Zwölf

»Was haben Sie damit gemeint?«

»Womit, Tanner?«

»Mit dieser ganz nebenbei hingeworfenen Bemerkung, das Glitzerband existiere nicht mehr. Haben Sie vor, das einfach ohne Erklärung stehen zu lassen?«

Quirrenbach und ich krochen durch den Bauch der Strelnikov zu Vadims Versteck. Ich hatte meine Reisetasche bei mir und kam nur mühsam voran. Wir waren allein; Vadim hatte ich in meiner Kabine eingeschlossen, sobald er uns verraten hatte, wo seine Koje stand. Ich ging davon aus, dass wir nur sein Quartier zu durchsuchen brauchten, um zu finden, was er den anderen Passagieren gestohlen hatte. Seinen Mantel hatte ich bereits an mich genommen, und ich hatte nicht vor, ihn in nächster Zeit zurückzugeben.

»Sagen wir, es hat sich einiges verändert, Tanner.« Quirrenbach krabbelte so unbeholfen hinter mir her wie ein Hund, der sich in einen Fuchsbau zwängt.

»Davon habe ich nichts gehört.«

»Natürlich nicht. Die Veränderungen traten erst vor nicht allzu langer Zeit ein, während Sie noch auf dem Weg hierher waren. Berufsrisiko bei Interstellarreisenden, könnte man sagen.«

»Nicht das Einzige«, erwiderte ich und nickte. Ich dachte an mein lädiertes Gesicht. »Was sind das denn nun für Veränderungen?«

»Ziemlich drastische, fürchte ich.« Er hielt inne. Sein Atem ging in harten, rasselnden Stößen. »Hören sie, es tut mir Leid, Ihre Illusionen so radikal zerstören zu müssen, aber Sie sollten sich möglichst rasch mit dem Gedanken vertraut machen, dass Yellowstone nicht mehr mit der Welt zu vergleichen ist, die es einmal war. Und das, Tanner, ist noch stark untertrieben.«

Ich dachte an Amelia und ihren Hinweis, wo ich Reivich finden könnte. »Chasm City steht aber noch?«

»Ja… gewiss. Das wäre allzu drastisch. Die Stadt ist noch da; sie ist noch bewohnt; und sie ist selbst für hiesige Verhältnisse auch noch einigermaßen wohlhabend.«

»Wobei Sie diese Aussage vermutlich gleich einschränken werden.« Ich schaute nach vorne. Der Kriechgang weitete sich zu einem zylindrischen Korridor mit mehreren ovalen Türen an einer Seite. Auch hier war es dunkel und beengt, und die ganze Atmosphäre kam mir unangenehm vertraut vor.

»Bedauerlicherweise… ja«, sagte Quirrenbach. »Die Stadt ist ganz anders geworden. Sie ist kaum noch wiederzuerkennen, und das gilt, so viel ich höre, mehr oder weniger auch für das Glitzerband. Früher gab es dort zehntausend Habitats, die um Yellowstone herum drapiert waren wie — verzeihen Sie die schamlos schiefen Bilder — eine Girlande aus ungeheuer seltenen, kunstvoll geschliffenen Edelsteinen, die jeder für sich in hartem Glanz erstrahlten.« Quirrenbach hielt inne und rang nach Luft, bevor er fortfuhr. »Übrig geblieben sind vielleicht hundert, die noch so weit dicht halten, dass man darin leben kann. Die anderen sind verlassen, luftleere Hülsen, die stumm und tot, begleitet von riesigen, tödlichen Wolken aus Weltraummüll, wie Treibholz durch das All schweben. Man spricht heute vom Rostgürtel«

Das war ein Schlag, den ich erst verarbeiten musste. Nach einer Weile fragte ich: »Was war der Grund? Ein Krieg? Hat jemand beim Bau seines Habitats den Geschmack seiner Nachbarn beleidigt?«

»Nein, es war kein Krieg. Obwohl das vielleicht weniger schlimm gewesen wäre. Nach einem Krieg räumt man die Trümmer weg und fängt neu an. Kriege… sind gar nicht so schlimm, wie man immer sagt…«

»Quirrenbach…« Mir ging allmählich die Geduld aus.

»Es war eine Seuche«, sagte er hastig. »Eine sehr schlimme Seuche, aber eben nur das. Und bevor Sie mir jetzt bohrende Fragen stellen, vergessen Sie nicht, dass ich auch nicht viel mehr weiß als Sie — schließlich bin ich selbst eben erst angekommen.«

»Trotzdem sind Sie sehr viel besser informiert als ich.« Ich ging an zwei Türen vorbei. Vor der dritten blieb ich stehen und verglich die Nummer mit dem Schlüssel, den Vadim mir gegeben hatte. »Wie konnte eine Seuche so großen Schaden anrichten?«

»Es war nicht irgendeine Seuche. Ich meine, keine Seuche im üblichen Sinn. Sie war… vielleicht produktiver. Phantasievoll. Kreativ. Und das auf bisweilen recht heimtückische Weise. Hm, sind wir am Ziel?«

»Ich glaube, das ist seine Kabine.«

»Vorsichtig, Tanner. Vielleicht hat er Fallen aufgestellt.«

»Unwahrscheinlich. Vadim macht mir nicht den Eindruck, als würde er auf lange Sicht planen. Dazu müsste sein Frontalkortex ja voll entwickelt sein.«

Ich steckte Vadims Schlüssel ins Schloss und stellte befriedigt fest, dass sich die Tür öffnen ließ. Als ich eintrat, gingen flackernd die matten, schmutzverkrusteten Lampen an. Die Kabine war zylinderförmig, drei bis vier Mal so groß wie das Loch, das man mir zugewiesen hatte. Quirrenbach folgte mir, blieb aber gleich hinter der Tür stehen wie ein Kanalarbeiter, der noch nicht bereit war, in die Kloake einzusteigen.

Ich konnte es ihm nicht einmal verdenken, wenn er nicht weitergehen wollte.

Der Raum schien die Körpergerüche von Monaten gesammelt zu haben, ein Schmierfilm aus abgestorbenen Hautzellen überzog die vergilbten Plastikflächen. An den Wänden waren bei unserem Eintritt pornographische Hologramme zum Leben erwacht, zwölf nackte Frauen, die sich zu anatomisch denkbar ungünstigen Positionen verrenkten. Sie konnten auch sprechen und sangen mit leicht unterschiedlichen Altstimmen ein Loblied auf Vadims überragende Manneskraft. Ich sah ihn im Geiste gefesselt und geknebelt in meiner Kabine liegen, unempfänglich für derlei Schmeicheleien. Die Frauen wollten nicht verstummen, doch nach einer Weile hatten sich die Bewegungen und die formelhaften Huldigungen so oft wiederholt, dass ich sie ignorieren konnte.

»Ich würde meinen, alles weist darauf hin, dass wir hier richtig sind«, sagte Quirrenbach.

Ich nickte. »Einen Schönheitspreis wird die Kabine nicht gewinnen, wie?«

»Ach, ich weiß nicht — die Flecken sind zum Teil ganz interessant gruppiert. Nur schade, dass er so auf verschmierte Exkremente steht — das gehört doch ins vergangene Jahrhundert.« Er schob — nur mit den Fingerspitzen — eine kleine Klappe am vorderen Ende auf. Ein schmutziges, von Mikrometeoriten verkratztes Bullauge kam zum Vorschein. »Immerhin ein Zimmer mit Aussicht. Wobei ich nicht sicher bin, ob sie einen Blick wert ist.«

Auch ich schaute durch das Bullauge. Man sah einen Teil des Schiffsrumpfs, über den immer wieder grell violette Blitze zuckten. Selbst im Flug war ständig ein Trupp Arbeiter an der Außenseite der Strelnikov damit beschäftigt, irgendwelche losen Teile wieder anzuschweißen.

»Wir sollten uns hier nicht länger aufhalten als unbedingt nötig. Ich durchsuche diese Seite; sie fangen auf der anderen an. Mal sehen, ob sich etwas Brauchbares findet.«

»Gute Idee«, sagte Quirrenbach.

Ich machte mich ans Werk. Die Kabine hatte an beiden Seiten von Wand zu Wand reichende Einbauschränke — sie musste einmal als Abstellkammer gedient haben. Ich hatte nicht die Zeit, um sämtliche Fächer systematisch zu durchsuchen, also stopfte ich alles, was irgendwie wertvoll aussah, in meine Reisetasche und in die tiefen Taschen von Vadims Mantel. Ich fand jede Menge Schmuck, Daten-Monokel, Holokameras im Kleinformat und Translatorbroschen; lauter Dinge, bei denen man davon ausgehen konnte, dass Vadim sie den wohlhabenderen Passagieren der Strelnikov abgenommen hatte. Nach einer Uhr musste ich längere Zeit suchen — Raumreisende pflegten keine Uhren mitzunehmen, wenn sie von einem System zum anderen flogen. Schließlich fand ich eine, die auf Yellowstone-Zeit eingestellt war. Das Zifferblatt bestand aus einer Reihe von konzentrischen Scheiben, um die winzige Smaragdplaneten im Sekundentakt tickend ihre Bahnen zogen.

Ich streifte mir die Uhr über das Handgelenk und genoss das ungewohnte Gewicht.

»Sie können ihn doch nicht so einfach ausplündern«, protestierte Quirrenbach schüchtern.

»Vadim kann ja Beschwerde einreichen.«

»Darum geht es doch nicht. Aber was Sie hier machen, ist genauso schlimm wie…«

»Hören Sie«, sagte ich, »glauben Sie wirklich, er hätte auch nur einen einzigen von diesen Gegenständen gekauft? Das ist alles Diebesgut; wahrscheinlich gehörte es Passagieren, die längst nicht mehr an Bord sind.«

»Trotzdem wäre es möglich, dass er einiges davon erst kürzlich gestohlen hat. Wir sollten uns bemühen, die Sachen ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückzuerstatten. Oder sehen Sie das anders«?

»Theoretisch könnte man vielleicht so argumentieren.« Ich setzte die Suche fort. »Aber wie wollen Sie jemals feststellen, wer die Eigentümer sind? Als ich im Gemeinschaftszentrum danach fragte, hat sich meines Wissens niemand gemeldet. Und überhaupt — warum regen Sie sich deshalb so auf?«

»Vielleicht habe ich noch Reste eines Gewissens, Tanner.«

»Obwohl der Gauner Sie fast umgebracht hätte?«

»Hier geht es ums Prinzip.«

»Hm — wenn Sie meinen, dass Sie dann nachts besser schlafen, dann gehen Sie ruhig. Ich suche allein weiter. Hatte ich Sie eigentlich um Ihre Begleitung gebeten?«

»Nicht ausdrücklich, nein…« Unschlüssig, sichtlich mit sich ringend, kramte er in einer geöffneten Schublade, zog eine einzelne Socke heraus und betrachtete sie lange mit traurigem Blick. »Verdammt, Tanner. Hoffentlich haben Sie Recht und er ist wirklich ohne jeden Einfluss.«

»Oh, ich glaube, darüber brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.«

»Sie sind ganz sicher?«

»Ich kenne mich mit solchem Ungeziefer ziemlich gut aus, glauben Sie mir.«

»Nun ja… vielleicht ist es ja wirklich so. Gehen wir zumindest einmal davon aus.« Damit begann Quirrenbach zunächst langsam, dann aber mit wachsender Begeisterung wahllos Vadims Diebesgut einzusacken. Vor allem die Bündel mit den Stoner-Banknoten hatten es ihm angetan. Ich griff hinüber und nahm zwei Rollen an mich, bevor er alles verschwinden lassen konnte.

»Danke. Das reicht mir schon.«

»Ich wollte gerade etwas an Sie weitergeben.«

»Natürlich.« Ich blätterte die Scheine durch. »Ist das Zeug überhaupt noch etwas wert?«

»Ja«, sagte er nachdenklich. »Jedenfalls im Baldachin. Womit man im Mulch bezahlt, weiß ich nicht, aber es ist wohl kein Fehler, es mitzunehmen.«

Ich bediente mich noch einmal. »Vorsicht ist besser als Nachsicht, so lautet meine Devise.«

Ich suchte weiter — wühlte mich durch neue Berge von Krimskrams und Schmuck —, bis ich ein Gerät fand, das so aussah, als könne man damit Empirika abspielen, aber schmaler und eleganter war als die Geräte, die ich von Sky’s Edge kannte. Es ließ sich so raffiniert zusammenklappen, dass es nicht größer war als eine Bibel.

Ich steckte es zusammen mit einer Auswahl von Datenstäben, die ich an sich schon für einigermaßen wertvoll hielt, in eine leere Manteltasche.

»Wir sprachen vorhin von dieser Seuche…«, erinnerte ich Quirrenbach.

»Ja?«

»Ich verstehe immer noch nicht, wie sie so viel Schaden anrichten konnte.«

»Das liegt daran, dass der Erreger nicht biologisch war — jedenfalls nicht in dem Sinn, wie wir das gewöhnlich verstehen.« Er verstummte und unterbrach die Suche. »Er befiel Maschinen, nicht Menschen. Und er bewirkte, dass nahezu alle Maschinen oberhalb einer bestimmten Komplexitätsstufe nicht mehr funktionierten oder ganz anders arbeiteten, als sie eigentlich sollten.«

Ich zuckte die Achseln. »So schlimm hört sich das doch gar nicht an.«

»Nicht, wenn es sich lediglich um Roboter und um Umweltsysteme handelt wie hier auf diesem Schiff. Auf Yellowstone war das allerdings anders. Dort befanden sich die meisten Maschinen als mikroskopisch kleine Implantate im menschlichen Körper und waren bereits eng mit seinen geistigen und organischen Prozessen verbunden. Was mit dem Glitzerband passierte, war nur ein Symbol für eine weit schlimmere Katastrophe auf menschlicher Ebene, etwa so, wie man — sagen wir — gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts das Erlöschen der Lichter in ganz Europa als Symbol für die Ankunft des Schwarzen Todes sehen konnte.«

»Ich möchte mehr darüber erfahren.«

»Dann geben Sie doch in Ihrer Kabine eine Systemanfrage ein. Oder tun Sie es gleich hier.«

»Warum informieren Sie mich nicht?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, Tanner. Ich weiß nämlich kaum mehr als Sie. Vergessen Sie nicht, wir sind zur gleichen Zeit hier eingetroffen, wenn auch auf verschiedenen Schiffen. Als es passierte, befanden wir uns beide im interstellaren Raum. Mir blieb nicht viel mehr Zeit als Ihnen, um mich auf die neue Situation einzustellen.«

»Woher kamen Sie denn eigentlich?«, fragte ich leise.

»Grand Teton.«

Diese Welt gehörte wie Yellowstone, Glacier und zwei oder drei andere, deren Namen ich vergessen hatte, zu den ursprünglichen Amerikano-Kolonien. Sie alle waren vierhundert Jahre zuvor von Robotern besiedelt worden; selbst replizierenden Maschinen, ausgestattet mit den erforderlichen Datenschablonen, um bei ihrer Ankunft lebende Menschen zu produzieren. Keine dieser Kolonien hatte sich erfolgreich entwickelt, alle waren nach ein bis zwei Generationen untergegangen. Heute gab es nur noch einige wenige Familien, die sich als Nachkommen der echten Amerikano-Siedler bezeichnen konnten, die Mehrheit der Bevölkerung stammte von späteren Kolonistenwellen ab, die mit Lichtschiffen gekommen waren. Und die meisten Staaten waren wie Yellowstone demarchistisch.

Sky’s Edge war natürlich ein ganz anderer Fall. Es war die einzige Welt, die je mit Generationenschiffen besiedelt worden war.

Manche Fehler beging man eben kein zweites Mal.

»Wie ich höre, ist Grand Teton einer von den hübscheren Planeten«, sagte ich.

»Richtig. Und Sie fragen sich vermutlich, was ich hier will.«

»Eigentlich nicht. Geht mich nichts an.«

Er wühlte etwas langsamer in Vadims Diebesbeute. Offensichtlich war es ungewohnt für ihn, dass jemand so wenig Neugier an den Tag legte. Ich setzte meine Nachforschungen fort und zählte im Stillen die Sekunden, bis er das Schweigen brach.

»Ich bin Künstler«, sagte Quirrenbach. »Genauer gesagt, Komponist. Ich arbeite an einem Symphonienzyklus. Deshalb bin ich hier.«

»Musik?«

»Ja, Musik — ein erbärmliches kleines Wort, das kaum zu fassen vermag, was mir vorschwebt. Ich werde mich für meine nächste Symphonie von nichts Geringerem als Chasm City inspirieren lassen.« Er lächelte. »Es sollte ein glorreiches, ein erhebendes Werk werden, ein Lobpreis auf die Stadt im vollen Glanz der Belle Epoque; eine Komposition, die nur so strotzte vor Vitalität und Energie. Doch jetzt wird der Ton wohl sehr viel düsterer werden müssen; feierlich und getragen wie von Schostakowitsch; stöhnend unter der erdrückenden Erkenntnis, dass sich das Rad der Geschichte endlich doch gedreht und die Träume von uns Sterblichen zu Staub zermahlen hat. Eine Seuchen-Symphonie.«

»Und dafür haben Sie die weite Reise gemacht? Um ein paar Noten zu Papier zu bringen?«

»Um ein paar Noten zu Papier zu bringen, ganz recht. Warum auch nicht? Irgendjemand muss es schließlich tun.«

»Aber bis Sie wieder nach Hause kommen, vergehen Jahrzehnte.«

»Sie werden überrascht sein, aber diese Erkenntnis hatte ich bereits gewonnen, bevor Sie mich freundlicherweise darauf hinwiesen. Die Reise hierher ist lediglich die Ouvertüre, die dafür aufgewendete Zeit verliert jede Bedeutung, setzt man sie gegen die Jahrhunderte, die nach optimistischen Schätzungen vergehen werden, bis sich das Werk der Vollendung nähert. Ich selbst werde währenddessen wahrscheinlich fast um ein Jahrhundert altern — was dem zwei- bis dreifachen Arbeitsleben eines der früheren großen Komponisten entspricht. Natürlich werde ich Dutzende von Systemen besuchen — bei Bedarf lässt sich meine Reiseroute auch noch erweitern. Ich rechne mit weiteren Kriegen, weiteren Seuchen, weiteren schweren Zeiten. Aber natürlich auch mit Wundern, wie sie sich heute noch niemand träumen lässt. Das alles wird einfließen in mein großes Werk. Und wenn Überdruss und Enttäuschung mich nicht völlig lähmen, werde ich wohl meinen Lebensabend damit verbringen, ihm den letzten Schliff zu geben. Denn um ständig mit den neuesten Langlebigkeitstherapien Schritt zu halten, wird mir einfach die Zeit fehlen. So lange meine Schöpfung meine gesamte Energie beansprucht, muss ich einfach nehmen, was leicht zu bekommen ist, und kann deshalb nur hoffen, mein Opus Magnum auch zu vollenden. Wenn ich dann alle losen Enden verbunden und die primitiven Kritzeleien, die derzeit auf dem Papier stehen, mit der in sich geschlossenen, abgerundeten Komposition, mit der ich mein Leben zu krönen gedenke, irgendwie in Einklang gebracht habe, werde ich ein Schiff nach Grand Teton nehmen — vorausgesetzt, die Welt existiert noch —, um dort die Uraufführung des großen Werkes vorzubereiten. Das große Ereignis wird wohl erst fünfzig Jahre später stattfinden, je nachdem, wie weit die Menschheit bis dahin die Kolonisierung des Weltraums vorangetrieben hat. Jedenfalls sollte die Nachricht auch die fernsten Kolonien erreichen und ihren Bewohnern Zeit geben, sich zur Premiere auf Grand Teton einzufinden. Ich werde im Tiefschlaf liegen, während die Konzerthalle — ein Prachtbau, der Größe des Werkes würdig — errichtet und ein Orchester zusammengestellt, gezüchtet oder auch geklont wird, das den Anforderungen auch gewachsen ist. Am Ende dieser fünfzig Jahre werde ich mich erheben, ins Rampenlicht treten und mein Werk dirigieren. Danach bleibt mir noch eine kurze Spanne, um mich im Glanz meines Ruhmes zu sonnen und mich feiern zu lassen wie kein lebender Komponist vor oder nach mir. Ich werde meine großen Vorgänger zu Fußnoten der Geschichte degradieren; zu flimmernden Sternenpünktchen neben einer explodierenden Sonne. Mein Name wird durch die Jahrhunderte erschallen wie ein niemals verklingender Akkord.«

Ich ließ mir mit der Antwort lange Zeit.

Schließlich sagte ich: »Nun, dann haben Sie immerhin ein Ziel«

»Sie halten mich wahrscheinlich für größenwahnsinnig.«

»Auf den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen, Quirrenbach.« Während ich sprach, ertastete ich etwas an der Rückseite einer Schublade. Ich hatte gehofft, irgendeine Waffe zu finden — ein klein wenig stärker vielleicht als meine aufziehbare Pistole —, aber Vadim schien ohne Waffen ausgekommen zu sein. Doch jetzt hatte ich eine andere Entdeckung gemacht. »Das ist interessant.«

»Was haben Sie gefunden?«

Ich zog eine mattschwarze Metallschatulle von der Größe einer Zigarrenkiste heraus und öffnete sie. Sie enthielt sechs Schlaufen mit kleinen scharlachroten Ampullen. In einer eigenen Aussparung lag eine verschnörkelte Injektionsspritze aus Stahl mit einem Pistolengriff, der mit einem pastellfarbenen Flachrelief geschmückt war — einer kleinen Kobra.

»Ich weiß es nicht. Haben Sie eine Idee?«

»Nicht unbedingt, nein…« Er untersuchte das Kästchen mit einer Neugier, die mir nicht gespielt zu sein schien. »Was immer es ist, es sieht irgendwie verboten aus.«

»Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund.«

Als ich Anstalten machte, die Schatulle wieder an mich zu nehmen, fragte Quirrenbach: »Was finden Sie daran eigentlich so interessant?«

Ich dachte an die Spritze, die dem Mönch in Amelias Höhle aus der Tasche gerutscht war. Natürlich konnte ich mich täuschen, aber die Substanz in dieser Spritze hatte genauso ausgesehen wie die Flüssigkeit in Vadims Kästchen — wobei ich zugeben musste, dass das Licht in der Höhle sehr schlecht gewesen war. Ich wusste auch noch, was Amelia mir gesagt hatte, als ich mich nach der Spritze erkundigte: Es handle sich um etwas, das der Mönch in Idlewild nicht haben sollte. Also irgendein Narkotikum — und vielleicht war es nicht nur im Hospiz der Eisbettler verboten, sondern im ganzen System.

»Ich nehme an, dass es mir einige Türen öffnen wird.«

»Es könnte Ihnen noch sehr viel mehr öffnen«, sagte Quirrenbach. »Die Tore der Hölle zum Beispiel. Mir ist eben etwas eingefallen. Oben im parkenden Schwarm erwähnte jemand, dass hier einige ziemlich üble Substanzen im Umlauf wären.« Er deutete mit einem Nicken auf die roten Ampullen. »Eine davon kursiert unter dem Namen Traumfeuer.«

»Und das könnte es sein?«

»Keine Ahnung, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass gerade unser lieber Freund Vadim mit so etwas handelt.«

»Wo sollte er es her haben?«

»Ich bin kein Fachmann, Tanner. Ich weiß nur, dass das Zeug sehr unangenehme Nebenwirkungen hat, und dass die Obrigkeit, so weit in diesem System davon die Rede sein kann, es nicht gern sieht, wenn jemand es konsumiert oder auch nur besitzt.«

»Aber für irgendetwas muss es doch gut sein?«

»Sicher — aber was die Leute damit machen, weiß ich auch nicht so genau. Das Instrument ist übrigens eine Hochzeitswaffe.«

Er hatte meine verständnislose Miene richtig gedeutet.

»Früher war es hier üblich, dass Mann und Frau auf irgendeine Weise aktives Neuralgewebe austauschten, das aus dem Gehirn des jeweils anderen gezüchtet worden war. Mit diesem Ding — der Hochzeitswaffe — implantierten sie sich das Material.«

»Heute tut man das nicht mehr?«

»Nicht mehr seit der Seuche, glaube ich.« Sein Blick verriet Wehmut. »Eigentlich gibt es eine ganze Menge alter Bräuche, die mit der Seuche verschwunden sind.«


Als Quirrenbach mit seiner Beute abgezogen war — um hoffentlich über die nächsten Passagen in seinem Symphonienzyklus nachzudenken —, trat ich an Vadims Netzwerkkonsole. In diesem Moment zündete die Strelnikov kurz ihre Schubdüsen, um eine winzige Korrektur der Flugbahn zum Rostgürtel vorzunehmen, und ich spürte zum ersten Mal seit dem Start wieder mein Gewicht. Von irgendwoher war ein leises Saurierwimmern zu hören, das Schiff ächzte in allen Fugen, und ich fragte mich unwillkürlich, ob ich womöglich genau den Flug erwischt hatte, bei dem der Rumpf endgültig unter der Belastung zusammenbrechen würde. Doch irgendwann verschmolz das Quietschen und Knarren mit den normalen Betriebsgeräuschen, und ich konnte mich wieder auf mein Vorhaben konzentrieren.

Die Konsole sah uralt aus, in einem Museum hätten die Kinder darüber gelacht. Der Flachbildschirm war von Schaltelementen mit abgegriffenen Symbolen umgeben, darunter befand sich eine alphanumerische Tastatur. Ich kannte den Stand der Technik im Orbit um Yellowstone nicht, aber das hier wäre selbst auf Sky’s Edge eine Antiquität gewesen.

Es gab nichts Besseres.

Ich fand den Einschaltknopf. Der Bildschirm sprang an, stotterte sich durch eine Serie von Meldungen und Werbespots und zeigte endlich ein stark verästeltes Baumdiagramm mit den verfügbaren Optionen. Bord-Datendienste. Netze mit Realzeitzugriff — alle Datenarchive im Umkreis von nicht mehr als einer Lichtsekunde von der Strelnikov, sodass normale Gespräche möglich waren. Systemweiter Zugriff mit den typischen Verzögerungen im Bereich von Sekunden bis zu zehn oder zwanzig Stunden, je nach der Komplexität der Anfrage. Ich fand keine Option für den Zugriff auf Netze mit längeren Reaktionszeiten, und das war nur vernünftig: von den Habitats im Kuiper-Gürtel des Systems konnte eine Antwort erst eingehen, wenn das Shuttleboot seinen Flug beendet und der Fragesteller das Schiff längst verlassen hatte.

Ich wählte die Option systemweiter Zugriff und wartete ein paar Sekunden. Zunächst füllte sich der Bildschirm erneut mit Werbung. Dann erschien ein Verzeichnis von Untermenüs. In der Liste ankommender und abfliegender Raumschiffe fand sich auch ein Eintrag für die Orvieto. Das Yellowstone-System war nach wie vor ein wichtiger interstellarer Verkehrsknotenpunkt, und auch das leuchtete ein. Wenn die Seuche erst im letzten Jahrzehnt ausgebrochen war, mussten viele Schiffe bereits auf dem Weg hierher gewesen sein. Bis die Nachricht von der Katastrophe alle wichtigen Zentren des von Menschen besiedelten Weltraums erreicht hatte, würden noch Jahrzehnte vergehen.

Ich überflog die Optionen.

Die systemweiten Netze waren zuständig für Verbindungen zu den Habitats im Orbit um die Gasriesen: zumeist Bergwerkskolonien und Außenposten gesellschaftlicher Gruppen, die auf Abgeschiedenheit Wert legten. Ich fand Synthetiker-Nester, Enklaven der Raumpiraten und halbautomatische militärische Anlagen oder Forschungsstationen. Nach einem Hinweis auf die Seuche suchte ich vergeblich. Gelegentlich war von Quarantänemaßnahmen oder Krisenmanagement die Rede, doch im Allgemeinen sah es so aus, als wäre die Seuche — samt ihren Folgen — zu einem so festen Bestandteil des Alltags geworden, dass sie kaum noch einer Erwähnung bedurfte.

Die lokalen Netze gaben mir etwas mehr Aufschluss. Hier wurde die Krise immerhin ein paarmal ausdrücklich angesprochen, und so erfuhr ich, dass man der Seuche einen besonders schaurigen Namen gegeben hatte: die Schmelzseuche.

Die meisten Meldungen setzten jedoch voraus, dass man mit den grundlegenden Fakten vertraut war. Ich fand die Begriffe Hermetiker, Baldachin und Mulch, mehrfach wurde auf ein so genanntes Großes Spiel Bezug genommen, aber nichts von alledem wurde näher erläutert.

Vom Baldachin hatte ich freilich schon gehört. Amelia hatte gemeint, ich hätte gute Chancen, Reivich dort zu finden. Es handle sich um einen Stadtteil von Chasm City.

Aber hatte sie mir damit vielleicht weniger gesagt, als ich dachte?

Ich schaltete auf ›Senden‹ und forderte Informationen über die Seuche an; eine allgemein gehaltene Broschüre für Erstbesucher. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich der Erste sein sollte, der eine solche Bitte äußerte, bevor er sich ins Dickicht des Rostgürtels stürzte, aber ich hielt es durchaus für möglich, dass niemand Lust hatte, mir zu antworten, oder dass die automatische Weiterleitung nicht mehr funktionierte.

Ich schickte die Anfrage ab und starrte mehrere Sekunden lang auf die Konsole. Der Schirm starrte unverwandt zurück.

Weiter geschah nichts.

Enttäuscht und ohne der Wahrheit näher gekommen zu sein, griff ich in die Taschen des Mantels, den ich Vadim abgenommen hatte, und zog das raffiniert verpackte Abspielgerät heraus. Es baute sich fast von selbst zusammen, die schmalen schwarzen Teile glitten so präzise ineinander wie die Teile eines Gewehrs. Das Ergebnis war ein skelettartiger schwarzer, mit leuchtend grünen und roten Kobras verzierter Cyber-Helm samt Feldgeneratoren und Eingabe-Ports. Vorne waren zwei Stereovorsätze befestigt, die sich herunterklappen ließen. Die Okularmuscheln bestanden aus einem Material, das sich selbsttätig um das Auge herum an die Haut schmiegte. Die beiden Ohrstöpsel funktionierten nach einem ähnlichen Prinzip, und es gab sogar Nasenstöpsel für den olfaktorischen Input.

Ich wog den Helm nachdenklich in der Hand, dann setzte ich ihn auf.

Er umschloss meinen Schädel so fest wie ein Schraubstock. Die kleinen Okulare brachten sich in Position und saugten sich um meine Augen herum fest. Jedes enthielt ein hochauflösendes Abbildungssystem, das mir im Moment genau das zeigte, was ich auch ohne den Helm gesehen hätte, nur ein wenig körniger, aber das war vermutlich so gewollt. Um das Ergebnis wesentlich zu verbessern, hätte ich Neuralimplantate und ein effizientes Wiedergabesystem gebraucht, ein Gerät, das Hirnsignale mit der Empfindlichkeit eines militärischen Trawls abfragen und aussteuern konnte.

Ich öffnete meine Reisetasche.

Sie enthielt, noch in Plastikfolie eingeschweißt, den Vorrat an Empirika, den ich von Sky’s Edge mitgebracht hatte. Ich entfernte das Plastik und untersuchte die sechs Stäbe genauer. Sie sahen aus wie Füllfederhalter, aber sie hatten keine Aufschrift, die mir einen Hinweis auf den Inhalt gegeben hätte. Handelte es sich einfach um Tauschware, oder konservierten sie Botschaften von meinem prä-amnesischen Ich an mich?

Über dem vorderen Helmrand befand sich eine Buchse, in die man ein Empirikum mit der metallenen Spitze einführte. Der Rest ragte heraus wie ein dünnes Horn. Ich nahm den ersten der sechs Stäbe und steckte ihn hinein.

Vor meinen Augen erschien ein Menü, aus dem ich wählen konnte, wo und auf welcher Qualitätsstufe ich in die Simulation einsteigen wollte. Ich akzeptierte die Voreinstellungen und fing irgendwo an. Meine Entscheidungen übermittelte ich mit Handbewegungen. Der Cyber-Helm erzeugte ein schwaches elektrisches Feld, das mein Körper entsprechend modifizierte, sodass das System alle weit ausholenden Gesten interpretieren konnte.

Vadims Kabine verschwand in einem grauen Nebel, statisches Rauschen erfüllte meine Ohren. Dann dämpfte sich das Geräusch, und es wurde so still, wie es auf dem Shuttleboot noch nie gewesen war. Das Grau lichtete sich, Formen und Farben lösten sich gespenstergleich aus dem Nebel.

Ich stand auf einer Lichtung im Dschungel und schoss auf feindliche Soldaten.

Mein nackter Oberkörper war selbst für einen Soldaten übertrieben muskulös. In einer Hand hielt ich ein Teilchenstrahlgewehr, ein älteres Modell, mit der anderen ein kleineres Maschinengewehr für Projektilmunition. Ich hatte solche Waffen selbst schon benutzt und wusste, dass es völlig unmöglich war, einhändig damit zu schießen, erst recht, wenn man sie fast auf Armeslänge von sich ab hielt. Doch beide Waffen feuerten, was das Zeug hielt, auf einen endlosen Strom feindlicher Soldaten, denen es offenbar großen Spaß machte, schreiend aus dem Gebüsch zu stürmen und auf mich zuzurennen, obwohl mich jeder Einzelne mit einem gut gezielten Schuss hätte erledigen können, ohne seine Deckung zu verlassen. Auch ich schrie. Vielleicht, weil es so anstrengend war, die beiden Waffen zu halten.

So lächerlich es war, ich zweifelte nicht daran, dass es für diese Machwerke einen Markt gab. Schließlich konnte man sie sogar auf Sky’s Edge absetzen — und wir hatten einen richtigen Krieg.

Ich steckte den nächsten Stab in die Buchse.

Diesmal saß ich in einem offenen einsitzigen Wheeler und raste über eine weite Schlammfläche. Auf beiden Seiten versuchten mich etwa ein Dutzend anderer Wheeler zu überholen. Diesmal hatte ich auf Interaktion geschaltet, ich konnte also den Wheeler steuern und die Turbinenleistung nach Belieben hoch und wieder herunter fahren. Ich ließ die Simulation ein paar Minuten laufen und hielt mich an der Spitze der Meute, bis ich mich beim Umfahren einer Sandbank gründlich verschätzte und die Kontrolle verlor. Ein anderer Wagen krachte in mich hinein, ich starb eines schmerzlosen Todes, dann war ich wieder am Start und ließ die Turbine aufheulen. Wie sich dieses Empirikum verkaufen würde, war schwer zu sagen. Vielleicht riss man es mir als besonders originelles Produkt von Sky’s Edge aus den Händen, vielleicht fand man es auch hoffnungslos veraltet.

Ich sah mir auch die vier restlichen Stäbe noch an, aber sie waren nicht weniger enttäuschend. Zwei zeigten fiktive Episoden aus der Vergangenheit meines Planeten: ein Melodram über Sky Haussmanns Leben auf der Santiago — wahrhaftig das Letzte, worauf ich scharf war —, das andere eine Liebesgeschichte aus der Zeit, als man Sky Haussmann gefangen genommen, vor Gericht gestellt und hingerichtet hatte, wobei Sky selbst nur eine Statistenrolle spielte. Die beiden anderen waren Abenteuergeschichten und erzählten unter anderem von der Schlangenjagd, aber der Drehbuchautor war mit der Biologie der Hamadryaden nur sehr oberflächlich vertraut gewesen.

Ich hatte mehr erwartet: eine relevante Botschaft aus meiner Vergangenheit vielleicht. Seit ich in Idlewild aufgewacht war, hatte ich große Teile meines Gedächtnisses wiedergefunden, doch einige Abschnitte meines früheren Lebens waren immer noch verschwommen und wollten einfach nicht deutlicher werden. Ich hätte mit diesen Lücken leben können, wenn ich Reivich auf vertrautem Boden verfolgt hätte, aber ich wusste ja nicht einmal genau über die Stadt Bescheid, in der ich ihn suchen sollte.

Ich griff nach den Empirika, die ich Vadim abgenommen hatte. Die Stäbe waren bis auf ein winziges Silbermotiv unterhalb der Spitze unmarkiert. Über mich selbst würde ich von ihnen nichts erfahren, aber vielleicht konnten sie mir etwas darüber verraten, wie man sich in Chasm City die Zeit vertrieb. Ich schob eines davon in die Buchse.

Es war ein Fehler.

Ich hatte Pornographie oder brutale Gewaltorgien erwartet — irgendetwas aus den Grenzbereichen menschlicher Erfahrung, aber doch noch als menschlich erkennbar. Doch was ich erlebte, war so fremd, dass ich zunächst gar keine Worte dafür fand. Ich hatte schon den Verdacht, es gäbe womöglich Kompatibilitätsprobleme zwischen dem Empirikum und dem Cyber-Helm, sodass die falschen Zonen meines Gehirns stimuliert würden. Aber sowohl der Helm wie die Stäbe stammten aus einer Quelle: Vadims Kabine.

Es war alles so, wie es sein sollte.

Ein dunkles, feuchtes, schmutziges Loch. Eine Enge, die mich zu erdrücken drohte — der Eindruck war so lebendig, als würde mir das Gehirn langsam im Schädel zerquetscht. Mein Körper war mir unbekannt: langgestreckt, ohne Gliedmaßen, fahl und weich und unglaublich verletzlich. Ich hatte keine Ahnung, wie diese Gefühle erzeugt wurden, es sei denn, das Ding stimulierte einen uralten Bereich des Gehirns, der die Erinnerung daran bewahrt hatte, wie es war, wenn man sich nicht gehend, sondern kriechend oder schwimmend fortbewegte. Dabei war ich nicht wirklich allein, und die Dunkelheit war nicht so absolut, wie es mir anfangs vorgekommen war. Mein Körper befand sich in einem warmen, feuchten Bau an einem Ort, der mit unzähligen schwarzen Gängen und Höhlen durchsetzt war. Und außer mir gab es noch andere längliche Geschöpfe mit fahler Haut. Ich konnte sie nicht sehen — sie mussten sich in benachbarten Zellen befinden —, aber ich schmeckte ihre Nähe, schlürfte die chemische Suppe ihrer Emotionen und Gedanken. In gewissem Sinne waren sie mit mir eins, Avatare, die sich von mir abgespalten hatten. Wenn ich es wollte, verfielen sie in zuckende Bewegungen, und was sie spürten, das spürte auch ich.

Die Enge war unerträglich bedrückend, aber sie war auch beruhigend. Hinter dem harten Felsgestein, in dem wir gefangen waren, drohte eine absolute Leere, an die ich nicht einmal zu denken wagte. Ein Nichts, das schlimmer war als die Enge, und noch dadurch schlimmer wurde, dass es nicht völlig leer war; dass es schreckliche, stumme und unendlich geduldige Feinde enthielt.

Die immer näher kamen.

Die Angst packte mich mit solcher Macht, dass ich mir schreiend den Helm vom Kopf riss. Sekundenlang schwebte ich schwer atmend durch Vadims Kabine. Ich überlegte, was ich eben erlebt hatte. Die ungeheure Klaustrophobie, verbunden mit einer noch schlimmeren Agoraphobie, verfolgte mich wie der Nachhall einer ohrenbetäubenden Glocke.

Mit zitternden Händen — allmählich gewann ich die Kontrolle über mich zurück — zog ich das Empirikum aus der Buchse und sah es mir genauer an. Diesmal achtete ich besonders auf das kleine Motiv unterhalb der Spitze.

Es hatte verdammte Ähnlichkeit mit einer Made.

Ich beobachtete durch das Fenster in Vadims Kabine, wie wir auf den Rostgürtel zuflogen.

Inzwischen wusste ich etwas genauer, was ich zu erwarten hatte. Kurz nachdem ich das Empirikum getestet hatte, das mich so aus dem Gleichgewicht brachte — ja, noch bevor ich mich seinem Einfluss vollends entziehen konnte —, hatte die Konsole mit einem Klingelzeichen gemeldet, dass die Antwort auf meine Anfrage eingetroffen war. Ich war überrascht; nach meinen Erfahrungen wurden solche Dinge entweder sofort oder gar nicht erledigt. Die Verzögerung bewies, in welch verheerendem Zustand sich die Datennetzwerke des Systems befinden mussten.

Wie sich herausstellte, war die Antwort kein persönliches Schreiben, sondern ein Standarddokument. Irgendein Automat hatte wohl entschieden, dass es die meisten meiner Fragen beantworten konnte; und wie sich herausstellte, traf das so weit auch zu.

Ich begann zu lesen.


Lieber Besucher,

Willkommen im Epsilon Eridani-System.

Trotz allem, was geschehen ist, wünschen wir Ihnen einen angenehmen Aufenthalt hier bei uns. Die vorliegenden Informationen wurden zusammengestellt, um Ihnen in groben Zügen die wichtigsten Ereignisse in unserer jüngsten Geschichte zu erklären. Das Dokument möchte Ihnen den Eintritt in eine Kultur erleichtern, die sich wohl deutlich von dem unterscheidet, was Sie bei Ihrer Abreise erwartet hatten. Dazu sollten Sie bedenken, dass Sie nicht als Erster zu uns kommen…


Es war ein langer Text, aber ich überflog ihn rasch bis zum Ende. Dann las ich ihn ein zweites Mal gründlicher durch und prägte mir die Punkte ein, die mir bei meiner Jagd auf Reivich nützlich sein konnten. Was die Ausmaße der Verwüstungen durch die Seuche anging, so war ich bereits vorgewarnt, deshalb schockierten mich die Enthüllungen vielleicht nicht ganz so sehr wie jemanden, der frisch aus dem Kälteschlaftank kam. Dennoch fand ich es erschreckend, alles mit derart eisiger Gleichgültigkeit zergliedert zu bekommen, und ich konnte mir gut vorstellen, wie erschüttert ein Besucher sein musste, der nicht nach Yellowstone gekommen war, um Blutrache zu üben, sondern um ein Vermögen zu machen. Die Eisbettler hatten es geflissentlich vermieden, ihre Matschraupen zu früh mit dieser Nachricht zu konfrontieren. Wäre ich noch etwas länger auf Idlewild geblieben, dann hätten sie sicher begonnen, mich schonend darauf vorzubereiten. Aber vielleicht verwendete das Dokument die richtige Strategie: mit manchen Wahrheiten setzte man sich am besten möglichst schnell auseinander, so sehr sie einem auch zuwider sein mochten.

Ich fragte mich, wie lange ich brauchen würde, um mich an den neuen Zustand zu gewöhnen. Oder war ich gar einer von den ›ganz wenigen Ausnahmen‹, die sich niemals restlos damit abfinden konnten?

Vielleicht, dachte ich, waren das die eigentlich Normalen.

Durch das Fenster sah ich, wie die größeren Habitats des Rostgürtels aus verschwommenen Flecken zu scharf umrissenen Gebilden wurden, und versuchte mir vorzustellen, wie das alles wohl vor sieben Jahren ausgesehen haben mochte, in den letzten Tagen vor der Seuche.

Damals hatte das Glitzerband aus zehntausend Habitats bestanden, so farbenprächtig und vielfältig wie die Steine eines Kronleuchters. Jedes unterschied sich von seinen Nachbarn durch irgendeine ausgefallene architektonische Verzierung, für die man sich weniger aus baulichen denn aus ästhetischen und nicht zuletzt aus Prestigegründen entschieden hatte. Die imposanten Riesenkonstruktionen hatten Yellowstone im niederen Orbit so dicht hintereinander umkreist, dass sie sich fast berührten, aber mit kleinen Korrekturschüben stets den Höflichkeitsabstand vom Vorder- wie vom Hintermann gewahrt. Auf den schmalen Bahnen dazwischen bewegte sich ein endloser Strom von Handelsschiffen, sodass die Habitats aus einiger Entfernung wie von flimmernden Lichterketten umsponnen schienen. Ein in stetem Wandel begriffenes System von Freund- und Feindschaften bestimmte, ob die Stationen über breite Laserlichtbahnen quantenverschlüsselte Botschaften austauschten oder sich in verstocktes Schweigen hüllten. Letzteres war keineswegs ungewöhnlich, denn auch diese Demarchisten-Gesellschaft, an sich ein vorbildlicher Zusammenschluss von Gleichgesinnten, war nicht frei von inneren Spannungen.

Zehntausend Raumstationen beherbergten alle Spielarten der Menschheit: alle Fachgebiete, alle Ideologien, alle Perversionen. Bei den Demarchisten war alles erlaubt, sogar Experimente mit politischen Modellen, die gegen das zugrundeliegende Paradigma einer absolut hierarchiefreien Demokratie aufbegehrten, wurden toleriert, ja sogar ausdrücklich begrüßt, so lange es Experimente blieben. Nur die Entwicklung von Rüstungsgütern und das Horten von Waffen waren verboten, ausgenommen für künstlerische Zwecke. Hier im Glitzerband hatte auch die berühmteste Sippe des ganzen Systems, die Familie Sylveste, einen großen Teil der Forschungen betrieben, die sie schließlich so berühmt machen sollten. Im Band hatte Calvin Sylveste die ersten Neural-Downloads seit dem Transrationalismus gewagt. Hier hatte Dan Sylveste alle Informationen über die Schleierweber zusammengetragen; ein Projekt, das irgendwann in jener schicksalhaften Expedition zu Lascailles Schleier gipfelte.

Doch das war alles längst vergangen. Die Geschichte war über die Glanzzeit des Glitzerbandes hinweggegangen. Geblieben war… dies.

Das Glitzerband war von der Schmelzseuche viel länger verschont geblieben als Chasm City, denn für die meisten Habitats galt bereits eine strenge Quarantäneregelung. Manche waren völlig autark und so hermetisch abgeriegelt, dass sie ohnehin seit Jahrzehnten niemand betreten hatte.

Aber letztlich waren auch sie nicht gegen die Seuche gefeit.

Eine einzige Station, die ihr zum Opfer fiel, genügte. Die meisten Bewohner starben binnen weniger Tage, und die meisten selbst replizierenden Systeme spielten auf eine so heimtückische Weise verrückt, als hätte es das Virus gezielt auf sie abgesehen. Das Ökosystem brach irreparabel zusammen. Das Habitat trieb unkontrolliert wie eine abgebrochene Eisscholle aus seiner Nische im Orbit. Normalerweise wäre das Risiko einer Kollision nur sehr gering gewesen… aber das Glitzerband war zu diesem Zeitpunkt bereits so überfüllt, dass es ständig am Rand einer Katastrophe stand.

Die erste Regel für Kollisionen zweier Körper im Orbit lautete, dass sie wahrhaft selten waren… bis es einmal passierte. Dann spritzten die Trümmer nach allen Richtungen auseinander, und die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Zusammenpralls erhöhte sich deutlich. Die nächste Kollision ließ nicht mehr so lange auf sich warten. Sie vermehrte die Zahl der Trümmer noch weiter… und damit waren weitere Katastrophen so gut wie vorprogrammiert…

Binnen weniger Wochen hatte der Weltraumschutt die meisten Habitats im Glitzerband durchsiebt… und wo die Fragmente allein noch nicht genügten, um alle Bewohner zu töten, brachten sie oft Spuren der Seuche mit, die von der ersten befallenen Station stammten. Nun kreisten die leeren Rümpfe schwarz und leblos wie Treibholz um den Planeten. Am Ende des Jahres waren kaum zweihundert Habitats verschont geblieben: hauptsächlich die ältesten und robustesten Konstruktionen, die mit Stein und Eis gegen die Strahlungsstürme abgeschirmt waren und sich mit Batterien von Lasern zur Kollisionsabwehr, die überall auf der Oberfläche angebracht waren, die größten Brocken vom Leib gehalten hatten.

Das war sechs Jahre her. Seitdem, so hatte mir Quirrenbach erzählt, hatte man den Rostgürtel stabilisiert, die meisten gefährlichen Trümmer eingefangen, zu großen Klumpen verdichtet und ins brodelnde Antlitz von Epsilon Eridani geschleudert. Damit hatte man zumindest verhindert, dass sich der Gürtel weiter auflöste. Die meisten Rümpfe hielt man auf Kurs, indem man ihnen immer wieder einen Schubs mit einem Robotschlepper versetzte. Nur eine Handvoll waren mit Erfolg neu belüftet und besiedelt worden, obwohl natürlich alle möglichen Gerüchte über zwielichtige Gruppen kursierten, die sich zwischen den Trümmern eingenistet haben sollten.

Soviel hatte ich aus den Datennetzen erfahren. Dennoch war ich erschüttert, als ich die Ruinen zum ersten Mal mit eigenen Augen sah. Yellowstone, ein ockerfarbenes Ungetüm, das den halben Himmel verdeckte, war keine blasse, zweidimensionale Scheibe vor den Sternen mehr, sondern eine Welt wie die, die ich verlassen hatte. Als die Strelnikov auf die Station zuschoss, an der sie andocken sollte, sah ich die Schatten anderer verwüsteter Rümpfe vor Yellowstones Oberfläche vorbeiziehen. Knorrige Gebilde, ausgeweidet, mit Dellen und Kratern übersät, die von gewaltigen Kollisionen zeugten. Immer wieder hielt ich mir die Zahl der Toten vor Augen, die dieser Rostgürtel repräsentierte: zwar hatte man sich bemüht, möglichst viele Habitats zu evakuieren, bevor sie getroffen wurden, aber es war sicher nicht einfach gewesen, so kurzfristig eine Million Menschen abzutransportieren.

Unsere Station hatte die Form einer fetten Zigarre und rotierte wie Idlewild um ihre Längsachse, um damit Schwerkraft zu erzeugen. Ihr Name war, wie ich von Schwester Amelia wusste, Karussell New Vancouver. Ihr Eispanzer war vorwiegend schmutzig grau, nur vereinzelt hoben sich glänzende Stellen ab, vermutlich Einschläge, die erst kürzlich ausgebessert worden waren. Der Zylinder rotierte lautlos und stieß dabei ein Dutzend Dampfsäulen aus, die sich wölbten wie die Arme einer Spiralgalaxis. Ganz hinten hing ein riesiges Raumschiff, es hatte die Form eines Manta-Rochens mit Dutzenden von winzigen Fensterchen an den Flügelrändern. Doch die Strelnikov schwenkte auf eine Spitze der Zigarre zu. Dort öffnete sich ein dreieckiges Maul und nahm uns auf. Wir schwebten in einen Raum, über dessen Wände sich ein unübersichtliches Gewirr von Rohren und Treibstofftanks zog. In einzelnen Parkbuchten hatten bereits andere Shuttles festgemacht: zwei schnittige flaschengrüne Atmosphärekutter, geformt wie Pfeilspitzen, und zwei Schiffe, die wie Geschwister unseres Shuttleboots aussahen: stumpfnasig, eckig, mit freiliegenden Triebwerkskomponenten. Auf allen Schiffen tummelten sich, durch Nabelschnüre mit dem Rumpf verbunden, Gestalten in Raumanzügen und mit Werkzeugkästen in den Händen. Ich sah einige Roboter, die mit Reparaturen beschäftigt waren, doch die meisten Arbeiten wurden von Menschen oder biotechnisch veränderten Tieren ausgeführt.

Mir fiel plötzlich ein, welche Bedenken mich einst im Hinblick auf dieses System beschäftigt hatten. Ich hatte mich auf eine Kultur eingestellt, die der meinen in so gut wie jeder Beziehung um etliche Jahrhunderte voraus wäre, hatte befürchtet, wie ein dummer Bauer durch eine Welt voller Wunder zu stolpern. Doch diese Szene hätte durchaus aus der Vergangenheit meiner eigenen Welt stammen können… sogar aus der Zeit, als die Flottille gestartet war.

Wir dockten mit einem spürbaren Ruck an. Ich sammelte meine Habseligkeiten ein — einschließlich der Dinge, die ich Vadim abgenommen hatte — und arbeitete mich in Richtung Ausgang vor.

»Jetzt heißt es wohl Abschied nehmen«, sagte Quirrenbach, als wir in der Menge darauf warteten, dass New Vancouver uns einließ.

»Ja.« Wenn er sich eine andere Antwort erhofft hatte, musste ich ihn enttäuschen.

»Ich… hm… ich habe noch einmal nach Vadim gesehen.«

»Dieses Stück Dreck kann mir nun wirklich gestohlen bleiben. Wahrscheinlich hätten wir ihn aus der Luftschleuse stoßen sollen, als das noch möglich war.« Ich rang mir ein Lächeln ab. »Trotzdem, er gehört tatsächlich zum hiesigen Lokalkolorit, und ich möchte niemanden um diese einmalige kulturelle Erfahrung bringen.«

»Bleiben Sie länger hier? Auf NV, meine ich?«

Ich begriff nicht sofort, dass er von Neu; Vancouver sprach.

»Nein.«

»Dann nehmen Sie wohl den ersten Koloss zur Oberfläche hinunter?«

»Höchstwahrscheinlich.« Ich beobachtete über seine Schulter hinweg, wie sich die Menge durch den Ausgang schob. Durch ein Fenster sah ich, wie ein Teil der Rumpfverkleidung der Strelnikov, der sich beim Andocken gelöst hatte, an seinen Platz zurückgeschoben und mit Epoxidkleber befestigt wurde.

»Ja; möglichst schnell nach unten; das ist auch meine Absicht.« Quirrenbach klopfte auf die Reisetasche, die er wie einen Wappenschild an seine Brust drückte. »Je früher ich mit der Arbeit an meiner Seuchensymphonie beginnen kann, desto besser.«

»Es wird sicher ein rauschender Erfolg.«

»Danke. Und Sie? Ich will ja nicht neugierig sein, aber haben Sie schon feste Pläne, wenn Sie unten ankommen?«

»Den einen oder anderen.«

Er hätte sicher noch weiter gebohrt — ohne etwas zu erreichen —, doch in diesem Augenblick lichtete sich die Menge vor uns ein wenig, eine Gasse tat sich auf, und ich drängte mich hinein. Augenblicke später war ich für Quirrenbach unerreichbar geworden.

Von innen hatte New Vancouver keinerlei Ähnlichkeit mit dem Hospiz Idlewild. Es gab keine künstliche Sonne und keinen einzelnen belüfteten Raum. Die ganze Station glich einer Bienenwabe, vollgepfropft mit kleinen, in sich abgeschlossenen Zellen, die so eng zusammengedrängt waren wie die Bauteile eines antiken Radios. Ich hielt es fast für ausgeschlossen, dass Reivich sich noch in der Station aufhielt. Es gab mindestens drei Flüge nach Chasm City pro Tag, und ich war ziemlich sicher, dass er die erste verfügbare Maschine genommen hatte.

Dennoch hielt ich die Augen offen.

Amelias Schätzung war richtig gewesen: das Stoner-Geld, das ich bei mir hatte, reichte gerade für den Flug nach Chasm City. Die Hälfte hatte ich bereits für die Strelnikov bezahlt; der Rest deckte mit Mühe und Not die letzte Etappe ab. Natürlich hatte ich auch in Vadims Kabine einiges eingesackt, doch als ich mir die Beute nun genauer ansah, stellte ich fest, dass es nicht mehr war, als mir aus meiner eigenen Kasse übrig blieb. Seine Opfer, offensichtlich lauter Neuankömmlinge, hatten nicht viel einheimisches Geld bei sich getragen.

Ich sah auf die Uhr.

Vadims Uhr hatte konzentrische Zifferblätter für den sechsundzwanzigstündigen Yellowstone-Tag und den Vierundzwanzig-Stunden-Tag im System. Ich hatte bis zum Start noch zwei Stunden Zeit. Zunächst wollte ich nur in NV herumlaufen und mich nach einheimischen Informationsquellen umsehen, aber ich stellte rasch fest, dass große Bereiche der Station für Leute, die mit einem so bescheidenen Vehikel wie der Strelnikov hier ankamen, nicht zugänglich waren. ›Renner‹-Passagiere wurden durch Panzerglaswände vor uns, dem Pöbel, geschützt. Ich suchte mir einen Platz, wo ich mich hinsetzen und eine Tasse miserablen Kaffee trinken konnte (ein Produkt, das offenbar im ganzen Universum zu haben war) und beobachtete, wie die beiden Menschheitsströme nebeneinander her flossen, ohne sich zu vermischen. Ich saß an einer schäbigen Durchgangsstraße, wo sich Tische und Stühle den spärlichen Platz mit meterdicken Industrierohren teilen mussten, die wie Hamadryadenbäume vom Boden bis zur Decke reichten. Von den Hauptarterien zweigten kleinere Rohre ab und schlängelten sich durch die Luft wie rostige Gedärme. Alle Rohre pulsierten in einer Weise, die mich beunruhigte, als könnten das dünne Metall und die krümeligen Nieten die gewaltigen Drücke nur mit Mühe halten. Um die Leitungen waren Blätterranken gewunden, ein eher halbherziger Versuch, die Umgebung etwas ansprechender zu gestalten.

Nicht jeder, der durch diesen Teil des Schiffes schlurfte, sah arm aus, aber fast jeder sah so aus, als wäre er lieber anderswo. Ich erkannte ein paar Gesichter wieder, die ich auf dem Shuttleboot gesehen hatte, und vielleicht ein oder zwei Leute vom Hospiz Idlewild, aber der Mehrheit der Besucher war ich mit Sicherheit noch nie begegnet. Vermutlich kamen sie auch nicht alle von außerhalb. Wahrscheinlich war NV auch eine Durchgangsstation für Reisen innerhalb des Epsilon Eridani-Systems. Sogar ein paar Ultras stolzierten umher und trugen ihre chimärischen Veränderungen zur Schau, aber von dieser Sorte gab es auf der anderen Seite der Glaswand ebenso viele.

Mit Ultras hatte ich schon früher zu tun gehabt: ich erinnerte mich an Captain Orcagna und seine Crew an Bord der Orvieto; an die Frau mit dem Loch im Unterleib, die uns in Empfang genommen hatte. Wenn ich mir überlegte, wie genau Reivich über unseren Hinterhalt Bescheid gewusst hatte, dann drängte sich unwillkürlich die Frage auf, ob wir — letzten Endes — nicht alle von Orcagna verraten worden waren. Vielleicht hatte der Ultra-Captain sogar dafür gesorgt, dass ich durch meine Reanimations-Amnesie an Reivichs Verfolgung gehindert wurde.

Vielleicht litt ich auch nur unter Verfolgungswahn.

Hinter der Glaswand bewegten sich noch seltsamere Gebilde als die schwarz gekleideten Cyborg-Gespenster von den Lichtschiffen: eine Art aufrechter Kästen, die mit unheimlicher Wendigkeit durch die Menge glitten. Niemand schien sie zu beachten — fast als wären sie gar nicht vorhanden —, aber jeder machte ihnen bereitwillig Platz. Ich beobachtete die Kästen, während ich meinen Kaffee trank. Einige hatten plumpe mechanische Arme an der Vorderseite — die meisten allerdings nicht — und fast alle waren vorne mit dunklen Fenstern versehen.

»Das müssen Palankine sein.«

Ich erkannte Quirrenbachs Stimme und seufzte. Er ließ sich auf dem Stuhl neben mir nieder.

»Gut. Schon fertig mit Ihrer Symphonie?«

Er überhörte die Spitze bemerkenswert routiniert. »Von diesen Palankinen hatte man mir berichtet. Die Leute im Inneren werden Hermetiker genannt. Es sind diejenigen, die ihre Implantate behalten haben und auch nicht darauf verzichten wollen. Ein solcher Kasten ist wie ein wandelnder Mikrokosmos. Glauben Sie eigentlich, dass die Ansteckungsgefahr immer noch so groß ist?«

Ich stellte meine Kaffeetasse ab. »Woher soll ich das wissen?«, fragte ich unwirsch.

»Verzeihung, Tanner… ich wollte mich doch nur mit Ihnen unterhalten.« Er warf einen empörten Blick auf die leeren Sitze ringsum. »Es ist ja nicht gerade so, als hätten Sie zu viel Gesellschaft!«

»Vielleicht bin ich darauf auch gar nicht so versessen.«

»Ach, kommen Sie.« Er schnalzte mit den Fingern und rief damit den schmuddeligen Kaffee-Servomaten an unseren Tisch. »Wir sitzen doch im selben Boot, Tanner. Ich verspreche Ihnen, Sie nicht mehr zu belästigen, sobald wir in Chasm City sind, aber könnten Sie sich bis dahin denn nicht überwinden, ein klein wenig freundlicher zu sein? Wer weiß, vielleicht sind Sie noch einmal froh um meine Hilfe. Ich kenne mich hier zwar nicht sehr gut aus, aber offenbar doch ein wenig besser als Sie.«

»Ein klein wenig.«

Er ließ sich von der Maschine einen Kaffee servieren und bot mir an, meine Tasse nachfüllen zu lassen. Ich lehnte ab, aber es klang hoffentlich einigermaßen höflich.

»Mein Gott, wie abscheulich«, sagte er nach dem ersten Schluck.

»Wenigstens darüber sind wir uns einig.« Ich wagte einen kleinen Scherz. »Jedenfalls weiß ich jetzt, was in diesen Rohren sein könnte.«

»Welche Rohre?« Quirrenbach sah sich um. »Ach so. Nein; das sind Dampfrohre, Tanner. Und sie sind sehr wichtig.«

»Dampf?«

»NV verwendet sein eigenes Eis zur Kühlung. Das hat mir jemand auf der Strelnikov erzählt: das Eis wird in Breiform von der Außenhülle abgepumpt und dann durch die ganze Station oder vielmehr durch die Gassen zwischen den großen Wohnbereichen geleitet — dies hier ist eine solche Gasse. Dabei nimmt der Brei die überschüssige Wärme auf, schmilzt allmählich und fängt schließlich an zu kochen. Wenn alle Rohre mit überhitztem Dampf gefüllt sind, bläst man ihn ins All zurück.«

Ich dachte an die Geysire, die ich beim Anflug auf der Oberfläche von NV gesehen hatte.

»Das ist aber eine ziemliche Verschwendung.«

»Man hat nicht immer mit Eis gekühlt. Früher hatte man riesige Radiatoren, wie hundert Meter breite Schmetterlingsflügel. Aber die gingen verloren, als sich das Glitzerband auflöste. Das Eis ist nur eine Notlösung. Jetzt braucht man ständig Nachschub, sonst verwandelt sich das ganze Habitat in einen Backofen. Man holt das Eis von Marcos Auge, dem hiesigen Mond. An seinen Polen gibt es Krater, die ständig im Schatten liegen. Man hätte auch Methan-Eis von Yellowstone verwenden können, aber es gibt bisher keine Möglichkeit, es billig genug hier herauf zu schaffen.«

»Sie wissen eine ganze Menge.«

Er strahlte und klopfte auf die Reisetasche, die er auf dem Schoß hielt. »Details, Tanner. Details. Wenn man eine Symphonie über eine Welt schreiben will, muss man sie sehr genau kennen. Ich habe bereits gewisse Vorstellungen für den ersten Satz. Anfangs sehr getragen, melancholisch, Holzbläser, und dann ganz allmählich der Übergang in einen stärkeren, kraftvolleren Rhythmus.« Er zeichnete mit dem Finger eine unsichtbare Landschaft in die Luft. »Adagio — allegro energico. Das wäre dann die Zerstörung des Glitzerbandes. Eigentlich finde ich, es hätte fast eine eigene Symphonie ganz für sich allein verdient… was halten Sie davon?«

»Ich weiß nicht, Quirrenbach. Musik ist nicht gerade meine Stärke.«

»Aber Sie sind doch ein gebildeter Mensch? Sie gehen sehr sparsam mit Worten um, aber man spürt, dass eine ganze Menge dahintersteckt. Wer sagte doch noch, der Weise spricht, wenn er etwas zu sagen hat, der Narr dagegen redet, weil er nicht anders kann?«

»Ich weiß es nicht, aber ich war vermutlich noch nie ein großer Redner.«

Ich warf einen Blick auf meine Uhr — ich betrachtete sie inzwischen als mein Eigentum — und wünschte, die grünen Steine würden auf der Stelle die richtige Position für den Abflugtermin einnehmen. Sie hatten ihre Stellung nicht merklich verändert, seit ich das letzte Mal nachgesehen hatte.

»Was haben Sie auf Sky’s Edge gemacht, Tanner?«

»Ich war Soldat.«

»Aber das ist doch eigentlich nichts Ungewöhnliches?«

Nur aus Langeweile — und weil ich wusste, dass ich damit keinen Schaden anrichten konnte — gab ich ihm eine ausführliche Antwort. »Der Krieg hatte sich in unser Leben gedrängt. Man konnte sich nicht vor ihm verstecken. Nicht einmal da, wo ich geboren wurde.«

»Und wo war das?«

»Nueva Iquique. Eine verschlafene Küstenstadt weit weg von den großen Schlachtfeldern. Aber jeder kannte jemanden, der von der gegnerischen Seite getötet worden war. Jeder hatte zumindest theoretisch einen Grund, den Feind zu hassen.«

»Haben Sie ihn gehasst?«

»Eigentlich nicht. Die Propaganda legte es darauf an, Hass zu erzeugen — aber wenn man genauer darüber nachdachte, wurde einem sofort klar, dass die andere Seite ihren Leuten wohl mehr oder weniger die gleichen Lügen über uns erzählte. Natürlich war sicher auch manches davon wahr. Andererseits brauchte man nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, dass auch wir die eine oder andere Gräueltat begangen hatten.«

»Geht dieser Krieg wirklich auf die Ereignisse innerhalb der Flottille zurück?«

»Letzten Endes ja.«

»Dann ist es weniger ein ideologischer Kampf als ein Kampf um Territorien, ist das richtig?«

»Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Das ist alles schon so lange her, Quirrenbach.«

»Was wissen Sie über Sky Haussmann? Wie ich höre, gibt es auf Ihrem Planeten immer noch Leute, die ihn verehren.«

»Über Sky Haussmann könnte ich Ihnen tatsächlich so manches erzählen.«

Quirrenbach horchte auf. Ich sah förmlich, wie er sich im Geist Notizen für eine neue Symphonie machte. »Sie meinen, das wäre in Ihrer Kultur Bestandteil der Erziehung?«

»Nicht unbedingt, nein.« Ich wusste, dass ich mir nichts vergeben würde, deshalb zeigte ich Quirrenbach die Wunde auf meiner Handfläche. »Das ist ein Stigma. Es bedeutet, die Kirche Skys hat mich erwischt. Ich wurde mit einem Indoktrinationsvirus infiziert. Nun träume ich von Sky Haussmann, auch wenn ich davon alles andere als begeistert bin. Ich habe nicht darum gebeten, und es wird eine Weile dauern, bis mein Organismus das Virus wieder ausgeschieden hat. Bis dahin muss ich mit dem Bastard leben. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, kriege ich eine Portion von Skys Leben verpasst.«

»Das ist ja schrecklich«, sagte er und bemühte sich, wenn auch vergeblich, seine Faszination zu verbergen. »Aber wenn Sie wach sind, sind Sie vermutlich halbwegs…«

»Normal? Ja, durchaus.«

»Ich würde gern mehr über ihn erfahren«, sagte Quirrenbach. »Oder macht es Ihnen etwas aus, darüber zu reden?«

Unweit von uns quoll mit schrillem Pfeifen glühend heißer Dampf aus einem der Elefantenrohre.

»Ich glaube nicht, dass wir noch sehr lange beisammen sein werden.«

Er fiel wie aus allen Wolken. »Wirklich?«

»Es tut mir Leid, Quirrenbach — aber ich arbeite am liebsten allein.« Ich suchte nach einem Weg, um die Abfuhr etwas zu mildern. »Und Sie brauchen doch sicher auch Ruhe, um an Ihren Symphonien zu arbeiten…«

»Schon, natürlich — später. Aber gerade jetzt? Wir haben im Moment viel zu verkraften, Tanner. Die Seuche macht mir immer noch Sorgen. Glauben Sie wirklich, dass wir hier in Gefahr sind?«

»Es heißt, Spuren des Virus wären nach wie vor im Umlauf. Haben Sie Implantate, Quirrenbach?« Er sah mich verständnislos an, also fuhr ich fort: »Schwester Amelia — die Frau, die mich im Hospiz betreute — sagte mir, man würde dort manchmal den Einwanderern die Implantate entfernen, aber was sie damit meinte, verstehe ich erst jetzt.«

»Verdammt«, sagte er. »Ich hätte sie mir im parkenden Schwarm herausnehmen lassen sollen. Ich wusste es doch. Aber ich habe gezögert — die Leute, die sich dazu bereit erklärten, waren mir nicht recht geheuer. Und jetzt muss ich mir in Chasm City irgendeinen blutigen Schlächter suchen.«

»Es gibt sicher genügend Leute, die Ihnen dabei gern behilflich sind. Wie es der Zufall will, hätte ich genau mit denen auch ein Wörtchen zu reden.«

Der kleine, untersetzte Mann kratzte sich den Kopf mit den kurzen Stoppeln. »Ach, Sie auch? Dann wäre es ja wirklich sinnvoll, gemeinsam zu reisen!«

Ich wollte gerade antworten — irgendetwas, nur um ihn loszuwerden —, als sich ein Arm um meine Kehle legte.

Ich wurde rückwärts vom Stuhl gerissen und schlug schmerzhaft auf dem Boden auf. Wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm entwich die Luft aus meinen Lungen. Ich war einer Ohnmacht nahe und so außer Atem, dass ich mich kaum bewegen konnte, obwohl jede Faser meines Körpers schrie, ich solle flüchten.

Doch da beugte sich Vadim schon über mich und setzte mir das Knie auf die Brust.

»Hast nicht errwarrtet, Vadim wiederrzusehen, Meera-Bell? Tut dirr jetzt Leid, dass du Vadim damals nicht töten?«

»Ich habe nicht…« Ich konnte den Satz nicht vollenden, denn ich hatte keine Luft mehr in den Lungen. Vadim betrachtete mit gut gespielter Langeweile seine Fingernägel. Mir wurde allmählich schwarz vor Augen, aber ich bekam noch mit, dass Quirrenbach etwas seitlich von mir stand und eine andere Gestalt ihm die Hände hinter dem Rücken festhielt. Die anderen Passanten sah ich nur verschwommen. Vadims Überfall erregte offenbar keinerlei Aufsehen.

Er verringerte den Druck auf meine Brust. Ich konnte wieder atmen.

»Du hast nicht was?«, fragte Vadim. »Los, sag schon! Ich bin ganz Ohrr.«

»Du kannst froh und dankbar sein, Vadim, dass ich dich nicht getötet habe. Und das weißt du auch genau. Aber ich wollte mir an einem Dreckskerl wie dir die Hände nicht schmutzig machen.«

Er lächelte grausam und drückte mir erneut das Knie gegen den Brustkorb. Ich fing allmählich an, meine Meinung über ihn zu revidieren. Seit ich sah, dass er einen Komplizen hatte — den Mann, der Quirrenbach festhielt —, fand ich die Geschichte von einem größeren Netz von Partnern etwas glaubwürdiger.

»Drrreckskerl, wie? Aber du warrrst dirrr nicht zu gut dafür, meine Uhr abzustauben, du elender kleiner Dieb.« Er fummelte so lange an dem Armband herum, bis er mir die Uhr mit triumphierendem Grinsen abnehmen konnte. Dann hielt er sie sich so dicht vor die Augen wie ein Uhrmacher, der die Bewegung eines winzigen Rädchens studierte. »Hoffentlich hast du mir keine Kratzer…«

»Du kannst sie gern zurückhaben. Sie passt sowieso nicht zu mir.«

Vadim streifte sich die Uhr über das Handgelenk, drehte sie hin und her und bewunderte sie wie einen wiedergefundenen Schatz. »Gut. Hast du sonst noch was zu sagen?«

»Etwas schon.«

Ich hatte nicht versucht, ihn wegzustoßen, deshalb hatte er nicht auf meinen zweiten Arm geachtet. Dabei hatte ich die Hand in die Tasche gesteckt, als ich vom Stuhl fiel, und sie seither nicht wieder herausgenommen. Vadim mochte gewisse Kontakte haben, aber er war seit unserem Gerangel auf dem Shuttleboot ganz sicher nicht zum Profi geworden.

Jetzt zog ich die Hand heraus, so schnell und fließend wie eine zustoßende Hamadryade. Darauf war Vadim nicht vorbereitet.

In der Faust hielt ich eins von seinen schwarzen Empirika. Er spielte perfekt mit — als sich mein Arm nach oben bewegte, drehte er um eine Winzigkeit den Kopf, gerade so weit, dass das mir zugewandte Auge in Reichweite kam. Das Auge war vor Überraschung weit aufgerissen und bot ein leichtes Ziel. Es war fast, als wollte er mir bei meinem Vorhaben behilflich sein.

Ich stieß ihm den schwarzen Stab ins Auge.

Ich weiß noch, dass ich mich fragte, ob das eine Auge in Wirklichkeit nicht aus Glas wäre, doch als die weiße Spitze des Empirikums eindrang, wusste ich, dass es nur glasig ausgesehen hatte.

Vadim taumelte schreiend zurück. Aus seinem Auge schoss ein Blutstrahl so rot wie der Sonnenuntergang. Er schlug wie wild um sich, nur um sich nicht ins Gesicht fassen und den Fremdkörper berühren zu müssen, der in seiner Augenhöhle steckte.

»Verdammt!«, sagte der andere Mann. Ich rappelte mich hastig auf. Quirrenbach kämpfte kurz mit ihm, dann war er frei und rannte davon.

Vadim stand über den Tisch gebeugt und stöhnte. Sein Komplize hielt ihn fest und flüsterte ihm aufgeregt etwas ins Ohr. Er meinte wohl, es sei höchste Zeit zu verschwinden.

Ich gab ihm noch eine Botschaft mit auf den Weg.

»Ich weiß, es tut höllisch weh, Vadim, aber du solltest eines wissen. Ich hätte dir das Ding auch ins Gehirn stoßen können. Es hätte mich nicht mehr gekostet. Du verstehst doch, was ich damit sagen will?«

Er war jetzt blind, sein Gesicht war blutüberströmt, aber er drehte sich doch noch einmal nach mir um.

»…was?«

»Das heißt, du stehst zum zweiten Mal in meiner Schuld, Vadim.«

Dann nahm ich ihm vorsichtig die Uhr vom Handgelenk und legte sie wieder an.

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