts anhaben. Und jetzt kommen sie als Bettler ins Königreich und hoffen, dass ihre Vettern aus Chaozhou ihnen helfen, nachdem sie zu dumm waren, sich selbst zu helfen.
Die Chaozhou dagegen sind schlau und geschickt — sie sind praktisch Thai. Sie sprechen Thai. Sie haben thailändische Namen angenommen. Irgendwo in ihrer fernen Vergangenheit mögen sie chinesische Wurzeln haben, aber sie sind Thai geworden. Und sie sind loyal. Was zugegebenermaßen mehr ist, als Jaidee von einem Teil seines eigenen Volkes behaupten kann. Für Akkarat und seine Brut im Handelsministerium ist Loyalität jedenfalls ein Fremdwort.
Also empfindet Jaidee ein gewisses Maß an Mitgefühl mit dem Chaozhou, einem Geschäftsmann, der — in ein langes weißes Hemd und weite Baumwollhosen gekleidet und mit Sandalen an den Füßen — vor ihm in der Fertigungshalle auf und ab schreitet und sich beschwert, dass seine Fabrik geschlossen worden sei, weil irgendeine Kohlezuteilung überschritten wurde, dabei habe er sämtliche Weißhemden bezahlt, die durch diese Tür gekommen seien, und Jaidee habe kein Recht — kein Recht —, die ganze Fabrik dichtzumachen.
Jaidee hat sogar noch Verständnis dafür, dass der Chinese ihn ein Schildkrötenei schimpft — eine ziemliche Beleidigung, wenn man bedenkt, wie es im Chinesischen gemeint ist. Trotzdem toleriert er den Gefühlsausbruch des Geschäftsmanns. Die Chinesen sind nun einmal ein wenig heißblütig. Sie neigen zu Gefühlsausbrüchen, denen ein Thai niemals nachgeben würde.
Alles in allem empfindet Jaidee also ein gewisses Mitgefühl mit seinem Gegenüber.
Aber für einen Mann, der ihm wiederholt den Finger in die Brust rammt, während er lauthals flucht, empfindet er keine Sympathie, und deshalb sitzt Jaidee jetzt auf der Brust des Chinesen, presst ihm den schwarzen Schlagstock auf die Luftröhre und erklärt ihm ausführlich, dass es besser wäre, wenn er den Weißhemden künftig mit angemessener Achtung begegnen würde.
»Sie scheinen mich mit jemandem verwechselt zu haben — mit jemandem aus dem Ministerium«, stellt Jaidee in ruhigem Tonfall fest.
Der Chinese röchelt und versucht sich zu befreien, aber der Schlagstock, der ihm die Gurgel zu zerquetschen droht, hindert ihn daran. Jaidee mustert ihn eingehend. »Sie sind sich doch bestimmt darüber im Klaren, dass wir Kohle rationieren, weil die Stadt unter dem Meeresspiegel liegt, nicht wahr? Ihre Zuteilung wurde schon vor Monaten überschritten. «
»Ghghhaha.«
Jaidee überlegt, wie er reagieren soll. Traurig schüttelt er den Kopf. »Nein. Ich denke, das kann nicht so weitergehen. König Rama XII. hat verfügt, dass wir nie zulassen werden, dass Krung Thep den ansteigenden Meeresfluten anheimfällt, und Ihre Majestät die Kindskönigin hat diesen Erlass bestätigt. Wir werden nicht aus der Stadt der Engel fliehen, so wie die Feiglinge in Ayutthaya vor den Burmesen geflohen sind. Der Ozean ist keine Armee, die vor unseren Toren aufmarschiert. Wenn wir erst einmal vor dem Wasser zurückweichen, können wir das Land nie mehr zurückerobern.« Er betrachtet den schwitzenden Chinesen. »Und deshalb müssen wir alle unsere Pflicht tun. Wir müssen gemeinsam kämpfen, wie die Bewohner des Dorfes Bang Rajan, um den Eindringling von unseren Straßen fernzuhalten. Stimmen Sie mir da nicht zu?«
»Gghhghghhghhhh …«
»Gut.« Jaidee lächelt. »Es freut mich, dass wir Fortschritte machen.«
Jemand räuspert sich.
Jaidee blickt auf und unterdrückt seine Verärgerung. »Ja?«
Ein junger Gefreiter in einer neuen weißen Uniform steht neben ihnen und wartet. »Khun Jaidee.« Er bezeigt ihm mit einem Wai seinen Respekt. Ich bitte vielmals um Verzeihung, dass ich Sie unterbreche«, sagte er mit gesenktem Kopf.
»Ja?«
»Chao Khun General Pracha erwartet Sie.«
»Ich bin beschäftigt«, sagt Jaidee. »Unser Freund hier scheint endlich bereit, sich kühlen Blutes und in angemessener Haltung mit uns zu verständigen.« Er schenkt dem Geschäftsmann ein freundliches Lächeln.
»Ich soll Ihnen ausrichten …«, fährt der Junge fort. »Mir wurde aufgetragen …«
»Sag schon.«
»Ich soll Ihnen ausrichten, Sie sollen Ihren, Ihren — bitte verzeihen Sie — Ihren ›selbstsüchtigen Arsch‹ — bitte verzeihen Sie — ins Ministerium bewegen. Sofort, wenn nicht schneller.« Der Gefreite windet sich sichtlich. »Wenn Sie kein Fahrrad haben, sollen Sie meins nehmen.«
Jaidee zieht eine Grimasse. »Aha. Nun gut.« Er steht auf und nickt Kanya zu. »Leutnant? Vielleicht können Sie unserem Freund Vernunft beibringen?«
Kanya sieht ihn verwundert an. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Offenbar möchte Pracha sich nun doch mal ordentlich Luft machen.«
»Soll ich Sie begleiten?« Kanya wirft einen Blick auf den Geschäftsmann. »Die alte Echse kann warten.«
Jaidee muss über ihre Besorgnis lächeln. »Keine Angst. Bringen Sie das hier zu Ende. Wenn Sie zurückkommen, lasse ich Sie wissen, ob wir für den Rest unserer Laufbahn in den Süden verbannt werden, um die Lager der Yellow Cards zu bewachen.«
Während Jaidee und der Gefreite zur Tür eilen, hat der Geschäftsmann seinen Mut wiedergefunden. »Das wird Sie Ihren Kopf kosten, Heeya!«
Jaidee hört, wie Kanyas Schlagstock auf den Kopf des Chinesen trifft und dieser einen Schrei ausstößt. Dann schließt sich die Tür der Fabrik hinter ihnen.
Draußen brennt die Sonne auf sie herab. Jaidee schwitzt bereits von seiner Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmann, umso unangenehmer ist ihm die Hitze. Er wartet im Schatten einer Kokosnusspalme, bis der Bote sein Fahrrad geholt hat.
Der Junge bemerkt, wie sehr Jaidee schwitzt, und fragt ihn besorgt: »Möchten Sie sich nicht etwas ausruhen?«
Jaidee lacht. »Mach dir keine Sorgen um mich, ich werde nur alt. Dieser Heeya war äußerst störrisch, und ich bin nicht mehr der Kämpfer, der ich einmal war. In der kühlen Jahreszeit würde ich nicht so sehr schwitzen.«
»Sie haben viele Kämpfe gewonnen.«
»Einige.« Jaidee grinst. »Und ich habe auch trainiert, wenn es heißer war als jetzt.«
»Ihr Leutnant könnte sich um solche Sachen kümmern«, erwidert der Junge. »Sie müssen nicht so hart arbeiten.«
Jaidee wischt sich den Schweiß von der Stirn und schüttelt den Kopf. »Was würden meine Männer dann denken? Dass ich faul bin!«
Der Junge ringt nach Luft. »Das würde niemand von Ihnen denken. Niemals!«
»Wenn du es erst einmal zum Hauptmann gebracht hast, wirst du das besser verstehen.« Jaidee lächelt nachsichtig. »Männer sind einem treu ergeben, wenn man selbst an vorderster Front steht. Keiner meiner Leute wird je seine Zeit darauf verschwenden, einen Kurbelventilator anzutreiben oder mir mit einem Palmwedel Luft zuzufächeln, nur damit ich es bequem habe wie diese Heeya im Handelsministerium. Ich mag der Anführer sein, aber wir sind alle Brüder. Versprich mir, dass du es genauso halten wirst, wenn du Hauptmann bist!«
Die Augen des Jungen leuchten. Er verneigt sich ein weiteres Mal. »Ja, Khun. Das werde ich nicht vergessen. Vielen Dank!«
»Braver Junge.« Jaidee schwingt sich in den Sattel. »Wenn Leutnant Kanya hier fertig ist, dann nimmt sie dich auf unserem Tandem mit.«
Er fährt los. Wer in der heißen Jahreszeit mit dem Rad unterwegs ist, muss entweder verrückt oder hoch motiviert sein. Die meisten Menschen harren im Schatten aus, unter Torbögen oder Planen, die die Gassen überspannen. Jaidee passiert Märkte, auf denen Gemüse, Geschirr und Kleider verkauft werden.
Auf der Thanon Na Phralan nimmt er die Hände vom Lenker und verneigt sich im Vorbeifahren vor dem Schrein der Stadtsäulen; er flüstert ein Gebet für die Sicherheit des spirituellen Herzens von Bangkok. Dort hat König Rama XII. seine Erklärung verlesen, dass sie die Stadt nicht dem ansteigenden Meer überlassen würden. Jetzt dringt der Gesang der Mönche auf die Straße, die um das Überleben der Stadt bitten, und er erfüllt Jaidee mit innerem Frieden. Dreimal hebt er die Hand an die Stirn, einer von vielen Radlern, die dasselbe tun.
Fünfzehn Minuten später taucht das Umweltministerium vor ihm auf, eine Reihe von mit roten Ziegeln gedeckten Gebäuden mit steilen Dächern, die aus einem Dickicht aus Bambus, Teak und Regenbäumen herausragen. Hohe weiße Mauern und Bildnisse von Garuda und Singha wachen über das Ministerium; der Regen hat auf ihnen seine Spuren hinterlassen, und sie werden von Farnen und Moosen eingefasst.
Jaidee hat das Grundstück schon einmal aus der Luft gesehen — er gehörte zu einer Handvoll Männern, die an Bord eines Luftschiffes über die Stadt flogen. Damals war Chaiyanuchit noch Umweltminister und der Einfluss der Weißhemden uneingeschränkt. Seuchen fegten über die Erde und töteten die Ernte mit einem solch schwindelerregenden Tempo, dass niemand wusste, ob etwas überleben würde.
Chaiyanuchit war sich darüber im Klaren, was auf dem Spiel stand und was getan werden musste. Als die Grenzen geschlossen, als Ministerien isoliert, als Phuket und Chiang Mai ausradiert werden mussten, zögerte er nicht. Als im Norden die Dschungelblüte explodierte, brannte er unbarmherzig alles nieder, und als er im Luftschiff Seiner Majestät des Königs in den Himmel aufstieg, dufte Jaidee ihn begleiten.
Zu jener Zeit waren sie allerdings nur noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. AgriGen und PurCal und die anderen lieferten ihre seuchenresistenten Samen und forderten exorbitante Profite; patriotische Genfledderer arbeiteten bereits daran, den Code der Kalorienkonzerne zu knacken, und versuchten mit all ihrer Kraft, das Königreich mit Nahrung zu versorgen, während Burma und die Vietnamesen und die Khmer dem Untergang geweiht waren. AgriGen drohte mit einem Embargo, weil ihr geistiges Eigentum verletzt worden sei, aber das Königreich Thailand war noch am Leben. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Während andere von den Kalorienkonzernen ausgequetscht wurden, blieb das Königreich standhaft.
Embargo! Chaiyanuchit hatte nur gelacht. Das ist doch genau das, was wir wollen! Wir wollen keinerlei Kontakt zur Außenwelt haben.
Und so waren Mauern in die Höhe geschossen, eine nach der anderen — sofern der Ölkollaps und die Angst vor dem Bürgerkrieg und den hungernden Flüchtlingen nicht sowieso schon allerorten dazu geführt hatten, dass die Grenzen geschlossen wurden. Barrieren legten sich um das Königreich und schotteten es vor der Außenwelt ab.
Als frischer Rekrut war Jaidee erstaunt gewesen, was für eine Hektik im Umweltministerium herrschte. Weißhemden eilten aus ihren Büros auf die Straße hinaus und versuchten, unter Tausenden von Gefahren den Überblick zu behalten. In keinem anderen Ministerium war das Gefühl von Dringlichkeit so ausgeprägt. Auf den Ausbruch von Seuchen musste blitzschnell reagiert werden. Wurde in einem abgelegenen Distrikt ein einziger transgener Rüsselkäfer entdeckt, handelten sie innerhalb von wenigen Stunden, und die Weißhemden rasten mit einem Spannfederzug quer durchs Land zum Epizentrum der Seuche.
Täglich wurde der Zuständigkeitsbereich des Ministeriums erweitert. Die Seuchen waren nur der vorerst letzte Angriff auf das Königreich. Den Anfang machte der ansteigende Meeresspiegel, weshalb Deiche und Dämme gebaut werden mussten. Dann folgte die Regulierung des Energiemarktes, der Handel mit Kohlenstoffguthaben und die strenge Ahndung von Verstößen gegen die Klimabestimmungen. Die Weißhemden übernahmen die Lizenzierung der Produktion und Verwertung von Methan. Sie überwachten das Fischereiwesen und vor allem das Ausmaß der Toxinanreicherung in der letzten Kalorienbastion des Königreichs (es war ein Segen, dass die Kalorienkonzerne der Farang wie Binnenlandbewohner dachten und nur halbherzige Angriffe auf die Fischbestände geführt hatten). Und natürlich musste der Gesundheitszustand der Menschen sowie die Ausbreitung von Viren und Bakterien im Auge behalten werden: H7V9; Cibiskose111. b, c, d; die fa’ gan-Wucherung; Bitterwassermuscheln und ihre viralen Mutationen, die so leicht vom Salzwasser aufs Festland übersprangen; Rostwelke … Die Pflichten des Ministeriums kannten keine Grenzen.
Jaidee fährt an einer Frau vorbei, die Bananen verkauft. Rasch springt er vom Rad und kauft sich eine — er kann nicht anders. Es ist eine neue Sorte, von der fleißigen Abteilung für Prototypen im Ministerium geschaffen. Schnell wachsend und resistent gegen Makmak-Milben, die mit ihren winzigen schwarzen Eiern die Bananenblüten befallen, bevor sie richtig wachsen können. Er schält die Banane und isst sie gierig, während er das Fahrrad schiebt — wenn er doch nur die Zeit hätte, etwas Anständiges zu sich zu nehmen! Schließlich wirft er die Schale neben den Stamm eines Regenbaums.
Alles, was lebt, produziert Abfälle. Das zieht Unkosten, Gefahren und Probleme der Entsorgung nach sich, und so fand sich das Ministerium plötzlich im Mittelpunkt allen Lebens wieder, mit der Aufgabe betraut, den Abfall, den die Menschen zurückließen, möglichst schadensneutral zu beseitigen und die Gesetzesverstöße der Kurzsichtigen und Habgierigen zu verfolgen — derjenigen, die auf raschen Profit hoffen, auch auf Kosten des Lebens anderer.
Das Symbol des Umweltministeriums ist das Auge einer Schildkröte. Sie steht für Weitblick — für das Bewusstsein, dass überall verdeckte Kosten lauern, auch wenn die Dinge scheinbar billig und leicht verfügbar sind. Und wenn die anderen jetzt vom Schildkrötenministerium reden und die Chaozhou-Chinesen die Weißhemden als Schildkröteneier beschimpfen, weil sie nicht mehr so viele Spannfederroller herstellen dürfen, wie sie gerne möchten, dann sei es drum. Das Umweltministerium hat sichergestellt, dass das Königreich überlebt, und wenn Jaidee daran zurückdenkt, was in diesen Mauern geleistet wurde, ist er von Ehrfurcht erfüllt.
Und trotzdem, als er vor den Toren des Ministeriums vom Fahrrad steigt, wirft ein Mann ihm einen zornigen Blick zu, und eine Frau schaut demonstrativ weg. Sogar unmittelbar vor dem Gebäude selbst — oder vielleicht vor allem dort —, wenden sich die Menschen, die er beschützt, von ihm ab.
Jade verzieht das Gesicht und schiebt sein Rad an den Wachen vorbei.
Hier herrscht noch immer große Hektik, und doch ist vieles anders geworden, seit er sich hat anwerben lassen. An den Wänden breitet sich Schimmel aus, und die Mauern haben unter dem Ansturm der Schlingpflanzen Risse bekommen. An einer Ecke lehnt ein alter Bobaum und fault vor sich hin — ein stummer Zeuge ihres Scheiterns. Seit zehn Jahren steht er nun schon so da. So viele Dinge sind gestorben, dass ihm niemand mehr Beachtung schenkt. Das ganze Gebäude wirkt heruntergekommen, als würde der Dschungel versuchen, das zurückzuerobern, was ihm entrissen worden ist. Würde niemand die Ranken auf den Wegen entfernen, hätten sie das Ministerium längst unter sich begraben.
Als die Mitarbeiter des Ministeriums noch als Volkshelden galten, wäre dergleichen unmöglich gewesen. Damals beugten die Menschen die Knie vor den Beamten, als wären die Soldaten Mönche, und ihre weißen Uniformen erweckten Respekt und Verehrung. Jetzt sieht Jaidee die Zivilisten zusammenzucken, wenn er vorbeischlendert. Und die Flucht ergreifen.
Ich bin ein Schläger, denkt er missmutig. Nichts weiter als ein Schläger, der unter Wasserbüffeln einhergeht, und obwohl er versucht, gütlich über sie zu wachen, ertappt er sich wieder und wieder dabei, wie er die Peitsche schwingt, um ihnen Angst einzujagen. Das ganze Ministerium handelt nach dieser Maxime — zumindest diejenigen, die sich noch der Gefahren bewusst sind, denen sie gegenüberstehen, die noch immer an eine klare Linie glauben, die zum Schutze aller nicht überschritten werden darf.
Ich bin ein Schläger.
Er seufzt und stellt das Rad vor der Verwaltung ab; hier müssten die Mauern dringend einmal wieder getüncht werden, doch auch dafür reicht das schwindende Budget nicht. Jaidee betrachtet das Gebäude und fragt sich, ob das Ministerium deshalb kurz vor einer Katastrophe steht, weil es sich übernommen hat oder weil es zu erfolgreich ist. Die Menschen haben die Angst vor der Außenwelt verloren. Das Budget des Umweltministeriums wird kleiner, während das des Handelsministeriums wächst.
Jaidee sucht sich einen Sitzplatz vor dem Büro des Generals. Offiziere in weißer Uniform schreiten an ihm vorbei, sorgsam darauf bedacht, ihn zu ignorieren. Dass er vor Prachas Büro wartet, sollte ihn mit Genugtuung erfüllen. Er wird nicht oft vor einen hochrangigen Offizier zitiert. Dieses eine Mal hat er etwas richtig gemacht. Ein junger Mann nähert sich ihm zögerlich. Verbeugt sich.
»Khun Jaidee?«
Als Jaidee nickt, grinst der junge Mann breit. Seine Haare sind kurzgeschnitten, und seine Augenbrauen sind nur schmale Schatten; er ist gerade erst aus dem Kloster gekommen.
»Khun, ich hatte gehofft, dass Sie es sind.« Er zögert und streckt Jaidee dann eine kleine Karte entgegen. Sie ist im altehrwürdigen Sukhothai-Stil bemalt und zeigt einen jungen Mann mit blutigem Gesicht, der im Ring einen Gegner vor sich hertreibt. Seine Gesichtszüge sind nur angedeutet, aber Jaidee muss unwillkürlich lächeln, als er sie sieht.
»Woher haben Sie das?«
»Ich hab bei dem Kampf zugeschaut, Khun. Damals, in dem Dorf. »Ich war erst so groß …« Er hält seine Hand auf Hüfthöhe. »Na ja, so ungefähr. Vielleicht auch kleiner.« Er lacht befangen. »Als ich Sie gesehen habe, wollte ich selbst Boxer werden. Als Dithakar Sie umgenietet hat und Ihr Blut überall rumspritzte, da dachte ich, Sie wären erledigt. Ich hab nicht geglaubt, dass Sie kräftig genug wären, um es mit ihm aufzunehmen. Er hatte Muskeln …« Er verstummt.
»Ich erinnere mich. Das war ein guter Kampf.«
Der Junge grinst. »Ja, Khun. Fabelhaft. Damals glaubte ich, ich wollte auch Boxer werden.«
»Und jetzt schau dich an.«
Der Junge streicht sich mit den Fingern durch das kurzgeschnittene Haar. »Ach. Na ja. Das mit dem Kämpfen ist schwieriger, als ich es mir vorgestellt hab … aber …« Er hält inne. »Könnten Sie das signieren? Die Karte? Bitte. Ich würde sie gerne meinem Vater geben. Er spricht noch immer in den höchsten Tönen von Ihren Kämpfen.«
Jaidee setzt lächelnd seine Unterschrift auf die Karte. »Dithakar war nicht eben der klügste Boxer, dem ich je gegenüberstand. Aber er war stark. Ich wünschte, meine Gegner würden mir immer so offen gegenübertreten.«
»Hauptmann Jaidee«, unterbricht eine Stimme. »Wenn Sie sich denn von Ihren Fans losreißen können …«
Der junge Mann verbeugt sich und flieht. Jaidee blickt ihm nach und denkt, dass es vielleicht doch nicht ganz so schlecht um die jüngere Generation bestellt ist. Vielleicht … Jaidee dreht sich zu General Pracha um. »Das ist doch noch ein junger Kerl.«
Pracha sieht ihn zornig an. Jaidee grinst. »Was kann ich denn dafür, dass ich ein guter Boxer war? Damals hat mich das Ministerium gesponsert. Ich denke, Sie haben mir eine Menge Geld und Rekruten zu verdanken, Khun General, Sir.«
»Hör auf mit dem Unfug, mich ›General‹ zu nennen. Dafür kennen wir uns schon zu lange. Komm rein.«
»Jawohl, Sir.«
Pracha verzieht das Gesicht und bedeutet Jaidee mit einer Handbewegung, er möge sich beeilen. »Los!«
Pracha schließt die Tür und setzt sich hinter seinen riesigen Mahagonischreibtisch. An der Decke rührt ein Kurbelventilator halbherzig in der Luft herum. Das Zimmer ist groß, die Läden vor den offenen Fenstern geschlossen, um Helligkeit, aber möglichst wenig direktes Sonnenlicht hereinzulassen. Durch die Schlitze ist das heruntergekommene Gelände des Ministeriums zu sehen. An einer Wand hängen verschiedene Gemälde und Fotografien, darunter ein Bild von Prachas Abschlussklasse an der Kadettenschule und eines von Chaiyanuchit, dem Begründer des modernen Ministeriums. Eines zeigt Ihre Majestät die Kindskönigin, die winzig und furchtbar verletzlich auf ihrem Thron sitzt, und in einer Ecke steht ein kleiner Schrein, der Buddha, Phra Pikanet und Seub Nakhasathien geweiht ist. Räucherstäbchen und Ringelblumen schmücken ihn.
Jaidee verbeugt sich vor dem Schrein und setzt sich dann in einen Rattansessel Pracha direkt gegenüber. »Woher hast du das Klassenfoto?«
»Was?« Pracha sieht ihn fragend an. »Ach so. Was waren wir jung damals, hm? Das habe ich unter den Sachen meiner Mutter gefunden. Sie hat es all die Jahre in einem Schrank aufbewahrt. Wer hätte gedacht, dass die alte Dame so sentimental war?«
»Es ist eine nette Aufnahme.«
»Auf den Ankerplätzen hast du den Bogen überspannt.«
Jaidee wendet seine Aufmerksamkeit wieder dem General zu. Auf dem Schreibtisch verstreut liegen Flüsterblätter und rascheln in dem lauen Lüftchen, das der Kurbelventilator erzeugt: Thai Rath. Kom Chad Luek. Phuchatkan Rai Wan. Auf vielen von den Titelseiten prangt Jaidee. »Die Zeitungen sind anderer Meinung.«
Pracha mustert ihn finster. Er schiebt die Blätter in einen Abfalleimer, dessen Inhalt kompostiert wird. »Die Zeitungen lieben Helden. Glaub bloß nicht den Leuten, die dich einen Tiger nennen, weil du gegen die Farang kämpfst. Die Farang sind der Schlüssel zu unserer Zukunft.«
Jaidee deutet mit einer Kopfbewegung auf das Porträt seines Mentors Chaiyanuchit, das unter dem Bildnis der Königin hängt. »Ich weiß nicht, ob er dem zustimmen würde.«
»Die Zeiten ändern sich, alter Freund. Die Leute haben es auf deinen Kopf abgesehen.«
»Und du willst ihnen den Gefallen tun?«
Pracha seufzt. »Jaidee, wir kennen uns schon sehr lange. Ich weiß, du bist ein Kämpfer. Und ich weiß, dass heißes Blut in deinen Adern fließt.« Als Jaidee ihm widersprechen will, hebt er die Hand. »Du hast auch ein gutes Herz, wie dein Name sagt, aber dennoch, jai rawn. Von jai yen ist in dir keine Spur zu finden. Du genießt es, dich zu streiten.« Er beißt sich auf die Unterlippe. »Ich weiß, dass du kämpfen wirst, wenn ich dich zurückpfeife. Und auch, wenn ich dich bestrafe.«
»Dann lass mich meine Arbeit machen. Für das Ministerium ist ein wandelnden Pulverfass, wie ich es bin, doch sehr nützlich.«
»Mit dem, was du getan hast, hast du viele vor den Kopf gestoßen. Und nicht nur die dämlichen Farang. Nicht jeder, der heutzutage etwas mit dem Luftschiff transportiert, ist ein Farang. Unsere Interessen erstrecken sich auf die unterschiedlichsten Gebiete. Die Interessen Thailands.«
Jaidee betrachtet den Schreibtisch des Generals. »Mir war nicht bewusst, dass das Umweltministerium Rücksichten nimmt, wenn es Frachtgüter inspiziert.«
»Ich versuche, vernünftig mit dir zu reden. Ich bin von Tigern eingekreist: Rostwelke, Rüsselkäfer, die Kohlekriege, Spione des Handelsministeriums, Yellow Cards, Treibhausquoten, Ausbrüche von fa’ gan … Da brauche ich nicht auch noch dich.«
Jaidee blickt auf. »Wer ist es?«
»Was meinst du damit?«
»Wer ist so wütend, dass du dir in die Hose machst? Und mich bittest, nicht mehr zu kämpfen. Jemand aus dem Handelsministerium, habe ich Recht? Da hat dich jemand bei den Klöten.«
Pracha schweigt einen langen Augenblick. »Ich weiß nicht, wer dahintersteckt. Und es ist besser, dass du es auch nicht weißt. Angriff wäre in diesem Fall nicht die beste Verteidigung. « Er schiebt ein Kärtchen über den Schreibtisch. »Das habe ich heute bekommen. Jemand hat es unter meiner Tür hindurchgeschoben.« Er blickt Jaidee in die Augen, hält seinen Blick. »Es lag hier, in meinem Büro. Das Ministerium ist nicht mehr sicher. Wir sind unterwandert worden.«
Jaidee dreht die Karte um.
Niwat und Surat sind brave Jungs. Vier und sechs sind sie inzwischen. Fast schon junge Männer. Kämpfernaturen. Niwat ist einmal mit einer blutigen Nase und leuchtenden Augen nach Hause gekommen und erzählte Jaidee, er habe ehrenhaft gekämpft und ordentlich Prügel bezogen. Aber er würde trainieren, und das nächste Mal würde er es diesem Heeya zeigen.
Chaya ist darüber verzweifelt. Sie wirft Jaidee vor, er würde ihnen unmögliche Ideen einflüstern. Surat macht Niwat alles nach und ermutigt ihn, sagt ihm, niemand könne ihn besiegen. Er sei ein Tiger. Der Beste der Besten. Bald wäre er der unumschränkte Herrscher von Krung Thep und würde ihnen allen Ehre machen. Surat bezeichnet sich als Trainer und erklärt Niwat, das nächste Mal müsse er fester zuschlagen. Niwat hat keine Angst, verprügelt zu werden. Er hat vor überhaupt nichts Angst. Er ist vier.
Zeiten wie diese sind es, die Jaidee das Herz brechen. Als er im Muay-Thai-Ring stand, hatte er nur ein einziges Mal Angst. Seit er im Dienst des Ministeriums steht, packt ihn oft das nackte Entsetzen. Die Angst gehört dazu. Sie ist ein fester Bestandteil seiner Arbeit. Was sonst könnte die Menschen dazu bringen, Grenzen zu schließen, Städte niederzubrennen, fünfzigtausend Hühner zu schlachten und sie, ohne mit der Wimper zu zucken, unter sauberer Erde und einer dicken Schicht Lauge zu begraben, wenn nicht Angst? Als der Thonburi-Virus ausbrach, trugen er und seine Männer kleine Reispapiermasken, die nicht den geringsten Schutz boten, und schaufelten Vogelkadaver in Massengräber, während ihre Angst sie wie Phii umwaberte. War es möglich, dass der Virus in so kurzer Zeit so große Strecken zurückgelegt hatte? Konnte irgendetwas ihn aufhalten? Würde er sich immer schneller ausbreiten? Würde dieser Virus sie ein für alle Mal auslöschen? Er und seine Männer wurden dreißig Tage in Quarantäne gehalten, während sie auf den Tod warteten, und die Angst war ihr einziger Gefährte. Jaidee arbeitet für ein Ministerium, das nicht gegen alle Bedrohungen, denen es sich gegenübersieht, bestehen kann; er hat Angst, immer.
Er fürchtet sich nicht vor dem Kämpfen, und auch nicht vor dem Sterben — das Warten und die Ungewissheit sind es, die ihm zusetzen, und es bricht ihm das Herz, dass Niwat nichts von den schrecklichen Gefahren weiß, die auf ihn lauern, und dass diese Gefahren allgegenwärtig sind. So viele Dinge kann man nur bekämpfen, indem man abwartet. Jaidee ist ein Mann der Tat. Er hat im Ring gekämpft. Er hat seinen Sueb-Glücksbringer getragen, der im Weißen Tempel von Ajahn Nopadon höchstpersönlich gesegnet worden war, und hat sich ans Werk gemacht. Nur mit dem schwarzen Schlagstock in der Hand hat er im Alleingang die Nam-Aufstände in Katchanaburi niedergeschlagen, indem er mitten unter die Menschenmenge schritt.
Trotzdem, die einzigen Kämpfe, auf die es ankommt, sind diejenigen, die man mit Geduld gewinnt oder verliert: als sein Vater und seine Mutter der Cibiskose erlagen und sich die Lunge aus dem Leib husteten; als seine Schwester und Chayas Schwester beide miterleben mussten, wie ihre Hände dick und rissig wurden, bis sie schließlich ganz von der fa’ gan-Wucherung bedeckt waren, und das, bevor es dem Ministerium gelang, die Genkarte der Chinesen zu stehlen und ein Medikament herzustellen, das wenigstens teilweise half. Jeden Tag beteten sie zu Buddha, rangen innerlich darum, loslassen zu können, und hofften, dass ihre Schwestern in einer besseren Welt wiedergeboren würden als dieser — in einer Welt, in der keine Krankheit ihre Finger in Knüppel verwandelte und ihnen die Gelenke wegfraß. Sie beteten. Und warteten.
Es bricht Jaidee das Herz, dass Niwat keine Angst kennt und dass Surat ihn dabei noch anspornt. Es bricht ihm das Herz, dass er sich nicht überwinden kann einzugreifen, und er verflucht sich dafür. Warum muss er den Kindern die Illusion rauben, sie seien unbesiegbar? Warum er? Diese Rolle ist ihm zuwider.
Stattdessen kämpft er spielerisch mit seinen Kindern und brüllt: »Ahh, ihr seid die Söhne eines Tigers! Ihr seid zu wild für mich! Viel zu wild!« Und sie freuen sich und lachen und stürmen wieder und wieder auf ihn los, und er lässt sie gewinnen und zeigt ihnen die Kniffe, die er im Ring gelernt hat, die Tricks, die ein Kämpfer auf der Straße wissen muss, wo die Schlägereien keinen Regeln folgen und wo jeder Champion noch etwas dazulernen kann. Er bringt ihnen bei, wie man kämpft, denn das ist alles, was er kann. Denn auf das Warten, das endlose Warten — darauf kann er sie so oder so nicht vorbereiten.
Das sind seine Gedanken, als er Prachas Karte umdreht. Und dann wird sein Herz plötzlich zum Fremdkörper, ein Steinblock, der in die Tiefe stürzt, als würde sein Innerstes in einen Brunnen fallen und alle Eingeweide mit sich reißen. Der Mensch, der zurückbleibt, ist vollkommen leer.
Chaya.
Gegen eine Wand gelehnt, die Augen verbunden, die Fußgelenke gefesselt. In braunen Lettern, allem Anschein nach mit Blut geschrieben, steht an der Wand: »Mit respektvollen Grüßen an das Handelsministerium.« Chaya hat einen Bluterguss an der Wange. Sie trägt denselben blauen Pha Sin, in dem sie ihm heute Morgen zum Frühstück Gaeng Kiew Wan gerichtet hat, bevor sie sich mit einem Lachen voneinander verabschiedeten.
Sprachlos starrt er die Fotografie an.
Seine Söhne sind Kämpfernaturen, aber mit dieser Art der Kriegsführung sind sie nicht vertraut. Auch er weiß nicht, wie er auf einen solchen Angriff reagieren soll. Ein gesichtsloser Feind, der die Hand nach ihm ausstreckt, ihm mit seiner dämonischen Klaue über die Kehle streicht und Ich kann dir wehtun flüstert, ohne sich jemals zu zeigen.
Jaidee bleiben die Worte im Hals stecken. Schließlich krächzt er: »Ist sie noch am Leben?«
Pracha seufzt. »Das wissen wir nicht.«
»Wer hat das getan?«
»Ich weiß es nicht.«
»Das musst du aber!«
»Wenn ich es wüsste, wäre sie längst hier und in Sicherheit! « Pracha reibt sich das Gesicht und starrt Jaidee wütend an. »Wir haben so viele Beschwerden über dich erhalten, von überallher, dass wir es einfach nicht wissen! Jeder könnte dahinterstecken. «
Wieder droht die Panik Jaidee zu überwältigen. »Was ist mit meinen Söhnen?« Er springt auf. »Ich muss sie …«
»Setz dich hin!« Pracha langt über den Tisch und packt ihn. »Wir haben Männer zu ihrer Schule geschickt. Männer, die dir treu ergeben sind. Sonst konnten wir niemandem trauen. Sie werden ins Ministerium gebracht. Du musst jetzt die Nerven behalten und genau überlegen, in was für einer Lage du dich befindest. Diese Sache darf nicht an die Öffentlichkeit kommen. Wir möchten nicht, dass irgendjemand übereilte Entscheidungen fällt. Wir möchten, dass Chaya unversehrt zu uns zurückkehrt. Zu viel Lärm, und irgendjemand verliert sein Gesicht, und dann wird sie uns ganz bestimmt in blutigen Stücken zugeschickt.«
Jaidee starrt die Fotografie an, die auf dem Tisch liegt. Dann steht er auf und geht unruhig auf und ab. »Dahinter steckt bestimmt das Handelsministerium.« Er denkt an den Abend auf den Ankerplätzen zurück, an den Mann, der ihn und seine Weißhemden von der anderen Seite des Landeplatzes beobachtete. Gleichgültig. Geringschätzig. Wie er einen blutroten Schwall zerkauter Betelnüsse ausspuckte und in die Finsternis verschwand. »Das war das Handelsministerium.«
»Ebenso könnten irgendwelche Farang dahinterstecken, oder der Kadaverkönig — ihm hat schon immer missfallen, dass du dich im Ring nicht hast bestechen lassen. Oder irgendein anderer Pate, ein Jao Por, der an einer Schmuggeloperation Geld verloren hat.«
»Von denen würde niemand so tief sinken. Das war das Handelsministerium. Da war ein Mann …«
»Hör auf!« Pracha schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. »Hast du denn überhaupt eine Ahnung, wie viele Feinde du dir in letzter Zeit gemacht hast? Sogar ein Chaopraya vom Palast wurde hier vorstellig und hat sich beschwert. Dahinter könnte jeder stecken!«
»Heißt das, dass du mir die Schuld gibst?«
Pracha seufzt. »Es bringt überhaupt nichts, nach einem Schuldigen zu suchen. Was geschehen ist, ist geschehen. Du hast dir Feinde gemacht. Ich habe es zugelassen.« Er legt den Kopf in die Hände. »Wir müssen uns öffentlich entschuldigen. Sie irgendwie beschwichtigen.«
»Das kommt gar nicht infrage.«
»Nicht?« Pracha lacht verbittert. »Deinen törichten Stolz solltest du besser runterschlucken.« Er streicht über die Fotografie von Chaya. »Was meinst du, was werden sie als Nächstes tun? Solche Heeya hatten wir seit der letzten Expansion nicht mehr. Geld um jeden Preis. Reichtum um jeden Preis.« Er verzieht das Gesicht. »Im Moment haben wir vielleicht noch eine Chance, sie lebend zurückzubekommen. Aber wenn du so weitermachst?« Er schüttelt den Kopf. »Dann werden sie Chaya abschlachten. Das sind Tiere.«
Er hält einen Moment inne und fährt dann fort: »Du wirst dich für das, was du auf den Ankerplätzen getan hast, in aller Öffentlichkeit entschuldigen. Und du wirst degradiert werden. Wahrscheinlich versetzen sie sich in den Süden, wo du Yellow Cards abfertigen und in den Lagern für Ordnung sorgen kannst.«
Er seufzt und betrachtet wieder das Bild. »Und wenn wir sehr sehr vorsichtig sind und sehr viel Glück haben, siehst du Chaya vielleicht wieder. Schau mich nicht so an, Jaidee. Wenn du noch immer im Muay-Thai-Ring stündest, würde ich meinen letzten Baht auf dich verwetten. Aber dieser Kampf wird nach anderen Regeln geführt.«
Pracha beugt sich vor und sagt fast flehentlich: »Bitte. Tu, was ich sage. Beuge dich diesem Wind.«