8

Die Jagd begann. Sie war erst langsam und gewann an Schnelligkeit, als sie sich hinunter ins Tal zog. Wren, Garth und der Stachelkater waren zunächst allein. Es wurde nach ihnen gesucht, aber man fand sie nicht, und ihre Verfolger waren nicht mehr als vereinzeltes Lärmen, das noch weit entfernt und nur undeutlich hörbar war. Die drei eilten schnell vorwärts. Sie blieben vorsichtig und waren ohne Panik oder Angst. Die Landschaft kam Wren und Garth vor, als träumten sie. Zeitweise war sie öde und leer, wo schwarzes Lavagestein den Bewuchs unter seinem gleißenden, felsigen Teppich begraben hatte, dann wieder üppig, wo sich Gruppen von Akazien und dichtes Gras in kleinen Inseln in die Ödnis vorkämpften, um zurückzugewinnen, was sie eingenommen hatte. Vog hing über allem wie ein weites, lose gewebtes Leichentuch. Er wirbelte umher und verlagerte sich und beschwor die Illusion herauf, daß alles, was er berührte, lebendig sei. Über ihnen, an einzelnen kleinen Stellen durch den Dunst sichtbar, hing der eisengraue, sonnenlose Himmel.

Stresa wählte einen überwucherten, umständlichen Weg, der sie zuerst in eine Richtung führte und dann wieder in eine andere, wobei sein dicht mit Stacheln versehener Körper rollte und schwankte, so daß es ständig schien, als würde er gleich umkippen. Er bevorzugte weder die offene Fläche des Lavagesteins noch den baldachinartigen Schutz des mit Gestrüpp bewachsenen Waldes, sondern wechselte scheinbar planlos von einem zum anderen, und es war unmöglich, festzustellen, ob er seinen Weg intuitiv oder aus Erfahrung wählte. Wren konnte sein schweres Atmen hören. Er drang als ein Grollen aus seiner Kehle und wurde zu einem Zischen, wenn ihm etwas begegnete, das er nicht mochte. Einmal oder zweimal schaute er zu ihnen zurück, als wolle er sich vergewissern, daß sie noch immer da waren. Er sprach nicht, und auch sie blieben stumm.

Es war Zufall, daß sie entdeckt wurden. Sie waren zu einer Fläche offenen Felsgesteins gekommen, und dort lag das Wesen auf der Lauer. Es erhob sich fast unmittelbar vor ihnen, aus der Erde, wo es sich eingegraben hatte. Zischend und schreiend schoß es wie ein Vogel auf Beinen mit einem großen, gebogenen Schnabel und Klauen an den Flügelspitzen auf sie zu. Die Krallen schwangen herab, um Stresa zu zerreißen, aber der Rücken des Stachelkaters krümmte und wand sich sofort, und ein Schauer messerscharfer Stacheln flog dem Angreifer entgegen. Das Wesen schrie vor Schmerz auf und taumelte zurück, wobei es an seinem Gesicht zerrte.

»Sssttt! Schnell!« zischte der Stachelkater und eilte davon. Sie flohen hastig, und die Schreie ihres Angreifers hinter ihnen wurden leiser. Aber jetzt waren weitere Wesen alarmiert und begannen näher zu kommen. Die Geräusche erhoben sich rund um sie herum. Ein Knurren und Grollen und Schnüffeln drang durch den Dunst und aus den Schatten heraus. Garth zog sein kurzes Schwert. Sie glitten eine flache Senke hinab, als etwas aus dem Gestrüpp hervorschnellte. Wren duckte sich, als das Wesen vorbeiflog, und sah das Glitzern von Garths Klinge. Das Wesen fiel zur Seite und war still. Sie kletterten von der Senke auf eine weitere Fläche aus Lavagestein und eilten dann zu einer Baumgruppe hinüber. Eine Schar kleiner, vierbeiniger Wesen, die an Eber erinnerten, stürzte aus einem Versteck und griff sie an. Stresa kauerte sich zusammen und zitterte, und ein Schauer von Stacheln flog gegen die Angreifer. Schreie erfüllten die Luft, und die Wesen rissen mit ihren klauenbesetzten Vorderfüßen die Erde auf. Stresa raste an ihnen vorbei und richtete seine Stacheln auf wie Eisenspitzen. Eines oder zwei der Wesen unternahm einen schwachen Versuch, sich zu erheben, aber Garth schoß bereits wieder.

Endlich befanden sie sich zwischen den Bäumen, bahnten sich ihren Weg durch feuchtes Gras und Weinranken und fühlten die nassen Schößlinge des Bewuchses auf ihren Gesichtern und Armen. Gib uns noch ein paar Minuten mehr, dachte Wren gerade, als ein schlangenähnlicher Körper aus den Bäumen fiel, sich um Garth wand und ihn hochzog. Sie wirbelte mit gezogenem Schwert herum und erhaschte einen letzten Blick auf den großen Mann, während er außer Sicht gezogen wurde, halb getragen, halb gezogen und kräftig um sich schlug, um freizukommen.

»Garth!« schrie sie auf.

Sie wollte sofort hinter ihm her laufen, hatte aber kaum ein Dutzend Schritte gemacht, als Stresa von hinten in sie hineinraste, ihr die Beine fortriß und sie zu Boden stieß. Heiser fauchte er: »Runter, Mädchen! Ssstt. Bleib liegen!«

Sie hörte ein zischendes Geräusch wie von Dutzenden von Schlangen, dann ein Reißen, als Laub über ihnen zerschnitten wurde. Stresa schob sich vor, bis er neben ihr war.

»Das war dumm!« fauchte er rauh. »Sieh nur! Phfffttt! Siehst du, was dich beinahe erwischt hätte?«

Wren schaute hin. Sie sah einen seltsam geformten Busch, der genauso mit Stacheln besetzt war wie der Stachelkater und dessen Nadeln in alle Richtungen abstanden. Als sie ungläubig hinsah, schlössen sich wieder Blätter über den Nadeln, um sie zu verbergen, und der Busch sah wieder völlig harmlos aus.

»Hsssst! Das ist ein Pfeilschütze!« keuchte Stresa. »Er ist giftig! Berühre ihn, verletze ihn auf irgendeine Weise, und er läßt seine Nadeln fliegen! Du bist tot, wenn sie dich durchbohren!«

Der Stachelkater beobachtete sie einen Moment lang mit seinen glänzenden Augen, kroch dann nach rechts und eilte davon. Wren folgte. Sie konnte Garth nicht mehr sehen oder hören. Wut und Enttäuschung erfüllten sie, und bittere Erregung machte sich in ihr breit. Wo war er? Was hatte man ihm angetan? Sie mußte ihn finden! Sie mußte...

Dann ging Stresa weiter, und sie folgte ihm. Sie schlugen sich durch dichtes Buschwerk, durchforschten den Nebel und lauschten. Und plötzlich konnte sie wieder Kampfgeräusche hören, und vor ihnen flammte Bewegung auf. Stresa polterte mit gesträubten Stacheln vorwärts. Wren war nur einen Schritt hinter ihm. Sie hörten einen Schmerzensschrei und Umsichschlagen. Garth wurde einen Augenblick sichtbar und verschwand dann wieder.

»Garth!« rief Wren und rannte unbesonnen vorwärts.

Der große Fahrende lag ausgestreckt auf dem Boden, als sie ihn erreichte, zerkratzt und voller blauer Flecke, aber ansonsten unverletzt. Was auch immer es gewesen war, das ihn geschnappt hatte, das Wesen war durch den Kampf offensichtlich ermüdet worden. Garth erlaubte dem Mädchen eine kurze Umarmung, befreite sich dann sanft und stolperte wieder auf die Füße. Stresa trieb sie sofort vorwärts, zurück durch die Bäume, über den unsicheren Untergrund und hinaus auf das Lavagestein. Eine Ansammlung von Schatten glitt über sie hin und verschwand leise und formlos wieder. Verfolgungsgeräusche erhoben sich um sie herum. Sie klangen hart und fordernd. Sie eilten über eine Ebene zu einem Berggrat, der in eine Vertiefung wirbelnden Nebels abfiel. Stresa führte sie schnell daran vorbei und einen Abhang hinunter zu einem Flußbett, das fast ausgetrocknet war. Ein neuer Schrecken polterte aus dem Nebel, ein Wesen, das annähernd menschenähnlich war, aber eine Vielzahl von Gliedern hatte und ein Gesicht, das nur aus Kiefer und Zähnen zu bestehen schien. Stresa rollte sich zu einer Kugel zusammen. Seine Stacheln standen in alle Richtungen ab, und das Monster schlingerte vorbei, ohne langsamer zu werden. Wren schwang abwehrend ihr Schwert, sprang zur Seite und entging nur knapp dem Griff begieriger Finger. Garth stand ungerührt da, ließ das Wesen auf sich zukommen und schlug dann so schnell auf es ein, daß Wren die Bewegung der Klinge kaum wahrnahm. Blut floß aus der Bestie, aber es wurde kaum langsamer. Grunzend griff es nach Garth. Der riesige Fahrende sprang zurück und zur Seite und stürmte dann erneut auf das Wesen los. Wren griff aus dem Hintergrund an, aber ein monströser Arm schwang herum und fegte sie davon. Sie hielt ihr Schwert umklammert und wollte sich erheben. Das Wesen stand jedoch fast über ihr. Garth glitt eilig neben sie, riß sie hoch und zog sie fort. Sie rannten weiter und flohen den glitzernden schwarzen Fels entlang, dessen Kante sich direkt neben ihren Füßen befand. Garth verlangsamte seinen Schritt, ohne jedoch anzuhalten, und sprang mit ihr hinunter. Ihre Füße berührten kaum den Boden, als sie schon weiterliefen. Sie sahen Stresa vor sich, der irgendwie wieder die Führung übernommen hatte. Und sie hörten das Grollen und Schnüffeln des Wesens hinter ihnen.

Dann explodierte etwas in den Schatten zu ihrer Linken und traf Wren. Ein Schmerz rann ihren Arm entlang, und sie sah, daß Blut ihren Ärmel durchtränkte. Zähne und Klauen rissen an ihr. Sie schrie und stieß fort, was auch immer an ihr hing. Es war zu nahe, als daß sie ihr Schwert benutzen konnte. Garth kam aus dem Nichts, packte ihren Angreifer mit bloßen Händen und zog ihn von ihr fort. Sie sah sein ekelerregendes, verzerrtes Gesicht und den verkrümmten Körper, während er fiel. Mit einem Schrei warf sie sich mit ihrem Schwert auf das Wesen, und es flog davon.

»Grrrlll!« Stresa war neben ihnen. »Wir müssen uns verstecken! Sssttt! Es sind zu viele!«

Hinter ihnen, zu nahe, um lange zu überlegen, gab das sie verfolgende Monster einen triumphierenden Schrei von sich. Sie flohen vor ihm zurück in den Nebel, durch das Gewirr von Schatten und Halblicht. Sie stolperten immer wieder und hangelten sich an den Felsen vorwärts. Wren blutete stark. Sie konnte auch an Garth Blut erkennen, war aber nicht sicher, ob es sein eigenes oder ihres war. Ihr Mund war trocken, und ihre Brust brannte, als sie nach Luft schnappte. Ihre Kräfte begannen nachzulassen. Sie gelangten auf eine Erhebung, und plötzlich stürzte Stresa, der sie noch immer führte, vor ihnen aus ihrem Blickfeld. Als sie zu der Stelle eilten, wo er gefallen war, sahen sie ihn am Fuße eines kleinen Abhangs seltsam ausgestreckt liegen.

»Hier! Ein Versteck!« rief er plötzlich aus und spuckte und zischte, während er wieder auf die Füße kam.

Sie krochen die begehbare Seite des Abhanges hinunter – die andere war ein Geröllhaufen – und sahen, was er entdeckt hatte. Unter einem Überhang war ein Spalt im Felsgestein, der in die Dunkelheit führte.

»Sssstttfff! Hinein, schnell. Geht, es ist ziemlich sicher!« drängte der Stachelkater. Als sie nicht sofort reagierten, kam er bedrohlich auf sie zu. »Versteckt euch! Ich werde das Wesen ablenken und zu euch zurückkommen! Grrrrrr! Geht jetzt!«

Er wirbelte herum und verschwand. Garth zögerte nur einen Moment und tauchte dann in den Spalt ein. Wren war nur einen Schritt hinter ihm. Sie tasteten unbeholfen umher, als die Dunkelheit sie umschloß, und versuchten einen Weg zu finden. Der Spalt öffnete sich eine Strecke weit in das Lavagestein und öffnete sich dann hinunter in die Erde. Als sie weit genug hineingelangt waren, so daß sie das Licht von außen kaum noch erkennen konnten, kauerten sie sich zusammen, um abzuwarten. Sekunden später hörten sie ihren Verfolger. Das Wesen näherte sich mit unverminderter Geschwindigkeit und sauste vorbei. Die Geräusche wurden leiser.

Wren griff nach Garth und drückte seinen Arm. Ihre Augen begannen sich anzupassen, und sie konnte ihn jetzt in der Dunkelheit schemenhaft ausmachen. Sie steckte ihr kurzes Schwert in die Scheide, zog ihre Lederjacke aus und schob den Ärmel ihrer Tunika zurück. Sie konnte die dunklen Streifen der Klauenspuren an ihrem Arm erkennen. Sie behandelte die Wunden mit einer Heilsalbe und verband sie mit dem letzten sauberen Tuch, das sie bei sich trug. Das Stechen ließ nach einiger Zeit nach und verwandelte sich in einen dumpfen, klopfenden Schmerz. Sie setzte sich erschöpft zurück und lauschte auf das Geräusch ihres eigenen Atems, der sich in der Stille mit dem von Garth verband. Die Zeit verstrich. Stresa kehrte nicht zurück. Wren ließ ihre Augen zufallen und ihre Gedanken wandern. Wie weit waren sie jetzt vom Fluß entfernt? fragte sie sich. Der Rowen lag zwischen ihnen und Arborlon, und wenn sie ihn erst einmal überquert hatten, würden sie bald bei den Elfen sein. Sie überlegte einen Moment, was das bedeutete. Sie hatte sich bisher kaum die Zeit genommen, einfach nur über die Tatsache nachzudenken, daß die Elfen überhaupt existierten und daß sie nicht nur ein Gerücht oder eine Legende, sondern real und lebendig waren und daß sie sie, allen Umständen zum Trotz, gefunden hatte. Oder zumindest fast gefunden hatte.

Noch ein Tag, höchstens zwei...

Sie öffnete ihre Augen wieder, und im selben Augenblick sah sie das Wesen.

Zuerst dachte sie, daß sie sich geirrt hätte und daß ihr die Schatten einen Streich gespielt hätten. Aber es war hell genug, daß sie dem vertrauen konnte, was sie sah. Es kauerte mehrere Fuß hinter Garth bewegungslos auf einem Felssims. Es war klein, kaum ein Dutzend Zoll groß, schätzte sie, obwohl sie da nicht sicher sein konnte, solange es so am Boden kauerte. Es hatte große, runde Augen, die unbeweglich schauten, und große Ohren, die von einem kleinen Kopf mit einem Fuchsgesicht abstanden. Es hatte einen dürren Körper und sah auf den ersten Blick fast spinnenähnlich aus – so sehr, daß Wren erst den Wunsch zu einer heftigen Reaktion unterdrücken mußte, da es sie an die Begegnung mit dem Wisteron erinnerte. Aber dieses Wesen sah klein und hilflos aus, und es hatte kleine Hände und Füße wie ein Mensch. Es sah sie an, und sie erwiderte den Blick. Sie wußte instinktiv, daß das seltsame Wesen diesen Spalt genau wie sie als Versteck gewählt hatte. Es saß wie erstarrt an seinem Platz, um nicht gesehen zu werden, aber jetzt war es entdeckt worden und versuchte zu entscheiden, was es tun sollte. Wren lächelte und verhielt sich ruhig. Das Wesen beobachtete sie, und seine Augen suchten umher. Schließlich machte Wren Garth aufmerksam, hob langsam die Hände und erklärte ihm, was vor sich ging. Sie bat ihn, sich neben sie zu setzen. Das tat er, und sie saßen zusammen da und betrachteten das Wesen. Nach einer Weile griff Wren in ihr Bündel und zog etwas Essen hervor. Sie nahm einen Bissen Käse und gab Garth den Rest. Der große Mann aß ihn auf. Die Zunge des Wesens fuhr heraus.

»Hallo, Kleiner«, sagte Wren sanft. »Hast du Hunger?«

Die Zunge erschien erneut.

»Kannst du sprechen?«

Keine Antwort. Wren beugte sich mit einem Stück Käse in der Hand vor. Das Wesen bewegte sich nicht. Sie näherte sich etwas mehr. Das Wesen blieb reglos. Sie zögerte und war sich nicht sicher, was sie als nächstes tun sollte. Als sich das Wesen noch immer nicht bewegte, streckte sie vorsichtig die Hand aus und warf den Käse auf den Sims.

Blitzschnell schoß die Hand des Wesens vor und fing den Käse noch halb in der Luft ab. Nachdem es seine Beute herangezogen hatte, schnüffelte es daran und schluckte den Brocken dann hinunter.

»Du bist tatsächlich hungrig, nicht wahr?« flüsterte Wren. Am Eingang ihres Versteckes war ein Scharren zu hören. Das Wesen auf dem Felsen verschwand sofort in den Schatten. Wren und Garth wandten sich mit gezogenen Schwertern um.

»Grrrrrrrr«, murrte Stresa, als er grummelnd langsam in ihr Blickfeld kam. »Der Dämon wollte die Jagd nicht aufgeben. Phfffft. Es hat doch länger gedauert, ihn loszuwerden, als ich gedacht hatte.« Er schüttelte seine Stacheln, bis sie rasselten.

»Geht es dir gut?« fragte Wren.

Der Stachelkater sträubte sich. »Natürlich geht es mir gut. Oder sehe ich nicht danach aus? Ssstttt! Ich bin außer Atem, das ist alles.«

Wren schaute verstohlen zu dem Sims hinüber. Das seltsame Wesen war wieder da und beobachtete sie.

»Kannst du mir sagen, was das ist?« fragte sie und deutete mit dem Kopf auf das Wesen.

Stresa spähte in die Dunkelheit und schnaubte dann. »Sssfftt. Das ist nur ein Baumschreier! Völlig harmlos.«

»Er sieht erschreckt aus.«

Der Stachelkater blinzelte. »Baumschreier erschrecken vor allem. Das ist es, was sie am Leben erhält. Das und ihre Schnelligkeit. Sie sind die schnellsten Wesen auf Morrowindl. Und auch klug. Sie sind klug genug, sich nicht fangen zu lassen. Du kannst sicher sein, daß es noch einen zweiten Weg aus diesem Spalt heraus gibt, sonst wäre dieser überhaupt nicht hier. Rrrwwlll. Schau dir seinen Blick an. Er scheint sich für dich zu interessieren.«

Wren sah das kleine Wesen weiterhin an. »Haben die Elfen auch die Baumschreier geschaffen?«

Stresa setzte sich mit eingezogenen Pfoten bequem zurecht.

»Die Baumschreier waren schon immer hier. Aber wie alles andere hat die Magie sie verändert. Siehst du die Hände und Füße? Das waren einmal Pfoten. Sie können sich auch verständigen. Schau.«

Er machte ein leises, zirpendes Geräusch. Der Baumschreier reckte den Kopf empor. Stresa versuchte es erneut. Dieses Mal antwortete der Baumschreier mit einem sanften, leisen Quieken. Stresa zuckte die Achseln. »Er hat Hunger.« Der Stachelkater verlor das Interesse, und sein klobiger Kopf senkte sich auf die Vorderpfoten. »Wir werden bis zum Mittag rasten und dann weiterziehen. Die Dämonen schlafen, wenn es draußen heiß ist. Das ist für uns die günstigste Zeit, wieder hinauszugehen.«

Seine Augen schlössen sich, und sein Atem wurde tiefer. Garth sah Wren an und lehnte sich ebenfalls bequem zurück, als er eine glatte Stelle zwischen den rauhen Kanten des Lavagesteins gefunden hatte. Wren wollte jedoch nicht schlafen. Sie wartete ein wenig, griff dann in ihr Bündel und holte noch ein Stück Käse hervor. Sie knabberte daran, wobei der Baumschreier sie beobachtete, und tastete sich dann vorsichtig über den Boden des Spalts, bis sie in die Nähe des Baumschreiers gelangt war. Als sie nur noch eine Armeslänge entfernt war, brach sie ein Stück Käse ab und hielt es ihm hin. Das kleine Wesen nahm es eifrig entgegen und aß es.

Kurz darauf hatte es sich in ihrem Schoß zusammengerollt. Es war noch immer da, als sie schließlich einschlief.

Sie fühlte die Hand von Garth fest und sicher auf ihrer Schulter und wachte wieder auf. Sie blinzelte und schaute sich um. Der Baumschreier saß wieder auf seinem Sims und beobachtete sie. Garth signalisierte ihr, daß es Zeit für ihren Aufbruch sei. Sie erhob sich vorsichtig in der Beengtheit des Spalts und nahm ihr Bündel auf. Stresa wartete mit gesträubten Stacheln am Eingang und schnüffelte in die Luft. Es war jetzt heiß in ihrem Schutzraum, die Luft war ruhig und dicht.

Sie schaute sich kurz nach dem Baumschreier um. »Auf Wiedersehen, kleiner Kerl«, rief sie leise.

Dann traten sie aus der Dunkelheit heraus in das neblige Licht. Der Mittag war gekommen und gegangen, während sie geschlafen hatten. Der Vog, der das Tal bedeckte, schien dichter als zuvor, er roch stark nach Schwefel, und er schmeckte sandig nach Asche und Schlick. Vom Kern des Killeshan stieg Hitze aus dem porösen Fels auf und hing hartnäckig und unbeweglich in der Luft, gefangen in der windlosen Weite des Tales. Der Nebel reflektierte das diffuse Sonnenlicht so grell, daß Wren gegen seinen Glanz anblinzeln mußte. Schattige Gruppen von Akazien erhoben sich vor dem Nebel, und Bänder schwarzen Lavagesteins verschwanden in anderen Welten.

Stresa führte sie vorwärts, wobei er den Weg durch die Düsterkeit des Vog sehr vorsichtig wählte, im Zickzack von einer Stelle zur nächsten lief und dabei in die Luft schnüffelte. Der Tag war beunruhigend ruhig vorbeigegangen. Wren lauschte mißtrauisch, denn sie erinnerte sich daran, daß Stresa gesagt hatte, die Dämonen würden jetzt ruhen. Dennoch mißtraute sie dieser Information. Sie arbeiteten sich an dicht mit Weinranken und Gräsern bewachsenen Bauminseln vorbei, tiefer in die Mulde des Tales vor, mit Gestrüpp bestandene Hügelketten und Abhänge hinab und endlose Streifen öden, verkrusteten Lavagesteins entlang, die sich wie schwarze Bänder durch den Nebel zogen. Der Nachmittag schritt schnell voran. Im Nebel um sie herum bewegte sich nichts. Es waren Wesen dort draußen, das wußte Wren, denn sie konnte ihre Gegenwart spüren. Es waren Wesen wie jenes, das sie am Morgen fast erwischt hätte. Und noch schlimmere. Aber Stresa schien zu wissen, wo sie waren, und war sicher, ihnen ausweichen zu können. Er führte seine Gruppe vorwärts und war sich seiner Wahl des Weges durch das verräterische Labyrinth offenbar sehr sicher. Alles verlagerte und veränderte sich ständig, während sie gingen, und das Gefühl, daß nichts beständig sei und ganz Morrowindl in kontinuierlichem Fluß begriffen sei, beschlich sie. Die Insel schien auseinanderzubrechen und sich dann um sie herum neu zu bilden – eine unwirkliche Landschaft, die alles sein konnte, was sie wollte, und nicht an die Naturgesetze gebunden war, die normalerweise herrschten. Wren fühlte sich zunehmend bedrückt, als sie weitergingen, denn sie war an das verläßliche Terrain von Ebenen, Bergen und Wäldern gewöhnt, an Land, das nicht von Wasser umgeben war und nicht nur die Oberfläche von etwas bildete, das sich auf eine Laune hin öffnen und alles verschlingen konnte, was darauf lebte. Killeshans Atem dampfte durch die Risse im Lavagestein in kleinen Eruptionen, die nach brennendem Gestein und Gasen rochen und kleine Partikel in der Luft zurückließen. Und doch wuchsen inmitten des Lavagesteins und des Unkrauts vereinzelt Gruppen blühender Büsche, die gegen die Hitze und die Asche um ihr Überleben kämpften. Diese Insel, dachte Wren für sich, war einst sicher sehr schön, aber es war schwer, sich das jetzt vorzustellen.

Es wurde spät, bis sie schließlich den Rowen erreichten. Das Licht verblaßte bereits, und es begann zu dunkeln. Die Wesen im Nebel rührten sich bereits wieder. Ihr Poltern und Grollen zwang die drei Gefährten, noch aufmerksamer zu werden als bisher. Sie kamen an einer Stelle an den Fluß, wo der jenseitige Hang von einer Nebelwand verborgen war und das Ufer steil zu einem Wasserlauf abfiel, der trübe und rauh war, unter Schlick und kleinen Partikeln erstickte und so dicht umwölkt war, daß nichts von dem zu sehen war, was sich unter seiner Oberfläche verbarg. Stresa blieb am Ufer stehen, schaute unsicher nach rechts und links und schnüffelte in die Luft.

Wren kniete sich neben den Stachelkater. »Wie kommen wir da hinüber?« fragte sie.

»Wo er ganz schmal ist«, antwortete Stresa mit einem Knurren. »Ssspptt. Das Problem ist, daß ich nicht sicher bin, wo das ist. Ich bin diesen Weg lange Zeit nicht mehr gegangen.«

Wren schaute zu Garth zurück, der sie still beobachtete. Das Licht verblaßte jetzt schnell, und das Geräusch der erwachenden Dämonen wurde immer lauter. Die Luft blieb ruhig und dicht, während die Hitze zu feuchter Schwüle abkühlte.

»Rrrwwll. Flußabwärts, denke ich«, überlegte Stresa, aber er klang nicht allzu sicher.

Plötzlich sah Wren eine Bewegung im Nebel hinter ihnen und warf sich zur Seite. Garth riß sein kurzes Schwert heraus. Eine kleine Gestalt trippelte zögernd in ihr Blickfeld, und Wren kam überrascht auf die Füße. Es war der Baumschreier. Er ging um Garth herum, kam auf sie zu und ergriff zaghaft ihren Arm.

»Was machst du denn hier, Kleiner?« murmelte sie und strich über seinen pelzigen Kopf.

Der Baumschreier kletterte auf ihre Schulter hinauf und piepste leise zu Stresa hinab.

Der Stachelkater knurrte. »Er sagt, daß der – crrrwwwll –

Übergang flußaufwärts ist, nicht weit von hier. Phfffft. Er sagt, daß er uns den Weg zeigen wird.«

Wren runzelte zweifelnd die Stirn. »Weiß er denn, wonach wir suchen?«

»Ssssttt. Es scheint so.« Stresa richtete ängstlich seine Stacheln auf. »Ich mag es nicht, so ungeschützt herumzustehen. Das ist eine Chance. Laßt uns tun, was er sagt. Vielleicht weiß er etwas.«

Wren nickte. Sie begannen flußaufwärts zu gehen, wobei sie der gezackten Linie des Ufers des Rowen folgten. Stresa watschelte voran, und Wren trug den Baumschreier, der sich besitzergreifend an sie klammerte. Er war ihnen wohl den ganzen Weg von jenem Spalt im Lavagestein ab gefolgt, dachte sie. Anscheinend wollte er nicht zurückgelassen werden. Vielleicht hatten ihn die kleinen Freundlichkeiten, die sie ihm erwiesen hatte, für sie eingenommen. Sie streichelte den dünnen Körper gedankenverloren und fragte sich, wieviel Freundlichkeit den harmlosen Wesen auf Morrowindl wohl jemals begegnete.

Nur Augenblicke später blieb Stresa abrupt stehen und drängte sie zurück in den Schutz mehrerer Felsen. Etwas Großes und Mißgestaltetes kam auf seinem Weg zum Fluß an ihnen vorbei. Es war nicht mehr als ein Schatten im Nebel. Geduldig warteten sie. Als sich die Dämmerung vertiefte, nahm die Lautstärke von Husten und Grunzen noch zu. Und als sie schließlich weitergingen, war sogar ihr Atmen zu einem Flüstern geworden. Schließlich zweigte das Ufer von ihrem Klippenweg ab und wandte sich abwärts und den rasch dahinfließenden Wassern des Flusses zu, die die wirbelnde Oberfläche in zerklüftete Stromschnellen verwandelten. Der Nebel hob sich so weit, daß eine kleine Brücke aus Felsen sichtbar wurde. Sie überquerten sie schnell, knapp über das Wasser geduckt, und verließen sich auf den Schutz des Nebels rundherum. Als sie sicher auf dem gegenüberliegenden Ufer angekommen waren, schnatterte der Baumschreier erneut auf Stresa ein.

»Geht nach links, sagt er«, übersetzte der Stachelkater, wobei die Worte ein tiefes Grollen aus seiner Kehle begleiteten. Sie taten, wie ihnen der Baumschreier geheißen hatte, und stolperten im Vog vorwärts. Der letzte Rest des Tageslichts verblaßte, und die Dunkelheit senkte sich um sie herum. Das einzige Licht kam von weither. Es war ein seltsames weißes Glühen vor ihnen, das schwach durch den Nebel schimmerte. Sie waren gezwungen, jetzt langsam zu gehen, sich ihren Weg durch die Dunkelheit zu ertasten, immer wieder stehenzubleiben und zu lauschen und dann zu überlegen, wo wohl der sicherste Weg entlangführte. Die Dämonen schienen vor ihnen zu sein – und Wren hätte wetten mögen, daß da viele zwischen ihnen und ihrem Ziel lauerten.

Sie erfuhr nur zu bald, daß sie richtig vermutet hatte. Die kleine Gesellschaft erklomm einen Hang aus Lavagestein, der dicht mit vertrocknetem Gestrüpp bewachsen war, als sich der Nebel plötzlich lichtete. Sofort warfen sie sich flach auf den Boden. In den Schatten eng aneinander gekauert, starrten sie hinaus auf das, was vor ihnen lag.

Arborlon stand auf einem Hügel weniger als eine Meile vor ihnen. Es war selbst die Quelle des seltsamen Leuchtens, das aus einer massiven Mauer strömte, die die Stadt umgab, und in stetigem Rhythmus schwach durch den Nebel und die Wolken drang. Überall pirschten sich die Dämonen an, Schatten, die in den Vog und den Nebel hinein- und wieder herausschlüpften, gesichtslose, gestaltlose Geister, die nur manchmal sekundenlang im Schein der Feuer sichtbar wurden, die in Rissen in der Erde brannten, wo Fontänen geschmolzenener Lava durchgebrochen waren. Dampfsäulen erfüllten die Luft mit Asche und Hitze und verwandelten die verkohlte Erde in ein geisterhaftes Fegefeuer. Das Grollen der Dämonen verschwand in dem Rumpeln, das tief aus der Erde heraufstieg, wo der geschmolzene Kern des Vulkans umherwirbelte und aufwärts stieß. In der Ferne dampfte der Krater Killeshans hoch über der Stadt und den Geistern, die sie belagerten. Er ragte zerklüftet und bedrohlich empor: ein Feuermonster, das auf einen Leckerbissen wartete. Wrens Augen wandten sich entsetzt von der belagerten Stadt ab und der zerstörten Landschaft zu. Es war nicht zu glauben, daß die Elfen es ertragen konnten, in einer Welt wie dieser gefangen zu sein. Sie fühlte sich selbst leer werden vor Angst und Abscheu. Wie hatte das geschehen können? Die Elfen waren Heiler, vom Moment ihrer Geburt an dazu bestimmt, Leben zu erneuern und das Land und seine Lebewesen zu bewahren. Warum war das hier nicht geschehen? Arborlon war innerhalb seiner Mauern eine Insel. Sein Volk war sicher irgendwie noch beschützt, irgendwie noch immer in der Lage, sich selbst zu erhalten, während die Welt um es herum zu einem Alptraum geworden war.

Sie beugte sich zu Stresa hinunter. »Wie lange ist dies alles schon so, wie es jetzt ist?«

Der Stachelkater fauchte. »Phfffft! Seit Jahren. Die Elfen sind schon so lange dort eingeschlossen, wie wir uns erinnern können, und verbergen sich dort hinter ihrer Magie. Ssstttfff! Siehst du das Licht, das von der Mauer aufsteigt, die sie abschirmt? Mmsstt. Das ist ihr Schutz!«

Der Baumschreier piepste leise und brachte sie so dazu, sich zu ihm umzudrehen. Stresa knurrte. »Grrrrrr. Der Schreier sagt, daß das Licht schwächer wird und die Magie nachläßt. Es dauert nicht mehr lange, bis sie endgültig versagt.«

Wren schaute erneut hinüber. Es war ein Alptraum. Es bleibt nicht viel Zeit, wiederholte sie zu sich selbst. Das Licht verdunkelte sich. Da waren Schatten, daran konnte kein Zweifel bestehen. Sie spürte ein plötzliches Gefühl der Nutzlosigkeit. Wo blieb der Sinn ihrer Suche, fragte sie sich traurig. Sie war nach Morrowindl gekommen, um die Elfen zu finden und sie in die Welt der Menschen zurückzubringen – das hatte ihr Allanon am Hadeshorn aufgetragen. Aber wie konnten die Elfen jemals von hier zurückkehren? Sicherlich hätten sie das schon vor langer Zeit getan, wenn es überhaupt möglich war. Sie waren jedoch hiergeblieben. Ringsum eingekreist. Sie atmete tief ein. Warum nur hatte Allanon sie hierher geschickt? Was sollte sie bloß tun? Eine tiefe Traurigkeit erfüllte sie. Was nur, wenn die Elfen verloren waren? Die Elfen waren alles, was aus der Welt der Feen übriggeblieben war, von dem ersten Volk und von der Magie, die Leben gespendet hatte, als das Leben begann. Sie hatten so viel getan, um die Vier Länder entstehen zu lassen, nachdem die Großen Kriege beendet und die alten Methoden verloren waren. Alle Kinder von Shannara waren aus Elfenblut geboren. Und sie hatten alle Kämpfe gewonnen, die geführt worden waren, um die Rassen zu erhalten. Es schien unmöglich, daß dies alles aus den Schriftrollen der Geschichte getilgt und in die Legende verwiesen werden könnte, daß außer den Geschichten nichts von den Elfen übrigbleiben würde.

Mythen und Legenden, überlegte sie, so wie es jetzt ist.

Sie dachte wieder an das Versprechen, das sie sich selbst gegeben hatte, daß sie die Wahrheit über ihre Eltern erfahren und herausfinden wollte, wer sie gewesen waren und warum sie sie zurückgelassen hatten. Und was war mit den Elfensteinen? Sie hatte geschworen, daß sie herausfinden würde, warum man sie ihr gegeben hatte. Ihre Finger hoben sich, um über die Umrisse des Lederbeutels an ihrem Hals zu fahren. Sie hatte nicht mehr an die Elfensteine gedacht, seitdem sie die Besteigung des Blackledge in Angriff genommen hatten. Sie hatte nicht einmal daran gedacht, die Magie zu gebrauchen, als sie bedroht worden waren. Sie schüttelte den Kopf. Aber warum sollte sie das auch? Es war doch zu sehen, was die Magie den Elfen gebracht hatte. Sie spürte Garths Hand auf ihrer Schulter und sah den fragenden Blick in seinen Augen. Offenbar fragte er sich, was sie tun wollte. Sie stellte fest, daß sie sich dasselbe fragte.

Geh nach Hause, flüsterte eine Stimme in ihrem Inneren. Gib diesen Wahnsinn auf.

Einerseits stimmte sie dem zu. Es war Wahnsinn, und außer einfältiger Neugier und sturer Beharrlichkeit hatte sie keinen Grund, hier zu sein. Wie wenig ihr doch ihre Fähigkeiten und ihre Ausbildung in dieser Sache helfen konnten. Sie hatte Glück gehabt, daß sie so weit gekommen war. Sie hatte sogar Glück, noch am Leben zu sein.

Aber nun war sie trotz allem hier. Und die Antworten auf alle ihre Fragen lagen direkt jenseits des Lichts.

»Stresa«, flüsterte sie, »gibt es eine Möglichkeit, in die Stadt zu gelangen?«

Die Augen des Stachelkaters leuchteten im Dunkeln. »Grrrrrr, Wren von den Elfen. Du bist also tatsächlich entschlossen, dort hinunterzugehen?« Als sie nicht antwortete, sagte er: »In einer Senke, die – grrrrrr – in der Nähe jener Stelle dort liegt, wo die Dämonen kauern, gibt es verborgene Tunnel. Ssssstttfff. Die Tunnel führen in die Stadt. Die Elfen benutzen sie, um sich davonzuschleichen – jedenfalls taten sie es einst. Auf diese Weise haben sie auch uns hinausgelassen, damit wir für sie Wache halten. Phfffft. Vielleicht ist noch immer einer in Gebrauch, was denkst du?«

»Kannst du ihn finden?« fragte sie leise.

Der Stachelkater blinzelte.

»Zeigst du ihn mir?«

»Hssstttt. Wirst du dich an dein Versprechen erinnern, mich mit dir zu nehmen, wenn dies alles vorbei ist?«

»Das werde ich.«

»Sehr gut.« Das Katzengesicht verzog sich. »Also die Tunnel. Wer von uns geht? Ssttff.«

»Garth, du und ich.«

Der Baumschreier piepste sofort.

Stresa schnurrte. »Das dachte ich mir. Der Schreier will auch mitgehen. Grrrrr. Warum nicht? Er ist doch nur ein Schreier.«

Wren zögerte. Sie spürte, wie sich die Finger des Baumschreiers fest um ihren Arm schlössen. Der Schreier piepste noch einmal.

»Sssttt.« Stresa schien zu lachen. »Ich soll dir sagen, daß er Faun heißt. Er hat beschlossen, dich zu adoptieren.«

»Faun.« Wren wiederholte den Namen und lächelte schwach.

»Ist das dein Name, Kleiner?« Die runden Augen waren auf sie gerichtet und seine großen Ohren nach vorn gestellt. Es schien seltsam, daß der Baumschreier überhaupt einen Namen hatte.

»Also, du willst mich adoptieren, ja? Und hingehen, wo ich hingehe?« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Es ist schließlich dein Land. Und wahrscheinlich könnte ich dich nicht davon abhalten mitzugehen, selbst wenn ich es wollte.«

Sie sah Garth an, um sich zu vergewissern, daß er bereit war. Das rauhe Gesicht war ruhig, und die dunklen Augen leuchteten unergründlich. Sie schaute ein letztes Mal auf den Wahnsinn unter ihr, schob dann Angst und Zweifel beiseite und sagte sich mit so viel Überzeugung, wie sie aufbringen konnte, daß sie eine Fahrende sei und sicher alles überleben würde.

Ihre Finger strichen kurz über die harte Oberfläche der Elfensteine.

Wenn es nötig wird...

Sie schob den Gedanken beiseite. »Führ uns hinein, Stresa«, flüsterte sie. »Und sorge für unsere Sicherheit.«

Die Stachelkater zog es vor, nicht zu antworten.

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