4 Die Schatten rühren sich

„Diese räudigen Hunde müssen in den tieferen Stollen lauern“, knurrte Marschall Dughan, an seine Männer gewandt, als er durch die Augenschlitze seines Helms in den Schacht der Jaspismine blickte. Staub geriet ihm in den Hals, und er wandte sich ab, um auf den Boden zu spucken. „Ich glaube, hier ist es sicher genug für einen kurzen Halt.“

Die Geräusche klirrender Rüstungen hallten von den Wänden der Mine wider, als die fünfzehn Männer des Marschalls sich lockerten. Doch Zaldimar Wefhellt, ein eher mittelmäßiger Magier aus Goldhain, der die Gruppe auf ihrer Mission begleitete, behielt seine Position bei, wobei seine Augen in den dunklen Tunnel gerichtet waren.

„Ich sagte, dass Ihr eine Pause einlegen könnt“, zischte Dughan.

Der grauhaarige bärtige Magier schlenderte zu den anderen. Obwohl in Goldhain angesehen, hatte Zaldimar sich noch keinen Namen in den Hauptstädten gemacht. Doch auch wenn der von Dughan zusammenwürfelte Haufen eigentlich stark genug war, um die Bastarde zu besiegen, konnten die Zauber des Magiers bei einer raschen und umfassenden Säuberung überaus hilfreich sein.

In den Hügeln des Waldes von Elwynn gelegen, war die Jaspismine einer der wichtigen Lieferanten jenes Erzes gewesen, das für die Herstellung von Waffen und Rüstungen gebraucht wurde. Doch da Sturmwind militärisch stark unter Druck stand, ging die Zahl der Streitkräfte, die für den Schutz der Minen des Waldes abgestellt wurden, gegen Null. So hatte es geschehen können, dass die Jaspismine und einige andere Stollen von Kobolden besetzt worden waren.

Unbehelligt waren die Kobolde – schnurrbärtige Gesellen mit langen Schnauzen, die normalerweise mehr störend als gefährlich waren – in die Gegend zurückgekehrt. Sie waren weder versierte Kämpfer noch sonderlich schlau. Doch sie vermehrten sich wie die Karnickel und traten in großer Zahl auf.

Aber nicht mehr lange, wenn es nach Marschall Dughan ging. Er hatte im Gebiet zwischen der Jaspismine und der Tiefenschachtmine weiter im Südwesten während der vergangenen Wochen gute Fortschritte gemacht. Er konnte nicht mehr zählen, wie viele Gegner er bereits erschlagen hatte, so regelmäßig hatten sie die Feinde besiegt.

Dughan nahm seinen Helm ab. Der Marschall hatte ein breites Gesicht, kurz geschorene Haare, einen dichten Schnauzbart und ein Kimibärtchen. Schon als er noch jünger gewesen war, hatte er bereits in mancher Schlacht gekämpft. Nach dem mysteriösen Tod seines Vorgängers war Dughan zum Marschall ernannt worden. Er hatte Ruhe und Ordnung nach Goldhain gebracht und sie auch erhalten, indem er sich nicht nur die Kobolde vorknöpfte, sondern ebenso wilde Wölfe, Bären, Banditen, die fischähnlichen Murlocs und dergleichen mehr.

Doch nun waren die Kobolde zurückgekehrt.

„Dieses Ungeziefer wehrt sich mit Händen und Füßen, Hämmern und Äxten, wenn wir es aufstöbern“, sagte Dughan. „Doch wenn wir sie irgendwo in die Enge getrieben haben, kommt Ihr ins Spiel, Zaldimar...“

Der Magier, dessen purpurblaue Robe trotz des Staubes, der jeden anderen aus der Gruppe bedeckte, makellos rein war, nickte ernst. „Eine Reihe von arkanen Explosionen wären am effek – “

Dughan schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. „Erspart mir die Details. Tötet sie, verwundet sie und versetzt so viele wie möglich in Panik, bevor wir da hineingehen. Kriegt Ihr das hin?“

Zaldimar nickte. Dughan setzte seinen Helm wieder auf und signalisierte der Gruppe den Aufbruch. Er schlug mehrere dichte Spinnweben weg, die ihm im Weg waren. Sie stammten von den großen Minenspinnen, die normalerweise alles jagten, was dumm genug war, sich hier hineinzuwagen. Ganz besonders hatten sie es auf Kobolde abgesehen. Als er ein weiteres Spinnennetz entfernte, fiel ein alter Koboldschädel zu Boden, dessen lautes Scheppern durch die Mine hallte.

Dughan fluchte. Die Kobolde mochten ihre Anwesenheit bereits vermutet haben, doch jetzt hatte er ihnen die Bestätigung geliefert.

Mehrere der Männer husteten vom Staub, der in der Luft flirrte und dichter als üblich zu sein schien. Es dauerte nicht lange, bis der Grund dafür deutlich wurde. Einer der Seitenschächte, der zu einem zweiten Eingang für die Minenarbeiter führte, war eingestürzt. Der Marschall erblickte tonnenweise Felsbrocken, Erde und zerschmetterte Holzstreben.

„Ein Unfall“, verkündete Zaldimar. „Ich hatte davor gewarnt, zu viel Druck auszuüben, als wir zuletzt hier unten waren...“

„Das macht nichts“, sagte Dughan. „Was zählt ist, dass es unsere Aufgabe erleichtert.“

Zaldimar nickte. Es gab nur noch wenige Richtungen, in denen sich die Kobolde aufhalten konnten. Die einzigen Ausgänge waren nun blockiert. Die Konfrontation stand unmittelbar bevor...

Sie stießen auf einen Leichnam, mit dem sie nicht gerechnet hatten – eine Minenspinne, etwa so groß wie ein Hund. Mit ihrem Gift und den Extremitäten, die ihr zu Verfügung standen, hätte sie einen Kobold mit Leichtigkeit überwältigen können... vielleicht sogar einen Menschen.

Sie war in zahlreiche Teile zerhackt. Im schwachen Licht konnte der Marschall Fußspuren erkennen.

„Die Kobolde werden offenbar cleverer. Sie schließen sich zu Gruppen zusammen, um es mit den Spinnen aufnehmen zu können.“

„Das sollten wir uns merken“, meinte Zaldimar.

Dughan nickte schroff und umfasste den stachelbewehrten Streitkolben fester. Mit seiner freien Hand strich sich der Marschall mechanisch den Staub vom Waffenrock. Der goldblaue Löwenkopf auf seiner Brust leuchtete wieder markant. Dann gab er den Befehl zum Weitermarschieren.

Plötzlich ertönte in der Dunkelheit zuerst eine raue Stimme, dann noch eine zornige andere.

Ein kurzes Aufflammen wie von einer Kerze weiter unten... dann erlosch es wieder.

„Zaldimar...“, flüsterte Dughan.

Der Magier trat nach vorne. Er hob die Hände und gestikulierte überlegt.

Ein grünes Licht flammte auf, begleitet von einem pulsierenden Geräusch. Der Blitz schoss den Tunnel hinab auf die Stelle zu, wo zuvor das kurze Aufflackern zu sehen gewesen war. Einen Augenblick später schlug er ein... dann wieder... und noch einmal.

Die Mine erbebte. Staub und Geröll regneten auf die Kämpfer herab, und der Marschall verfluchte die Fahrlässigkeit des Magiers.

Der Weg geradeaus wurde kurz von einem grünlichen Schimmer erhellt, der so grell leuchtete, dass Dughan seine Augen abschirmen musste. Von dort erklang ein vielstimmiges Knurren.

Der Marschall blinzelte, als sich seine Augen den Lichtverhältnissen angepasst hatten. „Beim König!“, keuchte er.

Der Gang war bis unter die Decke vollgepackt mit Kobolden. Es waren mehr rattengesichtige Feinde, als alle Berichte hatten ahnen lassen – viel mehr.

Plötzlich wirkte Dughans gut ausgebildete Truppe hoffnungslos unterlegen.

Die Kobolde vorn im Pulk stießen bestialische Schreie aus und schwenkten ihre Waffen. Ihre Schwänze wippten vor und zurück und signalisierten so ihre wachsende Erregung. Nicht einer schien von Zaldimars Angriff verletzt worden zu sein.

„Bereitet den geordneten Rückzug vor“, befahl Dughan. Seine Kämpfer waren auf etwas Derartiges nicht vorbereitet. Statt die Mine zu säubern, liefen er und seine Männer jetzt Gefahr, abgeschlachtet zu werden.

Vor ihm rührte Zaldimar sich nicht. Er starrte die Kreaturen an, während die leuchtenden Effekte des Blitzes zu verblassen begannen.

„Tut etwas, Magier! Schleudert einen weiteren Blitz!“

Der Zauberer drehte sich um. Zaldimars Gesichtsausdruck zeugte von äußerster Verwirrung. „Ich... ich brauche noch eine Minute... diese Aktionen laugen meinen Körper aus...“

Obwohl er kein Magier war, wusste der Marschall, dass Zaldimar alle Kraft würde aufbieten müssen, um sie noch zu retten – und zwar schnell. Er riss Zaldimar am Arm und zog ihn zurück zum Rest der Gruppe. „Ihr müsst es versuchen, Zaldimar! Unser Leben... könnte sehr wohl davon abhängen!“

Bevor der Magier antworten konnte, stürmten die Kobolde vor. Was normalerweise komisch gewirkt und allenfalls kleinen Kindern Angst eingeflößt hätte – Kobolde waren schließlich im besten Fall etwa 1,20 Meter groß -, war nun eine tödliche Gefahr für alle.

„Zurückziehen! Zurückziehen! Ihr drei! Nach vorn, jeder gibt dem anderen Deckung.“ Dughan schob Zaldimar hinter sich. Auch wenn der Magier nicht von großem Nutzen war, würde der Marschall ihn nicht hier zurücklassen.

Der erste Kobold erreichte die Verteidiger. Dughan schlug nach einer der Kreaturen, dann nahm er es mit einer anderen, viel größeren auf.

„Du nicht nehmen Kerze!“, brüllte sie, der fragliche Gegenstand saß auf ihrem Kopf in einer kleinen Halterung. Kobolde konnten gut im Dunkeln sehen, doch in einer Mine brauchten auch sie in den tiefsten Stollen Licht.

„Ich will deine verdammte Kerze nicht!“, brüllte Dughan entnervt zurück.

Er schlug wieder und wieder zu. Ein Rattengesicht nach dem anderen kam in Sicht, nur um von der geübten Hand des Marschalls niedergemetzelt zu werden. Um ihn herum bewiesen die Männer Mut. Sie räumten gnadenlos unter den Kobolden auf.

Das Blatt hatte sich gewendet. Die große Anzahl der Kobolde wurde zu Leichenhaufen. Ein Grinsen bildete sich auf Dughans Gesicht.

Am Ende standen die Streitkräfte von Goldhain knietief im Blut und zwischen verstümmelten Leichen. Der Gestank der toten Kobolde war noch hundertmal ärger als der Geruch, den sie schon lebendig verströmten. Doch die Männer waren bereit, ihn zu ertragen, so allumfassend war ihr Sieg ausgefallen. Selbst die letzte Kerze der Kobolde war ausgelöscht worden.

Marschall Dughan zählte seine Männer. Sie waren alle noch da. Einige hatten kleinere Verletzungen – meistens Kratzer – erlitten, doch alle waren nach wie vor kampfbereit und fit.

Nein... es fehlte doch einer.

„Wo ist der Magier?“

Die anderen schüttelten den Kopf. Dughan stach an einer Stelle in den Leichenhaufen, wo er Zaldimar zuletzt gesehen hatte. Doch der Zauberer blieb unauffindbar.

Dughan vermutete, dass der Versager Zaldimar lieber vor der Schlacht geflohen war. Sie würden den Feigling zweifellos in Goldhain finden. „Weiter geht es“, entschied der Kommandant. „Stellt sicher, dass die anderen Stollen sauber sind.“ Er bezweifelte, dass sie noch mehr als ein paar Kobolde finden würden, doch auch die mussten ausgeschaltet werden.

Sie marschierten weiter, Dughan übernahm die Führung. Der Marschall bedeckte sich die Nase, denn der Geruch der toten Kobolde wurde stetig schlimmer, obwohl die Männer die Leichen allmählich hinter sich zurückließen.

Plötzlich wurde die Jaspismine erschüttert, als hätte weiter unten eine Explosion stattgefunden. Die Stützbalken knackten bedrohlich.

Dughan streckte sein Schwert aus. „Vorwärts!“

Doch als der Boden weiter bebte, knackte einer der entfernteren Balken. Die beiden Hälften brachen auseinander und stürzten herab.

„Vorsicht!“, brüllte der Kommandant.

Die Decke der Mine stürzte an einer Stelle ein. Dadurch kam es zu einer Kettenreaktion. Weitere Balken barsten. Massen von Erde und Stein donnerten herab.

Die Männer flohen zurück, doch dann gab die Decke vollends nach. Der Staub und die Dunkelheit machten Dughan und seine Männer blind, sie stießen miteinander zusammen, als sie zu fliehen versuchten.

Plötzlich hörte der Marschall einen furchteinflößenden Schrei.

Gerade, als das Beben schwächer zu werden begann, taumelte er in eine freie Zone. Hustend versuchte Marschall Dughan, sich zu konzentrieren. Er konnte die schemenhaften Umrisse von mindestens drei Männern ausmachen.

Als es still genug geworden war, um wieder Gehör zu finden, rief er: „Meldet euch!“

Elf Stimmen antworteten, einige mit Schmerz in der Stimme. Elf, nicht fünfzehn.

Die Verwüstung ließ es sinnlos erscheinen, nachzusehen, ob die anderen vier noch lebten. Dughan musste den Rest seiner Männer in Sicherheit bringen. Ihnen blieb nur noch die Möglichkeit, zu der Stelle zurückzukehren, wo sie gegen die Kobolde gekämpft hatten. Manchmal gruben Kobolde unter Tage tiefe Höhlen neben den Stollen, die Fluchtwege nach draußen beinhalteten.

Darauf setzte er all seine Hoffnung.

„Folgt mir!“

Der Weg war dunkler und länger, als er ihn in Erinnerung hatte. Nur der starke Gestank schien Dughan darin zu bestätigen, dass sie sich ihrem Ziel näherten. Doch als er die Gruppe zügig durch einen der Gänge führte, standen sie plötzlich vor einer geschlossenen Felswand.

„Was ist das?“

Die Wand bedeutete, dass sie an dem Punkt, an dem sie die Kobolde das erste Mal gesehen hatten, schon vorbei waren. Aber wo waren die Leichen?

Dughan suchte in seinen Beuteln nach etwas, womit er die Umgebung erhellen konnte, doch er fand nichts.

Plötzlich entstand jedoch ein violettes Leuchten neben ihm. Der Marschall wirbelte mit erhobenem Streitkolben herum.

Zaldimar blickte ihn aus dem Leuchten heraus an. Dughan konnte nichts außer dem Gesicht des Magiers sehen. Sein Gesichtsausdruck wirkte verhärmt.

„Hilft das?“, krächzte er.

„Beim Licht, wo seid Ihr gewesen? Habt Ihr irgendein Anzeichen für einen Weg nach draußen gefunden? Der Gang, durch den wir kamen, ist unpassierbar!“

Zaldimar nickte. „Ich weiß. Ich habe dafür gesorgt.“

„Ihr habt... was?“

Das Leuchten breitete sich aus. Dughans Augen weiteten sich.

Die Kleidung des Magiers hatte sich verändert. Er trug nun eine schwarze Rüstung mit Schädeln an Knieschutz und Brustteil. Er hatte eine Kapuze über den Kopf gezogen. Seine Augen leuchteten dunkelviolett.

„Und um zu fliehen, wird mir ein einfacher Zauber genügen.“

Marschall Dughan drückte Zaldimar grob die Spitze seines Streitkolbens unter das Kinn. „Dann nehmt Ihr uns mit Euch!“

Etwas bewegte sich am Rande des Lichtscheins. Es schlug die Waffe des Marschalls nieder. Während Dughan sich bemühte, den Streitkolben nicht entgleiten zu lassen, erkannte er eine vertraut wirkende Schnauze.

„Kobolde...“ Doch das Wort erstarb auf seinen Lippen, als Zaldimar das unheimliche Licht noch verstärkte.

Es war kein normaler Kobold – sondern ein toter. Der Wanst der Kreatur war aufgeschlitzt, verfaulende Organe hingen heraus. Der Kobold umklammerte seine Waffe und starrte den Offizier mit blicklosen Augen an.

Als das Licht sich ausbreitete, erkannte Marschall Dughan, dass es noch viele andere gab, die so waren wie er – all die Kobolde eben, die er und seine Männer getötet hatten. Vielleicht sogar noch mehr, Kreaturen, die lange vor dem jüngsten Gemetzel gefallen waren...

„Was ist passiert?“, wollte er wissen.

„Sie dienen nun mir... so, wie ich unserem rechtmäßigen Herrn diene...“, krächzte Zaldimar und grinste, als gehörte er ebenfalls zu den Untoten. „Und so, wie Ihr es auch bald tun werdet, guter Marschall...“

Die Kobolde bewegten sich auf ihn zu. Marschall Dughan und seine Männer kauerten sich zusammen.

„Es wird nicht lange wehtun...“

Völlig lautlos drängten die Kobolde vor. Dughan schnitt einem von ihnen die Kehle durch, aber es schien nichts zu nützen. Verzweifelt schlug er härter zu und enthauptete ihn.

Doch der Leichnam griff unvermindert wütend an.

„Ich muss Euch für eine kleine Weile verlassen“, sagte Zaldimar. „Ich werde mir als Nächstes Goldhain vornehmen, eine Aufgabe, bei der Ihr und Eure Männer mir behilflich sein werdet, sobald Ihr erst... umgewandelt worden seid.“

„Seid verdammt, Ihr...“ Doch Marschall Dughans Stimme vermummte wie abgeschnitten, als der Nekromant verschwand – und mit ihm das Licht.

Die Luft wurde dick und schwer. Der Gestank der toten Kobolde war allgegenwärtig. Ohne das magische Licht konnte Dughan nicht sehen, wie die Gestalten auf ihn zukamen.

Ein Mann schrie gellend auf, und Angstrufe lösten sich aus den Mündern der anderen. Dughan versuchte verzweifelt, die Flut von Angreifern abzuwehren.

Noch ein Mann schrie auf. Einen Augenblick später hallte das monströse Geräusch von etwas, das zerrissen wurde, durch den Schacht.

„Marschall?“, flehte der Mann neben ihm.

„Kämpft weiter!“

Doch dann fiel Dughan beinahe zur Seite, als der Soldat hinter ihm fortgezerrt wurde. Der Soldat brüllte erneut... dann mischte sich ein hässlicher Schrei in das vertraute Geräusch von Waffen, die in Fleisch eindrangen. All das hallte von den Wänden wider.

Das Klirren der Waffen wurde schwächer und schwächer...

Marschall Dughan wusste, dass er der letzte Überlebende war. Er spürte, wie sich die untoten Kobolde um ihn scharten. Zum ersten Mal leuchteten ihre Augen. Sie strahlten ein tödliches weißes Licht aus, das Gänsehaut erzeugte.

Und unter diesen Gegnern erkannte Dughan nun auch andere, die sich von den Toten erhoben hatten. Sie sahen fürchterlich zugerichtet aus. Seine eigenen Männer waren jetzt Teil der gottlosen Meute... und drängten vorwärts.

Marschall Dughan kämpfte wild entschlossen. Sein Streitkolben traf immer wieder auf Fleisch, doch die Kobolde und die veränderten Soldaten stürmten unbeeindruckt weiter vor. Sie waren jetzt überall, rissen mit ihren Klauen an ihm, bissen ihn oder hieben mit ihren Waffen auf ihn ein.

Er schrie, als ihn die Untoten unter sich begruben...


Marschall Dughan lag in seinem Bett, obwohl im Städtchen Goldhain bereits der Tag angebrochen war und die Sonne schien.

Er bewegte sich unruhig und runzelte die Stirn. Sein Körper war verschwitzt. Seine Lippen bewegten sich, als wolle er sprechen – oder schreien -, und seine Hände verkrampften sich so fest ineinander, dass die Knöchel weiß hervortraten.

Abrupt setzte sich Dughan auf und schrie. Doch der Marschall wachte nicht auf, sondern fiel wieder auf das Bett zurück. Er wälzte sich hin und her und keuchte, als kämpfe er im Traum gegen etwas.

Sein Schrei war laut genug gewesen, um weithin in der Stadt gehört zu werden. Dennoch kam niemand, weder seine Familie noch irgendwelche Diener, um nachzusehen, was den Marschall quälte.

Sie konnten es nicht. Niemand in Goldhain konnte es, weil alle in ihren Betten lagen, alle schliefen... und unter fürchterlichen Träumen litten.


Obwohl sie eine Hohepriesterin der Mondgöttin war, hielt Tyrande den Sonnenaufgang für etwas Erhabenes, wenngleich das helle Licht ein wenig in den Augen eines Nachtwesens stach. In ihrer Jugend hatte sie es nicht als so schmerzhaft empfunden. Tatsächlich waren sie, Malfurion und Illidan oftmals bei Tag ausgeritten, wenn die meisten anderen schliefen, und hatten die von Helligkeit erfüllte Welt erforscht. Selbst Malfurions Unterricht bei Cenarius war bei Tag erfolgt.

Vielleicht werde ich doch alt, dachte sie. Unter den Nachtelfen war Tyrande eine der ältesten. Sie hatte so viele überlebt, auch all ihre geliebten Freunde, mit Ausnahme von zweien.

Der Weg zur Mondlichtung war lang. Deshalb mussten sie, ihre Leibwache und Erzdruide Fandral samt seinen Druiden alle einen Tag lang rasten, bevor sie nach Darnassus zurückkehren konnten. Während es vielen der Druiden reichte, in den Grüften, den unterirdischen Kammern, zu schlafen, erinnerten sie Tyrande zu sehr an andere Orte der Vergangenheit, die sie vergessen wollte, so wie die Gewölbe unter Azsharas Palast.

Als Königin wollte Azshara ihr Volk ihrem Wahn und ihrer Besessenheit opfern und hatte der Brennenden Legion willentlich den Weg geöffnet. Ihr oberster Berater, Xavius, hatte sie noch weiter angestachelt, und die beiden waren für viele der zahllosen Toten verantwortlich, die den Dämonen zum Opfer fielen. Tyrande wollte niemals mehr in Azshara denken müssen. Doch es gab so viele Erinnerungen, die sie zwangen, es doch zu tun.

Deshalb verließ sie die Gruft und baute zusammen mit ihren Anhängern und ein paar Druiden Zelte aus Ranken und Blättern.

In ihrem Zelt – aufgebaut in respektabler Entfernung zu dem Ort, wo Fandral und seine Druiden schliefen – übte die Herrscherin der Nachtelfen ihre Kampfkünste. Ihr Zelt war drei mal drei Meter groß und bestand aus miteinander verflochtenen Blättern, die von Teldrassil selbst stammten. Erfahrene Weber hatten Muster erschaffen, die zu den Schwestern der Elune passten, vor allem der Mond war häufig abgebildet. Da das Zelt zudem von Mutter Mond gesegnet war, lag auch noch ein schwacher silberner Schimmer darauf.

Drinnen gab es nur wenig Schmuck. Tyrande hatte sich auf das Notwendigste beschränkt. Ein kleiner hölzerner Tisch und ein Hocker waren die einzigen Möbelstücke, die ihnen die Druiden geliefert hatten. Ihre Mondgleve hatte sie bei den Decken zurückgelassen, die ebenfalls aus Teldrassils Blättern gewoben waren und ihr als Bett dien-len. Das alte dreiklingige Schwert war bei ihrem Volk sehr beliebt, vor allem unter den Schildwachen. Weil sie sich der drohenden Gefahren auf der Welt stets bewusst war, übte Tyrande oft mit der Gleve.

Doch nun wollte sie an ihren Nahkampffähigkeiten arbeiten. Eigentlich wollte sie nur ihre Muskeln ein wenig strecken. Schon der Umgang mit Fandral hatte ihr genügend Spannung beschert. Doch die Reise hierher, um Malfurions Körper zu sehen, hatte ihr mehr zugesetzt, als sie geglaubt hatte.

Obwohl sie den Erzdruiden und sein Amt respektierte, gefielen ihr Fandrals Pläne nicht. Sie hatte sich für den Augenblick gefügt. Doch das lange Warten, das seine Methode erforderte, ging ihr allmählich gegen den Strich. Sie war es gewohnt, schnell und entschieden zu handeln. Eben wie eine Kriegerin...

Um überschüssige Energie abzubauen, stürzte sich Tyrande voller Tatendrang in ihre Übungen. Die Hohepriesterin winkelte die Arme an und trat aus. Sie hatte es seit ihren Tagen als Novizin weit gebracht, in einigen Kampfarten sogar weiter als Malfurion, der während der letzten zehn Jahrtausende allzu oft Azeroth verlassen hatte, um in die scheinbare Perfektion des Smaragdgrünen Traums einzudringen. Es hatte Zeiten während seiner Abwesenheit gegeben, da sie ihm das verübelt hatte und ihn sogar hasste, weil er sie verlassen hatte... doch stets hatte ihre Liebe diese düsteren Gefühle überwunden.

Tyrande wirbelte herum und schlug mit der linken Hand zu. Die ausgestreckten Finger bildeten eine scharfe Kante, die in der Lage war, eine Kehle zu zerschmettern. Sie stellte sich auf die Zehen des rechten Fußes und streckte die rechte Hand nach oben – und plötzlich spürte sie etwas hinter sich.

Die Hohepriesterin wirbelte auf den Zehen herum und trat nach dem Angreifer. Niemand hätte ohne Warnung eintreten sollen. Wo waren ihre Wachen?

Doch auch jetzt noch kämpfte Tyrande nur, um den Gegner kampfunfähig zu machen und nicht, um zu töten. Jeder Eindringling wurde lebend gebraucht, um Fragen zu beantworten.

Aber statt irgendetwas Festes zu treffen, sah Tyrande, wie ihr Fuß durch eine dunstig schwarze und smaragdgrüne Gestalt hindurchfuhr. Der schattenhafte Attentäter zerbarst in tausend Teile und bildete sich dann neu.

Doch die Nachtelfe hatte sich bereits weiterbewegt, um die Mondgleve aufzunehmen. Dabei sah sie zwei weitere der albtraumhaften Gestalten. Sie wirkten irgendwie verschwommen, was es ihr unmöglich machte, die wahren Gesichtszüge zu erkennen. Doch Tyrande meinte, dass sie von halb tierhafter Gestalt waren. Aus irgendeinem Grund löste dies irrationale Ängste in ihr aus.

In diesem kurzen Moment sprangen die dämonischen Schatten auf sie zu. Tyrande riss die Gleve gerade noch rechtzeitig hoch und schnitt durch beide hindurch.

Aber die Gleve sorgte nur dafür, dass sich die obere und untere Hälfte kurzzeitig trennten. Die Schatten bildeten sich sofort neu, und die Gegner schlugen mit langen Krallen, die aus ihren Händen wuchsen, nach ihr.

Unngh!“ Tyrande wich so gut sie konnte zurück und versuchte, zu Atem zu kommen. Es gab keine blutigen Kratzer, wo die Krallen sie getroffen hatten. Aber der Nachtelfe kam es dennoch so vor, als würde sie von Dolchen aus Eis aufgespießt. Ein Teil von ihr wollte die Waffe fallenlassen und sich am Boden winden.

Doch das hätte den sicheren Tod bedeutet. Die Hohepriesterin schlug wild mit der Gleve um sich. Dadurch wollte sie hauptsächlich die Angreifer dazu bringen, sich neu manifestieren zu müssen. Darauf, Schmerzen zu verursachen, konnte sie nicht hoffen.

Ein zweiter, noch schrecklicherer Schrei entfuhr ihr, als sie spürte, wie die eisigen Dolche in ihren Rücken eindrangen. Von den anderen abgelenkt, hatte sie den Angreifer hinter sich nicht bemerkt.

Die Gleve entglitt ihren zitternden Händen. Tyrande fragte sich, warum ihre Schreie niemanden alarmiert hatten. Vielleicht hatten die Dämonen alles abgeschirmt. Die Attentäter würden sie töten, und niemand würde es bemerken, bis das Zelt aus irgendeinem anderen Grund betreten wurde.

Nein... so weit wird es nicht kommen, dachte Tyrande. Ich bin eine Priesterin von Mutter Mond – das Licht von Elune ist ein Teil von mir...

Und bei diesem Gedanken schmolz sowohl das Eis als auch die Furcht, die ihren Willen lähmte.

„Ich bin die Hohepriesterin von Mutter Mond...“, verkündete sie den schattenhaften Gegnern. „Spürt das Licht...“

Ein silbriges Leuchten erfüllte das Zelt. Die smaragdgrünen Gestalten erschauderten in seinem Glanz.

Trotz der erfolgversprechenden Reaktion ließ die Nachtelfe nicht nach. Sie öffnete sich Elune. Der sanfte Trost von Mutter Mond umgab sie. Elune würde ihre Tochter beschützen.

Das silbrige Licht wurde tausendfach stärker.

Mit tiefen krächzenden Lauten lösten sich die monströsen Angreifer auf, als bestünden sie aus nichts anderem als Schatten.

Plötzlich war alles völlig schwarz. Tyrande rang nach Luft. Das Licht von Elune war fort, und sie saß auf dem Boden, als würde sie meditieren.

Die Hohepriesterin warf einen Blick zur Gleve – sie lag immer noch auf den Decken, wo sie sich befunden hatte, bevor die Eindringlinge gekommen waren.

Doch waren sie das wirklich? Der eisige Schmerz in ihrem Rücken kehrte zurück – oder vielleicht war es nur ein Frösteln, das ihr zwischen den Schulterblättern hinablief. Sie schluckte, ihr Mund war trocken, und ihr Herz hämmerte immer noch wie rasend.

Während Tyrande aufstand, stürmte plötzlich eine Wache ins Zelt. Tyrande bemerkte den verwirrten Blick der Schildwache, versuchte aber, ihre eigene Konfusion zu verbergen. Am Gesichtsausdruck der Priesterin sollte die Wache nichts über den Mordversuch an ihrer Herrin ablesen können.

„Vergebt mir, dass ich eintrat“, murmelte der Wächter. „Aber ich hörte Euch keuchen und fürchtete, Euch könnte etwas widerfahren sein...“

„Ich habe nur geübt und geriet außer Atem.“

Die andere Nachtelfe runzelte die Stirn, dann nickte sie. Sie verbeugte sich und verließ das Zelt.

Tyrande fiel etwas ein. Diese merkwürdige düstere Vision hatte ihr einige Dinge klargemacht. Denn wenn sie etwas ohne Wissen von Erzdruide Fandral erledigen wollte, musste sie zuerst eine Sache klären.

„Wartet!“

„Herrin?“

„Ich habe eine Aufgabe für Euch... die einen der Druiden betrifft...“


Vielleicht weil er einst ein Sklave gewesen war, fand Broll Bärenfell die Gruft zu beengend. Und so schlief er, wie einige andere auch, draußen auf der Mondlichtung unter freiem Himmel. Hamuul ruhte ganz in der Nähe zu seiner Rechten. Zwischen ihnen bestand eine Seelenverwandtschaft, sie waren beide, jeder auf seine Art, einzigartig unter ihren Brüdern.

Neben Varian Wrynn und der jungen Valeera Sanguinar – einer Blutelfenschurkin – war Hamuul vielleicht der engste Freund des Nachtelfen. Brolls Freundeskreis mochte merkwürdig sein und auf manch anderen beunruhigend wirken, doch Broll interessierte nicht mehr, was andere dachten.

Viele Dinge belasteten den Nachtelfen – zu viele, um einschlafen zu können. Während der Tauren neben ihm schnarchte, dachte Broll eine Zeit lang an Valeera, die für ihn wie eine Tochter geworden war. Als Blutelfe war die junge Frau süchtig nach arkaner magischer Energie. Diesem dunklen Pfad hatte sich ihr Volk nach der Zerstörung des Sonnenbrunnens, der Machtquelle der Hochelfen, verschrieben.

Broll hätte es fast geschafft, ihr dabei zu helfen, die Sucht zu überwinden... doch dann hatten die Umstände Valeera gezwungen, erneut den Weg ihres Volkes zu beschreiten.

Kurz bevor Broll zu dieser Versammlung gerufen worden war, hatten sie sich zumindest vorübergehend getrennt. Er hoffte, dass es ihr mittlerweile besser ging, fürchtete aber, dass ihre Sucht sich verschlimmert haben könnte.

Seufzend versuchte Broll, sich zu beruhigen. Momentan konnte er nichts für Valeera tun, bevor ihm nicht selbst Hilfe zuteil wurde... und das führte seine Überlegungen zurück zu seinem Shan’do.

Zum ersten Mal fiel ihm etwas auf – oder besser, versuchte etwas, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch der Gedanke ließ sich von seinem müden Geist nicht recht fassen. Der Druide versuchte immer wieder, sich zu konzentrieren, aber stattdessen entschlüpfte ihm die Wahrheit immer weiter. Fast meinte er...

Ein Geräusch erreichte ihn von den Bäumen hinter ihm. Es hörte sich beinahe so an, als würde jemand nach Luft schnappen...

Vater...

Der Nachtelf versteifte sich. Hatte er... sie gehört?

Broll setzte sich leise auf.

Vater...

Da war es wieder. Er kannte die Stimme besser als seine eigene. Broll zitterte. Sie konnte es nicht sein. Es konnte nicht... konnte niemals... Anessa sein – oder etwa doch?

Er blickte zu Hamuul, dessen Schnarchen gleichmäßig blieb. Der Tauren hatte nichts bemerkt. Broll war beinahe überzeugt, sich das vermeintlich Gehörte nur eingebildet zu haben, als...

Vater... Ich brauche Euch...

Anessa! Broll schnappte nach Luft. Er hatte sie gehört!

Der Druide reagierte instinktiv, stand auf und blickte auf der Suche nach seiner Tochter in den Wald. Er rief nicht nach ihr. Er fürchtete nicht nur, damit die anderen aufzuwecken, sondern auch, dass er seine geliebte Tochter verjagen würde.

Aber, erinnerte ihn ein Teil von ihm, Anessa ist tot... und ich bin schuld daran...

Obwohl er sich dieser Sache mehr als bewusst war, spürte Broll, wie sein Herz heftiger denn je schlug. Er tat einen vorsichtigen Schritt in die Richtung, aus der er glaubte, den Ruf gehört zu haben.

Vater... Helft mir...

Tränen stiegen in die Augen des Druiden. Er dachte an Anessas Tod und daran, welche Rolle er dabei gespielt hatte. Der alte Schmerz rührte sich wieder. Erinnerungen an die Schlacht stiegen auf.

Ja, Anessa war tot.

Aber sie ruft mich!, beharrte sein Innerstes. Dieses Mal kann ich sie retten!

Etwas Schattenhaftes bewegte sich unter den Bäumen direkt vor ihm. Broll wandte sich der kaum sichtbaren Gestalt zu.

Plötzlich verschwamm, die Welt des Druiden. Die Bäume bewegten sich, als bestünden sie aus Rauch. Die schemenhafte Gestalt entfernte sich. Der Himmel wurde zum Boden und der Boden zum Himmel. Broll kam es so vor, als hätten seine Knochen sich verflüssigt. Er versuchte, seine Tochter zu rufen.

Etwas näherte sich ihm aus dem Wald, wuchs zu erschreckenden Proportionen an. Aber noch immer konnte der Druide keine klaren Gesichtszüge erkennen. Es sah fast so aus wie -

Broll versuchte zu schreien.

Er erwachte.

Seine Sinne kehrten allmählich zurück. Dem Nachtelfen dämmerte, dass einige Dinge, die ihn umgaben, irgendwie falsch waren.

Die Umgebung war anders als zuvor. Er stand nicht länger am Waldrand, sondern lag auf dem Boden, so als hätte er geschlafen. Blinzelnd blickte Broll auf. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, mussten mehrere Stunden vergangen sein.

Die Lieder der Vögel und das Seufzen des Windes begrüßten ihn. Doch ein anderes Geräusch fehlte. Er blickte zur Seite und sah, wie Hamuul ihn voller Ernst betrachtete. Der Erzdruide kniete neben ihm und schüttelte seinen Freund.

„Du bist wach“, bemerkte der Tauren. „Geht es dir nicht gut? Du siehst...“

Der Nachtelf ließ ihn den Satz nicht vollenden. „Es war ein Traum. Oder wohl eher ein Albtraum...“

„Ein Traum... nun, wenn du meinst.“ Hamuul war einen Augenblick lang still, dann sagte er: „Ich bin schon früher aufgewacht. Schließlich ist es heller Tag. Und ich bin kein Nachtelf, habe einen leichten Schlaf. Du hast etwas gemurmelt. Es war... ein Name“, fuhr der Tauren mit leichtem Zögern fort. „Der Name von jemandem, der dir nahe steht.“

„Anessa...“ Teile des Albtraums kehrten zurück. Broll schauderte. Er hatte schon früher von seiner Tochter geträumt, doch nie auf diese Weise.

Der Tauren neigte bei der Erwähnung von Brolls verlorenem Kind wieder den Kopf. „Anessa, ja...“ Er blickte zu dem Nachtelfen auf. „Jetzt geht es dir wieder gut, oder, Broll Bärenfell?“

„Mir geht es jetzt gut. Danke...“

„Das war nicht natürlich, Broll Bärenfell... genauso wenig wie deine früheren Visionen – obwohl, glaube ich, jede von ihnen anders war.“

„Es war nur ein schlimmer Albtraum, Hamuul.“ Brolls Tonfall machte deutlich, dass er über diesen Punkt nicht weiter reden wollte. „Weder er noch andere bedeuten irgendetwas.“

Der Tauren blinzelte, dann zuckte er mit den Schultern. „Ich will nicht darauf herumreiten, mein Freund. Es würde deine Qualen nur verstärken. Doch wir wissen beide, dass es nicht stimmt...“

Bevor jemand noch etwas anderes sagen konnte, erklang aus den Wäldern ein fernes knisterndes Geräusch. Broll verspannte sich augenblicklich, und Hamuuls Augen weiteten sich.

Hinter den Bäumen trat eine Gestalt hervor. Doch es war nicht der Schatten von Anessa, der auf die Ebene der Sterblichen zurückgekehrt war. Vielmehr handelte es sich um eine der Priesterinnen, die Tyrande zur Mondlichtung begleitet hatten.

„Meine Herrin wünscht, mit Euch zu sprechen, Druide“, sagte die schlanke Gestalt zu Broll. Ihr Blick wanderte zu dem Tauren. „Sie will, dass Ihr allein kommt – und mit dem gebührenden Respekt, Druide...“

Die Priesterin wartete die Antwort nicht ab, stattdessen verschwand sie wieder in den Hügelwäldern. Als Druide hätte Broll ihr leicht folgen können. Doch ihr vorsichtiges Verhalten und ihre kurze, irgendwie mysteriöse Nachricht machten klar, dass eine solche Reaktion nicht angebracht war. Er musste allein gehen, so als wäre es seine Entscheidung gewesen.

„Gehst du hin?“, fragte Hamuul.

„Ja“, antwortete der Nachtelf sofort. „Das werde ich.“

„Ich verrate nichts.“

Das Versprechen des Tauren bedeutete Broll viel. Dankend nickte der Nachtelf und brach auf. Seine Gedanken waren bereits bei den möglichen Gründen, warum die Hohepriesterin der Elune und Herrscherin der Nachtelfen ein geheimes Treffen mit ihm wünschte. Tyrande Wisperwind hatte etwas vor, das sie vor vielen anderen geheim halten wollte, auch vor Erzdruide Fandral Hirschhaupt.

Und Broll hatte eine furchtbare Ahnung, was sie beabsichtigte.

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