Broll Bärenfell nahm die Nachricht von Malfurions Erwachen mit einer ausgelassenen Freude auf, wie sie bei den meisten Nachtelfen nur selten vorkam – bei den Druiden schon gar nicht. Er stieß einen leidenschaftlichen Schrei aus, der durch die Enklave bis zum Tempel des Mondes hallte. Dabei rannte er an denen vorbei, die deutlich gesitteter zum Heim der Schwesternschaft schritten.
Ihm war nur wichtig, dass sein Shan’do gesund zu sein schien.
Zwei bewaffnete Schwestern verstellten ihm den Weg, bis ihn eine von ihnen erkannte. „Unsere Befehle lauten, dass wir nur wenige bestimmte Personen einlassen dürfen“, erklärte sie. „Damit der Tempel nicht von allen überrannt wird, die sich um die Gesundheit des Erzdruiden sorgen.“
Broll nickte, dankbar, dass er zu den Auserwählten gehörte, denen Tyrande den Zugang gestattete. Er wusste, wo er Malfurion finden würde. Er lief durch den Tempel und verneigte sich mehr als einmal vor Mutter Monds Abbild.
Man hatte Malfurion unter der großen Statue aufgebahrt, wo das Mondlicht immer schien. Die Hohepriesterin hatte darauf bestanden, dass er zum Tempel gebracht wurde, obwohl die Druiden ihren geschätzten Shan’do eigentlich zur Mondlichtung hatten tragen wollen. Doch Tyrande hatte es einfach nicht gestattet. Schließlich war sie nicht nur die Herrscherin der Nachtelfen, sondern auch Malfurions Geliebte. Ihr konnte sich niemand widersetzen.
Mit geschlossenen Augen lag Malfurion auf miteinander verflochtenen Blättern und Kräutern, um letztlich auch die Druiden zufriedenzustellen. Tyrande kniete neben ihm und hielt ein weiches, feuchtes Tuch in der Hand. Sie hatte sich um ihn gekümmert, als wäre sie eine Novizin und nicht die Herrin des Ordens. Hinter ihr stand Wache haltend die ebenfalls recht stille Shandris Mondfeder. Die Generalin machte ein Gesicht, wie es Broll eher von einem Kind erwartet hätte, das sich um seine Eltern sorgte, aber nicht von einer erfahrenen Kämpferin.
„Mylady“, murmelte Broll, als er sich näherte. Shandris warf ihm einen kurzen Blick zu. Sie hatte seine Gegenwart schon vorher gespürt und war deshalb unbesorgt. „Ich habe gehört, dass er... dass er wach sei...“
„Und das... und das bin ich auch“, antwortete Malfurion, dessen Augen sich langsam öffneten. Sie strahlten wie die Sonne... und würden es von nun an immer tun. Er schenkte dem Nachtelfen ein kurzes Lächeln. „Doch sie...“ Mit einem Blick wies er auf Tyrande, „... besteht darauf, dass ich mich etwas mehr ausruhe. Ein Befehl, dem ich mich nicht verweigern kann... nachdem ich schon einmal... schon einmal erfolglos versucht habe... aufzustehen.“ Malfurions Grinsen wurde breiter. „Aber ich bin nachlässig. Ich sehe, dass der Kampf auch Euch verändert hat, Broll...“
Der Erzdruide bezog sich auf Brolls Augen, die zwar nicht so leuchteten wie die seines Shan’dos, aber nun ebenfalls golden erstrahlten. Indem er in sich selbst und nach Azeroth hineingeschaut hatte, hatte Broll schließlich den Damm gebrochen – eine selbst errichtete Barriere – und war wahrlich der große Druide geworden, den so viele schon viel früher in ihm gesehen hatten. Die Veränderung reichte bis tief in ihn hinein. Brolls Unsicherheit war verschwunden. Ihm war klar geworden, dass er jetzt endlich so war, wie er schon immer hätte sein sollen. Mit jeder Bewegung strahlte er nun die unvergleichliche Selbstsicherheit eines echten Druiden aus.
Doch das interessierte ihn im Augenblick nicht. Nur eine Sache war wichtig. „Aber... geht es Euch wirklich gut?“
Die Hohepriesterin unterbrach ihre Pflege und blickte Broll an, als hätte er den Verstand verloren. „Malfurion ist hier im Haus der Elune, und ich bin ihre Stellvertreterin auf dieser Welt... glaubt Ihr, da ginge es ihm schlecht?“
„Vergebt mir“, antwortete der Druide lachend. „Das habe ich ganz bestimmt nicht gemeint.“
Malfurion legte seine Hand auf ihr Knie. Tyrandes Gesichtsausdruck wurde sanfter. An Broll gewandt antwortete der Erzdruide: „Sie will mich nur beschützen. Ich habe ihr etwas versprochen, das ihr wichtig ist.“
„Ein Versprechen?“
„Ein Glück, dass Ihr gerade hier seid, Broll. Weil ich mir niemand anderen vorstellen kann, den ich bei mir haben will, wenn Tyrande und ich uns das Gelöbnis geben.“
Broll brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er meinte. Shandris lachte wegen seiner verspäteten Reaktion.
„Ihr beide – Ihr wollt heiraten?“
„Jetzt seid doch nicht so erschrocken.“ Die Hohepriesterin lächelte. „Ich glaube, dass ich lange genug darauf warten musste, dass er endlich vernünftig wird.“
„Und ich glaube, dass Ihr schon längst jemanden mit mehr Verstand als mich hättet kriegen können“, antwortete Malfurion deutlich erholter. Er hielt ihre Hand und fragte Broll: „Nun, Broll Bärenfell, wollt Ihr das für mich tun?“
„Da gibt es sicherlich andere...“
„Es gibt viele gute Seelen, doch ich wähle Euch.“
Der Druide neigte den Kopf. „Dann fühle ich mich geehrt. Ich bete nur, dass ich keinen Fehler mache.“
Sein Shan’do lachte. „Ihr könnt keinen größeren Fehler machen als ich. Schließlich war ich es, der Tyrande über die Jahrtausende hinweg viel zu oft alleine ließ, mein Freund.“
„Wann findet die Feier denn statt?“
Wie aus einem Mund antworteten Malfurion und Tyrande: „So bald wie möglich!“
Obwohl Darnassus nicht unbedingt der praktischste Ort für eine solche Zeremonie war, gab es zugleich wohl auch keinen, der besser geeignet gewesen wäre. Denn für Malfurion Sturmgrimm, Anführer der Druiden, und Tyrande Wisperwind, Hohepriesterin der Elune und Herrscherin der Nachtelfen, kam nur die Hauptstadt in Frage.
Lange vor dem Abend der Zeremonie hatten die beiden bereits alle Fragen über ihre zukünftigen Rollen geklärt. Eigentlich hatte Tyrande das getan. Malfurion wusste, dass sie die beste Herrscherin war, die sein Volk sich wünschen konnte, zumal er selbst keine Ambitionen in dieser Richtung hatte. Dennoch bestand sie auf der Idee, dass sie Seite an Seite regierten, gleichberechtigt in allen Dingen, was ihr Volk betraf. Sie blieb zudem die Hohepriesterin der Elune und er der oberste Erzdruide. Aber von nun an würden diese beiden Ämter enger miteinander verbunden sein, was den Nachtelfen nur nützen konnte.
Die Zeremonie fand natürlich im Tempel der Elune statt. Doch das bedeutete auch, dass die anwesende Zuschauerschar etwas arrangiert werden musste. Generalin Shandris jedoch erwies sich bei der Organisation der Gäste als ebenso kompetent wie im Feld. Es gab manchen, der außerhalb ihrer Hörweite sogar tuschelte, dass sie diese Aufgabe mehr zu genießen schien als ihre normalen Pflichten.
Neben den Schwestern würden auch die Schildwachen aufpassen und sicherstellen, dass niemand Ärger bereitete. Das war notwendig, denn neben ihren eigenen Leuten hatten Malfurion und Tyrande noch König Varian, Erzmagier Rhonin und andere Anführer eingeladen. Natürlich erschien ein jeder von ihnen mit seinem eigenen Gefolge und seinen persönlichen Wachen.
Trotz der überall stattfindenden Aufbauarbeiten hatten Varian und die anderen es als ihre vorrangige Pflicht betrachtet, an diesem wegweisenden Ereignis teilzunehmen. Schließlich verdankten sie es Malfurion, dass Azeroth überhaupt noch existierte. Selbst der unabhängige Windhammerklan – die berühmten Greifenreiter vom Nistgipfel – war gekommen, angeführt von ihrem Hochthan Falstad.
Thrall, der Vertreter der Horde, ließ Grußworte an Malfurion und Tyrande übermitteln. Das seit jeher fragile Bündnis zwischen Horde und Allianz fiel allmählich auseinander, weil persönliche Animositäten nun, nachdem die Hauptgefahr gebannt war, offensichtlich wurden. Auf mehr hätte das Paar auch nicht hoffen können, denn beide wussten, wie flüchtig dieser Friede war. Das einzig Gute an den Grüßen war, dass Thura sie überbrachte. Sie hatte den Kriegshäuptling gebeten, sie übermitteln zu dürfen. Für sie waren der Erzdruide, die Hohepriesterin und all die anderen Blutsverbündete.
Obwohl die eigentliche Zeremonie stattfinden würde, wenn die Weiße Lady – der große silberne Mond, der für die Nachtelfen Elune selbst verkörperte – im Zenit stand, gab es auch andere Beleuchtung, die der Feier Glanz verleihen würde und für die weniger nachtaktiven Gäste gedacht war. Tausende Glühwürmchen zierten die Bäume, und kleine silberblaue Kugeln aus Mondlicht schwebten über den Besuchern. Rhonin – der das Paar auf einzigartige Weise schon länger kannte als jeder andere – hatte angeboten, dass seine Magier eine Reihe von herrlichen Regenbogen erzeugten, die am dunklen Himmel die zehn Jahrtausende symbolisierten, die Malfurion und Tyrande nun schon zusammen waren.
Neben Rhonin standen seine Frau, die Hochelfe Vereesa – Anführerin der Hochelfen des Silberbundes, der aus Protest gegen die Aufnahme der Blutelfen bei den Kirin Tor gegründet worden war – und ihre Zwillingssöhne. Die beiden Jungen wirkten bedrückt. Sie hatten das rote Haar ihres Vaters und trugen seine breiten Gesichtszüge. Doch sie waren schlanker gebaut und hatten ein wenig längere Ohren. Die Mischung aus Elf und Mensch hätte sich als nicht so vorteilhaft erweisen können, aber beide waren gut aussehend.
Die Hörner verkündeten schmetternd den Eintritt der Hochzeitsgesellschaft. Zuerst kam eine Ehrenwache aus Schildwachen mit Lanzen, die abwechselnd das Mondbanner der Schwesternschaft und den Wappenrock vom Zirkel des Cenarius trugen, ein großes Blatt, aus dem ein riesiges Geweih erwuchs. Ihnen folgte eine feierliche Prozession von Druiden und Mitgliedern der Schwesternschaft. Hinter ihnen kamen ernst blickende Veteranen der Schildwachen, ausnahmslos handverlesen von Generalin Shandris.
Und dann – zuletzt – erschienen Malfurion Sturmgrimm und Tyrande.
Malfurion hatte das Kinn hoch erhoben, das Geweih war himmelwärts gerichtet. Er trug einen langen Umhang aus Waldblättern und einen Brustpanzer, der aus herabgefallenem Holz gefertigt war. Darauf war der Weltenbaum eingraviert, mit dem Zeichen vom Zirkel des Cenarius darüber. Dazu trug der Erzdruide einen knielangen grünen Kilt und Sandalen.
Tyrande leuchtete im liebevollen Licht von Elune. Mutter Mond gab dieser Vereinigung ganz offensichtlich ihren Segen. Als sie vorbeiritt, knieten viele Nachtelfen automatisch nieder. Tyrande war wie eine Hohepriesterin gekleidet. Sie trug zudem ein großes Cape aus silberblauem Licht, das über ihr Reittier hinaus floss. Ihr mitternachtsblaues Haar war offen und lang, und obwohl sie so weise wie eine Herrscherin wirkte, schien doch ein wenig Jugend ihre gewaltige Schönheit zu veredeln, die, da waren sich alle sicher, von der Freude des Augenblicks herrührte.
Shandris und Broll ritten hinter dem Paar her, beide auch in lange Mäntel gekleidet, die denen des Erzmagiers und der Hohepriesterin glichen, aber nicht ganz so prachtvoll waren. Ihre Aufgabe war es, ihren jeweiligen Kameraden als Zeugen beizustehen. Eine Aufgabe, auf die sie ganz offen stolz waren.
In der Mitte blieb die Gruppe stehen. Malfurion und Tyrande stiegen ab und ergriffen die ausgestreckte Hand des jeweils anderen, dann schritten sie feierlich weiter. Broll und Shandris stiegen ebenfalls ab, traten zur Seite und hinter das Paar, wobei der Druide nahe bei seinem Mentor stand und die Generalin bei ihrer Herrscherin.
Die Ehrengarde, die Druiden und die Schwestern teilten sich in zwei Reihen auf, die sich in unterschiedliche Richtungen wandten.
Man hatte lange darüber diskutiert, wer die Zeremonie leiten sollte. Wären die Dinge anders gewesen, so glaubten viele, hätte Remulos es getan. Doch der Waldhüter erholte sich noch und war sehr schwach. Er war unter den Zuschauern, so wie einige andere, Elerethe Renferal etwa, die Naralex neben sich half. Bis zu diesem Zeitpunkt wussten nur die Hohepriesterin und der Erzdruide, wer es sein würde. Nicht einmal Broll und Shandris kannten die Wahrheit.
Malfurion und Tyrande waren bereit. Gemeinsam blickten sie zum Himmel auf.
Das Licht der Elune schien auf das Paar hinab. Doch etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit.
Das Schlagen von Flügeln erklang aus der Höhe. Die Menge, darunter Lucan, Hamuul und Thura, folgten Malfurions und Tyrandes zufriedenem Blick.
Der Tauren blickte auf. Seine Augen waren nicht nur golden, es lag auch noch ein smaragdgrüner Glanz darin. Er hatte so viel von sich selbst gegeben, um Malfurion zu helfen, dass er genauso gezeichnet worden war. Lucan war jetzt nicht nur Hamuuls Schüler, sondern von König Varian – der von Malfurion und Broll erfahren hatte, wie viel sein Untertan zum Sieg beigetragen hatte – auch zum Meister-Kartografen von Sturmwind ernannt worden. Jetzt zeigte er besondere Freude bei dem fantastischen Anblick. Obwohl er sich damit ein paar entgeisterte Blicke einfing, winkte er, als würde er einen Freund unter den Drachen erkennen, die nun über ihnen kreisten.
Rote und grüne Drachen bevölkerten die Lüfte über Darnassus.
„Ganz ruhig“, sagte Malfurion, bevor Chaos ausbrechen konnte. „Sie sind als Freunde und Gäste hier...“
Die meisten Drachen schwebten noch, doch die vier größten landeten. Die beiden kleineren – eindeutig Männchen – ließen sich auf dickeren Ästen nieder.
Ein Lachen entfuhr Erzmagier Rhonin, der, wie das Brautpaar, den roten Drachen Korialstrasz kannte, den Hauptgemahl von Alexstrasza. Er war gemeinsam mit allen anderen erwacht und half aktiv beim Wiederaufbau von Azeroth mit.
Doch für die drei und Rhonins Gefährtin Vereesa war er gleichzeitig auch der mysteriöse Magier Krasus. Wie bei Rhonin konnte man ebenso leicht an Korialstrasz’ Gesichtsausdruck erkennen, dass der Drache diesen entscheidenden Moment um nichts auf der Welt hätte verpassen wollen.
Und natürlich war Korialstrasz in Begleitung seiner Königin gekommen. Alexstrasza schwebte genau über den Säulen, neben ihr flog Ysera.
Der grüne Drache wirkte erschöpft und mager, ihr titanischer Kampf hatte sie sehr mitgenommen. Doch sie trug auch einen Ausdruck enormen Stolzes auf ihrem Gesicht, und dieser Stolz galt Malfurion Sturmgrimm.
Die beiden großen Drachen schwebten noch einen Moment lang, dann landeten sie vor den erschreckten Augen des Publikums und verwandelten sich. Die Flügel wurden kleiner, und die Körper zogen sich zusammen. Die Drachen schwanden auf die Größe von Nachtelfen und nahmen eine ähnliche Gestalt an.
Alexstrasza wurde so, wie Broll und die anderen sie kennengelernt hatten, eine herrliche, feurige Göttin. Ysera war nicht weniger beeindruckend, obgleich ätherischer. In ein hauchdünnes smaragdgrünes Gewand gekleidet, wirkte sie ansonsten Alexstrasza sehr ähnlich. Nur ihre Haut war von blassem Grün und ihre Augen waren, wie üblich, geschlossen.
Die beiden Drachen lächelten die Hohepriesterin und den Erzdruiden an. Ysera nahm nahe Malfurion Platz, während sich Alexstrasza zu Tyrande setzte.
„Wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir diese Verbindung der beiden Geister vollziehen dürfen“, sangen sie gemeinsam. „Doch in Wahrheit sind diese beiden Geister schon seit Beginn an eins gewesen...“
Die Drachen legten die Hände des Paars zusammen, dann schlossen sie ihre eigenen darum herum.
„Obwohl diese Zeremonie kurz sein soll, soll sie für immer zehntausend Jahre der Liebe und Bestimmung füreinander markieren“, fuhren Alexstrasza und Ysera fort. „Möge das Paar den Frieden finden, den es allen anderen gebracht hat und stets für andere opferte...“
Das Mondlicht schien auf das Hochzeitspaar und wurde stärker. Gleichzeitig entstand eine prächtige purpurrote Aura um Alexstrasza herum sowie eine smaragdgrüne um Ysera.
Die Auren vermengten sich mit dem Mondlicht und badeten die Hohepriesterin und den Erzdruiden darin.
„Der Segen unseres Volkes sei mit dir, Tyrande Wisperwind, Hohepriesterin der Elune und Herrscherin der Nachtelfen, und mit dir, Malfurion Sturmgrimm, Erzdruide und Anführer vom Zirkel des Cenarius...“
Nun erstrahlten Malfurion und Tyrande hell. Das Licht hätte alle geblendet, wäre es nicht gleichzeitig so unvergleichlich sanft gewesen.
„Dieser Tag soll in die Geschichte von Azeroth eingehen!“ Die Drachen zogen ihre Hände zurück. Das Leuchten der Auren und das Mondlicht vermischten sich immer noch um das frisch verheiratete Paar herum. „Doch am wichtigsten ist, dass sich diese beiden hier diesen Tag hoch verdient haben! Tyrande Wisperwind... Malfurion Sturmgrimm... wir segnen diese Verbindung... und als unser Geschenk... machen wir an diesem herrlichen Tag noch etwas ganz Besonderes...“
Den Gesichtern der Nachtelfen konnte man ansehen, dass sie genauso wenig wie die Zuschauer wussten, was diese Ankündigung bedeuten sollte. Als Antwort wiesen Ysera und Alexstrasza hin zu Teldrassils mächtiger Krone.
„Dieser Baum wurde ohne unseren Segen geboren...er wurde von den Druiden gereinigt und von, einem von uns gesegnet... Doch nun soll er noch einen besonderen Segen erhalten...so möge er nun durch uns unsere Wünsche für diese Welt und eine Zukunft, auf die wir stolz sein können, erhalten...“
Das Paar blickte auf Teldrassils Mitte. Die beiden Aspekte wiesen mit der Hand in diese Richtung. Malfurion und Tyrande lächelten beide verstehend.
Von den beiden verwandelten Drachen ging ein wundersames Licht aus, das erst zu dem Erzdruiden und der Hohepriesterin floss und sich schließlich darüber hinaus erstreckte.
Dann strahlte es binnen eines Herzschlags über die ganze Krone, breitete sich über die Äste zum Stamm nach unten hin aus und verschwand schnell außer Sicht. Den Zuschauern erschien fortan der Baum stärker und blühender. Teldrassil wirkte einfach... lebendiger.
Die Tragweite des Geschehens überwältigte Malfurion. Sein Volk, seine Welt waren in Sicherheit. Teldrassil war gereinigt.
Doch das Wichtigste war, dass er endlich eins mit seiner Geliebten war.
Ein Gefühl der Erfüllung überkam ihn. Der Erzdruide lächelte.
Plötzlich keuchte die Menge.
„Mal!“, rief Tyrande. „Was macht Ihr denn?“
Auf einmal erkannte er, dass er leuchtete und dieses Leuchten Teldrassil nun auf seine Art berührte wie zuvor der Segen der beiden Drachen.
Die Gäste blickten einander ehrfürchtig an, als selbst der Boden unter ihren Füßen verwandelt wurde.
Das Leuchten um Malfurion herum schwand, doch Teldrassil blieb erleuchtet. In diesem Licht wuchsen seine Blätter noch saftiger als damals, da Malfurion sie von der Verderbtheit des Albtraums gereinigt hatte. Große mehrfarbige Früchte blühten auf den Ästen, und als sie so dick wie ein großer Apfel geworden waren, fielen sie langsam zu Boden. Die Versammelten lachten entzückt, als sie die Früchte auffingen und probierten.
„Wie der süßeste Nektar!“, rief Elerethe Renferal.
„Ich muss zugeben, so was haben wir am Nistgipfel nicht“, knurrte Falstad, als er eine der beiden Früchte verspeiste, die er aufgefangen hatte.
Tyrande probierte eine Frucht und lächelte ebenfalls. „Mal... die sind unglaublich...“
Er blickte ihr tief in die Augen. „Nur wegen Euch...“
Sie errötete.
„Möge euer Leben so lebendig sein, wie Teldrassil es nun ist“, sagte Alexstrasza zu Braut und Bräutigam, und Ysera trat noch weiter zurück.
„Unsere Zeit auf dieser Feier ist zu Ende“, fügte Ysera hinzu. „Herzlichen Glückwunsch, mein Kind“, sagte die Herrin des Smaragdgrünen Traums zu Malfurion. „Sei ihrer würdig...“
„Darum werde ich stets bemüht sein.“
Ysera wurde ernsthafter. „Das ist nur der Anfang. Ihr beide... doch vor allem du, Malfurion... habt einen neuen Abschnitt erreicht. Wenn Zeit ist... und ich sage wenn... musst du eine komplexe Ausbildung absolvieren, eine, der sich noch niemand zuvor gestellt hat.“
„Ich freue mich auf Eure Lehrstunden, großes Wesen...“
Der Aspekt neigte den Kopf. „Ich kann dir nichts beibringen... das ist etwas, das du selbst lernen musst. Du hast getan, was niemand anderes, nicht einmal ich, hätte tun können.“ Nach einer Pause fügte der Drache hinzu: „Doch ich biete dir gern Rat an... obwohl, wenn ich Malfurion Sturmgrimm wäre, würde ich am meisten auf die Frau neben mir hören...“
Malfurion drückte Tyrandes Hand. „Oh, das werde ich.“
Alexstrasza und Ysera nickten. Dann stiegen sie ohne ein weiteres Wort in die Lüfte, nun wieder in ihrer Drachengestalt.
Die beiden Nachtelfen blickten einander an. Tyrande nickte schnell.
Zu Ysera hinauf rief der Erzdruide: „Ysera... großes Wesen... wir möchten Euch unser Beileid für den tapferen Eranikus aussprechen!“
„Und ich nehme es an...“ Ysera neigte den Kopf, Trauer und Dankbarkeit lagen in ihrem Tonfall. „Von diesem glücklichen Ort wende ich mich nun meiner Trauer zu. Ich werde sein Opfer für immer ehren...“
„So wie wir alle“, fügte Alexstrasza hinzu.
Mit diesen Worten stiegen die beiden höher und höher in den Himmel auf. Korialstrasz und das grüne Männchen gesellten sich zu ihnen. Der rote Drache nickte den Nachtelfen kurz wissend zu.
„Danke, meine guten Freunde...“, rief er, bevor er verschwand.
Die beiden großen Drachensippen kreisten über Darnassus. Die meisten erwarteten, dass sie nun wegfliegen würden. Doch zuvor stieß eines der großen Wesen ein triumphierendes Brüllen aus... als letzte Ehrung für Malfurion und seine Braut.
Und als Ysera und Alexstrasza ihr Volk schließlich fortführten, wandten sich der Erzdruide und die Hohepriesterin wieder denen zu, die hier waren, um sie zu würdigen. Malfurion blickte die Versammelten an und fragte sich, ob Azeroth wohl wieder vollständig aufgebaut werden konnte. Und ob es sich weiterentwickeln würde, in eine Zukunft, die Hoffnung barg.
Dann erinnerte sich Malfurion an das, was noch immer den Spalt von Aln kontrollierte und wurde nachdenklich. Diese Bedrohung durfte man nicht lange aus den Augen verlieren. Der Erzdruide begann zu überlegen, was sie tun konnten...
Er spürte, wie Tyrande seine Hand drückte. Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn.
„Genießt den Tag, Mal... mehr werden wir nicht bekommen... heute und... gemeinsam...“ Sie küsste ihn erneut, dann fügte sie eindringlicher hinzu: „Und dann widmen wir uns der Verderbtheit, die Xavius geleitet hat...“
Der Erzdruide nickte und akzeptierte ihre Weisheit. Er würde den heutigen Tag genießen – und jede Minute mit Tyrande -, weil ihm klar war, dass er sich nichts Besseres wünschen konnte. Sie blickten beide voller Hoffnung in die Zukunft.
Und Malfurion Sturmgrimm wusste, dass große Dinge schon auf einem sehr viel dürftigerem Fundament begründet worden waren...