19

Wren kämpfte noch immer mit ihren zwiespältigen Gefühlen darüber, was ihre Großmutter ihr aufgetragen hatte, als der Rest des Trupps bei Sonnenaufgang erwachte.

Einerseits hingen Tausende von Leben davon ab, daß sie den Loden und den Ruhkstab sicher von der Insel Morrowindl ins Westland zurückbrachte. Das gesamte Elfenvolk, alle außer den Flugreitern, die auf den Inseln in der Nähe der Küste lebten und sich der Auswanderung der Landelfen nach Morrowindl nicht angeschlossen hatten, war von der Magie aufgehoben und im Loden eingeschlossen worden und sollte dort bleiben, bis Wren – oder auch jemand anderes, falls sie wie Ellenroh sterben sollte – alle wieder befreite. Wenn ihr dies mißlang, würden die Elfen vernichtet sein, die älteste aller Rassen, die letzten des Feenvolkes, eine ganze Geschichte von der Zeit der Erschaffung der Welt an wäre verloren.

Andererseits wäre das vielleicht das beste.

Sie erschauerte jedes Mal, wenn sie Eowens Worte wiederholte: Die Schattenwesen sind Elfen. Die Elfen hatten sich, mit ihrer Magie und mit ihren hartnäckigen Versuchen, die Vergangenheit zurückzubringen, in Monster verwandelt. Sie hatten die Dämonen erschaffen. Sie hatten Morrowindl verwüstet und die Zerstörung der Vier Länder ausgelöst. Eigentlich jede Gefahr, die drohte, konnte bis zu ihnen zurückverfolgt werden. Es wäre vielleicht besser, wenn sie ganz zu existieren aufhörten, dachte Wren unter dem Eindruck der vollen Wahrheit.

Sie glaubte nicht, daß ihre Sorgen übertrieben waren. Wenn die Elfen erst einmal dem Westland wiedergegeben waren, konnte nichts sie daran hindern, erneut die Magie zu gebrauchen und trotz allem wieder anzurufen, so daß sie auf irgendeine neue fürchterliche und zerstörerische Art verwendet werden würde. Nichts deutete darauf hin, daß Ellenroh sich wirklich aller derer entledigt hatte, die mit ihrer Macht zu spielen versuchten, und daß nicht der eine oder andere überlebt hatte. Es würde für diese wenigen sicher leicht sein, wieder mit Experimenten zu beginnen und neue Arten von Monstern zu erschaffen, neue Schrecken, die Wren sich nicht einmal vorzustellen wagte. Hatten die Elfen nicht bereits bewiesen, daß sie zu allem fähig waren?

Wie die Druiden, dachte sie traurig. Sie waren Opfer eines irregeleiteten Verlangens nach Wissen, eines unverständigen Vertrauens in die eigenen Kräfte, eines einfältigen Glaubens, daß sie etwas beherrschen könnten, was seiner reinen Natur nach wirklich unzuverlässig war.

Wie hatten sie es so weit kommen lassen können, die Angehörigen eines Volkes mit so langer Erfahrung im Umgang mit der Magie, eines Feenvolks, das aus der Verwüstung der alten Welt durch Erfahrungen in die neue Welt gebracht worden war, aus denen sie hätten lernen müssen? Sie hatten doch sicherlich irgendeine vage Ahnung von den Gefahren gehabt, denen sie begegnen würden, wenn sie anfingen, die Natur nach ihrem eigenen Bild umzuformen, das einer krankhaften Phantasie entsprungen war. Sicherlich hatten sie erkannt, daß etwas falsch war. Und doch hatte der Lauf der Zeit die Elfen genauso menschlich wie die anderen Rassen werden lassen, sie von Feenwesen in Sterbliche verwandelt und ihre Wahrnehmungen und ihr Wissen verändert. Warum sollten sie nicht wie jeder andere auch Fehler machen können – wie jeder andere sie auch tatsächlich schon gemacht hatte, von den Druiden bis hin zu den Menschen?

Die Elfen. Sie war ja auch eine von ihnen, und, noch schlimmer, sie war eine Elessedil. Wie sehr sie es sich auch anders wünschen mochte, sie würde an der Schuld daran zugrunde gehen, was deren falsche Einschätzungen hervorgebracht hatten, und an den Gewissensbissen, was ihre Torheit gekostet hatte. Ein Land, ein Volk, unzählige Leben, die Gesundheit und der Frieden einer Welt – sie hatten die Ereignisse in Bewegung gesetzt, die das alles zerstören würden. Ihr Volk. Sie konnte vielleicht dagegenhalten, daß sie selbst eine Fahrende war und daß sie nichts mit den Elfen gemein hatte, außer ihrer Blutlinie und ihrem Aussehen, aber das Argument schien hohl und schwach. Verantwortung begann und endete nicht mit persönlichen Bedürfnissen – soviel hatte Garth sie gelehrt. Sie war ein Teil von allem um sie herum, und nicht nur das Überleben, sondern auch ihr Platz im Leben hing unmittelbar davon ab, ob sie diese Wahrheit akzeptierte. Sie konnte nicht vor allem Unangenehmen in der Welt zurückweichen. Sie würde aber auch ihren Schmerz nie vergessen können. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der die Elfen die ersten unter den Heilern gewesen waren und in der es ihre Aufgabe gewesen war, das Land als Einheit zu bewahren und auch anderen die Weisheit, dies zu tun, nahezubringen. Was war mit diesem Auftrag geschehen? fragte sie sich. Wieso waren die Elfen so fehlgeleitet worden?

Sie aß, ohne zu schmecken, was sie aß, und sie sprach wenig und war in ihre Gedanken eingesponnen. Eowen saß ihr mit gesenkten Blicken gegenüber. Garth und die anderen Männer gingen an ihnen vorbei, ohne sie zu sehen, da sie sich auf den Weg vor ihnen konzentrieren. Stresa war bereits fort, erkundete die Gegend, um sich des Weges zu versichern. Faun lag wie ein Fellball auf ihrem Schoß.

Was soll ich tun? fragte sie sich selbst verzweifelt. Welche Wahl habe ich?

Sie setzten den Aufstieg auf den Blackledge fort, und noch immer konnte sie sich nicht auf eine Antwort festlegen. Der Tag war dunkel und neblig wie alle anderen zuvor, die Sonne wurde vom Vog ferngehalten, und die Luft war erfüllt von Hitze und Asche und dem schwachen Geruch des Schwefels. Geräusche erhoben sich hinter ihnen aus den Sümpfen von Eden’s Murk, eine wahllose Ansammlung von Schreien und Rufen, Lautfetzen, die weit entfernt aus dem Nebel stiegen. Unter ihnen jagten Wesen nach Nahrung und kämpften darum, einen weiteren Tag zu überleben. Über ihnen war lediglich Schweigen, als gäbe es vor ihnen nur noch Wolken. Der Pfad war steil und gewunden, und er führte sie häufig im Kreis. Es war ein Gewirr von Simsen, Gefallen und Engpässen wie ein Irrgarten. Manchmal gingen schnell und wild Schauer über sie hinweg, wobei der Regen die Erde und den Fels rutschig werden ließ, bis er dann wieder von der Hitze verdrängt wurde.

Die Zeit verging, und Wrens Gedanken schweiften ab. Sie entdeckte, daß sie den Verlust von Erfahrungen fürchtete, an die sie zuvor keinen Gedanken verschwendet hatte. Sie war noch jung, kaum eine Frau, und die Möglichkeit, daß sie vielleicht niemals einen Mann oder Kinder haben könnte und vielleicht immer allein sein würde, traf sie schwer. Sie sah sich Gesichtern und Stimmen und kleinen Szenen aus einem imaginären Leben gegenüber, wo es diese Dinge gab, und ohne Grund und Sinn trauerte sie, als hätte sie sie verloren. Es war die Entdeckung, wer und was sie war, die diese Gefühle auslöste, sagte sie sich schließlich. Es war die Verpflichtung, die ihr auferlegt worden war, die Verantwortung, die sie trug, die sie mit diesem Gefühl der Einsamkeit und des Alleinseins umgab. Für sie gab es nichts, als von Morrowindl zu fliehen, das Schicksal des Elfenvolkes zu beschließen und mit den Schrecken, von denen sie jetzt wußte, zu Rande zu kommen. Nichts in ihrem Leben schien mehr einfach, und die normale Hoffnung auf eine Zukunft mit einem Ehemann und Kindern war so weit entfernt wie die Heimat, die sie zurückgelassen hatte.

Sie zwang sich jedoch, die Möglichkeit zu überdenken – vielleicht wurde dieser Gedanke auch durch das Bedürfnis hervorgerufen, irgendeinen Sinn in dem allem zu finden, was über sie gekommen war –, daß ihr von Allanons Schatten, von Ellenroh und genauso durch die Vorsehung vielleicht auch aufgetragen war, für ihr Volk sowohl Mutter als auch Frau zu sein, es als ihre Familie anzunehmen, es zu behüten, zu leiten und zu schützen und sein Leben zu überwachen, solange ihr eigenes währte. Ihr Geist wurde leicht, und ihr Empfinden den Dingen gegenüber immer klarer, denn sie hatte jetzt drei Tage lang kaum geschlafen, und ihre physische und psychische Kraft war erschöpft. Sie war nicht sie selbst, konnte sie argumentieren, und doch hatte sie sich in Wahrheit vielleicht gefunden. Es war Sinn in allem, und auch hierin mußte Sinn sein. Sie war ihrem Volk zurückgegeben worden, ihr war die Verantwortung darüber übertragen worden, ob es leben oder sterben sollte, und sie war zu seiner Königin gemacht worden. Sie hatte die Magie der Elfensteine entdeckt und Kontrolle über ihre Macht erlangt. Ihr war etwas erzählt worden, was niemand sonst wußte – die Wahrheit über die Herkunft der Schattenwesen. Warum? Sie zuckte im Geiste die Achseln. Warum nicht, wenn es keinen Unterschied machte? Nicht so sehr, was die Schattenwesen betraf, obwohl sie die Probleme und Lösungen nicht losgelöst betrachten konnte, wie schon Allanon angedeutet hatte, als er den Kindern von Shannara ihre Aufgaben übertragen hatte. Nicht so sehr, was die Zukunft der Rassen betraf, denn das war ein zu vielschichtiges Unterfangen für einen Menschen und mußte daher durch die Anstrengungen vieler und die Launen des Glücks entschieden werden. Aber wenn sie an die Elfen dachte, ihre Zukunft als Volk, an das Zurechtrücken von soviel Falschem und das Korrigieren so vieler Fehler – darin konnte sie vielleicht den Sinn ihres Lebens finden.

Es war ein ernüchternder Gedanke, und sie erwog diese Möglichkeit, während sie den Blackledge hinaufstieg. Sie war in sich selbst versunken, während sie auch darüber nachdachte, was ein Unterfangen solcher Bedeutung für Anforderungen an sie stellen würde. Sie war stark genug, das fühlte sie. Es gab nur wenig, was sie nicht vollbringen konnte, wenn sie sich erst einmal dafür entschieden hatte. Sie war entschlossen und hatte einen Sinn für Recht und Unrecht, der ihr auch bisher gute Dienste geleistet hatte. Sie war sich der Tatsache bewußt, daß sie eine Schuld einzulösen hatte – ihrer Mutter gegenüber, die alles geopfert hatte, damit ihr Kind eine Chance hätte, sicher aufzuwachsen, ihrer Großmutter gegenüber, die ihr die Zukunft einer Stadt und ihrer Menschen überantwortet hatte, und denen gegenüber, die bereits ihr Leben gegeben hatten, um ihres zu retten, und auch denen gegenüber, die bereit waren, dies noch zu tun, und die an sie glaubten.

Aber selbst das war in sich selbst nicht genug, um sie zu überzeugen. Da mußte noch mehr sein, das wußte sie – etwas, das ihre Erwartungen und ihr Verantwortungsbewußtsein überstieg, etwas noch Fundamentaleres. Es gab einfach keine Alternative. Tief in ihrem Innern war sie sich längst bewußt, daß Völkermord verabscheuungswürdig war und daß sie eine andere Lösung für dieses Dilemma der Zukunft der Elfen und ihrer Magie finden mußte. Aber wenn sie weiterlebten, wenn es ihr gelang, sie ins Westland zurückzubringen, was würde dann aus ihnen werden, wenn sie fortgehen sollte? Wer würde sie in dem bevorstehenden Kampf führen? Wer würde sie leiten und beraten? Konnte sie das alles dem Zufall oder auch dem Diktat des Hohen Konzils überlassen? Die Bedrängnis des Elfenvolkes war groß, und sie fühlte, daß sie sie nicht ignorieren konnte, selbst wenn das ihr eigenes Leben vollständig verändern würde.

Dennoch blieb sie unsicher. Sie fühlte sich von dem Konflikt hin und her gerissen, und focht einen inneren Kampf zwischen verschiedenen Möglichkeiten aus, die sich nicht einfach in richtig oder falsch einteilen ließen. Sie wußte auch, daß die Entscheidung vielleicht gar nicht von ihr getroffen werden würde, denn obwohl Ellenroh ihr die Führung übergeben hatte, mußten die Elfen sie erst einmal akzeptieren. Sie konnten sie ja auch ablehnen. Und warum sollten sie sich überhaupt entscheiden, ihr zu folgen, fragte sie sich. Einer Fahrenden, einer Außenstehenden, einem jungen Mädchen, das kaum erwachsen war – ihr fehlte noch vieles.

Ihre Gedanken zerstreuten sich wie Papierfetzen, die vom Wind verweht werden, und die Besorgnis um die Zukunft wurde von aktuellen Notwendigkeiten verdrängt. Sie schaute über die Felsen und das Gestrüpp auf den Schirm aus Vog und die dunklen, gebeugten Gestalten jener, die mit ihr reisten. Im Moment war es wichtiger zu wissen, wie sie überleben konnten.

Erst gegen Mittag ließ Stresa den Zug haltmachen. Wren drängte sich an Garth vorbei, um zu sehen, was passiert war. Der Stachelkater stand am Eingang einer Höhle, die sich vor ihnen in den Fels grub. Zu ihrer Rechten führte der Pfad, dem sie folgten, scharf einen Hang auf der Vorderseite der Klippe hinauf und verschwand in dem Gestrüpp, das den Berg bedeckte.

»Schau, Wren von den Elfen«, sagte der Stachelkater sanft, und seine hellen Augen fixierten sie. »Hier müssen wir uns entscheiden. Pfffft! Der Pfad windet sich hinauf zum Gipfel, aber er ist von hier aus langsam und schwierig zu begehen – sssppptt – und überhaupt nicht übersichtlich. Der Tunnel öffnet sich zu einer Reihe von Lavaröhren, die vor Jahren vom – pffft – Feuer des Vulkans gebildet worden sind. Ich habe sie schon früher erkundet. Auch sie führen zum Gipfel.«

Wren kniete sich hin. »Was schlägst du vor?«

»Grrrr. Auf beiden Wegen lauern Gefahren.«

»Überall lauern Gefahren.« Ihr entging sein Zögern. Um sie herum wirbelte und drehte sich der Nebel vor dem dichten Bewuchs der Insel, als suche er seinen eigenen Weg. »Wir verlassen uns auf deine Führung, Stresa«, erinnerte sie ihn. »Wähle du den Weg.«

Der Stachelkater drückte mit einem Zischen sein Mißvergnügen aus. »Dann die Tunnel. Pffffft!« Sein großer Körper schwang herum und wandte sich dann wieder ihnen zu. Die Stacheln hoben und senkten sich. »Wir brauchen Licht.«

Während Triss sich auf die Suche nach einem passenden Fackelholz machte, durchsuchte der Rest der Gesellschaft die Rucksäcke und Taschen nach Stoffetzen und Zunder. Gavilan und Eowen hatten von beidem etwas. Sie legten es vorsichtig in den Tunneleingang und setzten sich hin, um etwas zu essen, während sie auf Triss’ Rückkehr warteten.

»Hast du geschlafen?« fragte Eowen weich und setzte sich neben Wren. Sie hielt ihren Blick entschlossen abgewandt.

»Nein«, antwortete Wren wahrheitsgemäß. »Ich konnte es nicht.«

»Ich auch nicht. Es war genauso schwer, die Worte auszusprechen, wie sie zu hören.«

»Das weiß ich.«

Das rote Haar schimmerte feucht, als sich Eowens blasses Gesicht Wren zuwandte. »Ich hatte eine Vision – die erste, seit wir Arborlon verlassen haben.«

Wren wandte sich um, begegnete dem Blick der Seherin und erschrak über das, was sie dort sah. »Erzähle es mir.«

Eowen schüttelte den Kopf, wenn die Bewegung auch kaum wahrnehmbar war. »Nur weil es nötig ist, dich zu warnen«, flüsterte sie. Sie beugte sich vor, so daß nur Wren sie hören konnte. »In meiner Vision standest du allein auf einem Hügel. Es war deutlich, daß du auf Morrowindl warst. Du hieltest den Ruhkstab und die Elfensteine, aber du konntest sie nicht gebrauchen. Die anderen, jene hier, mich selbst eingeschlossen, waren nicht mehr als schwarze Schatten auf der Erde. Etwas näherte sich dir, riesig und gefährlich, aber du hattest keine Angst – es war, als würdest du es willkommen heißen. Vielleicht erkanntest du nicht, daß es dich bedrohte. Da war ein Schimmern glänzenden Silbers, und du eiltest, um es zu umarmen.«

Sie hielt inne, und ihr Atem schien zu stocken. »Das solltest du nicht tun, Wren. Wenn das geschieht, dann erinnere dich daran.«

Wren nickte und fühlte sich innerlich wie betäubt und leer. »Ich werde mich daran erinnern.«

»Es tut mir leid«, flüsterte Eowen. Sie zögerte einen Moment, wie ein gejagtes Tier, das keinen Ausweg sieht, erhob sich dann und ging schnell davon. Arme Eowen, dachte Wren. Sie sah der Seherin einen Moment lang nachdenklich nach. Dann winkte sie Garth herbei. Der große Mann kam sofort. Seine fragenden Augen verrieten, daß er ihre Besorgnis bereits erkannte. Sie änderte ihre Haltung, so daß nur er sie sehen konnte.

Eowen hatte eine Vision ihres eigenen Todes, signalisierte sie und machte sich dieses Mal nicht die Mühe, die Worte auch auszusprechen. Garth zeigte keinerlei Reaktion. Gib acht auf sie, ja? Willst du für ihre Sicherheit sorgen ?

Garths Finger gestikulierten. Ich mag nicht, was ich in ihren Augen sehe.

Wren seufzte und nickte dann. Ich auch nicht. Tu einfach dein Bestes.

Triss kehrte schon bald zurück und brachte zwei große Stücke trockenes Holz mit, die er irgendwo auf den regengetränkten Hängen hatte bergen können. Er schaute über die Schulter, als er sich näherte. »Auf den Hängen unter uns bewegt sich etwas«, informierte er sie und reichte eines der Holzstücke Dal. »Es klettert etwas auf uns zu.«

Zum ersten Mal, seit sie aus dem Sumpf entkommen waren, hielten sie Eile für geboten. Bisher hatten sie die Wesen, die sie jagten, fast vergessen können. Wren dachte an die Magie des Loden und fragte sich sofort, ob die Dämonen sie tatsächlich riechen konnten, ob der Geruch der wiedergewonnenen Magie des Keel stark genug war, sie anzuziehen, selbst wenn sie gerade nicht gebraucht wurde.

Sie banden die Stoffetzen um das Holz und benutzten den Zunder, um sie zu entzünden. Als die Flammen aufloderten, eilten sie in die Tunnel vor ihnen. Stresa führte sie, ein Nachtwesen, das sich in der Dunkelheit wohl fühlte, wobei sich sein plumper Körper weich in die Dunkelheit vorauswälzte. Triss folgte mit einer Fackel dicht hinter ihm, während Dal am Ende des Trupps mit der anderen folgte. Zwischen ihnen gingen Wren, Gavilan, Eowen und Garth. Die Luft in der Lavaröhre war kühl und abgestanden, und Wasser tropfte von der Decke. An manchen Stellen wand sich ein schmaler Wasserlauf über den gemaserten Boden. Es gab keine Vorsprünge und keine Hindernisse. Der Durchfluß der rot-heißen Lava hatte vor Jahren alles ausgebrannt. Während sie auf Triss warteten, hatte ihr Stresa erklärt, wie der Druck der Hitze und der Gase des Vulkankerns Öffnungen in die Erde trieben und Tunnel durch den unterirdischen Fels bis an die Oberfläche brachen, wobei die Lava den Weg freibrannte. Diese Röhren konnten sich über Meilen erstrecken und wanden sich wie die Gänge von Riesenbohrwürmern. Manchmal brach die Lava eine Öffnung durch die Oberfläche von Morrowindl, wodurch dann der Druck gesenkt wurde und es ihr möglich wurde, ungehindert ins Meer zu fließen. Als der Vulkan abkühlte, gab die Lava den Weg frei, und nur die Röhren, die sie gegraben hatte, blieben zurück. Diejenige, der sie nun folgten, war Teil eines Gewirrs von Gängen, die sich vom höchsten Punkt bis zur Basis über Meilen hinweg durch den Blackledge gruben.

»Wenn ich uns nicht in die Irre führe, werden wir bei Einbruch der Nacht oben auf dem – grrrrr – Kamm herauskommen«, hatte der Stachelkater versprochen.

Wren hatte ihn fragen wollen, woher er von den Tunneln wußte, beschloß dann jedoch, daß das Wissen des Stachelkaters wahrscheinlich von den Elfen stammte und daß es ihn nur ärgerlich machen würde, wenn er darüber sprechen sollte. Auf jeden Fall schien er zu wissen, wohin er ging. Die Nase vorgestreckt, drängte er am Rande des Fackellichts vorwärts, als versuche er, sie in seinem Kielwasser voranzuziehen. Er zögerte nicht ein einziges Mal, selbst wenn er auf abzweigende Durchgänge traf und gezwungen war, sich zu entscheiden. Sie drehten und wanden sich durch den kühlen Fels voran, mußten beständig klettern und sich selbst und ihr Gepäck durch die Dunkelheit schleppen. Immer wieder mußten sie die Wassertropfen wegwischen, die mit kalten, stechenden Spritzern auf ihren Gesichtern und ihren Händen landeten. Der Schritt ihrer Stiefel hallte in der tiefen Stille hohl wider, und ihren Atem hörten sie als ein rauhes Zischen. Sie lauschten aufmerksam, ob sie Verfolger hatten, hörten aber nichts.

An einer Stelle waren sie gezwungen, einen ziemlich steilen Abhang zu einer Öffnung hinabzusteigen, wo sich zwei Wege kreuzten und wo die Lava sich aus einem hohlen Kern innerhalb des Berges hervorgedrängt und ein gähnendes Loch hinterlassen hatte, das sich dunkel unter ihnen öffnete. Weiter vorn befand sich eine Höhle, wo sich die Lava eine Zeitlang gesammelt und dabei eine Reihe von Durchgängen geschaffen hatte, die sich kreuz und quer durch den Berg schlängelten. Stresa wußte jeden Augenblick, was zu tun war, welchem Tunnel sie folgen mußten und wo der Durchgang lag, der sie in Sicherheit bringen würde.

Die Stunden verrannen, und ihr Marsch nahm kein Ende. Wren ließ Faun auf ihrer Schulter reiten. Die hellen Augen des Baumschreiers schossen nach links und nach rechts, und seine Stimme drang als leises Murmeln an ihr Ohr. Sie hörte eine Zeitlang auf, nachzudenken, und konzentrierte sich statt dessen darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, die Bewegung der Schatten im Fackellicht zu beobachten. Diese und ein Dutzend andere irdische, sinnlose Ablenkungen halfen ihr, ihrem erschöpften Geist und ihren Empfindungen die notwendige Ruhe zu verschaffen.

Als die Nacht hereinbrach, kamen sie schließlich aus den Tunneln heraus, traten aus der rauchigen Schwärze mitten in ein Wäldchen aus zierlichen Eschen und Gestrüpp, das an der Vorderseite der Klippe wuchs. Vor ihnen erstreckte sich ein Sims in den Nebel. Hinter ihnen ragte der Berg zu einer zerklüfteten, leeren Kammlinie hinauf. Der Himmel über ihnen war düster und bewölkt, und ein leichter Regen fiel herab.

Sie gingen von den Tunneln fort zu einem Akazienwäldchen am Rande des Blackledge und richteten sich dort für die Nacht ein. Sie breiteten ihre Ausrüstung aus und nahmen eine eilige Mahlzeit ein, und dann wickelten sie sich in ihre Umhänge und Decken und bereiteten sich auf den Schlaf vor. Es war kalt auf dem Berg, und der Wind blies in scharfen Böen über sie hinweg. Weit entfernt konnte Wren das Rumpeln des Killeshan hören und das rote Glühen seines Feuers durch den Dunst schimmern sehen. Die Erde hatte erneut zu beben begonnen, es war eine langsame, beklemmende Erschütterung, die Felsgestein und Erde löste, so daß sie herabfielen, und die Bäume schwanken und die Blätter wie erschreckte Kinder flüstern ließ.

Wren lehnte sich gegen eine abgestorbene Akazie zurück, deren entblößte Wurzeln sich auf dem Felsgestein kaum mehr festhielten. Für kurze Zeit lag der Ruhkstab vergessen auf ihrem Schoß. Faun verbarg sich, solange das Beben anhielt, an ihrer Schulter, und verschwand dann schutzsuchend unter ihrer Decke. Sie beobachtete, wie die schlanke, kräftige Gestalt von Dal, der die erste Wache übernahm, an ihr vorbeiglitt. Ihre Augen waren schwer, während sie hinaus in die Dunkelheit schaute, aber sie stellte fest, daß sie noch nicht bereit war zu schlafen. Sie mußte erst noch eine Weile nachdenken. Kurz darauf tauchte plötzlich Gavilan hastig aus der Dunkelheit auf.

»Tut mir leid«, entschuldigte er sich eilig. »Kann ich mich eine Weile zu dir setzen?«

Sie nickte schweigend, und er setzte sich neben sie. Er hatte seine eigene Decke lose um die Schulter gelegt, und sein Haar war zerzaust und feucht. Sein hübsches Gesicht war von Müdigkeit gezeichnet, aber dennoch erschien ein Hauch des vertrauten Lächelns.

»Wie fühlst du dich?«

»Es geht mir gut«, antwortete sie.

»Du siehst sehr müde aus.«

Sie lächelte.

»Ich wünschte, wir hätten es gewußt«, murmelte er.

Sie schaute zu ihm hinüber. »Was gewußt?«

»Alles. Irgendwas! Etwas, das uns besser auf das vorbereitet hätte, was wir durchmachen.« Seine Stimme klang für sie seltsam, fast als sei er wahnsinnig. »Es ist fast, als würde man ohne Karte auf einem Ozean ausgesetzt und bekäme gesagt, man solle in Sicherheit steuern, aber gleichzeitig davon absehen, den Rest Trinkwasser zu gebrauchen, den man glücklicherweise dabei hat.«

»Was meinst du?«

Er wandte sich ihr zu. »Denk darüber nach, Wren. Wir besitzen sowohl den Loden als auch die Elfensteine – genug Magie, um fast alles zu vollbringen. Und dennoch haben wir anscheinend Angst, diese Magie anzurufen, fast als würden wir davon zurückgehalten, es zu tun. Aber das werden wir doch nicht, oder? Ich meine, was sollte uns daran hindern? Denk daran, wieviel besser die Dinge wurden, als du die Elfensteine benutztest, um einen Weg aus Eden’s Murk heraus zu finden. Wir sollten diese Magie bei jedem Schritt unseres Weges benutzen! Wenn wir das getan hätten, könnten wir jetzt vielleicht schon am Strand sein.«

»So geht es nicht, Gavilan. Sie kann nicht alles.«

Aber er hörte nicht zu. »Noch schlimmer ist es, wie wir die Magie mißachten, die im Loden enthalten ist. Ja, sie wird gebraucht, um die Elfen und Arborlon auf der Reise zurück ins Westland zu behüten. Aber ist dazu die ganze Magie nötig? Ich glaube das keinen Augenblick!« Er ließ seine Hand kurzzeitig auf dem Ruhkstab ruhen. Seine Worte wurden plötzlich inbrünstig. »Warum sollen wir die Magie nicht gegen die Wesen gebrauchen, die uns jagen? Warum sollen wir uns nicht einfach einen Weg mitten durch sie hindurch brennen? Oder noch besser, warum sollen wir nicht etwas erschaffen, das dort hinausgehen und sie zerstören kann!«

Wren sah ihn an und konnte nicht glauben, was sie hörte. »Gavilan«, sagte sie ruhig. »Ich weiß alles über die Dämonen. Eowen hat es mir gesagt.«

Er zuckte die Achseln. »Es war an der Zeit, nehme ich an. Es lag an Ellenroh, daß es dir niemand vorher gesagt hat.«

»Wie auch immer«, fuhr sie fort, senkte ihre Stimme und verlieh ihr Festigkeit, »wie kannst du nur vorschlagen, die Magie dazu zu benutzen, etwas anderes zu erschaffen?«

Sein Gesicht verhärtete sich. »Warum? Weil etwas schiefgegangen ist, als sie früher benutzt wurde? Weil jene, die sie gebraucht haben, nicht die Fähigkeit oder die Kraft oder das Gefühl dafür hatten, sie angemessen zu benutzen?«

Sie schüttelte schweigend den Kopf.

»Wren! Die Magie muß benutzt werden! Sie muß es! Dafür vor allem ist sie gedacht! Wenn wir keinen Gebrauch davon machen, wird jemand anderes es tun, und was dann? Das ist kein Spiel. Soviel weißt auch du. Es gibt Wesen dort draußen, die so gefährlich sind, daß...«

»Wesen, die die Elfen geschaffen haben!« sagte sie ärgerlich.

»Ja. Durch einen Fehler, das gebe ich zu! Aber andere hätten sie geschaffen, wenn wir es nicht getan hätten!«

»Das kannst du nicht wissen!«

»Das ist doch gleichgültig. Die Tatsache, daß wir sie aus gutem Grund geschaffen haben, bleibt! Wir haben viel gelernt! Die Schöpfung liegt in der Seele dessen, der die Macht ausübt! Es ist lediglich die Intensität des Wunsches und die richtige Steuerung der Bedürfnisse, die noch notwendig ist! Dieses Mal können wir es richtig machen!«

Er brach ab und wartete auf ihre Antwort. Sie sahen einander schweigend an. Dann atmete Wren tief durch und griff hinab, um seine Hand von dem Stab zu nehmen. »Ich glaube nicht, daß du noch mehr sagen solltest.«

Sein Lächeln war bitter und ironisch. »Es gab eine Situation, da warst du ärgerlich, weil ich nicht genug gesagt hatte.«

»Gavilan«, flüsterte sie.

»Glaubst du, daß dies alles einfach verschwindet, wenn wir nicht darüber reden, daß sich alles irgendwie von selbst klären wird?«

Sie schüttelte langsam und traurig den Kopf.

Er beugte sich zu ihr, und seine Hände schlössen sich fest um ihre. Sie versuchte nicht, sie fortzuziehen, denn sie war gleichzeitig fasziniert und abgestoßen von dem, was sie in seinen Augen sah. Sie spürte, daß in ihr Kummer hochstieg. »Hör mir zu, Wren«, sagte er und schüttelte den Kopf über etwas, das sie offenbar nicht wahrnahm. »Es gibt eine besondere Bindung zwischen uns. Ich habe das vom ersten Moment an gespürt, als ich dich sah. In jener Nacht bereits, als du nach Arborlon kamst und dich noch fragtest, warum du gesandt worden warst. Ich wußte es. Ich wußte es schon damals, aber es war zu früh, darüber zu sprechen. Du bist Alleynes Tochter und hast das Elessedilblut. Du hast Mut und Stärke. Du hast bereits mehr getan, als irgend jemand je von dir hätte verlangen können.

Aber, Wren, nichts davon ist wirklich dein Problem. Die Elfen sind nicht dein Volk, und Arborlon ist nicht deine Stadt. Ich weiß das. Ich weiß, wie fremd dir alles sein muß. Ellenroh hat allerdings nie verstanden, daß man niemanden bitten kann, Verantwortung für Dinge zu übernehmen, wenn der oder die Betreffende mit dieser Verantwortung nicht aufgewachsen ist. Sie hat nie verstanden, daß sie jemanden niemals genauso zurückhaben kann, wie er früher war, wenn sie ihn erst einmal fortgesandt hat. So hat sie Alleyne verloren! Nun, sieh. Sie hat dir den Ruhkstab und den Loden übergeben, die Elfen und Arborlon, die ganze Zukunft eines Volkes, und dir befohlen, Königin zu sein. Aber du willst in Wirklichkeit doch gar nichts davon, nicht wahr?«

»Das wollte ich nicht«, gab sie zu. »Früher.«

Ihm entging ihr Zögern. »Dann gib es auf! Mach Schluß damit! Laß mich den Stab und den Stein nehmen und sie gebrauchen, wie sie gebraucht werden sollten – um gegen die Monster zu kämpfen, die uns verfolgen, um diejenigen zu zerstören, die Morrowindl in diesen Alptraum verwandelt haben!«

»Welche Monster?« fragte sie sanft.

»Was?«

»Welche Monster? Die Dämonen oder die Elfen? Welche meinst du?«

Er sah sie verständnislos an, und sie fühlte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Seine Augen waren klar und ärgerlich, und sein Gesicht war angespannt. Er schien so überzeugt. »Die Elfen«, flüsterte sie, »sind diejenigen, die Morrowindl zerstört haben.«

»Nein«, antwortete er sofort und ohne zu zögern.

»Sie haben die Dämonen geschaffen, Gavilan.«

Er schüttelte heftig den Kopf. »Alte Männer haben sie in einer anderen Zeit geschaffen. Ein Fehler wie dieser wird sicher nicht wieder passieren. Ich würde es nicht zulassen. Die Magie kann besser angewandt werden, Wren. Du weißt, daß das wahr ist. Haben die Ohmsfords nicht immer einen Weg gefunden? Haben nicht auch die Druiden das getan? Laß es mich versuchen! Ich kann diesen Wesen gegenübertreten, ich kann tun, was notwendig ist! Du willst den Stab nicht, das hast du selbst gesagt! Gib ihn mir!«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«

Gavilan versteifte sich, und seine Hände zogen sich zurück. »Warum nicht, Wren? Sag mir, warum nicht.«

Sie konnte es ihm natürlich nicht sagen. Sie konnte die Worte nicht finden, und selbst wenn sie die Worte hätte finden können, wäre sie nicht in der Lage gewesen, sie auszusprechen.

»Ich habe ein Versprechen gegeben«, sagte sie statt dessen und wünschte, daß er die Angelegenheit ruhen lassen würde, daß er seine Forderung aufgeben und erkennen würde, wie falsch es von ihm war, darum zu bitten.

»Du hast es versprochen?« keuchte er. »Wem?«

»Der Königin«, beharrte sie stur.

»Der Königin? Schatten, Wren, was sind die schon wert? Die Königin ist tot!«

Und da schlug sie ihn und traf ihn hart ins Gesicht. Es war ein Schlag, der seinen Kopf zurückfliegen ließ. Er blieb einen Moment abgewandt und richtete sich dann auf. »Du kannst mich ruhig noch einmal schlagen, wenn du dich danach besser fühlst.«

»Ich fühle mich furchtbar«, flüsterte sie, wand sich innerlich und wurde zu Eis. »Aber das hättest du nicht sagen dürfen.«

Er betrachtete sie einen Moment verbittert, und sie verspürte den Wunsch, ihn so wiederzubekommen, wie er gewesen war, als sie noch in Arborlon waren, als er charmant und freundlich gewesen war, ein Freund, den sie brauchte und der sie vor dem Hohen Konzil geküßt und sich um sie gesorgt hatte.

Sein hübsches Gesicht war angespannt vor Entschlossenheit. »Du mußt mich die Magie des Loden benutzen lassen, Wren.«

Sie schüttelte fest den Kopf. »Nein.«

Er drängte aggressiv vorwärts, fast als wolle er sie angreifen. »Wenn du es nicht tust, werden wir nicht überleben. Wir können es nicht. Du hast nicht das...«

»Nicht, Gavilan«, warf sie ein, und ihre Hand legte sich schnell auf seine Lippen. »Sag es nicht! Sag nichts mehr!«

Die plötzliche Geste ließ sie beide einen Moment innehalten, und der Wind, der in einer plötzlichen Böe vorbeiblies, ließ Wren erzittern. Langsam nahm sie ihre Hand fort. »Geh schlafen«, drängte sie und kämpfte um Festigkeit in ihrer Stimme. »Du bist müde.«

Er lehnte sich leicht zurück. Es war nur eine kleine Bewegung, eine, die ihn nur Zentimeter von ihr entfernte – und doch konnte sie das Zerreißen des Bandes zwischen ihnen genauso deutlich spüren, als wären es Seile, die mit einem Messer durchschnitten werden.

»Ich werde gehen«, sagte er ruhig, aber mit unüberhörbarem Ärger in der Stimme. Er erhob sich und schaute zu ihr hinab. »Ich war dein Freund. Ich wäre es noch immer, wenn du mich lassen würdest.«

»Ich weiß«, sagte sie.

Er blieb einen Moment, wo er war, als sei er unentschlossen, was er als nächstes tun sollte, ob er bleiben oder gehen sollte, ob er sprechen oder schweigen sollte. Er schaute durch die Dunkelheit zurück in den Dunst. »Hier werde ich nicht sterben«, flüsterte er.

Dann wandte er sich um und ging davon. Wren blieb sitzen, wo sie war, und sah ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war. Tränen traten in ihre Augen, aber sie wischte sie schnell fort. Gavilan hatte sie verletzt, und das machte sie wütend. Er brachte sie dazu, alles anzuzweifeln, was sie beschlossen hatte, und sich zu fragen, ob sie überhaupt wußte, was sie tat. Er brachte sie dazu, sich dumm zu fühlen und selbstsüchtig und naiv. Sie wünschte, sie wäre niemals losgegangen, um mit dem Schatten Allanons zu sprechen, niemals nach Morrowindl gekommen und hätte niemals die Elfen und ihre Stadt und den Schrecken ihrer Existenz entdeckt – sie wünschte, daß nichts davon jemals geschehen wäre.

Sie wünschte, sie hätte niemals ihre Großmutter getroffen.

Nein! wies sie sich scharf zurecht. Wünsche dir das niemals wieder!

Aber tief in ihrem Inneren tat sie es doch.

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