Der erste Stein

Ich verbrachte drei Tage bei Magwyn, was nicht weiter schlimm war, weil meine linke Hand ohnehin noch heilen musste und ich bis dahin nur sehr eingeschränkt sprechen und kämpfen konnte.

Ich bilde mir ein, mich wacker geschlagen zu haben. Es wäre mir leichter gefallen, ein ganzes Theaterstück auswendig zu lernen. Ein Theaterstück setzt sich wie ein Puzzle aus einzelnen Teilen zusammen. Der Dialog geht hin und her, die Handlung hat eine Richtung.

Von Magwyn lernte ich dagegen nur eine lange Liste fremder Namen und zusammenhangsloser Ereignisse, eine endlose Aufzählung, die nur so tat, als sei sie eine Geschichte.

Doch ich lernte sie auswendig. Am späten Abend des dritten Tages konnte ich sie Magwyn zum ersten Mal fehlerfrei vortragen. Am meisten Mühe kostete es mich, während des Vortrags nicht zu singen. Musik trägt Worte über weite Entfernungen ins Herz und ins Gedächtnis. Das Auswendiglernen war mir leichter gefallen, als ich die Liste in Gedanken zur Melodie einer altvintischen Ballade gesungen hatte.

Am folgenden Morgen sollte ich sie Magwyn noch einmal vortragen. Nachdem ich auch das geschafft hatte, schrieb sie eine Nachricht für Shehyn, versiegelte sie mit Wachs und scheuchte mich aus ihrer Höhle.

»Wir hatten damit gerechnet, dass Magwyn noch einige Tage mit dir beschäftigt ist«, sagte Shehyn, nachdem sie die Nachricht gelesen hatte. »Vashet ist nach Feant gereist und wird frühestens in zwei Tagen zurückkehren.«

Das hieß, ich hatte das atas doppelt so schnell gelernt, wie sie erwartet hatten. Ich war darauf nicht wenig stolz.

Shehyn warf einen Blick auf meine linke Hand und runzelte kaum merklich die Stirn. »Wann hast du dir den Verband abnehmen lassen?«, fragte sie.

»Ich konnte Euch nicht finden, deshalb suchte ich Daeln auf. Er meinte, die Wunde sei gut verheilt.« Ich streckte die Finger meiner nicht mehr verbundenen linken Hand und machte die Geste für Freude und Erleichterung. »Die Haut spannt nur noch ein wenig, aber Daeln meinte, dass auch das bei sorgfältiger Pflege bald vergeht.«

Ich sah Shehyn an und erwartete eine Geste der Zustimmung oder Zufriedenheit. Stattdessen sah ich Unmut und Ärger.

»Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte ich. Verwirrung, Reue und Entschuldigung.

Shehyn zeigte auf meine Hand. »Man hätte sie gut als Entschuldigung für die Verschiebung deiner Steinprüfung verwenden können«, sagte sie. Resignation, verärgert. »Jetzt müssen wir sie heute durchführen, auch wenn Vashet nicht da ist.«

Ich spürte eine vertraute Beklemmung, die wie ein schwarzer Vogel die Krallen tief in meine Nacken- und Schultermuskeln schlug. Ich hatte nach dem langweiligen Auswendiglernen schon aufatmen wollen, aber die nächste Herausforderung stand offenbar unmittelbar bevor. Auch das Wort »Steinprüfung« klang ziemlich beunruhigend.

»Komm nach dem Mittagessen wieder hierher«, beschied Shehyn mich. Sie entließ mich mit einer Handbewegung. »Geh. Ich muss bis dahin noch viel vorbereiten.«

Ich machte mich auf die Suche nach Penthe. Von Vashet abgesehen, die ja nicht da war, kannte ich sie als Einzige so gut, dass ich sie nach der Prüfung fragen konnte.

Doch ich traf sie weder in ihrem Haus an noch in der Schule noch im Badehaus. Schließlich gab ich die Suche auf, begann mit meinen Aufwärmübungen und übte den Ketan, zuerst mit und dann ohne Schwert. Anschließend begab ich mich ins Badehaus und säuberte mich von drei Tagen untätigen Herumsitzens.

Bei meiner Rückkehr vom Mittagessen wartete Shehyn bereits auf mich. In der Hand hielt sie ihr Holzschwert. Als sie meine leeren Hände sah, machte sie eine ungeduldige Geste. »Wo ist dein Übungsschwert?«

»In meinem Zimmer«, antwortete ich. »Ich wusste nicht, dass ich es brauche.«

»Dann hol es schnell. Und anschließend komm zum Hügel der Steine.«

»Shehyn«, sagte ich. Dringende Anfrage. »Ich weiß nicht, wo das ist. Ich habe auch keine Ahnung, was die Steinprüfung ist.«

Überraschung. »Vashet hat es dir nicht gesagt?« Unglaube.

Ich schüttelte den Kopf. Aufrichtige Entschuldigung. »Wir waren mit anderen Dingen beschäftigt.«

Ungeduld. »Das ist schnell erklärt. Zuerst wirst du vor den anderen das atas deines Schwertes vortragen. Dann steigst du den Hügel hinauf. Beim ersten Stein wirst du gegen ein Mitglied der Schule kämpfen, das den Rang des ersten Steins bekleidet. Wenn du siegst, wirst du weiter hinaufsteigen und gegen jemanden vom Rang des zweiten Steins kämpfen.«

Shehyn sah mich an. »Ich sage das nur der Vollständigkeit halber. Hin und wieder haben wir einen außergewöhnlich talentierten Schüler wie zum Beispiel Vashet. Sie schaffte gleich beim ersten Versuch den zweiten Stein.« Reine Wahrheit. »Aber du gehörst nicht dazu. Dein Ketan ist noch schlecht und du wirst voraussichtlich nicht einmal den ersten Stein schaffen. Der Hügel der Steine liegt östlich vom Badehaus.« Shehyn machte eine ungeduldige Handbewegung. Beeilung.

Bei meinem Eintreffen am Fuß des Hügels hatten sich dort bereits über hundert Zuschauer versammelt. Schlichte Kleider in Grau und anderen gedämpften Farben überwogen gegenüber dem Rot der Söldner. Das leise Murmeln der Menge war schon von weitem zu hören.

Der Hügel war weder besonders hoch noch besonders steil. Trotzdem führte der Weg in einer Reihe von Spitzkehren nach oben. An jeder Kehre stand auf einem breiten, ebenen Absatz ein großer grauer Steinblock. Entsprechend den vier Spitzkehren gab es vier Steine, neben denen wiederum vier rotgekleidete Söldner warteten. Auf der Kuppe des Hügels stand ein hoher Graustein, ein Anblick, der mir vertraut war wie ein Freund. Daneben wartete eine kleine, strahlend weiß gekleidete Gestalt.

Beim Näherkommen stieg mir der Geruch von gerösteten Kastanien in die Nase. Meine Aufregung legte sich ein wenig. Offenbar erwartete mich eine Art Fest. »Steinprüfung« klang zwar furchterregend, aber im Angesicht so vieler Zuschauer, denen geröstete Kastanien verkauft wurden, würde man mich wohl kaum misshandeln.

Zwischen den Zuschauern hindurch näherte ich mich dem Hügel. Ich sah jetzt, dass neben dem Graustein Shehyn stand. Außerdem erkannte ich beim dritten Stein Penthes herzförmiges Gesicht und ihren langen Zopf.

Die Zuschauer machten mir höflich Platz und ich trat zum Fuß des Hügels. Aus dem Augenwinkel sah ich eine blutrote Gestalt auf mich zueilen. Erschrocken drehte ich mich nach ihr um. Es war niemand anders als Tempi. Er eilte zu mir und begrüßte mich mit einer begeisterten Handbewegung.

Ich unterdrückte den Drang zu lächeln und seinen Namen zu rufen und machte stattdessen die Geste für freudige Erregung.

Tempi blieb vor mir stehen, fasste mich an den Schultern und rüttelte mich ein wenig, als wollte er mir gratulieren. Doch seine Augen blickten ernst. Seine Hand, die er dicht an die Brust gedrückt hielt, so dass nur ich sie sehen konnte, sagte Vorsicht, Falle. »Hör zu«, sagte er leise und hastig, »du kannst diesen Kampf nicht gewinnen.«

»Keine Sorge.« Beruhigung. »Shehyn glaubt das auch, aber vielleicht kann ich euch ja überraschen.«

Tempi packte mich so fest an den Schultern, dass es schmerzte. »Aber sieh doch, wer am ersten Stein steht«, flüsterte er.

Ich blickte über seine Schulter. Am ersten Stein stand Carceret. Ihre Blicke durchbohrten mich wie Messer.

»Sie ist außer sich vor Wut«, sagte Tempi leise und machte zugleich für die Zuschauer die Handbewegung für Zuneigung. »Du bist in die Schule aufgenommen worden und hast zu allem Überfluss jetzt auch noch das Schwert ihrer Mutter bekommen.«

Diese Neuigkeit traf mich vollkommen unvorbereitet. Der letzte Eintrag des atas fiel mir ein. »Larel war Carcerets Mutter?«, fragte ich.

Tempi fuhr mir mit der rechten Hand liebevoll durch die Haare. »Ja. Carceret ist völlig außer sich. Sie wird dich liebend gern zum Krüppel schlagen, auch wenn sie dann von der Schule fliegt.«

Ich nickte ernst.

»Sie wird versuchen, dich zu entwaffnen. Pass also auf. Lass dich nicht auf einen Ringkampf ein. Wenn sie dich mit dem Schlafenden Bär oder den Kreisenden Händen packt, ergib dich gleich. Schrei notfalls. Wenn du zögerst oder versuchst dich zu befreien, bricht sie dir den Arm oder reißt ihn dir aus der Schulter. Ich habe sie das erst vor einer Stunde zu ihrer Schwester sagen hören.«

Tempi trat schnell von mir zurück und machte die Gebärde für Achtung und Ehrerbietung.

Jemand berührte mich am Arm. Ich drehte mich um und blickte in Magwyns runzliges Gesicht. »Komm«, sagte sie ruhig und bestimmt. »Es ist Zeit.«

Ich ging hinter ihr her. Die Zuschauer, an denen wir vorbeikamen, bekundeten ihr mit verschiedenen Gebärden ihren Respekt. Magwyn führte mich zum Anfang des Weges. Dort lag einer grauer Felsblock, der mir bis etwa über das Knie reichte und genauso aussah wie die anderen Steine an den Spitzkehren.

Die Alte bedeutete mir, ich solle auf den Stein steigen. Ich blickte auf die versammelten Adem vor mir und verspürte zum ersten Mal in meinem Leben für einen kurzen Moment heftiges Lampenfieber.

Ich beugte mich zu Magwyn hinab. »Darf ich etwas lauter sprechen, wenn ich gleich meinen Vortrag halte?«, fragte ich nervös. »Ich will niemandem zu nahe treten, aber wenn ich es nicht tue, können mich die ganz hinten nicht verstehen.«

Magwyn lächelte mich zum ersten Mal an und ihr runzliges Gesicht wirkte auf einmal ganz freundlich. Sie tätschelte mir die Hand. »Hier wird niemand an einer lauten Stimme Anstoß nehmen«, sagte sie, machte aber zugleich die Gesten für Angemessenheit und Rücksichtnahme. »Gib her.«

Ich schnallte Saicere ab und gab es ihr. Dann bedeutete sie mir, auf den Stein zu steigen.

Ich trug mein atas vor und sie sah mir dabei zu. Zwar konnte ich mich auf mein Gedächtnis verlassen, trotzdem war ich sehr nervös. Ich hätte gern gewusst, was wohl passiert wäre, wenn ich einen Besitzer übersprungen oder einen Namen verwechselt hätte.

Ich brauchte fast eine Stunde, und mein Publikum hörte mir in fast schon gespenstischem Schweigen zu. Als ich fertig war, bot Magwyn mir die Hand und half mir vom Stein herunter, so wie man einer vornehmen Dame beim Aussteigen aus einer Kutsche hilft. Dann zeigte sie zu dem Hügel hoch.

Ich wischte meine schweißnasse Hand ab, packte den hölzernen Griff meines Übungsschwertes und begann den Weg hinaufzugehen. Carceret hatte sich die roten Kleider fest um ihre langen Arme und breiten Schultern gebunden. Die Lederriemen, die sie verwendete, waren breiter und dicker als die von Tempi und leuchteten noch röter, so dass ich mich unwillkürlich fragte, ob sie sie eigens für diesen Tag neu gefärbt hatte. Beim Näherkommen bemerkte ich ihr blaues Auge, das sich schon wieder ein wenig erholt hatte.

Sobald sie meinen Blick auf sich spürte, hob sie ganz langsam und bewusst den Arm und warf ihr Holzschwert weg. Zugleich machte sie so deutlich die Gebärde für Verachtung, dass man es sogar von den billigen Plätzen ganz hinten in der Menge sehen konnte.

Ein Murmeln stieg von den Zuschauern auf, und ich blieb verunsichert stehen. Ich überlegte kurz, dann legte ich mein Übungsschwert neben den Weg und ging weiter.

Carceret wartete auf einer runden, ebenen Grasfläche von etwa zehn Metern Durchmesser. Der Boden war weich, ich hätte vor Stürzen also eigentlich keine Angst zu haben brauchen. Eigentlich. Vashet hatte mich den Unterschied zwischen »jemanden zu Boden werfen« und »jemanden auf den Boden schleudern« gelehrt. Ersteres tat man bei einem Wettkampf, bei dem auch ein gewisser Anstand galt, das zweite, wenn man den Gegner in einem wirklichen Kampf ernsthaft verletzen oder töten wollte.

Bevor ich Carceret zu nahe kam, nahm ich die mir inzwischen vertraute Kampfhaltung ein. Ich hob die Hände, ging in die Knie und widerstand der Versuchung, mich auf die Fußballen zu stellen. Ich wäre mir dann zwar schneller vorgekommen, hätte aber leichter das Gleichgewicht verloren. Dann holte ich tief Luft, um mich zu beruhigen, und ging langsam auf Carceret zu.

Carceret duckte sich ebenfalls und täuschte, kaum dass ich auf Reichweite an sie herangekommen war, einen Angriff vor. Sie zuckte nur ganz leicht mit Hand und Schulter, aber ich fiel, ängstlich wie ich war, darauf herein und machte wie ein erschrecktes Kaninchen einen Satz rückwärts.

Carceret senkte die Hände und richtete sich auf. Belustigung, gab sie mir mit einer ausholenden Gebärde zu verstehen. Einladung. Sie winkte mir mit beiden Händen. Ich hörte, wie einige Zuschauer unter mir lachten.

Ich fühlte mich gedemütigt, wollte aber unbedingt ausnützen, dass Carceret die Hände gesenkt hatte. Also trat ich rasch auf sie zu und griff sie vorsichtig mit den Messerhänden an. Zu vorsichtig. Sie wich mir aus und brauchte nicht einmal die Hände zu heben.

Ich wusste, dass ich ihr im Kampf hoffnungslos unterlegen war. Meine einzige Hoffnung bestand darin, sie noch mehr gegen mich aufzubringen. Wenn ich sie noch wütender machen konnte, beging sie womöglich einen Fehler und dann konnte ich sie vielleicht besiegen. »Zuerst kam Chael«, sagte ich und schenkte ihr mein breitestes, barbarischstes Lächeln.

Carceret kam einen halben Schritt näher. »Ich werde dir deine schönen Hände zerquetschen«, zischte sie in akzentfreiem Aturisch. Noch während sie sprach, streckte sie plötzlich die Hände aus, als wollte sie mich packen.

Dabei wollte sie mich nur erschrecken, damit ich zurückwich und das Gleichgewicht verlor. Am liebsten hätte ich das auch getan, als ich den giftigen Hass in ihrer Stimme wahrnahm.

Doch ich war bereit und widerstand dem reflexartigen Bedürfnis, nach hinten auszuweichen. Einen kurzen Augenblick lang stand ich wie gelähmt da und bewegte mich weder vor noch zurück.

Natürlich wartete Carceret genau darauf, auf jenes kurze Zögern, während ich mit meinem Fluchtinstinkt rang. Sie trat mit einem einzigen Schritt auf mich zu, packte mich am Handgelenk und umschlang es wie mit einer eisernen Klammer.

Ohne nachzudenken führte ich Celeans doppelhändige Version des Löwenbrechers aus. Wenn ein kleines Mädchen sich damit gegen einen erwachsenen Mann wehren konnte, konnte sich vielleicht auch ein hoffnungslos unterlegener Musiker damit von einer ademischen Söldnerin befreien.

Ich bekam meine Hand frei, und der ungewohnte Griff brachte Carceret aus dem Konzept, zwar nur ein wenig, aber ich nutzte es sofort aus und versetzte ihr rasch einen Gerstenstreuer. Dazu schlug ich mit den Knöcheln auf ihren Oberarmmuskel.

Zwar konnte ich nicht wirklich hart zuschlagen, dazu stand ich viel zu nahe vor ihr. Aber wenn es mir gelang, den Nerv zu treffen, bekam sie davon eine taube Hand. Damit schwächte ich nicht nur ihre linke Seite, sondern sie konnte dann auch die beidhändigen Bewegungen des Ketan nicht mehr ausführen, ein wichtiger Vorteil.

Da ich immer noch nahe vor ihr stand, ließ ich auf den Gerstenstreuer sofort einen Drehenden Mühlstein folgen in Form eines raschen, heftigen Stoßes, der sie aus dem Gleichgewicht bringen sollte. Ich bekam Carceret auch mit beiden Händen zu fassen, aber obwohl ich sie vielleicht eine Handbreit nach hinten stoßen konnte, war sie doch zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren.

Dann sah ich ihre Augen. Ich hatte geglaubt, sie sei schon zu Anfang sehr wütend gewesen, doch das war gar nichts im Vergleich zu jetzt, wo es mir tatsächlich gelungen war, sie zu treffen, und zwar nicht nur ein, sondern gleich zwei Mal. Ein Barbar mit kaum zwei Monaten Übung hatte sie vor den Augen der ganzen Schule zweimal geschlagen.

Ich kann ihren Blick nicht beschreiben. Und selbst wenn ich es könnte, könntet ihr ihn euch nicht wirklich vorstellen. Ihr Gesicht war immer noch fast vollkommen unbewegt. Ich sage nur eins: Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden gesehen, der so wütend war. Nicht Ambrose und nicht Hemme und auch nicht Denna, als ich ihr Lied kritisierte, oder den Maer, als ich ihm widersprach. Ihre Wut war eine kümmerliche Kerze im Vergleich zu dem tosenden Schmiedefeuer, das in Carcerets Augen loderte.

Doch trotz ihrer schäumenden Wut verlor Carceret keinen Moment die Beherrschung. Sie schlug nicht besinnungslos auf mich ein oder bleckte etwa die Zähne. Sie behielt ihre Worte für sich und befeuerte damit ihren Hass.

Ich konnte diesen Kampf unmöglich gewinnen. Doch meine in vielen hundert Stunden geübten Hände bewegten sich von selbst, um auszunützen, dass Carceret so nahe vor mir stand. Ich wollte sie festhalten, um einen Aufwärtsdonner auszuführen. Doch sie schlug meine Hände weg und griff dann ihrerseits mit einem Hafenschiffer an.

Wahrscheinlich rechnete sie gar nicht damit, mich zu treffen. Ein geschickterer Gegner wäre dem Angriff ausgewichen oder hätte ihn abgewehrt. Aber sie erwischte mich in einem Moment, in dem ich nicht gut im Gleichgewicht stand. Ich verlor die Balance und war entsprechend langsam, und sie erwischte mich mit dem Fuß in der Magengrube und trat zu.

Der Hafenschiffer ist kein schneller Tritt, der Knochen brechen soll. Er versetzt dem Gegner lediglich einen leichten Stoß, damit er das Gleichgewicht verliert. Da ich sowieso schon taumelte, warf er mich vollends um. Ich landete hart auf dem Rücken, rollte ein paar Mal über den Boden und blieb mit verdrehten Gliedern liegen.

Man könnte nun sagen, ich sei schlimm gestürzt und offenbar zu benommen gewesen, um mich aufzurappeln und weiterzukämpfen. Man könnte aber auch sagen, dass der Sturz zwar schlimm aussah, aber doch nicht so schlimm war, und ich habe auch tatsächlich schon schlimmere Stürze überstanden.

Ich persönlich denke, der Grat zwischen Benommenheit und weiser Absicht ist manchmal sehr schmal. Die Entscheidung darüber, wie schmal er ist, überlasse ich am besten euch.

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