Während der folgenden zwei Tage verlor Padishar Creel kein weiteres Wort über das Schwert von Shannara. Wenn Par oder seine Gefährten versuchten, ihn in ein Gespräch darüber zu verwickeln, antwortete er entweder, daß Zeit Rat bringe oder daß sie sich in Geduld fassen müßten. Da er dauernd Fröhlichkeit zur Schau trug, hielten sie mit ihren Gefühlen hinter dem Berg.
Außerdem waren sie, ungeachtet der Behandlung, die ihnen der Anführer der Geächteten angedeihen ließ, keineswegs Gäste, sondern Gefangene. Es war ihnen zwar gestattet, den Felsen zu erkunden, aber nicht, ihn zu verlassen. Die Winden, mit denen die Lasten zum und vom Parmakeil befördert wurden, waren jederzeit scharf bewacht, und niemand durfte sich ihnen ohne triftigen Grund nähern. Und ohne die Aufzüge, die sie nach unten befördert hätten, gab es keine Möglichkeit, den Hang zu verlassen. Die Felswand fiel senkrecht nach unten ab, und die hinter ihnen stieg ebenfalls steil an.
Es blieben also die Höhlen. Par und seine Freunde wagten sich am ersten Tag in die Haupthöhle, da sie erfahren wollten, was sich im Innern befand. Sie stellten fest, daß sich die riesige, kathedralartige Höhle in Dutzende von kleineren Höhlen verzweigte, in denen die Geächteten ihre Vorräte und Waffen aller Art aufbewahrten, und daß sie ihnen bei schlechtem Wetter als Unterschlupf sowie als Übungs- und Versammlungsraum diente. Tunnels erstreckten sich in den Berg hinein, deren Eingänge jedoch versperrt waren und bewacht wurden. Als Par Hirehone, der sich entschlossen hatte, noch einige Tage zu bleiben, fragte, wohin die Tunnels führten, lächelte der Herr der Kiltan-Schmiede hämisch und erklärte ihm, daß die Tunnels ebenso wie die Pfade zum Parmakeil ins Paradies führten.
Die zwei Tage vergingen dennoch recht schnell. Par, Coll und Morgan verbrachten die meiste Zeit miteinander. Steff schloß sich ihnen gelegentlich an, doch Teel blieb wie eh und je für sich. Mit der Zeit gewöhnten sich die Geächteten an den Anblick Pars, Colls und des Hochländers, die über den Hang und die Befestigungsanlagen wanderten und begutachteten, was der Mensch und die Natur gemeinsam geschaffen hatten, die mit den Männern, die hier lebten und arbeiteten, sprachen und von jeder neuen Entdeckung fasziniert waren.
Aber nichts und niemand war faszinierender als Padishar Creel. Der Anführer der Geächteten war ein Widerspruch in sich. Da er leuchtend rote Gewänder trug, war er für jeden auf dem Hang jederzeit mühelos zu erkennen. Er redete ununterbrochen, erzählte Geschichten, rief Befehle und tat seine Meinung kund zu allem, was ihm in den Sinn kam. Er schien unablässig fröhlich, so als sei Lächeln sein einziger Gesichtsausdruck. Dennoch verbarg sich hinter diesem heiteren Äußeren ein Kern so hart wie Stein. Wenn er eine Anordnung aussprach, wurde sie sofort ausgeführt. Keiner wagte es, ihn zu kritisieren.
Er führte das Lager mit Organisationstalent und Disziplin. Es handelte sich hier keinesfalls um einen lärmenden Haufen von Nichtstuern. Alle Bestände waren so gelagert, daß sie jederzeit greifbar waren. Jeder war mit einer Aufgabe betraut, und jeder sorgte dafür, daß er diese Aufgabe zufriedenstellend ausführte. Mehr als dreihundert Männer lebten auf dem Felsen, und keiner schien auch nur im entferntesten an dem zu zweifeln, was er tat, oder daran, wer ihn, falls er Unrecht tat, zur Verantwortung ziehen würde.
Am zweiten Tag ihres Aufenthalts wurden zwei der Geächteten vor Padishar Creel gebracht, weil sie angeklagt waren, gestohlen zu haben. Der Anführer der Geächteten hörte sich mit sanftem Gesichtsausdruck die Beweise an, die gegen sie vorgebracht wurden, bevor er die Angeklagten bat, sich zu verteidigen. Der eine gestand seine Schuld sofort, der andere leugnete sie auf wenig überzeugende Art und Weise. Padishar Creel ließ den ersten auspeitschen und schickte ihn dann zur Arbeit zurück, den zweiten ließ er in den Abgrund werfen. Keiner im Lager schien sich hinterher über die Angelegenheit große Gedanken zu machen.
Etwas später kam Padishar Creel zu Par, als dieser allein war, und fragte ihn, ob ihn das, was geschehen war, sehr beschäftige. Ohne jedoch Pars Antwort abzuwarten, fing er sofort an zu erklären, wie notwendig Disziplin in einem Lager wie dem seinen sei und daß eine Verurteilung im Falle eines Vergehens rasch erfolgen müsse.
Danach wandte er sich unvermittelt einem anderen Thema zu; ziemlich reumütig gestand er Par, daß er in der ersten Nacht nicht ganz ehrlich gewesen sei und seine Eltern in Wahrheit keine Landbesitzer waren, die man im Wald aufgehängt hatte, sondern Seidenhändler, die in einem Föderationsgefängnis gestorben waren, weil sie sich geweigert hatten, ihre Steuern zu entrichten. Er meinte, daß die andere Geschichte sich einfach besser anhöre.
Als Par kurze Zeit später auf Hirehone traf, fragte er ihn, ob er die Eltern des Anführers gekannt habe.
Hirehone antwortete: »Nein, das Fieber hat sie hinweggerafft, bevor ich Padishar kennenlernte.«
»Im Gefängnis, meinst du?« wollte Par verwirrt wissen.
»Im Gefängnis? Wohl kaum. Sie starben auf einer Reise in den Süden. Sie haben mit wertvollen Metallen gehandelt. Padishar hat es mir selbst erzählt.«
Par berichtete Coll nach dem Abendessen von beiden Gesprächen. Sie hatten sich am Rand des Hangs in eine Schanze zurückgezogen, wohin die Geräusche aus dem Lager nur gedämpft drangen, und konnten beobachten, wie die Dämmerung nach und nach dem nächtlichen Sternenhimmel wich.
Nachdem Par ausgesprochen hatte, lachte Coll und schüttelte den Kopf. »Man kann diesem Kerl überhaupt nichts glauben, wenn er über sich selber spricht. Er ist ein echter Panamon Creel, und zwar so echt, wie Panamon selbst es wahrscheinlich nie war!«
Par verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Recht hast du.«
»Zieht sich an wie er, redet wie er – ist genauso unverschämt und überspannt.« Coll seufzte. »Warum lache ich also? Was tun wir hier bei diesem Verrückten?«
Par überhörte seine Bemerkung. »Was glaubst du, daß er vor uns versteckt, Coll?«
»Alles.«
»Nein, nicht alles. Das würde er nicht tun. Denk einmal darüber nach. Er gibt diese wilden Geschichten absichtlich zum Besten und nicht nur aus einer Laune heraus. Er hat noch etwas anderes mit Panamon gemeinsam. Er hat den Menschen um sich herum ein neues Bild von sich gegeben – ein Bild, das größer ist als das Leben selbst. Und ich möchte wetten, daß er dies aus einem ganz bestimmten Grund getan hat.«
Ihre Beschäftigung mit Padishar Creels Vergangenheit nahm schon bald ein Ende, denn sie wurden zu einer Versammlung gerufen. Hirehone hieß sie mit barscher Stimme kommen und führte sie über den Hang und in die Höhle, zu einem Versammlungsraum, in dem der Anführer der Geächteten bereits wartete. Der Schein der Öllampen, die an schwarzen Ketten von der Decke hingen, drang kaum bis zu den Schatten, die die Ecken und Spalten verdunkelten. Morgan und die Zwerge waren dort und saßen an einem langen Tisch neben einigen Geächteten, die Par bereits im Lager gesehen hatte. Chandos war ein wahrhaft wildaussehender Riese mit einem großen schwarzen Bart; auf einer Seite fehlten ihm Ohr und Auge, und sein Körper war über und über mit Narben bedeckt. Ciba Blue war ein junger, glattrasierter Bursche mit strähnigem blonden Haar und einem halbmondförmigen schwarzen Mal auf seiner linken Wange. Stasas und Drutt waren hagere, rauhe alte Männer mit kurzen dunklen Barten, zerfurchten braunen Gesichtern und Augen, die sich wachsam umblickten. Hirehone schob die Talbewohner hinein, schloß die Tür und stellte sich breitbeinig davor.
Einen Augenblick spürte Par, wie sich seine Nackenhaare warnend aufstellten.
Dann wurden sie von Padishar Creel freundlich begrüßt. »Ah, der junge Par und sein Bruder.« Er bedeutete ihnen, auf den Bänken neben den anderen Platz zu nehmen, und sagte nach ein paar einleitenden Worten: »Mor gen bei Tagesanbruch machen wir uns auf den Weg, das Schwert zu holen.«
»Wo ist es?« wollte Par sogleich wissen.
Das Lächeln des Anführers ging jetzt über sein ganzes Gesicht. »Dort, wo es uns nicht wegläuft.«
Par sah Coll an.
»Je weniger wir über unser Ziel reden, desto größer sind die Chancen, daß es ein Geheimnis bleibt.« Der riesige Mann blinzelte.
»Gibt es einen Grund, warum es ein Geheimnis bleiben soll?« fragte Morgan Leah leise.
Der Anführer zuckte die Schultern. »Wenn ich den Felsen verlasse, bin ich immer äußerst vorsichtig.« Seine Augen waren kalt. »Laß mich nur gewähren, Hochländer.«
Morgan hielt seinem Blick stand und schwieg.
»Sieben von uns werden gehen«, fuhr der andere mit sanfter Stimme fort. »Stasas, Drutt, Blue und ich von unserer Seite, die Talbewohner und der Hochländer von der anderen Seite.« Schon wollten die anderen protestieren, doch er brachte sie schnell zum Verstummen. »Chandos, du wirst in meiner Abwesenheit meine Stelle hier einnehmen. Ich möchte jemanden hier haben, auf den ich mich verlassen kann. Hirehone, dein Platz ist in Varfleet, denn du mußt die Dinge dort im Auge behalten. Außerdem würde es dir schwerfallen, deine Anwesenheit dort, wo wir hingehen, zu erklären. – Was euch betrifft, meine Freunde aus dem Ostland«, wandte er sich Steff und Teel zu, »würde ich euch mitnehmen, wenn ich könnte. Aber Zwerge, die sich außerhalb des Ostlandes aufhalten, müssen einfach auffallen, und das können wir uns nicht leisten. Es ist schon riskant genug, die Talbewohner mitzunehmen, während die Sucher immer noch hinter ihnen her sind.«
Steff warf Padishar Creel einen prüfenden Blick zu. »Ich wäre äußerst verärgert, wenn man hier auf unsere Kosten irgendwelche Spiele spielt.«
Ein warnendes Murren ging von den Geächteten aus, aber Padishar Creel brachte sie unverzüglich zum Schweigen. »Das wäre ich auch«, erwiderte er, und sein Blick ruhte auf dem Zwerg.
Steff hielt seinem Blick lange Zeit stand. Dann wandte er sich zu Teel und nickte. »Also gut. Wir werden warten.«
Die Augen des Anführers blickten sich in der Runde um. »Bei Tagesanbruch brechen wir auf und werden ungefähr eine Woche fortbleiben. Falls wir dann nicht zurück sind, bedeutet das höchstwahrscheinlich, daß wir überhaupt nicht mehr zurückkommen. Gibt’s noch irgendwelche Fragen?«
Niemand sprach.
Padishar Creel lächelte sein gewinnendstes Lächeln. »Etwas zu trinken also! Draußen mit den anderen, damit sie mit uns anstoßen und uns Erfolg wünschen können!«
Er ging in die Nacht hinaus, die anderen folgten ihm. Par verbrachte eine unruhige Nacht; Träume quälten ihn und ließen ihn bei Tagesanbruch mit dunklen Ringen unter den Augen erwachen. Er stand zusammen mit Coll und Morgan auf und fand Padishar Creel und seine Männer bereits beim Frühstück vor. Der Anführer der Geächteten hatte seine roten Kleider gegen ein weniger auffäl liges grünbraunes Gewand eingetauscht, wie es seine Männer trugen. Die Talbewohner und der Hochländer beeilten sich mit dem Ankleiden und Essen und fröstelten ein wenig in der immer noch nachtkalten Luft. Steff und Teel gesellten sich zu ihnen, wie stumme Schatten kauerten sie am Feuer nieder. Als das Frühstück beendet war, schnallten sich die Sieben ihre Rucksäcke um und gingen zum Rand des Hanges. Die Sonne, die sich bereits erhob, überzog die schwindende Dunkelheit mit ihrem Licht. Steff riet ihnen murmelnd zur Vorsicht, um dann mit Teel wieder in die Dunkelheit einzutauchen. Morgan rieb sich heftig die Hände und atmete die Luft ein, so als hätte er nie wieder Gelegenheit dazu. Sie bestiegen den ersten Aufzug und begannen mit der Abfahrt, bestiegen dann wortlos den zweiten und dritten, deren Winden unheimlich knarrten, während sie hinuntergelassen wurden. Als sie den Boden erreichten, bahnten sie sich ihren Weg in den nebelverhangenen Wald hinein; Padishar Creel ging mit Blue voraus, die Talbewohner und der Hochländer folgten ihnen, und die beiden anderen Geächteten, Stasas und Drutt, bildeten die Nachhut. Bereits nach wenigen Sekunden war die Felswand des Zeigefingers außer Sicht.
Sie marschierten fast den ganzen Tag in Richtung Süden, bis sie sich irgendwann am Nachmittag, als sie den Mermidon erreichten, nach Westen wandten. Sie folgten dem Fluß bis Sonnenuntergang und errichteten im Schatten der Drachenzähne ihr Lager. Sie fanden einen von Zypressen geschützten Platz, bei dem ein kleiner Bach aus den Felsen hervorsprudelte und sie mit Trinkwasser versorgte. Sie machten Feuer, nahmen ihr Abendessen ein und beobachteten, wie die Sterne am Himmel erschienen.
Nach einer Weile bezogen Stasas und Drutt ihre Wachtposten, einer flußaufwärts, einer flußabwärts. Blue, der sich in seine Decken einrollte und bereits nach wenigen Augenblicken eingeschlafen war, sah im Schlaf noch jünger aus. Padishar Creel saß mit den Talbewohnern und dem Hochländer zusammen am Feuer, in dem er mit einem Stock herumstocherte, während er an seiner Bierflasche nippte.
Par hatte den ganzen Tag über ihr Ziel gerätselt, und jetzt fragte er den Anführer unvermittelt: »Wir gehen nach Tyrsis, stimmt’s?«
Padishar Creel sah ihn erstaunt an und nickte. »Es besteht kein Grund, warum du es nicht wissen solltest.«
»Aber warum in Tyrsis nach dem Schwert von Shannara suchen? Es verschwand vor mehr als dreihundert Jahren, als die Föderation Callahorn annektierte. Aus welchem Grund sollte es jetzt wieder dort sein?«
Der andere lächelte geheimnisvoll. »Vielleicht weil es nie weg war.«
Par und seine Gefährten starrten den Anführer der Geächteten erstaunt an.
»Die Tatsache, daß das Schwert von Shannara verschwunden ist, heißt noch lange nicht, daß es irgendwo anders hingebracht wurde, verstehst du? Manchmal scheint etwas verschwunden und befindet sich trotzdem vor unserer Nase. Es kann einfach verschwinden, weil es nicht mehr so aussieht, wie es einmal ausgesehen hat. Wir sehen es, aber wir erkennen es nicht.«
»Was sagst du da?« fragte Par langsam.
Padishar Creels Lächeln überzog sein ganzes Gesicht. »Ich sage, daß es gut möglich ist, daß das Schwert von Shannara sich immer noch dort befindet, wo es sich vor dreihundert Jahren befunden hat.«
»All die Jahre eingepflanzt in einen Block mitten im Volkspark von Tyrsis, und keiner weiß davon?« Morgan Leah war entsetzt. »Wie ist so etwas möglich?«
Padishar Creel nippte nachdenklich an seinem Bier und sagte: »Wir werden morgen dort sein. Dann werden wir sehen.«
Par Ohmsford war müde vom langen Marsch, lag jedoch noch lange wach, als die anderen schon längst schnarchten. Er konnte nicht aufhören, an das zu denken, was Padishar Creel gesagt hatte. Vor mehr als dreihundert Jahren, nachdem Shea Ohmsford das Schwert zur Vernichtung des Dämonenlords gebraucht hatte, war es in einen Block aus rotem Marmor im Volkspark der Südlandstadt Tyrsis eingepflanzt worden. Dort war es geblieben, bis die Föderation in Callahorn Einzug gehalten hatte. Jedermann wußte, daß es danach verschwunden war. Aber wenn es sich tatsächlich immer noch dort befand, wo es sich vor dreihundert Jahren befunden hatte, warum erkannte es dann keiner? Mit dem Gedanken an ein ungelöstes Rätsel schlief Par ein.
Wieder standen sie bei Sonnenaufgang auf, überquerten den Mermidon an einer Furt eine Meile flußaufwärts und wandten sich nach Süden in Richtung Tyrsis. Der Tag war heiß und still. Sie hielten sich möglichst im Schatten, aber der Wald lichtete sich, je weiter sie vordrangen, bis sie schließlich nur noch über Wiesen wanderten. Sie gingen mit ihrem Wasser sparsam um und versuchten ihre Kräfte zu schonen, aber die Sonne stand hoch am Sommerhimmel, und schon bald schwitzten sie stark. Gegen Mittag, als sie Tyrsis erreichten, klebten ihre Kleider feucht an ihren Körpern.
Tyrsis war die Hauptstadt und zugleich älteste Stadt von Callahorn und die sicherste Festung im ganzen Südland. Erbaut auf einer Anhöhe, wurde sie von steilen Felswänden im Süden und einem Paar riesiger Wälle im Norden geschützt. Der äußere Wall überragte die höchste Stelle der Anhöhe um fast dreißig Meter und stellte eine Verteidigungsanlage dar, die in der Geschichte der Stadt nur ein einziges Mal durchbrochen wurde, als die Horden des Dämonenlords die Stadt zu Zeiten Shea Ohmsfords angegriffen hatten. Zur Sicherheit der Verteidiger war hinter dem ersten Wall ein zweiter errichtet worden. Einst hatten die Grenzlegionen, die gewaltigste Armee des Südlandes, die Stadt verteidigt. Aber die Legionen gab es, seit sie von der Föderation aufgelöst worden waren, nicht mehr, und jetzt machten auf den Wällen und Straßen nur noch die Föderationssoldaten, Besatzungstruppen eines Landes, das bis vor hundert Jahren niemals besetzt worden war, die Runde. Die Föderationssoldaten hausten in den Quartieren der Legionen innerhalb des ersten Walls, und die Bewohner der Stadt lebten und arbeiteten innerhalb des zweiten, das heißt dort, wo sich die Stadt auf der Anhöhe zum Fuße der südlichen Felshänge erstreckte.
Par, Coll und Morgan waren noch nie in Tyrsis gewesen. Alles, was sie über die Stadt wußten, wußten sie aus den Geschichten, die aus den Tagen ihrer Vorfahren stammten. Als sie sich jetzt der Stadt näherten, erkannten sie, wie unmöglich es war, das zu beschreiben, was sie jetzt sahen. Die Stadt erhob sich in den Himmel wie ein gewaltiger Riese, ein Bauwerk aus Steinblöcken und Mörtel, das alles in den Schatten stellte, was sie jemals zu Gesicht bekommen hatten. Selbst in der hellen Mittagssonne ging ein schwarzer Schatten von ihr aus – so als sauge der Stein das Sonnenlicht in sich auf. Ein Weg führte von der Ebene zum Fuß der Anhöhe. Er war von Karren und Tieren verstopft.
Die kleine Gruppe näherte sich stetig der Stadt. Padishar Creel drehte sich zu den anderen um und sagte: »Vorsicht jetzt, Männer. Vermeidet alles, was die Aufmerksamkeit auf uns lenken könnte. Denkt daran, daß es ebenso schwer ist, aus der Stadt herauszukommen wie hineinzukommen.«
Sie verschmolzen mit dem Strom der Menschen, der sich zur Anhöhe hinaufschob. Räder rollten dumpf, Zugriemen knarrten und quietschten, Tiere stampften, und Männer pfiffen und schrien. Föderationssoldaten bewachten die Kontrollpunkte, die den Weg nach oben säumten, machten jedoch keine Anstalten, den Menschenstrom in irgendeiner Weise zu behindern. Dasselbe galt für die Tore – riesige Portale, die so hoch aufragten, daß Par entsetzt war bei dem Gedanken, daß es einer Armee gelungen war, sie zu überwinden. Die Soldaten schienen keine Notiz davon zu nehmen, wer in die Stadt hinein- und wieder herausging.
Sie passierten die Tore, wobei die Schatten des aufragenden Torhauses sie wie mit einem Mantel bedeckten. Der zweite Wall erhob sich vor ihnen, kleiner zwar, aber nichtsdestoweniger eindrucksvoll. Sie achteten darauf, immer vom Strom der Menschen umgeben zu sein. Die kleine Gruppe sichtete viele Soldaten und viele Tiere.
Als sie die zweite Reihe von Toren passiert hatten, verließen sie auf Geheiß von Padishar Creel die Hauptstraße mit Wohnhäusern und Geschäften, die sich vom Zentrum der Stadt zu den Felswänden und dem, was einst der Herrscherpalast gewesen war, wand, und bogen in ein Labyrinth von Gassen ein. Auch hier gab es Geschäfte und Wohnhäuser, aber weniger Soldaten und mehr Bettler. Die Gebäude sahen mit jedem Schritt schäbiger aus, und schließlich waren sie im Viertel der Bierhäuser und Bordelle. Padishar Creel hieß sie weitergehen, schenkte den Bitten der Bettler und Straßenverkäufer keine Beachtung und führte sie immer tiefer in die Stadt hinein.
Endlich betraten sie einen hellen, offenen Bezirk mit Märkten und kleinen Parks. Wohnhäuser mit Gärten trennten die Märkte voneinander. Händler verkauften Fähnchen und Süßigkeiten an Kinder und ihre Mütter. An jeder Ecke gab es irgend etwas zu sehen – Schauspieler, Clowns, Zauberer, Musikanten und Tierbändiger. Farbige Baldachine spendeten Schatten für die Marktstände.
Padishar Creel verlangsamte das Tempo und hielt nach irgend etwas Ausschau. Er führte sie an mehreren Ständen vorbei, bis er schließlich vor einem Obstkarren anhielt. Er kaufte einen kleinen Sack voll Äpfel, die sie sich teilten, nahm einen für sich selbst und lehnte sich müßig an eine Straßenlaterne, um ihn genüßlich zu verspeisen. Es dauerte einige Augenblicke, bis Par begriff, daß er auf etwas wartete. Par biß in seinen Apfel und sah sich um. Auf der anderen Straßenseite wurde Eis verkauft, ein Mädchen führte Taschenspielerkunststücke vor, Kinder und Erwachsene schauten vergnügt zu. Das Mädchen hatte leuchtend rotes Haar. Sie zog erstaunten Kindern Münzen aus den Ohren, um sie dann wieder verschwinden zu lassen. Einmal zauberte sie Feuer aus der Luft. Er hatte dergleichen noch nie gesehen. Das Mädchen machte seine Sache sehr gut.
Er war so in das Schauspiel vertieft, daß er beinahe übersehen hätte, wie Padishar Creel etwas in die Hand eines dunkelhäutigen Jungen gleiten ließ, der jetzt neben ihm stand. Der Junge nahm es wortlos und verschwand. Par sah dem Jungen nach, doch es war, als hätte sich die Erde aufgetan und ihn verschluckt.
Sie blieben noch einige Minuten stehen, bevor der Anführer der Geächteten sagte: »Zeit zu gehen« und sie wegführte. Par warf einen letzten Blick auf das rothaarige Mädchen und sah, daß sie einen Ring vor den Augen ihrer Zuschauer in der Luft schweben ließ, während ein kleiner blonder Junge in die Höhe sprang und ihn greifen wollte. Auf dem Rückweg, der sie zwischen den Marktständen hindurchführte, fiel Morgan Leahs Blick auf Hirehone. Der Herr der Kiltan-Schmiede, der in einen großen Umhang gehüllt war, hielt sich am Rand einer Menschenmenge auf, die einem Jongleur applaudierte. Einen Augenblick lang sah Morgan den kahlen Schädel und den herunterhängenden Schnurrbart, doch dann war beides verschwunden. Er blinzelte und entschied, daß er sich geirrt hatte. Warum sollte sich Hirehone in Tyrsis aufhalten? Als sie die nächste Querstraße erreichten, hatte er Hirehone bereits vergessen. Die nächsten Stunden verbrachten sie im Keller eines Lagerhauses, das an die Werkstätte eines Waffenschmieds grenzte; der Schmied stand sicherlich in den Diensten der Geächteten, denn Padishar Creel wußte genau, in welcher Spalte des Türstocks der Schlüssel zu finden war, der ihnen die Tür öffnete. Ohne zu zögern, führte er sie hinein. Speisen und Getränke standen bereit, ebenso wie Stroh und Decken sowie Wasser zum Wa schen. Es war kühl und trocken im Keller, und schon bald hatten sie die Hitze des Tages vergessen. Nachdem sie sich eine Zeitlang ausgeruht hatten, erfreuten sie sich an den Speisen und Getränken und warteten dann auf die kommenden Ereignisse. Nur der Anführer der Geächteten schien Bescheid zu wissen, und wie gewöhnlich sagte er gar nichts. Statt dessen legte er sich schlafen.
Erst nach mehreren Stunden war er wieder wach. Er stand auf, streckte sich und wusch sein Gesicht, um sich dann zu Par zu gesellen. »Wir gehen nach draußen«, sagte er. Er wandte sich an die anderen. »Ihr bleibt hier, bis wir zurückkommen. Wir werden nicht lange fortbleiben, und wir werden auch nichts Gefährliches unternehmen.«
Coll und Morgan wollten protestieren, besannen sich aber eines Besseren. Par folgte Padishar Creel die Kellerstufen hinauf, und die Falltür hinter ihnen schloß sich. Padishar Creel verharrte kurz an der Außentür, bevor er Par winkte und sie auf die Straße hinaustraten.
Der Anführer der Geächteten führte Par nach Süden in Richtung der Felswände; er selbst ging mit großen Schritten voraus, während sich die Schatten des späten Nachmittags allmählich über die Stadt senkten. Sie kamen an keiner der Straßen vorbei, die sie in die Stadt geführt hatten, sondern folgten einer Reihe von Gassen. Die Gesichter, denen sie begegneten, trugen ein gespieltes Desinteresse zur Schau, aber die Augen waren wild. Padishar Creel beachtete sie nicht, und Par hielt sich dicht bei dem großen Mann. Körper drängten sich an ihnen vorbei, aber da er nichts Wertvolles bei sich trug, machte er sich weniger Sorgen, als er es sonst getan hätte.
Als sie sich den Felsen näherten, bogen sie in die Hauptstraße ein. Vor ihnen lag die Sendic-Brücke, die sich über den Volkspark spannte. Dahinter erhoben sich die Mauern des einstigen Herrscherpalastes von Tyrsis.
Par betrachtete den Park, die Brücke und den Palast. Irgend etwas an der Anordnung kam ihm seltsam vor. Sollte die Sendic-Brücke nicht an den Toren des Palastes enden?
Padishar Creel blieb jetzt im Hintergrund. »So, mein Junge. Schwer zu glauben, daß das Schwert von Shannara an einer zugänglichen Stelle wie dieser versteckt sein soll, nicht wahr?«
Par runzelte die Stirn und nickte. »Wo ist es?«
»Geduld, Geduld! Du wirst die Antwort noch früh genug erfahren.« Padishar Creel legte einen Arm um den Talbewohner. »Was jetzt auch passiert, hüte dich davor, überrascht auszusehen.«
Par nickte.
Der Anführer der Geächteten ging langsam zu einem Blumenstand und blieb dort stehen. Er betrachtete die Blumen und wollte offensichtlich einen Strauß aussuchen. Als er einen gefunden hatte, spürte Par, wie sich ein Arm um seine Hüfte legte, und als er sich umdrehte, sah er zu seinem Erstaunen, wie sich das rothaarige Mädchen, das Taschenspielerkunststücke vorgeführt hatte, an ihn preßte.
»Hallo, Elfenjunge«, flüsterte sie, wobei ihre kühlen Finger sein Ohr berührten und sie ihn auf die Wange küßte.
Dann waren plötzlich zwei kleine Kinder neben ihr, ein Mädchen und ein Junge; das Mädchen streckte sich, um nach Padishar Creels rauher Hand, der Junge, um nach Pars Hand zu fassen. Padishar Creel lächelte, hob dann das kleine Mädchen hoch, das jetzt kreischte, küßte es und überreichte ihm eine Hälfte des Blumenstraußes, die andere Hälfte gab er dem Jungen. Pfeifend führte er alle fünf in den Park hinein. Par hatte sich soweit erholt, daß er bemerkte, daß das rothaarige Mädchen einen Korb mit sich trug, der mit einem hellen Tuch zugedeckt war. Als sie sich in der Nähe der Mauer befanden, breitete das Mädchen das Tuch aus, und alle machten sich an das Auspacken des Korbes, der Eier, Brot und Marmelade sowie Kuchen und Tee enthielt.
Padishar Creel wandte sich an Par. »Par Ohmsford, darf ich dir Damson Rhee vorstellen, für die Dauer dieses kleinen Ausflugs deine Verlobte?«
Damson Rhees grüne Augen lachten. »Liebe ist vergänglich, Par Ohmsford. Wir sollten deshalb das Beste daraus machen.« Sie reichte ihm ein Ei.
»Du bist mein Sohn«, fügte Padishar Creel hinzu. »Die beiden Kinder sind deine Geschwister, obwohl mir ihre Namen momentan entfallen sind. Damson, erinnere mich später daran. Wir sind, wenn man uns fragt, eine ganz normale Familie, die ein Picknick veranstaltet.«
Keiner fragte. Die Männer aßen schweigend, während sie den Kindern zuhörten, die unaufhörlich schwatzten und so taten, als ob alles, was geschah, vollkommen normal wäre. Damson Rhee, die sich um die Kinder kümmerte, lachte mit ihnen, und ihr Lächeln war warm und ansteckend. Sie war von Natur aus hübsch, aber wenn sie lächelte, fand Par sie wunderschön. Als sie mit dem Essen fertig waren, führte sie jedem Kind das Kunststück mit der Münze vor und schickte sie dann spielen.
»Laßt uns einen Spaziergang machen«, schlug Padishar Creel vor und stand auf.
Sie spazierten zwischen den schattigen Bäumen hindurch und gingen anscheinend ziellos auf die Mauer zu, die eine Schlucht verdeckte. Damson Rhee hing verliebt an Pars Arm. Er stellte fest, daß er nichts dagegen hatte. »Die Dinge in Tyrsis haben sich seit den alten Tagen irgendwie verändert«, sagte der Anführer der Geächteten zu Par. »Als die Familie Buckhannah ausstarb, nahm die Monarchie ein Ende. Tyrsis, Varfleet und Kern herrschten über Callahorn, indem sie einen Rat der Städte gründeten. Als die Föderation Callahorn zum Schutzgebiet erklärte, wurde der Rat aufgelöst. Der Palast hat dem Rat als Versammlungsort gedient. Jetzt nutzt ihn die Föderation – leider weiß niemand, wofür sie ihn benutzt.«
Sie erreichten die Mauer und blieben stehen. Die Mauer war ungefähr einen Meter hoch. Spitze Nägel ragten aus ihr heraus. »Sieh nach unten«, bat ihn der Anführer der Geächteten.
Par tat, wie er geheißen worden war. Die Schlucht fiel steil zu Bäumen und Buschwerk ab. Nebel breitete sich über der Wildnis aus und hing selbst auf den höchsten Zweigen der Bäume. Die Schlucht erstreckte sich zum Palast, dessen Türen und Fenster verriegelt und dunkel, dessen Tore verbarrikadiert waren. Im Vordergrund führte ein kleiner Pfad vom Palast zu den verkommenen Toren.
Par blickte Padishar Creel an.
»Diese Mauer bedeutet die Trennlinie zwischen Vergangenheit und Gegenwart«, sagte der Anführer der Geächteten leise. »Der Boden, auf dem wir stehen, wird Volkspark genannt. Aber der wirkliche Volkspark, der, den es zu Zeiten unserer Vorfahren gab, ist dort unten.« Er wartete kurz, um das Gesagte wirken zu lassen. »Schau. Unterhalb des Föderationstorhauses, das den Pfad schützt.« Par folgte seinem Blick und gewahrte eine Ansammlung von riesigen Steinblöcken, die vor lauter Wald kaum zu sehen waren. »Das«, fuhr Padishar Creel schwermütig fort, »sind die Überreste der echten Sendic- Brücke. Es heißt, sie sei durch den Angriff des Dämonenlords auf Tyrsis zu Zeiten Panamon Creels schwer beschädigt worden. Einige Jahre später ist sie dann ganz zusammengebrochen. Diese andere Brücke«, er machte eine gleichgültige Handbewegung, »ist nichts weiter als Schau.« Er warf einen Blick auf Par. »Verstehst du jetzt?«
Par verstand. Die Teile des Bildes fügten sich zusammen. »Und das Schwert von Shannara?« Mit einem Auge bemerkte er den überraschten Ausdruck auf Damson Rhees Gesicht.
»Irgendwo dort unten, wenn ich mich nicht täusche«, erwiderte Padishar Creel. »Dort, wo es schon immer gewesen ist. Wolltest du etwas sagen, Damson?«
Das rothaarige Mädchen nahm Par am Arm und zog ihn von der Mauer weg. »Also deswegen bist du gekommen, Padishar?« sagte sie zornig zu dem Anführer der Geächteten.
»Hab Nachsicht, liebliche Damson. Urteile nicht zu schnell.«
Der Griff ihrer Hand auf Pars Arm verstärkte sich. »Das, was ihr vorhabt, ist gefährlich. Ich habe schon öfters Männer in die Grube geschickt, wie du wohl weißt, Padishar, und noch keiner von ihnen ist zurückgekommen.«
Padishar Creel lächelte nachsichtig. »Die Grube – so nennen die heutigen Bewohner von Tyrsis die Schlucht.«
»Du gehst zu viele Risiken ein«, beharrte das Mädchen.
»Damson ist mir Augen und Ohren und rechter Arm in Tyrsis«, fuhr Padishar Creel ruhig fort. Er lächelte sie an. »Erzähl dem Talbewohner, was du über das Schwert weißt, Damson.«
Sie wandte ihr Gesicht ab. »Der Einsturz der Sendic- Brücke ereignete sich zur gleichen Zeit, als die Föderation Callahorn annektierte und mit der Besetzung von Tyrsis begann. Der Wald, der jetzt den alten Volkspark bedeckt, in dem das Schwert von Shannara aufbewahrt wurde, wuchs buchstäblich über Nacht. Der neue Park und die Brücke entstanden ebenso schnell. Ich habe all das von den Alten erfahren, als ich sie gefragt habe. Das Schwert ist nicht wirklich aus dem Block verschwunden; der Block ist im Wald verschwunden. Menschen vergessen, besonders dann, wenn man ihnen etwas anderes erzählt. Fast alle glauben, daß es nur einen Volkspark und eine Sendic-Brücke gab – die, die sie jetzt sehen. Das Schwert von Shannara ist, falls es überhaupt jemals existiert hat, einfach verschwunden.«
Par schaute sie ungläubig an. »Der Wald, die Brücke und der Park haben sich über Nacht verändert?«
Sie nickte. »Einfach so.«
»Aber…?«
»Magie, mein Junge«, flüsterte Padishar Creel als Antwort auf seine unausgesprochene Frage.
Sie spazierten weiter, so lange, bis sie sich wieder dem farbigen Tuch näherten, auf dem die Reste ihres Essens standen. Die Kinder waren zurückgekommen und aßen die Kuchen.
»Die Föderation benutzt keine Magie«, behauptete Par immer noch verwirrt. »Sie haben die Magie verboten.«
»Sie haben ihre Benutzung durch andere verboten, ja«, stimmte der große Mann ihm zu. »Vielleicht, um sie selbst zu benutzen? Oder um sie an andere weiterzugeben? Oder an etwas anderes?« Er betonte die letzten Worte.
Par sah ihn bestürzt an. »Meinst du die Schattenwesen?«
Weder Padishar Creel noch Damson Rhee antworteten. Pars Gedanken überschlugen sich. Die Föderation und die Schattenwesen im Bunde miteinander – war das möglich?
»Ich denke schon lange über das Schicksal des Schwertes von Shannara nach«, grübelte Padishar Creel, wobei er darauf achtete, daß ihn die Kinder nicht hören konnten. »Das Schwert ist auch ein Teil der Geschichte meiner Familie. Es schien mir schon immer seltsam, daß es auf einmal verschwunden sein sollte. Zweihundert Jahre lang ruhte es in einem Block aus Marmor. Wie konnte es da einfach verschwinden? Was geschah mit dem Block, in den es eingepflanzt wurde? Ist er vielleicht weggezaubert worden?« Er sah Par an. »Damson hat lange nach der Antwort gesucht. Nur wenige haben sich daran erinnert, wie das Schwert verschwunden ist. Sie sind jetzt alle tot – aber ich kenne ihre Geschichte.« Er lächelte. »Jetzt bietet sich die Gelegenheit herauszufinden, ob die Geschichte wahr ist. Liegt das Schwert von Shannara hier in dieser Schlucht? Du und ich, wir werden die Antwort finden. Die Wiedergeburt der Magie des Elfenhauses von Shannara ist vielleicht der Schlüssel zur Freiheit der Vier Länder. Wir müssen es herausfinden.«
Damson Rhee schüttelte ihr tizianrotes Haupt. »Du scheinst darauf versessen, Padishar Creel, dein Leben wegzuwerfen. Und das Leben anderer wie das Leben dieses Jungen. Das werde ich nie verstehen.« Sie verließ die beiden Männer, um sich um die Kinder zu kümmern. Par gefiel es gar nicht, daß ein Mädchen, das jünger zu sein schien als er selbst, ihn einen Jungen nannte.
»Sei auf der Hut vor ihr, Par Ohmsford«, murmelte der Anführer der Geächteten.
»Sie hat kein Vertrauen in unser Glück«, stellte Par fest.
»Tja, sie sorgt sich grundlos. Wir verfügen über die Kraft von sieben Männern und können es mit den Gefahren, die möglicherweise in der Grube auf uns warten, aufnehmen. Und wenn wir auf Magie stoßen, dann haben wir dein Wunschlied und das Schwert des Hochländers. Genug jetzt!« Padishar Creel blickte zum Himmel auf. »Es wird bald dunkel, mein Junge.« Er legte seinen Arm um den Talbewohner und zog ihn zu Damson Rhee und den Kindern.