Zwischenspiel: Schon fast vergessen

Kvothe gab dem Chronisten ein Handzeichen. »Lasst uns an dieser Stelle eine kurze Pause einlegen, ja?« Er sah sich in dem dunklen Schankraum um. »Ich habe mich von der Geschichte etwas zu sehr gefangennehmen lassen. Ich muss noch allerhand erledigen, bevor es noch später wird.«

Der Wirt erhob sich mit steifen Gliedern und streckte sich. Er zündete am Kamin eine Kerze an, setzte damit nacheinander die Lampen im Wirtshaus in Betrieb und drängte so die Dunkelheit nach und nach wieder ein wenig zurück.

»Ich war auch ganz gebannt bei der Sache«, sagte der Chronist, stand ebenfalls auf und streckte sich. »Wie spät haben wir es denn?«

»Spät«, sagte Bast. »Ich habe Hunger.«

Der Chronist spähte durch das Fenster auf die Straße hinaus. »Mittlerweile müssten doch längst ein paar Leute zum Abendessen gekommen sein. Heute Mittag war es auch ganz schön voll hier.«

Kvothe nickte. »Wenn die Trauerfeier für Shep nicht wäre, wären wahrscheinlich längst einige meiner Stammgäste reingeschneit.«

»Ach ja«, sagte der Chronist und blickte zu Boden. »Das hatte ich ganz vergessen. Halte ich euch beide etwa davon ab, daran teilzunehmen?«

Kvothe entzündete hinterm Tresen die letzte Lampe und blies dann die Kerze aus. »Nein«, sagte er. »Bast und ich, wir sind ja nicht von hier. Und diese Leute denken praktisch. Denen ist klar, dass ich ein Geschäft zu führen habe.«

»Und außerdem verstehst du dich nicht mit Abbe Leodin«, sagte Bast.

»Und außerdem verstehe ich mich nicht mit dem hiesigen Priester«, gestand Kvothe. »Aber du solltest dich dort blicken lassen, Bast. Das würde sonst einen seltsamen Eindruck machen.«

Bast blickte nervös hin und her. »Ich will aber nicht hier weg, Reshi.«

Kvothe lächelte. »Du solltest aber hingehen. Shep war ein guter Mann. Geh und trink ein Gläschen zu seinen Ehren. Apropos …« Er bückte sich, kramte unterm Tresen herum und holte eine Flasche hervor. »Hier. Ein ausgezeichneter alter Brand. So guter Stoff wird hier sonst nie verlangt. Den spendiere ich euch.« Er stellte die Flasche auf den Tresen.

Bast ging widerwillig einen Schritt darauf zu, und seinem Gesicht war anzusehen, dass er hin- und hergerissen war. »Aber Reshi, ich …«

»Hübsche Mädchen werden dort tanzen, Bast«, sagte Kvothe mit leiser, besänftigender Stimme. »Jemand wird Geige spielen, und alle werden einfach nur froh sein, dass sie am Leben sind. Die Mädchen werden zum Takt der Musik die Röcke hochwerfen. Sie werden lachen und ein bisschen beschwipst sein. Ihre rosigen Wangen werden nur darauf warten, geküsst zu werden …« Er gab der schweren, braunen Flasche einen Stups, und sie rutschte ein Stück den Tresen entlang, auf seinen Schüler zu. »Du bist mein Abgesandter. Ich muss hierbleiben und mich ums Wirtshaus kümmern, du aber kannst hingehen und mich entschuldigen.«

Bast legte eine Hand um den Flaschenhals. »Ich bleibe auf ein Glas«, sagte er voller Entschlossenheit. »Und auf einen Tanz. Und auf einen Kuss von Katie Miller. Und vielleicht auch noch auf einen von der Witwe Creel. Aber nicht mehr.« Er sah Kvothe in die Augen. »Spätestens in einer halben Stunde bin ich wieder da …«

Kvothe lächelte ihn herzlich an. »Ich habe einiges zu erledigen, Bast. Und dann mache ich uns was zum Abendessen, und wir gönnen der Schreibhand unseres Freundes mal eine kleine Ruhepause.«

Bast grinste und ergriff die Flasche. »Dann also auf zwei Tänze!« Er eilte zum Ausgang, und als er die Tür öffnete, zerzauste ihm ein Windstoß das Haar. »Hebt mir was vom Essen auf!«, rief er noch.

Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Der Chronist sah den Wirt fragend an.

Kvothe zuckte die Achseln. »Er hatte sich zu sehr in die Geschichte vertieft. Er steigert sich in solche Sachen gefühlsmäßig immer so hinein. Ein kleiner Szenenwechsel wird ihm helfen, das alles nüchterner und sachlicher zu sehen. Und außerdem muss ich das Abendessen zubereiten, und sei’s auch nur für uns drei.«

Der Chronist zog einen fleckigen Lappen aus seiner Ledermappe hervor und betrachtete ihn mit einigem Widerwillen. »Dürfte ich Euch eventuell um ein sauberes Tuch bitten?«, fragte er.

Kvothe nickte und zog einen weißen Leinenlappen unterm Tresen hervor. »Braucht Ihr sonst noch irgendetwas?«

Der Chronist ging an den Tresen. »Wenn Ihr irgendwas sehr Hochprozentiges hättet, wäre mir das eine große Hilfe«, sagte er und klang dabei leicht verlegen. »Ich bitte nur äußerst ungern darum, aber als ich ausgeraubt wurde …«

Kvothe tat das mit einer Handbewegung ab. »Macht Euch nicht lächerlich«, sagte er. »Ich hätte Euch gestern schon fragen sollen, ob Ihr irgendetwas braucht.« Er kam hinter dem Tresen hervor und ging zur Kellertreppe. »Holzgeist dürfte sich am besten eignen, nicht wahr?«

Der Chronist nickte, und Kvothe verschwand im Keller. Dann nahm der Chronist den ordentlich zusammengelegten Leinenlappen und fuhr gedankenverloren mit den Fingern darüber. Sein Blick schweifte zu dem Schwert hinauf, das an der Wand hinter dem Tresen hing. Das dunkle Holz der Halterung brachte das graue Metall der Klinge zur Geltung.

Kvothe kam wieder die Treppe herauf, eine kleine, klare Flasche in der Hand. »Braucht Ihr sonst noch irgendetwas? Ich habe auch Papier und Tinte vorrätig.«

»Das könnte morgen nötig werden«, sagte der Chronist. »Mein Papier habe ich nämlich schon fast aufgebraucht. Aber neue Tinte kann ich heute Abend auch noch anreiben.«

»Die Mühe könnt Ihr Euch sparen«, sagte Kvothe leichthin. »Ich habe noch etliche Flaschen feine Tinte aus Arueh auf Lager.«

»Echte Tinte aus Arueh?«, fragte der Chronist verblüfft.

Kvothe lächelte breit und nickte.

»Das ist wirklich sehr freundlich von Euch«, sagte der Chronist und entspannte sich ein wenig. »Ich gebe zu, ich habe mich nicht unbedingt darauf gefreut, heute Abend noch eine Stunde lang Tinte zu reiben.« Er nahm die klare Flasche und den Lappen und hielt dann noch einmal inne. »Dürfte ich Euch eine Frage stellen? Gewissermaßen inoffiziell?«

Ein süffisantes Lächeln spielte um Kvothes Lippen. »Nur zu. Inoffiziell.«

»Mir ist aufgefallen, dass Eure Schilderung von Caesura nicht …« Er zögerte. »… also, dass sie nicht so ganz mit dem tatsächlichen Schwert übereinzustimmen scheint.« Er sah noch einmal kurz zu dem Schwert hinter dem Tresen hinauf. »Die Parierstange ist ganz anders, als Ihr sie beschrieben habt.«

Kvothe grinste breit. »Ihr seid aber auch wirklich ein aufgeweckter Bursche, was?«

»Ich wollte damit keinesfalls andeuten, dass –«, sagte der Chronist schnell und blickte betreten.

Kvothe lachte von Herzen. Sein Lachen hallte im Schankraum wider, und einen Moment lang wirkte das Wirtshaus gar nicht mehr so verwaist. »Nein, Ihr habt vollkommen recht.« Er sah sich zu dem Schwert um. »Das ist nicht … Wie hat der Junge es heute Morgen noch genannt?« Sein Blick schweifte einen Moment lang wie in weite Ferne, und dann kehrte sein Lächeln zurück. »Kaysera. Der Dichtermörder.«

»Ich war nur neugierig«, sagte der Chronist in entschuldigendem Ton.

»Und ich soll jetzt gekränkt sein, weil Ihr gut aufpasst?«, fragte Kvothe und lachte erneut. »Was wäre es schon für ein Vergnügen, eine Geschichte zu erzählen, wenn einem keiner richtig zuhört?« Er rieb sich eifrig die Hände. »Also gut: das Abendessen. Was hättet Ihr denn gern? Kalt oder warm? Suppe oder Eintopf? Ich bin auch ein ziemlicher Könner, was Pudding angeht.«

Sie einigten sich auf etwas Schlichtes, damit der Küchenherd nicht noch einmal angefeuert werden musste. Kvothe ging forschen Schritts im Wirtshaus umher und trug alles Nötige zusammen, und während er kalten Lammbraten und einen halben Laib pikanten Hartkäse aus dem Keller heraufholte, summte er vor sich hin.

»Das wird eine schöne Überraschung für Bast«, sagte er und grinste zu dem Chronisten hinüber, während er ein Glas eingelegte Oliven aus der Speisekammer hereintrug. »Er weiß nicht, dass wir welche haben, sonst hätte er sie längst verputzt.« Er band die Schürze auf und zog sie sich über den Kopf. »Ich glaube, wir haben im Garten sogar noch ein paar Tomaten.«

Einige Minuten später kam Kvothe wieder herein. Seine Schürze nutzte er als Bündel. Er war nass vom Regen, und das Haar klebte ihm wirr am Kopf. Aber er grinste jungenhaft und wirkte in diesem Moment so gar nicht mehr wie der ernste, sich bedächtig bewegende Wirt.

»Das Wetter weiß noch nicht recht, ob’s stürmen will oder nicht«, sagte er, legte die Schürze auf den Tresen und nahm vorsichtig die Tomaten heraus. »Aber wenn es sich dazu entschließt, steht uns heute Abend noch ein waschechter Wagenkipper ins Haus.« Er legte alles auf einem großen Schneidebrett zurecht und summte dabei vor sich hin.

Da öffnete sich die Wirtshaustür, und ein Windstoß brachte das Lampenlicht zum Flackern. Zwei Soldaten kamen herein, gegen Wind und Wetter gebeugt. Ihre Schwerter ragten hinter ihnen hervor, als wären es Schwänze, und ihre blauweißen Waffenröcke waren vom Regen ganz dunkel.

Sie stellten ihr schweres Marschgepäck ab, und der Kleinere der beiden stemmte sich mit einer Schulter gegen die Tür und drückte sie gegen den Wind wieder zu.

»Potz Blitz und Hagelschlag«, sagte der Größere und richtete seine Kleider. »Das ist wirklich kein Abend, den man unter freiem Himmel verbringen will.« Er hatte eine Halbglatze und einen kräftigen schwarzen Vollbart, der ihm flach wie ein Spatenblatt im Gesicht hing. Er sah zu Kvothe hinüber. »He, Junge!«, sagte er fröhlich. »Wir waren echt froh, als wir euer Licht gesehen haben. Lauf mal los und hol den Wirt, ja? Wir haben ein Wörtchen mit ihm zu reden.«

Kvothe nahm seine Schürze vom Tresen und zog sie sich wieder über den Kopf. »Der Wirt bin ich«, sagte er, räusperte sich und knotete sich die Schürzenbänder hinterm Rücken zu. Dann glättete er sich mit den Fingern das zerzauste Haar.

Der bärtige Soldat starrte ihn erst an und zuckte dann die Achseln. »Also gut. Kriegen wir hier heute noch was zu essen?«

Der Wirt wies in den beinahe leeren Schankraum. »Es schien heute Abend nicht der Mühe wert, noch einen Topf aufzusetzen«, sagte er. »Aber wir haben, was ihr hier seht.«

Die beiden Soldaten gingen zum Tresen. Der Blonde schüttelte sich mit einer Hand Regentropfen aus dem lockigen Haar. »Diese Ortschaft wirkt wie ausgestorben«, sagte er. »Nur bei euch haben wir Licht gesehen.«

»Es war ein langer Erntetag«, sagte der Wirt. »Und heute Abend findet auf einem Bauernhof in der Nähe eine Totenfeier statt. Im Moment sind wir vier wahrscheinlich die einzigen Leute hier im Ort.« Er rieb sich energisch die Hände. »Darf ich euch etwas zu trinken anbieten? Gegen die Kälte?« Er zog eine Flasche Wein hervor und stellte sie mit wohltönendem Klang auf dem Tresen ab.

»Tja, da gibt’s bloß ein Problem«, sagte der blonde Soldat und lächelte leicht verlegen. »Ich würde ja wirklich gerne was trinken, aber mein Freund und ich, wir haben uns gerade erst anwerben lassen und den Sold des Königs bekommen.« Er griff in eine Tasche und zog eine blanke Goldmünze hervor. »Das ist das einzige Geld, das ich bei mir habe. Und ich nehme nicht an, dass du einen Royal wechseln kannst, oder?«

»Ich hab auch weiter nichts«, grummelte sein bärtiger Kamerad. »Es ist mehr Geld, als ich je besessen habe, aber so am Stück wird man’s einfach nicht los. In den meisten Ortschaften, durch die wir gekommen sind, konnten sie gerade mal ’n Halbpenny kleinmachen«, sagte er und lachte kurz.

»Also, da bin ich euch gerne behilflich«, sagte der Wirt leichthin.

Die beiden Soldaten wechselten einen Blick. Der Blonde nickte.

»Also gut«, sagte der blonde Soldat und steckte die Münze wieder ein. »In Wahrheit ist es so: Wir wollen hier gar nicht wirklich übernachten.« Er nahm sich ein Stück Käse vom Tresen und biss hinein. »Und wir werden auch für nichts bezahlen.«

»Ah«, sagte der Wirt. »Ich verstehe.«

»Und wenn du genug Geld im Beutel hast, um unsere beiden Goldroyal zu wechseln«, sagte der Bärtige eifrig, »dann nehmen wir dir das auch noch ab.«

Der blonde Soldat hob beschwichtigend die Hände. »Also, das muss nicht unschön abgehen. Wir sind keine schlechten Menschen. Du rückst einfach nur deinen Geldbeutel raus, und dann ziehen wir weiter unserer Wege. Keinem wird ein Haar gekrümmt, und nichts geht zu Bruch. Es wird dich natürlich ein wenig schmerzen.« Er sah den Wirt mit erhobener Augenbraue an. »Aber so ein kleiner Schmerz ist doch viel besser, als abgemurkst zu werden. Habe ich nicht recht?«

Der bärtige Soldat sah zu dem Chronisten hinüber, der in der Nähe des Kamins saß. »Und mit dir hat das gar nichts zu tun«, sagte er drohend, und während er sprach, wackelte sein Bart. »Von dir wollen wir nichts. Du bleibst einfach da sitzen und gehst uns nicht auf den Zwirn. Klar?«

Der Chronist blickte zu dem Wirt hinüber, der immer noch hinter dem Tresen stand, doch dessen Blick war starr auf die beiden Soldaten gerichtet.

Der Blonde biss noch einmal von dem Käse ab und ließ den Blick durch den Schankraum schweifen. »Für einen jungen Mann stehst du dich hier doch gar nicht schlecht. Und du wirst dich noch genauso gut stehen, wenn wir wieder weg sind. Wenn du aber Ärger machst, schlagen wir dir die Fresse ein und hauen den ganzen Laden zu Klump. Und deinen Geldbeutel bist du so oder so los.« Er ließ den restlichen Käse auf den Tresen fallen und klopfte sich energisch die Hände ab. Dann lächelte er. »Also. Bringen wir das jetzt hinter uns, wie zivilisierte Leute?«

»Klingt vernünftig«, sagte Kvothe und trat hinter dem Tresen hervor. Er bewegte sich langsam und vorsichtig, als näherte er sich einem scheuenden Pferd. »Ich bin ganz gewiss kein Barbar.« Er zog seinen Geldbeutel hervor und hielt ihn mit ausgestreckter Hand vor sich hin.

Der blonde Soldat ging zu ihm, wobei er ein wenig stolzierte. Er nahm den Beutel und wog ihn mit anerkennender Miene in der Hand. Lächelnd wandte er sich zu seinem Kumpan um. »Siehst du? Hab ich dir doch gesagt –«

In einer einzigen, fließenden Bewegung trat Kvothe einen Schritt vor und verpasste dem Mann einen kräftigen Kinnhaken. Der Soldat schwankte und ging in die Knie. Der Geldbeutel flog in hohem Bogen durch die Luft und landete mit einem dumpfen, metallischen Schlag auf dem Dielenboden.

Noch bevor der Soldat mehr tun konnte, als einmal kurz den Kopf zu schütteln, versetzte Kvothe ihm seelenruhig einen Tritt vor die Schulter. Es war kein Tritt mit der Stiefelspitze, dazu bestimmt, Knochen zu brechen, sondern vielmehr ein wuchtiger, breiter Tritt, der ihn auf den Rücken warf. Der Mann knallte auf den Boden, rollte zur Seite und blieb als verdrehtes Knäuel liegen.

Der andere Soldat ging um seinen Kumpan herum und grinste breit unter seinem Bart. Er war größer als Kvothe, und seine Fäuste waren mächtige Klumpen aus Narben und Fingerknöcheln. »Wie du willst, Kumpel«, sagte er, finster frohlockend. »Jetzt mach ich Hackfleisch aus dir.«

Er schlug nach Kvothe, doch der wich aus und trat ihm knapp oberhalb des Knies ans Bein. Der Bärtige grunzte verblüfft und geriet leicht ins Straucheln. Kvothe kam näher, packte ihn bei der Schulter, ergriff sein Handgelenk und verdrehte ihm den Arm.

Das zwang den Mann, sich vorzubeugen, und er verzog das Gesicht vor Schmerz. Dann jedoch befreite er seinen Arm mit einem Ruck aus dem Griff des Wirts. Kvothe guckte kurz verdutzt, dann erwischte ihn der Soldat mit einem Ellenbogenhieb an der Schläfe.

Der Wirt strauchelte rückwärts, versuchte Abstand zu gewinnen und den Kopf wieder klar zu bekommen. Doch der Soldat folgte ihm auf dem Fuße und suchte mit erhobenen Fäusten nach einer Lücke in seiner Deckung.

Ehe Kvothe das Gleichgewicht wiederfinden konnte, verpasste ihm der Soldat einen Schlag in die Magengrube. Der Wirt schnaufte schmerzerfüllt, und als er zusammenzuklappen begann, erwischte ihn der Soldat mit der anderen Faust voll an der Wange, woraufhin Kvothes Kopf zur Seite geschleudert wurde und er ins Wanken geriet.

Kvothe hielt sich an einer Tischplatte fest und schaffte es so, auf den Beinen zu bleiben. Er blinzelte und schlug wild um sich, um den Bärtigen auf Abstand zu halten. Der Soldat wich den Schlägen jedoch aus und ergriff mit seiner mächtigen Pranke das Handgelenk des Wirts, so mühelos wie ein Vater, der seinen bockigen kleinen Sohn damit zur Räson bringen will.

Mit nun blutüberströmtem Gesicht versuchte sich Kvothe aus dem Griff zu lösen. Blinzelnd und benommen machte er mit beiden Händen eine ruckartige Bewegung. Verwirrt sah er auf sein Handgelenk hinab und wiederholte die Bewegung noch einmal, doch seine Hände vermochten gegen die narbige Faust des Soldaten nichts auszurichten.

Der Bärtige beäugte den verblüfften Wirt belustigt und und versetzte ihm dann eine gesalzene Ohrfeige. »Du bist ja ein richtiger kleiner Raufbold«, sagte er. »Hast du mir doch tatsächlich einen verpasst.«

Hinter ihm kam der blonde Soldat allmählich wieder auf die Beine. »Der kleine Scheißkerl hat mich überrascht.«

Sein größerer Kumpan riss den Wirt am Handgelenk nach vorn. »Sag, dass es dir leid tut, Kumpel.«

Der Wirt blinzelte benommen, öffnete den Mund, als wollte er tatsächlich etwas sagen, und geriet dann ins Wanken. Doch das täuschte, denn es ging in eine zielgerichtete Bewegung über, als der Wirt nun mit voller Wucht mit seinem Absatz auf den Stiefel des Soldaten trat. Gleichzeitig stieß er seine Stirn nach vorn und zielte damit auf die Nase des Bärtigen.

Doch der lachte nur, riss den Kopf beiseite und brachte den Wirt mit einem erneuten Ruck am Handgelenk aus dem Gleichgewicht. »Lass das«, sagte er tadelnd und versetzte Kvothe ein paar Backpfeifen.

Der Wirt jaulte auf und hielt sich die freie Hand vor die blutende Nase. Der Soldat grinste und rammte ihm beiläufig ein Knie in den Unterleib.

Kvothe klappte keuchend zusammen und gab erstickte, würgende Geräusche von sich.

Nun ließ der Soldat sein Handgelenk los und schnappte sich die Weinflasche, die immer noch auf dem Tresen stand. Er packte sie am Hals und schwang sie wie einen Knüppel. Als er damit den Wirt an der Schläfe traf, klang es dumpf, beinahe metallisch.

Kvothe sank wie ein nasser Sack zusammen.

Der große Mann musterte die Weinflasche neugierig, bevor er sie wieder auf den Tresen stellte. Dann bückte er sich, packte den Wirt beim Hemd und zerrte den schlaffen Mann vom Tresen fort auf einen freien Bodenabschnitt. Dort stupste er ihn so lange mit der Stiefelspitze, bis er sich langsam wieder zu regen begann.

»Hab ich dir doch gesagt, dass ich Hackfleisch aus dir mache«, grunzte der Soldat und verpasste Kvothe einen Tritt in die Seite.

Sein blonder Kamerad kam hinzu. Er hielt sich die Wange. »Du musstest dich ja unbedingt aufspielen, was?«, sagte er und spie auf den Boden. Dann holte er aus und trat Kvothe ebenfalls in die Seite. Der Wirt atmete zischend ein, gab sonst aber keinen Laut von sich.

»Und was dich angeht …«, sagte der Bärtige und richtete einen Zeigefinger auf den Chronisten. »Ich hab noch einen zweiten Stiefel. Willst du mit dem nähere Bekanntschaft machen? Jetzt hab ich mir eh schon die Knöchel aufgeschürft. Da kann ich dir auch gerne noch ein paar Zähne einschlagen, wenn du willst.«

Der Chronist sah sich um und schien erst jetzt und zu seinem Erstaunen zu merken, dass er aufrecht stand. Langsam ließ er sich wieder auf seinem Stuhl nieder.

Der blonde Soldat ging humpelnd den Geldbeutel holen, und der Bärtige blieb derweil bei Kvothe stehen. »Versuchen kann man’s ja mal, hast du dir gedacht, was?«, sagte er und versetzte dem am Boden liegenden Mann noch einen weiteren kräftigen Tritt in die Seite. »Was bist du bloß für ein Idiot. Ein blasser kleiner Schankwirtswurm gegen zwei gestandene Männer des Königs.« Er schüttelte den Kopf und spie aus. »Also mal ehrlich: Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«

Kvothe, der zusammengekrümmt auf dem Boden lag, begann ein leises, rhythmisches Geräusch von sich zu geben. Er hielt nur kurz damit inne, um unter Schmerzen einzuatmen.

Der bärtige Soldat runzelte die Stirn und trat ihn erneut. »Ich hab dich was gefragt, Kumpel …«

Der Wirt gab weiter das Geräusch von sich, nun lauter als zuvor. Erst jetzt wurde klar, dass er lachte. Es klang zwar fast, als würge er Glassplitter hervor, war aber dennoch unzweifelhaft ein Lachen, voll abgründiger Heiterkeit, als hätte der rothaarige Mann einen Scherz gehört, den nur er allein verstand.

Als das noch einige Zeit so weiter ging, zuckte der bärtige Soldat schließlich die Achseln und holte erneut mit dem Stiefel aus.

Da räusperte sich der Chronist, und die beiden Männer sahen sich zu ihm um. »Im Interesse eines zivilisierten Ablaufs«, sagte er, »sollte ich erwähnen, dass der Wirt seinen Gehilfen zu einem Botengang losgeschickt hat. Und der müsste eigentlich bald wiederkommen …«

Der bärtige Soldat klopfte seinem Kameraden mit dem Handrücken auf die Brust. »Er hat recht. Haun wir ab.«

»Einen Moment noch«, sagte der blonde Soldat, eilte zurück zum Tresen und schnappte sich die Weinflasche. »So, jetzt können wir gehen.«

Der bärtige Soldat grinste und ging hinter den Tresen, wobei er nicht über den Wirt hinwegstieg, sondern auf ihn trat. Er griff sich willkürlich eine Flasche heraus und stieß dabei ein halbes Dutzend andere um. Sie kullerten über das Büfett zwischen den beiden großen Fässern, und eine große, saphirgrüne Flaschen fiel herab und zerbarst auf dem Boden.

Binnen nicht einmal einer Minute hatten die Männer ihr Gepäck geschultert und waren zum Ausgang hinaus.

Der Chronist eilte zu Kvothe, der sich gerade in eine sitzende Haltung hochzukämpfen begann.

»Tja, das war peinlich«, sagte er, betastete sein blutiges Gesicht und besah seine Finger. Dann lachte er wieder. Es war ein abgerissener, freudloser Laut. »Einen Moment lang hatte ich tatsächlich vergessen, wer ich bin.«

»Seid Ihr verletzt?«, fragte der Chronist.

Kvothe betastete vorsichtig seine Kopfhaut. »Ein oder zwei Stiche werde ich wohl brauchen«, sagte er.

»Was kann ich tun, um Euch zu helfen?«, fragte der Chronist, von einem Fuß auf den anderen tretend.

»Nicht über mir rumstehen.« Kvothe kam mühselig auf die Beine und ließ sich dann auf einen Hocker am Tresen sinken. »Wenn Ihr wollt, könnt Ihr mir ein Glas Wasser bringen. Und vielleicht auch einen feuchten Lappen.«

Der Chronist eilte in die Küche. Man hörte ihn hektisch herumkramen, und etliche Dinge fielen zu Boden.

Kvothe schloss die Augen und stützte sich auf den Tresen.

»Wieso steht denn die Tür offen?«, rief Bast und kam herein. »Es ist ja saukalt hier drin.« Er erstarrte und blickte verstört. »Reshi! Was ist denn? Was … Was ist geschehen?«

»Ah, Bast«, sagte Kvothe. »Machst du mal bitte die Tür zu?«

Bast eilte zu ihm und blickte verstört. Kvothe saß immer noch auf einem Hocker am Tresen, das Gesicht verquollen und blutig. Der Chronist stand neben ihm und tupfte mit einem feuchten Lappen etwas unbeholfen auf dem Kopf des Wirts herum.

»Ich werde dich möglicherweise bitten müssen, mich mit ein paar Stichen zu nähen, Bast«, sagte Kvothe. »Wenn es keine allzu großen Umstände macht.«

»Reshi«, sagte Bast noch einmal. »Was ist geschehen?«

»Devan und ich«, sagte Kvothe und wies mit einer Kopfbewegung auf den Chronisten, »haben uns ein bisschen in die Haare gekriegt. Über den korrekten Gebrauch des Konjunktivs. Das ist dann schließlich in Handgreiflichkeiten ausgeartet.«

Der Chronist sah zu Bast hinüber, erbleichte und wich einige Schritte zurück. »Er scherzt doch nur«, sagte er schnell und hob die Hände. »Das waren zwei Soldaten!«

Kvothe kicherte unter Schmerzen in sich hinein. Man sah, dass seine Zähne blutverschmiert waren. Bast sah sich in dem leeren Schankraum um. »Und was habt ihr mit ihnen gemacht?«

»Nicht viel, Bast«, erwiderte der Wirt. »Die sind jetzt wahrscheinlich schon über alle Berge.«

»Waren sie denn irgendwie anders, Reshi? Wie der gestern Abend?«, fragte Bast.

»Das waren ganz normale Soldaten«, sagte Kvothe. »Einfach nur zwei Männer des Königs.«

Bast wurde aschfahl im Gesicht. »Was?«, sagte er. »Aber wieso hast du zugelassen, dass sie dir das antun, Reshi?«

Kvothe bedachte Bast mit einem ungläubigen Blick. Dann lachte er kurz bitter auf, hielt aber zusammenzuckend inne und atmete zwischen zusammengebissenen Zähnen scharf ein. »Nun ja, es schienen solche rechtschaffenen Jungs zu sein«, sagte er in spöttischem Ton. »Und da dachte ich mir: Wieso sollte ich mich von diesen netten Kerlen nicht ausrauben und zu Brei schlagen lassen?«

Basts Gesicht war ein Bild der Bestürzung. »Aber du –«

Kvothe wischte sich das Blut fort, das ihm in die Augen zu laufen drohte, und sah Bast dann mit einem Blick an, als wäre er die Dummheit in Person. »Was denn?«, herrschte er ihn an. »Was willst du denn jetzt von mir hören?«

»Zwei Soldaten, Reshi?«

»Ja!«, schrie Kvothe. »Nicht mal zwei! Offensichtlich reicht ein einziger kräftiger Schlägertyp aus, um mich halbtot zu hauen!« Er funkelte Bast wütend an und riss die Arme empor. »Was braucht es denn noch, um dir den Mund zu stopfen? Willst du die ganze Geschichte? Willst du alle Einzelheiten hören?«

Bast wich vor diesem Ausbruch einen Schritt zurück. Sein Gesicht wurde sogar noch bleicher, und Panik lag in seinem Blick.

Kvothe ließ die Arme wieder sinken. »Hör endlich auf, mehr von mir zu erwarten, als ich nun einmal bin«, sagte er, immer noch schwer atmend. Er ließ die Schultern hängen, rieb sich die Augen und verschmierte sich dabei das Blut auf dem ganzen Gesicht. Erschöpft ließ er den Kopf nach vorne sinken. »Himmel Herrgott, wieso kannst du mich nicht einfach mal in Ruhe lassen?«

Bast stand reglos und mit großen Augen da, wie ein aufgescheuchtes Reh.

Nachdem einen Moment lang Schweigen geherrscht hatte, atmete Kvothe langsam ein, die einzige Regung im ganzen Raum. »Es tut mir leid, Bast«, sagte er, ohne den Blick zu heben. »Ich habe bloß gerade ziemliche Schmerzen. Das hat mich kurz übermannt. Lass mir mal einen Augenblick, dann wird es wieder gehen.«

Den Kopf weiterhin gesenkt, schloss Kvothe die Augen und tat ein paar langsame, flache Atemzüge. Als er den Blick wieder hob, guckte er geknickt. »Es tut mir leid, Bast«, sagte er. »Ich wollte dich nicht so anschnauzen.«

Auf Basts Wangen kehrte ein wenig Farbe zurück, die Anspannung wich aus seiner Haltung, und er lächelte nervös.

Kvothe nahm dem Chronisten den feuchten Lappen ab und wischte sich damit erneut das Blut aus den Augen. »Entschuldige bitte, dass ich dich unterbrochen habe, Bast. Was wolltest du mich gerade fragen?«

Nach kurzem Zögern sagte Bast: »Du hast doch vor nicht mal drei Tagen fünf Scrael erlegt, Reshi.« Er deutete zur Tür. »Was ist denn dagegen irgendein Schlägertyp?«

»Bei den Scrael habe ich Ort und Zeitpunkt sehr sorgfältig gewählt«, sagte Kvothe. »Und da bin ich auch nicht gerade unversehrt davongekommen.«

Der Chronist sah ihn erstaunt an. »Ihr wart verletzt?«, fragte er. »Das wusste ich nicht. Ihr saht nicht so aus, als …«

Die Andeutung eines schiefen Lächelns spielte um Kvothes Mundwinkel. »Alte Gewohnheiten legt man nun mal nicht so leicht ab«, sagte er. »Ich habe schließlich einen Ruf zu verteidigen. Und außerdem trägt so ein Held wie ich nur dann eine Verletzung davon, wenn es auf angemessen dramatische Weise geschieht. Es hätte doch die ganze Geschichte verdorben, wenn Ihr mitbekommen hättet, dass mir Bast nach diesem Kampf Dutzende Stiche setzen musste.«

Da schien Bast ein Licht aufzugehen. »Natürlich!«, sagte er voller Erleichterung. »Das hatte ich ja ganz vergessen. Du bist immer noch angeschlagen von den Scrael. Wusste ich doch, dass da irgendwas nicht stimmen kann.«

Kvothe blickte zu Boden, durch und durch erschöpft. »Bast …«, begann er.

»Ich hab’s doch gewusst, Reshi«, sagte Bast eindringlich. »Es ist doch gar nicht vorstellbar, dass dich irgend so ein Schlägertyp einfach so überwältigen könnte.«

Kvothe atmete flach ein, dann schnell wieder aus. »Ja, so wird es sein, Bast«, sagte er leichthin. »Wenn ich nicht angeschlagen gewesen wäre, hätte ich es problemlos mit beiden aufgenommen.«

Nun wirkte Bast wieder unsicher. Er wandte sich an den Chronisten. »Wie konntet Ihr das zulassen?«, herrschte er ihn an.

»Es ist nicht seine Schuld, Bast«, sagte Kvothe. »Ich habe mit der Schlägerei angefangen.« Er tastete sich mit zwei Fingern vorsichtig im Mund herum, und als er sie wieder herauszog, waren sie mit Blut benetzt. »Diesen Zahn werde ich wohl verlieren«, murmelte er.

»Du wirst gar keinen Zahn verlieren, Reshi«, sagte Bast mit Entschiedenheit. »Das lasse ich nicht zu.«

Kvothe bewegte die Schultern ein wenig, als versuchte er, die Achseln zu zucken, ohne seinen übrigen Körper dabei mehr als nötig zu bewegen. »Im Großen und Ganzen ist das doch ziemlich egal, Bast.« Er drückte sich den Lappen auf die Kopfhaut und besah ihn sich dann. »Und die Stiche brauche ich wahrscheinlich auch nicht.« Mühsam richtete er sich auf dem Hocker auf. »Komm, lass uns zu Abend essen und dann mit unserer Geschichte fortfahren.« Er sah mit erhobener Augenbraue zu dem Chronisten hinüber. »Natürlich nur, wenn Ihr noch mögt.«

Der Chronist starrte ihn nur an.

»Reshi«, sagte Bast besorgt. »Du siehst schlimm aus.« Er streckte eine Hand aus. »Lass mal deine Augen sehen.«

»Ich hab keine Gehirnerschütterung, Bast«, sagte Kvothe gereizt. »Ich habe vier gebrochene Rippen, Ohrensausen und einen losen Zahn. Außerdem habe ich eine Platzwunde am Kopf, die aber schlimmer aussieht, als sie ist. Mir blutet die Nase, aber sie ist nicht gebrochen, und morgen werde ich von Kopf bis Fuß mit kunterbunten Blutergüssen überzogen sein.«

Kvothe zuckte erneut sehr vorsichtig die Achseln. »Dennoch: Ich habe schon Schlimmeres weggesteckt. Und außerdem hat es mich an etwas erinnert, das ich schon fast vergessen hatte. Dafür sollte ich mich wahrscheinlich bei den beiden bedanken.« Er betastete vorsichtig seinen Unterkiefer und fuhr sich mit der Zunge im Mund herum. »Wenn auch vielleicht nicht allzu herzlich.«

»Reshi, du musst genäht werden«, sagte Bast. »Und du musst mich etwas unternehmen lassen, was diesen Zahn angeht.«

Kvothe stieg vom Hocker. »Ach was, kaue ich halt mal ein paar Tage lang auf der anderen Seite.«

Bast hielt Kvothe am Arm zurück. Seine dunklen Augen blickten streng. »Setz dich hin, Reshi.« Es war alles andere als eine höfliche Bitte. Seine Stimme klang wie fernes Donnergrollen. »Setz. Dich. Hin.«

Kvothe setzte sich.

Der Chronist nickte anerkennend und wandte sich an Bast. »Was kann ich tun, um euch zu helfen?«

»Mir aus dem Weg gehen«, erwiderte Bast schroff. »Und ihn auf dem Hocker halten, bis ich wiederkomme.« Er lief die Treppe hinauf.

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

»Also«, sagte der Chronist. »Der Konjunktiv.«

»Ist bestenfalls etwas Sinnloses«, sagte Kvothe. »Er kompliziert die Sprache unnötig. Er geht mir einfach gegen den Strich.«

»Also bitte«, erwiderte der Chronist und klang ein wenig gekränkt. »Der Konjunktiv ist das Herz allen hypothetischen Denkens. Bei kundigem Gebrauch …« Er verstummte, denn Bast kam wieder in den Schankraum gestürmt, finster dreinblickend und mit einem kleinen Holzkistchen in den Händen.

»Bringt mir Wasser«, sagte Bast in gebieterischem Ton zu dem Chronisten. »Frisch aus dem Regenfass, nicht aus der Pumpe. Außerdem brauche ich Milch aus der Kühlkiste, etwas angewärmten Honig und eine breite Schüssel. Und dann räumt diesen Saustall auf und bleibt mir aus dem Weg.«

Bast säuberte die Platzwunde in Kvothes Kopfhaut, fädelte sodann ein Haar von sich selbst auf eine Knochennadel und nähte die Wunde mit vier Stichen, geschickter als eine Näherin.

»Mund auf«, sagte Bast, spähte hinein, betastete stirnrunzelnd einen Backenzahn und nickte.

Dann hielt er Kvothe das Glas Wasser hin. »Spül dir den Mund aus, Reshi. Mach das ein paar Mal und spuck das Wasser wieder ins Glas zurück.«

Kvothe folgte der Anweisung, und anschließend war das Wasser weinrot.

Der Chronist kam mit einer Flasche Milch wieder. Bast roch kurz daran und goss dann etwas davon in eine breite Keramikschüssel. Er gab einen Klacks Honig hinein und verrührte ihn. Schließlich tunkte er eine Fingerspitze in das mit Blut getränkte Wasser und ließ einen Tropfen davon in die Keramikschüssel fallen.

Bast rührte erneut um und reichte Kvothe die Schüssel. »Nimm den ganzen Mund voll davon«, sagte er. »Nicht hinunterschlucken. Behalte es im Mund, solange ich es dir sage.«

Mit neugierigem Blick setzte Kvothe die Schüssel an und füllte sich den Mund mit Milch.

Bast nahm ebenfalls den Mund voll Milch. Er schloss einen ganzen Moment lang die Augen, und sein Gesicht wirkte aufs Höchste konzentriert. Dann schlug er die Augen wieder auf, hielt Kvothe die Schüssel unter den Mund und zeigte hinein.

Kvothe spuckte die Milch wieder aus. Sie war makellos weiß.

Nun hielt sich Bast selbst die Schüssel unter den Mund. Die Milch, die er ausspie, war schaumig und rosarot.

Kvothe bekam große Augen. »Bast«, sagte er. »Du sollst doch nicht –«

Bast machte eine entschiedene Handbewegung, sein Blick immer noch streng. »Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt, Reshi.«

Der Wirt senkte beklommen den Blick. »Das ist wirklich zu viel, Bast.«

Der junge Mann legte seinem Meister sacht eine Hand an die Wange. Einen Moment lang wirkte er bis ins Mark erschöpft. Er schüttelte langsam den Kopf, mit einem Ausdruck amüsierter Bestürzung. »Was bist du doch für ein Dummkopf, Reshi.«

Bast nahm seine Hand wieder fort, und die Müdigkeit war wie weggefegt. Er wies hinter den Tresen, wo der Chronist stand und ihnen zusah. »Ihr serviert das Essen.« Dann zeigte er auf Kvothe. »Und du erzählst die Geschichte weiter.«

Dann wirbelte er auf dem Absatz herum, ging zurück zu seinem Stuhl vor dem Kamin und ließ sich darauf nieder, als wäre es ein Thron. Er klatschte zweimal energisch in die Hände.

»Dann tischt mal auf!«, sagte er mit breitem, irrsinnig wirkenden Lächeln. Und noch vom Tresen aus konnte man das Blut an seinen Zähnen sehen.

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