Trotz all der Weißhemden und trotz der Ausgangssperre überschüttet Anderson-sama sie geradezu mit Aufmerksamkeiten. Fast scheint es, als hätte er etwas gutzumachen. Doch immer, wenn Emiko Bedenken wegen Raleigh äußert, schenkt ihr Anderson-sama nur ein rätselhaftes Lächeln und sagt ihr, sie solle sich keine Sorgen machen. Alles wäre im Fluss. »Meine Leute sind bereits unterwegs«, sagt er. »Schon bald wird sich alles ändern. Keine Weißhemden mehr.«
»Das hört sich traumhaft an.«
»Das wird es auch sein«, sagt er. »Ich muss für einige Tage fortgehen, um Vorkehrungen zu treffen. Wenn ich zurückkomme, wird alles anders sein.«
Bevor er geht, ermahnt er sie noch, nicht von ihrem üblichen Verhalten abzuweichen und Raleigh nichts von alldem zu verraten. Er gibt ihr seinen Wohnungsschlüssel.
So kommt es, dass Emiko abends in einem angenehm kühlen Zimmer auf sauberen Laken erwacht. Über sich hört sie das gleichmäßige Surren des Kurbelventilators. Sie weiß nicht mehr, wann sie das letzte Mal so angst- und schmerzfrei geschlafen hat — es lässt sie ganz benommen zurück. Die Räume liegen im Halbdunkel, das nur von den Gaslampen auf der Straße erhellt wird, einem Flackern wie von lebendigen Glühwürmchen.
Sie hat Hunger. Heißhunger. Nachdem sie Anderson-samas Küche entdeckt hat, stöbert sie in den verschlossenen Behältern nach etwas zu knabbern: Kekse, einen kleinen Leckerbissen, Kuchen vielleicht, egal was. Frisches Gemüse hat Anderson-sama keines im Haus, aber sie findet Reis, Soja und Fischsauce, also setzt sie Wasser auf und bewundert den Methanbehälter, den er hier so vollkommen ungesichert lagert. Fast hat sie vergessen, dass es einmal eine Zeit gab, in der all diese Dinge für sie selbstverständlich waren. Dass Gendo-sama sie in einer weit luxuriöseren Umgebung untergebracht hatte, im obersten Stockwerk eines Apartments in Kyoto. Die Fenster gingen auf den Tō-ji-Tempel hinaus, auf alte Mönche ganz in Schwarz, die mit langsamen Bewegungen den Schrein hegten.
Diese längst vergangene Zeit kommt ihr vor wie ein Traum. Das ruhige, heitere Blau des Herbsthimmels. Sie erinnert sich an das schöne Gefühl, Kindern Neuer Menschen, die erst vor Kurzem der Krippe entstiegen waren, beim Entenfüttern zuzusehen oder dabei, wie sie eine Teezeremonie einstudierten, hoch konzentriert. Und ohne Aussicht auf Erlösung.
Auch an ihre eigene Ausbildung erinnert sie sich … schaudernd erkennt sie, dass sie darauf dressiert wurde, für alle Zeit einem Herrn dienstbar zu sein. Sie denkt daran zurück, wie Gendo-sama sie aufnahm und mit Zuneigung überschüttete; dann warf er sie fort wie eine ausgelutschte Tamarindenschale. Das war ihr vorbestimmtes Schicksal. Und bestimmt kein Zufall.
Mit zusammengekniffenen Augen starrt sie auf den Topf und das kochende Wasser, sieht den Reis vor sich, den sie nur mit Augenmaß perfekt abgemessen hat, weil sie genau weiß, wie viel sie benötigt. Unbewusst hat sie dann eine ebenmäßige Schicht im Topf geformt, ganz so, als handelte es sich dabei um einen Steingarten, als würde sie sich auf eine Zazen-Meditation vorbereiten, bei der sie die Körner festdrücken musste — als würde ihr Leben davon abhängen, dass sie den Reis in dem Topf ordentlich glattharkt.
Sie schlägt zu. Die Reisschale zerspringt, und Scherben fliegen in alle Himmelsrichtungen; auch der Wassertopf segelt durch die Luft, und kochend heiße Juwelen leuchten auf.
Emiko befindet sich im Auge des Sturms, sieht die kleinen Tropfen vorbeiziehen — schwerelose Reiskörner, mitten in der Bewegung erstarrt, als wären Korn und Wasser ebenfalls Aufziehwesen, die nur mit stockenden Bewegungen fliegen können, so wie sie ruckend und zuckend durchs Leben stolpert — ein bizarrer, unnatürlicher Anblick für normale Menschen. Diejenigen, denen sie so verzweifelt dienen will.
Jetzt sieh nur, was dir deine Beflissenheit gebracht hat.
Der Topf knallt gegen die Wand. Reiskörner glitschen über glatten Marmor. Alles ist triefend nass. Heute Nacht wird sie herausfinden, wo genau sich dieses Dorf für Neue Menschen befindet. Dieser Ort, an dem andere so wie sie ohne Herren leben. An dem Neue Menschen niemandem dienen müssen außer sich selbst. Auch wenn Anderson-sama gesagt hat, dass seine Leute unterwegs sind, so wird er doch immer ein echter Mensch bleiben und sie immer zu den Neuen Menschen gehören — und für immer die Dienerin sein.
Sie bekämpft den Drang aufzuräumen, damit alles ordentlich ist, wenn Anderson-sama nach Hause kommt. Stattdessen zwingt sie sich dazu, das ganze Chaos zu betrachten und sich vor Augen zu führen, dass sie nicht länger eine Sklavin ist. Wenn er möchte, dass der Reis vom Boden gewischt wird, dann muss er andere Leute damit beauftragen, für ihn die Drecksarbeit zu erledigen. Dafür ist sie nicht zuständig. Sie ist anders. Auf ihre eigene Art vollkommen. Und auch wenn sie einmal ein angebundener Falke war, etwas hat Gendo-sama doch getan, wofür sie ihm Dank schuldet. Er hat ihre Fesseln durchtrennt — nun ist sie frei.
Mühelos — es ist fast schon zu einfach — gleitet sie durch die Dunkelheit. Silberne Reifen glänzen an ihren Ohrläppchen, während Emiko sich mit frischer Farbe auf den Lippen und schwarz geschminkten Augen in das Getümmel stürzt.
Als Neuer Mensch kann sie sich mit einer solchen Geschwindigkeit durch die Menge bewegen, dass sie gar nicht wahrgenommen wird. Sie lacht über die anderen Leute. Lacht und schlängelt sich durch sie hindurch. Etwas tickt in ihrer Aufziehnatur und scheint den Suizid zu suchen. Sie taucht unter in der Öffentlichkeit. Das Schicksal hält seine schützende Hand über sie.
Während sie durch die Menge gleitet, weichen immer wieder Leute vor dem Aufziehmädchen in ihrer Mitte zurück. Dieses gegen alle Regeln verstoßende Geschöpf, das die Unverschämtheit besitzt, ihre Gehsteige zu beschmutzen, verwirrt sie — als wäre ihr Land auch nur halb so rein wie die Inseln, von denen sie vertrieben wurde. Sie kräuselt die Nase. Selbst Japans Abwässer wären noch zu gut für diesen lärmenden, übelriechenden Ort. Die Leute erkennen einfach nicht, dass sie eigentlich eine Zierde für sie darstellt. Emiko lacht in sich hinein, und erst durch die Blicke der anderen Passanten wird ihr bewusst, dass sie laut gelacht hat.
Weißhemden, direkt vor ihr. Ihre Uniformen blitzen zwischen behäbigen Megodonten und Handkarren auf. Emiko bleibt am Geländer einer Khlong-Brücke stehen, hält den Blick auf das dahinfließende Wasser gerichtet und wartet, bis die Gefahr vorbei ist. Der Kanal wird vom grünen Schein der Lampen erhellt; schimmernd blickt ihr das eigene Antlitz entgegen. Sie hat das Gefühl, eins mit dem Wasser werden zu können, wenn sie nur lange genug in das Leuchten hineinstarrt. Eine Wasserfrau werden! Ist sie nicht jetzt bereits ein Teil dieser wandelbaren Welt? Hätte sie es nicht verdient, sich treiben zu lassen und langsam unterzugehen? Sie erstickt diesen Gedanken im Keim. Das ist die alte Emiko, die da spricht. Diejenige, die ihr niemals das Fliegen beibringen konnte.
Ein Mann nähert sich ihr und stützt sich ebenfalls auf das Geländer. Sie sieht nicht zu ihm auf, behält aber sein Spiegelbild im Wasser im Auge.
»Ich sehe gern den Kindern dabei zu, wie sie ihre Boote die Kanäle entlangtreiben lassen«, sagt er.
Sie deutet ein Nicken an, wagt aber nicht zu sprechen.
»Sehen Sie etwas im Wasser? Weil Sie so lange hineinblicken? «
Sie schüttelt den Kopf. Seine weiße Uniform ist in grünes Licht getaucht. Er ist ihr so nahe, dass er nur die Hand ausstrecken müsste, um sie zu berühren. Sie fragt sich, welchen Ausdruck seine freundlichen Augen wohl annehmen würden, wenn er die sengende Hitze auf ihrer Haut spüren könnte.
»Sie müssen keine Angst vor mir haben«, fährt er fort. »Es ist nur eine Uniform. Und Sie haben doch nichts Unrechtes getan.«
»Nein«, haucht sie. »Ich habe keine Angst.«
»Das ist gut. Ein hübsches Mädchen sollte sich nicht fürchten müssen.« Er hält inne. »Sie haben einen merkwürdigen Akzent. Rein vom Aussehen her dachte ich zuerst, Sie seien vielleicht aus Chaozhou …«
Sie wiegt vorsichtig den Kopf hin und her. Eine ruckartige Bewegung. »Bedaure. Ich stamme aus Japan.«
»Sie gehören zu den Fabriken?«
Sie zuckt mit den Achseln. Sein Blick scheint sie zu durchbohren. Sie lässt den Kopf zur Seite gleiten — langsam, langsam, ruhig, ruhig, kein einziges Stottern, kein einziges Rucken — und schaut ihm direkt in die Augen. Er ist älter, als sie gedacht hat. Um die vierzig, wenn sie sich nicht täuscht. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht ist er noch jung und nur vorzeitig gealtert, weil er bei seiner Arbeit so viel Böses erlebt? Sie unterdrückt das unwillkürlich aufsteigende Mitleid, bekämpft den genetisch angelegten Wunsch zu dienen, selbst wenn er sie jeden Augenblick aus einer Laune heraus in Stücke reißen könnte. Ganz langsam dreht sie den Kopf wieder zum Wasser.
»Wie heißen Sie?«
Sie zögert. »Emiko.«
»Ein schöner Name. Hat er eine Bedeutung?«
Sie schüttelt wieder den Kopf. »Nichts Besonderes.«
» So viel Bescheidenheit, und das bei einer so gut aussehenden Frau.«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Das stimmt nicht. Ich bin hässlich …« Sie unterbricht sich und sieht seinen fragenden Blick, begreift, dass sie sich einen Moment lang vergessen hat. Ihre Bewegungen haben sie verraten. Sein Blick aus den weit aufgerissenen Augen ist fassungslos. Ohne auch nur den Anschein aufrechterhalten zu wollen, ein Mensch zu sein, weicht sie vor ihm zurück.
Seine Augen nehmen einen kalten Ausdruck an. »Heechy-Keechy«, haucht er.
Sie lächelt mit zusammengepressten Lippen. »Hier muss ein Irrtum vorliegen.«
»Zeigen Sie mir Ihre Papiere.«
Sie lächelt. »Selbstverständlich. Ich bin sicher, ich habe sie irgendwo hier. Ganz bestimmt.« Während sie weiter vor ihm zurückweicht, entblößen ihre ruckartigen Bewegungen jeden Fehler ihrer genetischen Struktur. Er packt sie am Arm, doch sie kann sich ihm entwinden — eine schnelle Drehung, und schon ist sie wieder frei, stürzt los und verschwindet im Verkehrsgetümmel, während er hinter ihr her schreit.
»Bleiben Sie stehen! Halt! Im Namen des Ministeriums! Haltet das Aufziehmädchen!«
Tief in ihrem Innern strebt alles danach, stehenzubleiben, aufzugeben und seinen Anweisungen Folge zu leisten. Sie schafft es, trotzdem weiterzurennen, sich gegen Mizumi-senseis Schläge aufzulehnen, die sie jedes Mal trafen, sobald sie es wagte, ungehorsam zu sein — und auch gegen den tadelnden Tonfall in ihrer Stimme, wenn sie jemand einen Wunsch nicht erfüllen wollte.
Emiko vergeht vor Scham, während seine Befehle in ihrem Rücken verhallen. Doch schon bald hat die Menge sie verschluckt, und um sie herum wogt der Megodonten-Verkehr. Und der Mann ist viel zu langsam, um herauszufinden, welche Seitenstraße sie verbirgt, während sie sich erholt.
Einerseits kostet es sie viel Zeit, den Weißhemden aus dem Weg zu gehen, andererseits ist es wie ein Spiel. Ein Spiel, das Emiko mittlerweile beherrscht. Wenn sie schnell und umsichtig handelt, zwischen ihren Schüben immer wieder eine Pause einlegt, um abzuwarten, kann sie ihnen leicht ausweichen. Mit dem hohen Tempo verändern sich auch ihre Bewegungen, sie werden überraschend fließend, so als fände sie in der Schnelligkeit zu ihrer wahren Natur. Als hätten das ganze Training und die Schläge unter Mizumi-sensei nur dazu gedient, dieses Wissen in ihr auszulöschen.
Schließlich erreicht sie Ploenchit und erklimmt den Turm. Raleigh wartet schon ungeduldig an der Bar, wie immer. Er blickt zu ihr auf. »Du kommst zu spät. Ich werde dir Geld abziehen.«
Emiko zwingt sich dazu, keinerlei Schuldgefühle aufkommen zu lassen, obwohl sie sich entschuldigt. »Es tut mir wirklich schrecklich leid, Raleigh-san.«
»Zieh dich schnell um. Du hast heute VIP-Kundschaft. Sie werden bald hier sein, und es sind überaus wichtige Gäste.«
»Ich möchte etwas über das Dorf erfahren.«
»Welches Dorf?«
Sie bemüht sich weiterhin um eine freundliche Miene. Hat er sie etwa angelogen? War das alles am Ende gar nicht wahr? »Dieser Ort für Neue Menschen.«
»Verschwendest du immer noch deine Gedanken daran?« Er schüttelt den Kopf. »Ich habe dir doch gesagt, wie es läuft. Verdien genug Geld, und dann sorge ich dafür, dass du dorthin kommst, wenn du das unbedingt willst.« Er zeigt auf die Garderobe. »Und jetzt geh dich umziehen.«
Emiko will erst nachhaken, doch dann nickt sie. Später. Wenn er betrunken ist. Sobald er nachgiebiger ist, wird sie ihm die Informationen entlocken können.
In der Garderobe ist Kannika bereits dabei, sich das Kostüm für die Show überzustreifen. Sie zieht eine Grimasse, als Emiko den Raum betritt, lässt sie sich aber in Ruhe umziehen und wieder in den Barbereich gehen, wo sie sich das erste Glas Eiswasser des Abends holt. Sie trinkt es in vorsichtigen kleinen Schlucken, kostet die Erfrischung und das damit einhergehende Wohlbefinden aus, das selbst die drückende Schwüle des Turms erträglich macht. Hinter den mit einem Seil abgesperrten Fenstern leuchtet die Stadt. Von weit oben betrachtet, erscheint sie wunderschön. Ohne natürliche Menschen könnte es Emiko hier sogar gefallen. Sie trinkt noch ein wenig Wasser.
Aufgeregtes Geraschel und Verwunderung. Frauen fallen auf die Knie und vollführen ein Khrab, wobei sie mit der Stirn den Boden berühren. Emiko tut es ihnen gleich. Der Mann ist wieder da. Der gestrenge Mann. Er war schon einmal zusammen mit Anderson-sama hier. Sie versucht, Anderson-sama auszumachen, hofft, er möge auch da sein, doch keine Spur von ihm. Der Somdet Chaopraya und seine Begleiter sind bereits angetrunken, als sie die Bar betreten, die Gesichter errötet.
Raleigh eilt ihnen entgegen und führt sie in den VIP-Bereich.
Kannika taucht hinter ihr auf. »Trink dein Wasser aus, Heechy-Keechy. Es gibt Arbeit für dich.«
Emiko verkneift sich eine scharfe Antwort. Das wäre Wahnsinn. Und doch, während sie Kannika hinterherblickt, fleht sie stumm um die Gelegenheit, der Frau all ihre sexuellen Misshandlungen heimzuzahlen, sobald sie erst einmal herausgefunden hat, wo dieses Dorf sich befindet.
Der VIP-Bereich ist voller Männer. Bei geschlossener Tür steht die Luft trotz der Fenster. Und die Vorführung ist auch noch schlimmer als sonst, wenn Emiko auf der Bühne steht. Normalerweise gibt es bestimmte Abläufe, denen Kannikas Quälereien folgen. Doch jetzt führt Kannika sie herum, um sie jedem der Männer vorzustellen, und ermuntert die Gäste dazu, sie zu berühren, die Hitze auf ihrer Haut zu spüren. Dabei sagt sie Dinge wie: »Gefällt sie Ihnen? Finden Sie sie abartig und hässlich? Passen Sie gut auf. Heute Abend wird Ihnen noch etwas wirklich Abartiges geboten.« Lachend kneifen der Mächtige, seine Leibgarde und seine Freunde ihr in den Hintern, zerren an ihren Brüsten und lassen die Hände zwischen ihre Schenkel wandern, und dabei machen sie sich darüber lustig, wie sie aussieht und sich anfühlt. Sie alle sind ein wenig nervös und vom Reiz des Unbekannten erfasst.
Kannika zeigt auf den Tisch. »Rauf mit dir.«
Mit ungelenken Bewegungen klettert Emiko auf die glänzend schwarze Oberfläche. Kannika kommandiert sie herum, sie soll laufen, sich verbeugen. Der Alkohol fließt in Strömen, während sie auf ihre seltsam abgehackte Art und Weise hin und her torkelt, und immer mehr von den Mädchen stoßen zu den Männern und amüsieren sich mit ihnen gemeinsam über Emiko, die ihnen vorgeführt wird. Und dann, wie zu erwarten, fällt Kannika über sie her.
Sie zwingt Emiko dazu, sich auf den Tisch zu legen. Die Männer versammeln sich um sie, während Kannika mit der Folter beginnt. Sie fängt langsam an, spielt erst an ihren Brustwarzen herum, schiebt ihr schließlich den Jadeit-Penis zwischen die Beine, um körperliche Reaktionen aus ihr herauszukitzeln, die Emiko nicht unter Kontrolle hat, wie sehr ihre Seele sich auch dagegen sträubt, weil sie von ihren Schöpfern in sie hineingeschrieben wurden.
Emikos Erniedrigung sorgt für gute Stimmung unter den Männern. Sie wollen mehr und bringen Kannika dazu, sich mit vor Erregung hochrotem Gesicht immer neue Misshandlungen auszudenken. Sie hockt sich über Emiko. Spreizt die Pobacken auseinander und ermuntert Emiko, in ihre Tiefen vorzudringen. Die Männer brechen in lautes Gelächter aus, als Emiko gehorcht. Kannika kommentiert das Ganze:
»Oh ja, jetzt kann ich ihre Zunge spüren.«
Dann: »Gefällt dir das, deine Zunge dort hineinzustecken, du dreckiges Aufziehmädchen?«
An die Männer gewandt: »Es gefällt ihr. All diese schmutzigen Aufziehmädchen mögen das.«
Mehr Gelächter.
»Weiter, du ungezogenes Mädchen. Weiter so.«
Dann lässt sie sich noch etwas nach unten sinken und begräbt Emiko unter sich, und während die Demütigung ins Unermessliche wächst, weist sie Emiko an, sich mehr anzustrengen, fleißiger zu dienen. Kannikas Hand gesellt sich zu Emikos Zunge hinzu, sie spielt mit ihr, berauscht sich an Emikos Unterwürfigkeit.
Dann hört Emiko, wie Kannika sagt: »Ihr wollt sie betrachten? Kommt nur her.«
Hände drücken Emikos Schenkel auseinander, bis sie vollkommen entblößt daliegt. Finger vergehen sich an ihren Hautfalten, dringen in sie ein. Kannika lacht. »Wollen Sie sie ficken? Das Aufziehmädchen ficken? Da. Lassen Sie mich an die Beine.« Kannikas Hände schließen sich um Emikos Fesseln, ziehen sie hoch, sie ist den anderen vollkommen ausgeliefert.
»Nein«, flüstert Emiko, aber Kannika ist unnachgiebig. Sie reißt Emikos Beine weiter auseinander. »Sei ein braves Heechy-Keechy. « Kannika lässt sich wieder auf Emiko hinabsinken und verkündet den anwesenden Männern, welche Erniedrigungen folgen werden. »Sie wird alles lecken, was Sie ihr in den Mund stecken«, verrät sie, und wieder lachen die Männer laut auf. Dann drückt sie den Unterleib fest auf Emikos Gesicht, bis Emiko nichts mehr sehen kann, doch sie hört noch, wie Kannika sie als Schlampe, als Hure und als dreckiges Aufziehspielzeug beschimpft. Sie sei nicht besser als ein Dildo …
Dann wird es still.
Emiko versucht sich zu bewegen, aber Kannika hat sie fest im Griff, die Welt um sie herum erreicht sie nur noch gedämpft. »Bleib, wo du bist«, herrscht Kannika sie an.
Dann: »Nein, nehmen Sie das hier.«
Emiko spürt, wie Männerhände nach ihr greifen, sie an den Armen festhalten. Finger stoßen in sie hinein, nehmen sie in Besitz.
»Ölen Sie es ein«, flüstert Kannika aufgeregt. Ihr Griff um Emikos Fußgelenke verstärkt sich.
Etwas Feuchtes an ihrem Anus, glitschig, dann ein Druckgefühl, kalter Druck.
Emiko stöhnt verzweifelt. Der Druck lässt kurz nach, doch dann ertönt wieder Kannikas Stimme. »Und Sie wollen Männer sein? Ficken Sie sie! Sehen Sie sich an, wie sie zuckt. Schauen Sie auf ihre Arme und Beine, wenn Sie zustoßen. Sorgen Sie dafür, dass die Puppe ihren Heechy-Keechy-Tanz aufführt.«
Dann geht das Elend weiter, und die Männer halten sie noch fester als zuvor, sie kann sich nicht rühren, nicht aufstehen, während das kalte Ding sich wieder in ihren Arsch presst, sie penetriert, weit öffnet, entzweireißt und ausfüllt, bis sie lauthals schreit.
Kannika lacht. »So ist es recht, Aufziehmädchen, verdien dir deinen Lohn. Wenn ich so richtig gekommen bin, darfst du wieder aufstehen.«
Emiko muss wieder lecken, sie sabbert und schleckt voller Verzweiflung wie ein Hund, während die Champagnerflasche sie erneut in Besitz nimmt, wieder herausgezogen wird und dann tief hineingleitet, ein brennender Schmerz.
Alle Männer lachen. »Seht nur, wie sie sich bewegt!«
In ihren Augen glitzern Tränen. Kannika treibt sie zu noch größerer Anstrengung an, und der Falke — falls es jemals einen Falken gegeben hat — ist jetzt tot, lässt leblos die Flügel hängen. Es war ihm nicht bestimmt zu leben, zu fliegen, zu entkommen. Sich unterwerfen war alles, wofür er gut war. Wieder einmal wird Emiko daran erinnert, wohin sie gehört.
Die ganze Nacht hindurch lehrt Kannika sie den Wert der Gehorsamkeit, und Emiko bettelt darum, gehorsam sein zu dürfen, damit die Schmerzen ein Ende finden, bettelt darum, dienen zu dürfen, alles würde sie tun, damit das Aufziehmädchen nur noch ein wenig länger lebt, und Kannika lacht und lacht und lacht.
Als Kannika endlich genug hat, ist es bereits spät. Emiko lehnt halb sitzend an einer Wand, erschöpft und seelisch gebrochen. Ihre Wimperntusche ist verschmiert. Sie fühlt sich wie tot. Besser tot als ein Aufziehmädchen, denkt sie. Als ein Mann beginnt, in dem Nachtclub zu wischen, sieht sie ihm teilnahmslos dabei zu. Am anderen Ende der Bar steht Raleigh, trinkt seinen Whiskey und lacht.
Der Mann mit dem Mopp kommt langsam näher. Emiko fragt sich, ob er versuchen wird, sie mit dem restlichen Schmutz aufzuwischen. Ob er sie mit hinausnehmen und auf den Müll werfen wird, damit die Schergen des Kadaverkönigs sie einsammeln. Sie könnte einfach liegen bleiben und sich kompostieren lassen … fortgeworfen, so wie Gendo-sama sie fallengelassen hatte. Sie ist Abfall. Das hat Emiko jetzt begriffen. Der Mann wischt um sie herum.
»Warum wirfst du mich nicht einfach auf den Müll?«, krächzt sie. Der Mann sieht sie verunsichert an, dann konzentriert er sich wieder auf seine Arbeit. Wischt weiter. Emiko wendet sich ihm erneut zu. »Antworte mir!«, schreit sie. »Warum wirfst du mich nicht einfach auf den Müll?« Der leere Raum wirft ihre Worte zurück.
Raleigh blickt herüber und runzelt missbilligend die Stirn. Da wird ihr bewusst, dass sie Japanisch gesprochen hat. Sie wiederholt ihre Frage auf Thai. »Wirf mich doch weg — warum denn nicht? Ich bin auch nur Unrat. Wirf mich auf den Müll!« Der Putzmann zuckt zusammen und weicht mit einem verlegenen Lächeln vor ihr zurück.
Raleigh kommt zu ihr. Kniet sich neben sie. »Emiko. Steh auf. Du machst meinem Putzmann Angst.«
Emiko schneidet eine Grimasse. »Und wenn schon.«
»Aber, aber.« Er nickt in Richtung der Tür, die zu dem VIP-Bereich führt, in dem die Männer lachen und trinken und es sich nach ihrer Misshandlung gutgehen lassen. »Du bekommst einen Bonus. Diese Kerle geben viel Trinkgeld.«
Emiko sieht zu ihm auf. »Hat Kannika auch Trinkgeld bekommen? «
Raleigh mustert sie eingehend. »Das geht dich nichts an.«
»Haben sie ihr dreimal so viel gegeben? Und mir 50 Baht?«
Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. »Tu das nicht.«
»Warum nicht? Weil Sie Emiko sonst in eine Methan-Kompostieranlage werfen? Mich bei den Weißhemden abladen? «
»Treib es nicht zu weit. Du willst nicht, dass ich wütend werde.« Er steht wieder auf. »Wenn du damit fertig bist, dich in Selbstmitleid zu suhlen, kannst du dir bei mir das Geld abholen. «
Teilnahmslos sieht Emiko ihm dabei zu, wie er zu seinem Barhocker stolziert und sich einen Drink geben lässt. Er dreht sich noch einmal zu ihr um und sagt etwas zu Daeng, der daraufhin dienstbeflissen lächelnd ein Glas Eiswasser einschenkt. Raleigh hebt das Glas, damit sie es sieht. Setzt es auf einem purpurroten Bündel Bahtscheine ab. Dann widmet er sich wieder seinem eigenen Getränk und scheint ihren bohrenden Blick vergessen zu haben.
Was geschieht eigentlich mit kaputten Aufziehmädchen? Vom Tod eines Aufziehmädchens hat sie noch nie etwas gehört. Manchmal stirbt ein alter Patron. Aber die Aufziehmädchen leben immer weiter. Ihre Freundinnen leben weiter. Bis in alle Ewigkeit.
Das war ein Thema, das sie gegenüber Mizumi-sensei niemals angesprochen hat. Emiko humpelt zur Bar, stolpert. Lehnt sich gegen den Tresen. Trinkt das Eiswasser. Raleigh schiebt ihr das Geld hin.
Sie trinkt das ganze Glas aus. Schluckt die Eiswürfel hinunter. Spürt der Kälte nach, die bis in ihr Herz vordringt. »Haben Sie sich inzwischen erkundigt?«
»Wonach?« Er legt sich eine Patience auf dem Tresen.
»Wie ich nach Norden gelangen kann.«
Er wirft ihr einen Blick zu, dann legt er eine weitere Reihe von Karten aus. Schweigt für einen Moment. »Das ist ein hartes Stück Arbeit. Nicht etwas, das man an einem Tag erledigen könnte.«
»Haben Sie sich erkundigt?«
Er sieht sie an. »Ja. Habe ich. Aber solange die Weißhemden das Jaidee-Massaker als Vorwand für ihre Repressalien benutzen, geht niemand irgendwohin. Ich lasse es dich wissen, sobald sich die Gegebenheiten ändern.«
»Ich möchte mich auf den Weg machen.«
»Das hast du mir bereits gesagt. Verdien genug, dann kannst du gehen.«
»Ich verdiene reichlich. Ich möchte jetzt sofort gehen.«
Raleigh schlägt blitzschnell zu, doch sie sieht seine Hand kommen. Schnell ist er nur für ihn, nicht für sie. Sie beobachtet die Hand, die sich auf sie zubewegt, mit der gleichen unterwürfigen Dankbarkeit, mit der sie Gendo-sama früher bedachte, wenn er sie zum Abendessen ausführte. Es tut weh, doch kurz darauf wird ihre Wange von einer Taubheit durchflutet, die sich immer weiter ausbreitet. Sie fühlt dem Schmerz mit den Fingern nach, kostet die erneute Kränkung aus.
Raleigh blickt sie ungerührt an. »Du wirst dann gehen, wenn es mir verdammt nochmal in den Kram passt.«
Emiko neigt leicht den Kopf und lässt diese wohlverdiente Lektion tief in sich einsinken. »Sie werden mir nicht helfen, habe ich Recht?«
Raleigh zuckt nur mit den Achseln und befasst sich wieder mit seinem Kartenspiel.
»Gibt es diesen Ort überhaupt?«, fragt sie ihn.
Raleigh sieht kurz zu ihr hinüber. »Sicher. Wenn es dich glücklich macht. Es gibt diesen Ort. Wenn du mich aber weiterhin damit belästigst, gibt es ihn nicht mehr. Und jetzt geh mir aus den Augen.«
Der Falke lässt tot die Flügel hängen. Sie ist tot. Mulch für den Kompostierer. Fleisch für die Stadt, Dung für die Gaslampen. Emiko starrt Raleigh an. Der Falke liegt tot am Boden.
Dann muss sie daran denken, dass es noch Schlimmeres gibt, als zu sterben. Manche Dinge konnten niemals geboren werden.
Ihre Faust ist schnell. Raleigh-sans Hals ist weich.
Der alte Mann fährt sich an die Kehle und geht mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen zu Boden. Alles geschieht wie in Zeitlupe: Daeng dreht sich um, als er das Klappern des umkippenden Barhockers hört; Raleigh fällt, die Arme und Beine ausgestreckt, reißt den Mund auf und versucht Luft zu holen; dem Putzmann entgleitet der Wischmopp; Noi und Saeng am anderen Ende der Bar mit ihren Männern, die darauf warten, sie nach Hause zu eskortieren — alle drehen sie sich nach dem Geräusch um, und dabei sind sie so langsam.
Als Raleigh auf dem Boden aufschlägt, ist Emiko schon davongestürzt, quer durch den Raum auf den VIP-Bereich zu, hin zu dem Mann, der ihr mehr als alle anderen wehgetan hat. Der Mann, der jetzt dort mit seinen Freunden zusammensitzt und keinen Gedanken mehr an den Schmerz verschwendet, den er jemand anderem angetan hat.
Sie wirft sich gegen die Tür. Die Männer sehen überrascht zu ihr auf. Köpfe recken sich ihr entgegen, Münder öffnen sich, um zu schreien. Die Leibwächter greifen nach ihren Federpistolen, doch sie alle bewegen sich viel zu langsam.
Keiner von ihnen ist ein Neuer Mensch.